• August Wilhelm von Schlegel to Helmina von Chézy

  • Place of Dispatch: Coppet · Place of Destination: Paris · Date: 16.11.1809
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Helmina von Chézy
  • Place of Dispatch: Coppet
  • Place of Destination: Paris
  • Date: 16.11.1809
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 249‒250.
  • Incipit: „[1] C.[oppet] d. 16ten Nov. [180]9
    Sie sind ein liebes kleines schmeichelhaftes Wesen, Helmina, und könnten einem leicht allerley thörichte Einbildungen in [...]“
    Manuscript
  • Provider: Kraków, Biblioteka Jagiellońska
    Language
  • German
[1] C.[oppet] d. 16ten Nov. [180]9
Sie sind ein liebes kleines schmeichelhaftes Wesen, Helmina, und könnten einem leicht allerley thörichte Einbildungen in den Kopf setzen. Wie konnte ich mir nur im Traum einfallen lassen, daß meine großen oder kleinen Reisen Ihnen etwas verschlagen würden, da ich doch einmal nicht bestimmt bin in Paris zu leben. Entfernen Sie nur alle diese weiblichen Ängstlichkeiten. Das Meer ist so gut wie andre befahrne Landstraßen, und rüttelt weniger. Amerikanische Frauen mit unmündigen Kindern legen häufig diesen Weg zurück, aus keinem triftigeren Grunde, als um sich einmal Europa zu besehen. Das gelbe Fieber ist nur in den Seeplätzen zu fürchten, man geht ihm durch eine kleine Reise aufs Land aus dem Wege, und überhaupt ist kein Klima gefährlich, wenn man alle Bequemlichkeiten hat, um in seiner Lebensweise die gehörigen Einrichtungen dagegen zu [2] treffen. In ein paar Jahren spätestens bin ich wieder zurück und vielleicht sieht es dann in Europa erfreulicher aus als jetzt. – Diese Reise habe ich versprochen, aber ich hätte sonst noch zu mancher andern Lust. Spanien muß ich nothwendig sehen, Mexico und Brasilien stechen mir sehr in die Augen, und dann möchte ich wohl am Ganges einen Besuch bey den Braminen ablegen, gemeinschaftlich mit meinem Bruder. Ich bin recht eigentlich zum Herumschweifen berufen, da mich kein Familienverhältniß bindet, und mein Vaterland mir nicht gefallen kann. Doch dieß sind alles luftige Einfälle ins blaue und weite hinaus. Nahe und gewiß ist meine Aussicht, Sie während einiger Tage in P.[aris] zu sehen, und dann wollen wir manches absprechen, was für Briefe zu weitläuftig ist. Ich nehme herzlichen Antheil an der Verbesserung Ihrer Lage und der Benutzung ihrer schönen Talente. Zum Calderon muntre ich Sie in allem Ernste auf. Wären [3] wir länger beysammen, so könnte ich Ihnen dabey nützlich werden; so aber weiß ich Ihnen nichts zu rathen, als daß Sie sich die Mühe nicht verdrießen lassen, die fünf von mir übersetzten Stücke sorgfältig mit dem Originale zu vergleichen. Auf diese Art werden Sie die Mängel gewahr werden, und auch die Kunstgriffe ablernen. Das leichteste wäre wohl, sie fingen mit einem musikalisch-fantastischen Stücke an, etwa Echo und Narciß; alsdann sind die religiösen besonders zu empfehlen.
Die Schrift meines Bruders wird, wie ich kürzlich erfahren, von einem Prof. Manget aus Genf übersetzt. Was meynen Sie, wenn Sie meine Vorlesungen in Frankreich einführten? Der Vorschlag klingt sehr eitel, aber ich denke, das Buch würde sich Leser schaffen, und ziemlich leicht übersetzbar seyn. Ist es Ihnen noch nicht zu Gesicht gekommen? Sie erwähnen ja nichts davon.
Vielen Dank für die lieblichen Lieder. [4] Eines kannte ich schon. Das Mädchen und die Welle ist besonders zart.
Da ich mit der Ausarbeitung meiner Vorlesungen hier nicht ganz zu Stande kommen kann, und gerade vom Englischen und Spanischen Theater handle, so liegt mir daran zu wissen, was ich an Büchern von Paris aufs Land eine Tagereise weit hinaus bekommen könnte, durch die Gefälligkeit von Freunden, versteht sich, denn aus der öffentlichen Bibliothek dürfen die Bücher ja nicht verschickt werden. Hier besitze ich alles selbst, was ich nachzulesen brauche, aber ich kann keine Bücherkarren nachschleppen. Melden Sie mir also recht bald ob Sie für mich dort wissen: Calderons sämtliche Werke, Moreto, etwas von Lope, Huerta teatro español, u.s.w. Und von Engländern: B.[en] Jonson, Beaumont und Fletcher, Massinger, Dryden, Rowe, Otway, Lee, Congreve, Wicherley pp.
Leben Sie indessen so gesund und wohl als es gehen will. Auf baldiges Wiedersehen. Ihr freundlichst gesinnter
W.
Auf Koreff, den ich sehr grüße, dürfte ich bey den Büchern wohl besonders rechnen.
[1] C.[oppet] d. 16ten Nov. [180]9
Sie sind ein liebes kleines schmeichelhaftes Wesen, Helmina, und könnten einem leicht allerley thörichte Einbildungen in den Kopf setzen. Wie konnte ich mir nur im Traum einfallen lassen, daß meine großen oder kleinen Reisen Ihnen etwas verschlagen würden, da ich doch einmal nicht bestimmt bin in Paris zu leben. Entfernen Sie nur alle diese weiblichen Ängstlichkeiten. Das Meer ist so gut wie andre befahrne Landstraßen, und rüttelt weniger. Amerikanische Frauen mit unmündigen Kindern legen häufig diesen Weg zurück, aus keinem triftigeren Grunde, als um sich einmal Europa zu besehen. Das gelbe Fieber ist nur in den Seeplätzen zu fürchten, man geht ihm durch eine kleine Reise aufs Land aus dem Wege, und überhaupt ist kein Klima gefährlich, wenn man alle Bequemlichkeiten hat, um in seiner Lebensweise die gehörigen Einrichtungen dagegen zu [2] treffen. In ein paar Jahren spätestens bin ich wieder zurück und vielleicht sieht es dann in Europa erfreulicher aus als jetzt. – Diese Reise habe ich versprochen, aber ich hätte sonst noch zu mancher andern Lust. Spanien muß ich nothwendig sehen, Mexico und Brasilien stechen mir sehr in die Augen, und dann möchte ich wohl am Ganges einen Besuch bey den Braminen ablegen, gemeinschaftlich mit meinem Bruder. Ich bin recht eigentlich zum Herumschweifen berufen, da mich kein Familienverhältniß bindet, und mein Vaterland mir nicht gefallen kann. Doch dieß sind alles luftige Einfälle ins blaue und weite hinaus. Nahe und gewiß ist meine Aussicht, Sie während einiger Tage in P.[aris] zu sehen, und dann wollen wir manches absprechen, was für Briefe zu weitläuftig ist. Ich nehme herzlichen Antheil an der Verbesserung Ihrer Lage und der Benutzung ihrer schönen Talente. Zum Calderon muntre ich Sie in allem Ernste auf. Wären [3] wir länger beysammen, so könnte ich Ihnen dabey nützlich werden; so aber weiß ich Ihnen nichts zu rathen, als daß Sie sich die Mühe nicht verdrießen lassen, die fünf von mir übersetzten Stücke sorgfältig mit dem Originale zu vergleichen. Auf diese Art werden Sie die Mängel gewahr werden, und auch die Kunstgriffe ablernen. Das leichteste wäre wohl, sie fingen mit einem musikalisch-fantastischen Stücke an, etwa Echo und Narciß; alsdann sind die religiösen besonders zu empfehlen.
Die Schrift meines Bruders wird, wie ich kürzlich erfahren, von einem Prof. Manget aus Genf übersetzt. Was meynen Sie, wenn Sie meine Vorlesungen in Frankreich einführten? Der Vorschlag klingt sehr eitel, aber ich denke, das Buch würde sich Leser schaffen, und ziemlich leicht übersetzbar seyn. Ist es Ihnen noch nicht zu Gesicht gekommen? Sie erwähnen ja nichts davon.
Vielen Dank für die lieblichen Lieder. [4] Eines kannte ich schon. Das Mädchen und die Welle ist besonders zart.
Da ich mit der Ausarbeitung meiner Vorlesungen hier nicht ganz zu Stande kommen kann, und gerade vom Englischen und Spanischen Theater handle, so liegt mir daran zu wissen, was ich an Büchern von Paris aufs Land eine Tagereise weit hinaus bekommen könnte, durch die Gefälligkeit von Freunden, versteht sich, denn aus der öffentlichen Bibliothek dürfen die Bücher ja nicht verschickt werden. Hier besitze ich alles selbst, was ich nachzulesen brauche, aber ich kann keine Bücherkarren nachschleppen. Melden Sie mir also recht bald ob Sie für mich dort wissen: Calderons sämtliche Werke, Moreto, etwas von Lope, Huerta teatro español, u.s.w. Und von Engländern: B.[en] Jonson, Beaumont und Fletcher, Massinger, Dryden, Rowe, Otway, Lee, Congreve, Wicherley pp.
Leben Sie indessen so gesund und wohl als es gehen will. Auf baldiges Wiedersehen. Ihr freundlichst gesinnter
W.
Auf Koreff, den ich sehr grüße, dürfte ich bey den Büchern wohl besonders rechnen.
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