• August Wilhelm von Schlegel to Friedrich Wilken

  • Place of Dispatch: Coppet · Place of Destination: Heidelberg · Date: 06.11.1811
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Friedrich Wilken
  • Place of Dispatch: Coppet
  • Place of Destination: Heidelberg
  • Date: 06.11.1811
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 268‒270.
  • Incipit: „[1] Coppet d. 6ten Nov. 1811
    Hochgeehrtester Herr Professor!
    Ew. Wohlgeb. beschämen mich durch Ihre verbindlichen Zeilen vom 21ten v. M., da ich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-37212
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.8,Nr.74(1)
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,3 x 12,5 cm
    Language
  • German
[1] Coppet d. 6ten Nov. 1811
Hochgeehrtester Herr Professor!
Ew. Wohlgeb. beschämen mich durch Ihre verbindlichen Zeilen vom 21ten v. M., da ich es mir längst zum Vorwurf machte, Ihnen noch immer eine Antwort schuldig geblieben zu seyn. Nächst meinen Reisen und andern Abhaltungen war jedoch die Hauptursache meines Stillschweigens, daß ich nicht gern eher schreiben wollte, bis ich wenigstens einen Theil meiner Versprechungen gehalten hätte. Die Recension von Docens Schrift wird in Ihren Händen seyn; vielleicht finden Sie nun, daß sie für eine so kleine Abhandlung zu weitläuftig ausgefallen sey. Doch Sie kennen schon meine Weise, bey Recensionen allgemeinere Gegenstände anzuregen: es kommt weniger darauf an, wie lang oder wie kurz ein Buch ist, als darauf, ob es etwas neues zu Tage fördert, und ob sich dabey etwas ersprießliches mittheilen läßt.
Wenn mir noch einige ungestörte Muße gegönnt ist, so werde ich ferner die versprochnen Beyträge zu liefern suchen, zunächst Winkelmannʼs Werke. Mit den Riepenhausischen Blättern, das scheint mir weniger dringend, da soviel ich weiß, [2] noch keine Fortsetzung erschienen ist, und wie ich fürchte, das ganze Unternehmen, woran doch manches zu loben ist, ins Stocken geräth. Bey den folgenden Heften könnte am schicklichsten die Revision der ersten vorgenommen werden.
Sollte ich künftig in der Lage seyn, theil nehmen zu können, so würde ich bitten, mir die altdeutschen Sachen (mit Ausnahme solcher, wozu Kenntniß der nordischen Sprachen gehört) zuzuweisen; ich habe eine besondere Neigung zu diesem Fach. Z. B. Grimms altd. Meistergesang habe ich schon gelesen, und könnte gar bald eine Anzeige davon liefern. Auch von der Hagenʼs Heldenbuch würde ich gern übernehmen. Wiewohl die bisherigen Anzeigen altdeutscher Sachen von den Herren Grimm sehr gelehrt sind, so kann ich doch nicht sagen, daß sie mir erfreulich oder der Sache fördersam schienen.
Ich danke Ihnen für die Veranstaltungen, so Sie getroffen, die letzten Theile meines Shakspeare und des Spanischen Theaters zur Anzeige zu bringen. Die Wahl eines Recensenten meiner Gedichte muß ich ganz Ihrer Einsicht überlassen; ich weiß eben niemanden vorzuschlagen. Aber es freut mich von ganzem Herzen, daß Sie die Vorlesungen meines Bruders selbst übernommen: da dürfen [3] wir also gründliche Belehrungen erwarten.
Wäre ich in Ihrer Nähe, und genösse das Vergnügen der mündlichen Mittheilung, so würde ich mir manche Bemerkungen erlauben, sowohl über die Wahl der Bücher, als über die Wahl der Recensenten und über ihre Schreibart. Mir scheint, der Zweck jeder Zeitschrift sollte jetzt vornämlich seyn, die Gedanken und Gesinnungen der Leser auf dasjenige zu richten, was sie als Nation angeht. In dieser Beziehung mag man wohl auf unsre Litteratur das Wort des Apostels anwenden: Wirket, so lange es Tag ist, es kommt die Nacht, da niemand wirken kann!
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ew. Wohlgeb.
ergebenster
A. W. Schlegel
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[1] Coppet d. 6ten Nov. 1811
Hochgeehrtester Herr Professor!
Ew. Wohlgeb. beschämen mich durch Ihre verbindlichen Zeilen vom 21ten v. M., da ich es mir längst zum Vorwurf machte, Ihnen noch immer eine Antwort schuldig geblieben zu seyn. Nächst meinen Reisen und andern Abhaltungen war jedoch die Hauptursache meines Stillschweigens, daß ich nicht gern eher schreiben wollte, bis ich wenigstens einen Theil meiner Versprechungen gehalten hätte. Die Recension von Docens Schrift wird in Ihren Händen seyn; vielleicht finden Sie nun, daß sie für eine so kleine Abhandlung zu weitläuftig ausgefallen sey. Doch Sie kennen schon meine Weise, bey Recensionen allgemeinere Gegenstände anzuregen: es kommt weniger darauf an, wie lang oder wie kurz ein Buch ist, als darauf, ob es etwas neues zu Tage fördert, und ob sich dabey etwas ersprießliches mittheilen läßt.
Wenn mir noch einige ungestörte Muße gegönnt ist, so werde ich ferner die versprochnen Beyträge zu liefern suchen, zunächst Winkelmannʼs Werke. Mit den Riepenhausischen Blättern, das scheint mir weniger dringend, da soviel ich weiß, [2] noch keine Fortsetzung erschienen ist, und wie ich fürchte, das ganze Unternehmen, woran doch manches zu loben ist, ins Stocken geräth. Bey den folgenden Heften könnte am schicklichsten die Revision der ersten vorgenommen werden.
Sollte ich künftig in der Lage seyn, theil nehmen zu können, so würde ich bitten, mir die altdeutschen Sachen (mit Ausnahme solcher, wozu Kenntniß der nordischen Sprachen gehört) zuzuweisen; ich habe eine besondere Neigung zu diesem Fach. Z. B. Grimms altd. Meistergesang habe ich schon gelesen, und könnte gar bald eine Anzeige davon liefern. Auch von der Hagenʼs Heldenbuch würde ich gern übernehmen. Wiewohl die bisherigen Anzeigen altdeutscher Sachen von den Herren Grimm sehr gelehrt sind, so kann ich doch nicht sagen, daß sie mir erfreulich oder der Sache fördersam schienen.
Ich danke Ihnen für die Veranstaltungen, so Sie getroffen, die letzten Theile meines Shakspeare und des Spanischen Theaters zur Anzeige zu bringen. Die Wahl eines Recensenten meiner Gedichte muß ich ganz Ihrer Einsicht überlassen; ich weiß eben niemanden vorzuschlagen. Aber es freut mich von ganzem Herzen, daß Sie die Vorlesungen meines Bruders selbst übernommen: da dürfen [3] wir also gründliche Belehrungen erwarten.
Wäre ich in Ihrer Nähe, und genösse das Vergnügen der mündlichen Mittheilung, so würde ich mir manche Bemerkungen erlauben, sowohl über die Wahl der Bücher, als über die Wahl der Recensenten und über ihre Schreibart. Mir scheint, der Zweck jeder Zeitschrift sollte jetzt vornämlich seyn, die Gedanken und Gesinnungen der Leser auf dasjenige zu richten, was sie als Nation angeht. In dieser Beziehung mag man wohl auf unsre Litteratur das Wort des Apostels anwenden: Wirket, so lange es Tag ist, es kommt die Nacht, da niemand wirken kann!
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ew. Wohlgeb.
ergebenster
A. W. Schlegel
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