• Heinrich Eberhard Gottlob Paulus , Sophie von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Heidelberg · Place of Destination: Bonn · Date: 16.12.1818
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Heinrich Eberhard Gottlob Paulus, Sophie von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Heidelberg
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 16.12.1818
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 343347008
  • Bibliography: Briefe von und an August Wilhelm Schlegel. Gesammelt und erläutert durch Josef Körner. Bd. 1. Zürich u.a. 1930, S. 343‒347.
  • Incipit: „[1] An Herrn Ritter, August Wilhelm von Schlegel.
    Sie wagten es, unter dem 16. Nov. mir von einem Bewusstseyn Ihrer durch göttliche [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-35010
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.17,Nr.40
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 25 x 19 cm
    Language
  • German
[1] An Herrn Ritter, August Wilhelm von Schlegel.
Sie wagten es, unter dem 16. Nov. mir von einem Bewusstseyn Ihrer durch göttliche und menschliche Rechte bekräftigten Ansprüche auf Sophie zu schreiben; von einem Erwerb, den Sie zu bewahren wissen würden. Sie wiederholen unter dem 25 und 30 Nov. von Ihren Rechten zu sprechen und vom Handeln nach Ihrer – Würde.
Auf den Boden des Rechts nöthigen Sie uns also zu tretten.
Von einem Bewusstseyn geheiligter Rechtsansprüche wagen Sie zu sprechen, während das Bewusstseyn Ihres Plans, innige Liebe, Gesundheit und Lebensgenuss des reinsten, edelsten, unbefangensten Wesens nur der entnervtesten Wollüstigkeit und Eitelkeit zum Opfer machen zu wollen, in Ihrem Innersten zu einer Hölle voll Scham und Selbstbestrafung für unersezliches Unrecht werden sollte.
Welche Entwürdigung Ihrer selbst! Welche Fortsezung Ihrer unerhörten Verstellungskunst!
Noch rede ich mit Ihnen aus den schmerzlichsten Gefühlen eines Mannes, der das Unglück hatte, neben solchen Geistesanlagen und Erfahrungen eine so abgefeimte Ver[2]stellungssucht, eine so unsinnige Sinnlichkeit, leider! allzu lange für unglaublich, für unmöglich zu halten.
Mit welcher Gewandtheit und Haltung zugleich wussten Sie Monate lang tagtäglich unsere aus frühern Jahren vorgefasste gute Meinung von Ihrem Zartgefühl durch trauliche Versicherungen, von Ihrer Sehnsucht nach stillem häuslichen Glück zu steigern und einem nur Geistesbildung, Empfindungen des Schönen und Guten, und Mässigung über alles schäzenden Herzen sich als liebenswürdig darzustellen.
Leider! war dies alles, wie Sie nachher einmal zu sagen sich vergassen – nur Ihre Sonntagsseite.
Doch liessen Sie, als Sie das Vertrauensvollste Jawort erhalten hatten, kaum, in einem Augenblick des Übermuths, Entwürfe der Eitelkeit und Unbeschränktheit merken, und plözlich, als Ihnen sogleich die besorgte Mutter entschieden erklärte, dass Sophie zu dergleichen Gesinnungen durchaus nicht passe und nicht passen wolle, verwandelte Ihre Geschmeidigkeit das Herausgesagte in Wirkungen der Vorsorge für die des höchsten und besten würdige Braut, und in ein zärtliches Vorgefühl dessen, was Sie, Ihr ganzes Wesen von neuem Leben durchdrungen findend, auch „Ihren Kindern“ schuldig seyn würden.
[3] Soll ich Ihnen aufzählen, wie Sie seit der Verbindung durch ein übelberechnetes Wechseln zwischen einem vornehmen Hofmeisterton und schnell trocknenden Thränen der Zärtlichkeit sich des arglosesten Gemüths immer mehr zu bemächtigen strebten, nur aber den ruhig beobachtenden Verstand allmählich von der duldendsten Liebe zum Mistrauen gegen Ihre Schlauheiten und Menschenverbildungskünste nöthigten.
Und nun endlich wollen Sie auf Rechte trozen, wollen so, wie die Klapperschlange ihren Raub durch blosse Blicke fesselt, durch Andeutung heiliger Ansprüche die Getäuschte in Ihre Nähe und Gewalt zu bringen versuchen, während ich mich überzeugen lassen muss, dass Sie – das reinste, edelste, unbefangenste Wesen zu nichts als einem Gegenstand der impotentesten Wollüstigkeit machen wollten und dass Sie, so schlau Sie oft von Ihrer die Jahre übertreffenden Gesundheit zu reden pflegten, mit all Ihren Reizmitteln zu nichts anderem fähig sind. Pfui! Pfui Schande und Abscheulichkeit. Flöhen Sie auch bis zum Indus, welchen Abscheu, welches Unheil der Verworfenheit müsste ganz Teutschland und das halbe Europa, wo Sie auf Ihre Celebrität stolz sind, Ihnen nachrufen, über diese Mischung von Arglist und Verrücktheit, die allein Sie bereden konnte, ein Mädchen von diesem Charakter, [4] das nur aus Achtung lieben kann, zum Reizmittel Ihrer kraftlosen Lüste und zum Spielzeug charackterloser Launen machen zu können und machen zu dürfen. Was muss hier grösser seyn, die physische Impotenz oder die moralische? wenn man neben einem solchen Betrug gegen ein solches Mädchen noch von persönlicher Würde reden will.
Allerdings hatten Sie der edlen Sophie ganze, treue Liebe. Wer hätte auch die ganze, unsern reinen Wünschen angepassteste Haltung Ihres früheren Benehmens für planmäßige Erkünstelung ansehen können? Aber schon zu Stuttgart, wissen Sie wohl, nöthigten Sie sie zu den ernsthaftesten Zweifeln über die Veränderlichkeit in Ihrem bald überzärtlichen bald unbekümmerten und gebieterischen Betragen. Durch die heiligste Zusicherungen wussten Sie, unter Thränen, alles in blosse Misverständnisse aufzulösen. Auch ich erklärte es gerne begütigend aus Zufälligkeiten. Aber auch als Sie mit Sophie allein hieher gereist waren, erfuhr ich von der guten, duldenden Seele das, was mich bewog, Ihnen ausdrücklich, wiewohl auf die schonendste Weise, Warnungen gegen das herzlose, egoistische Vornehmthun zu schreiben, welches nur da, wo man weder Liebe wolle noch gebe, [5] stattfinden möge. Sie können jenen Meinen noch von Stuttgart aus erhaltenen Brief nicht ignorieren. Ihre Versuche, bald mit Thränen bald mit herrischer Heftigkeit zu wechseln, dauerten dennoch fort. Indess redete ich zu Sophie nur von der Pflicht, erst alles mögliche durch Liebe und Beharrlichkeit zu versuchen. Ihre treue Liebe blieb Ihnen so lange, bis sie sich für eine vorsäzlich getäuschte und betrogene halten musste.
In jener Gesinnung ist ihr Briefgen kurz nach Ihrer Abreise geschrieben.
Leider! hatten Mutter und Tochter vor dieser Ihrer beschleunigten Abreise einander wegen Unpässlichkeit nicht vertraulich sprechen können. Daher blieb jener Ihr körperlicher Zustand, jenes mit Wollust gepaarte kraftlose Unwesen, welches Sie von jedem Heurathsantrag hätte zurückhalten müssen, länger unentdeckt. Unentdeckt blieb, wie Sie sich nicht scheuten, jedesmal, zu Ihren verheimlichten Waschungen und Reizmitteln ab- und zu-gehend, durch erneute, immer aber impotente Attentate Ihrer Wollüstigkeit zu fröhnen; wie überhaupt Sie nur auf sich, nicht auf die Gesundheit der Getäuschten, Rücksicht nahmen, während Sie von Ihren Vorsäzen, nur für Sophie zu leben, tausend Worte machen. – Trug und Täuschung [6] ist der Tod des Vertrauens! Ohne Vertrauen keine Liebe!! Blosse Worte aber machten Sie ja, seit Sie Rechte zu haben glauben, auch in andern bedeutenden Puncten.
Hatten Sie mir nicht zugesagt, sogleich nach der Verbindung ein genaues Verzeichniss der Bestandtheile und Documente Ihres Vermögens zu machen, einiges von Legaten, welche Sie Ihren Brüdern abgeben lassen wollten, zu benennen, Ihr ganzes Vermögen aber, neben dem, was die nach dem Badischen Landrecht bestimmte Gütergemeinschaft ohnehin der Gattin zutheilt, für Sophie testamentarisch zu bestimmen. Nur wegen dieser Zusage abstrahierte ich Zutrauensvoll den Tag vor der Trauung von dem Abfassen eines schriftlichen Ehevertrags. Sie sind abgereist, ohne durch eine solche Consignation und ohne durch Mittheilung eines solchen Testaments Ihr Wort gegen mich zu erfüllen; ungeachtet Sie es auch vor meiner Frau und Tochter wiederholt hatten. – Was Wunder! Hat doch Ihre Honneteté Ihnen zugelassen, sogar das, was Sie zum Brautgeschenk bestimmt haben wollten, nicht zu bezahlen und wie über Ihr privatives Eigenthum darüber disponieren zu wollen.
[7] So lange ich es irgend vermochte, habe ich Ihr sonstiges Betragen, da es zweydeutig zu werden anfing, auf das mildeste entschuldigt und zum besten gekehrt. Sie wissen Meinen Grundsaz. Ich vermeide jeden persönlichen Streit so sehr wie möglich. Wer mich aber dazu einmal nöthigt, mag es sich selbst zuschreiben, dass ich durch die entscheidendsten Mittel sein Unrecht abzutreiben keinen Augenblick ruhe und raste.
Wie gerne wären wir dieser Enthüllungen überhoben gewesen. Aber Sie beharren auf der Unbesonnenheit, Rechte haben zu wollen. Pflicht und Recht müssen Sie über Ihre Nullität zurechtweisen.
Sie haben den tadellosen Lebensgang der edelmüthigen Sophie entweyht. Sie haben reine Gefühle, die Erstlinge eines unschäzbaren Gemüths, durch ein Übermaas von Heucheley erregt und in ihrer schönsten Blüthe zerknickt. Sie haben das Lebensglück eines zu den frohesten Hofnungen berechtigten Mädchens zweifelhaft gemacht und, wenn die Tugend nicht alles vermöchte, schleichend zerrüttet. Sie haben als Wollüstling sich nicht gescheut, die reine Gabe der Gesundheit in ihr in Gefahr zu sezen.
Mein Innerstes gährt, wenn ich izt an alle Ihre Windungen zurückdenke. Ja wohl hatten Sie Ursache, Sophie lehren zu wollen, dass eine Gattin ihren Mann lieben müsste, auch wenn er ein Kain würde. [8] Wie vermöchten Sie, das Unersezliche zu vergüten!?
Doch! die crassesten Folgen dieser unaussprechlich trügerischen Verkehrtheiten müssen gehoben werden!
Würden Sie nicht – ohne Trug und Widerrede – alles das auf der Stelle erfüllen, was Ihnen Herr HofRath Haakh, ein erprobter, biderer, welterfahrner Rechtsfreund, aus Heilbronn, den wir hiezu nach unserm vollsten Zutrauen bevollmächtigt haben, und hiemit auf das rechtskräftigste bevollmächtigen, darüber, noch zur Schonung Ihrer öffentlichen Verhältnisse zur Bedingung machen wird; so wird von diesem Augenblick eine Untersuchungs-, Nullitäts- und Entschädigungsklage gegen Sie vor der – zum Glück – öffentlichen Justiz Ihrer Obrigkeit anhängig gemacht, deren Acten, wie dieser Brief, überall, wo Sie bekannt seyn mögen, sofort die größte Publicität erhalten sollen.
Heidelberg den 16 Dec. 1818
Geh. Kirchenrath, Dr H. E. G. Paulus
Was im obigen Meine Verhältnisse betrifft, ist nur allzu wahr, und Meiner unbestreitbaren Überzeugung gemäss. Auch Ich erkenne deswegen Herrn HofRath Haakh als Meinen Bevollmächtigten in dieser traurigen Angelegenheit.
Sophie Eleutherie von Schlegel, geb. Paulus
[1] An Herrn Ritter, August Wilhelm von Schlegel.
Sie wagten es, unter dem 16. Nov. mir von einem Bewusstseyn Ihrer durch göttliche und menschliche Rechte bekräftigten Ansprüche auf Sophie zu schreiben; von einem Erwerb, den Sie zu bewahren wissen würden. Sie wiederholen unter dem 25 und 30 Nov. von Ihren Rechten zu sprechen und vom Handeln nach Ihrer – Würde.
Auf den Boden des Rechts nöthigen Sie uns also zu tretten.
Von einem Bewusstseyn geheiligter Rechtsansprüche wagen Sie zu sprechen, während das Bewusstseyn Ihres Plans, innige Liebe, Gesundheit und Lebensgenuss des reinsten, edelsten, unbefangensten Wesens nur der entnervtesten Wollüstigkeit und Eitelkeit zum Opfer machen zu wollen, in Ihrem Innersten zu einer Hölle voll Scham und Selbstbestrafung für unersezliches Unrecht werden sollte.
Welche Entwürdigung Ihrer selbst! Welche Fortsezung Ihrer unerhörten Verstellungskunst!
Noch rede ich mit Ihnen aus den schmerzlichsten Gefühlen eines Mannes, der das Unglück hatte, neben solchen Geistesanlagen und Erfahrungen eine so abgefeimte Ver[2]stellungssucht, eine so unsinnige Sinnlichkeit, leider! allzu lange für unglaublich, für unmöglich zu halten.
Mit welcher Gewandtheit und Haltung zugleich wussten Sie Monate lang tagtäglich unsere aus frühern Jahren vorgefasste gute Meinung von Ihrem Zartgefühl durch trauliche Versicherungen, von Ihrer Sehnsucht nach stillem häuslichen Glück zu steigern und einem nur Geistesbildung, Empfindungen des Schönen und Guten, und Mässigung über alles schäzenden Herzen sich als liebenswürdig darzustellen.
Leider! war dies alles, wie Sie nachher einmal zu sagen sich vergassen – nur Ihre Sonntagsseite.
Doch liessen Sie, als Sie das Vertrauensvollste Jawort erhalten hatten, kaum, in einem Augenblick des Übermuths, Entwürfe der Eitelkeit und Unbeschränktheit merken, und plözlich, als Ihnen sogleich die besorgte Mutter entschieden erklärte, dass Sophie zu dergleichen Gesinnungen durchaus nicht passe und nicht passen wolle, verwandelte Ihre Geschmeidigkeit das Herausgesagte in Wirkungen der Vorsorge für die des höchsten und besten würdige Braut, und in ein zärtliches Vorgefühl dessen, was Sie, Ihr ganzes Wesen von neuem Leben durchdrungen findend, auch „Ihren Kindern“ schuldig seyn würden.
[3] Soll ich Ihnen aufzählen, wie Sie seit der Verbindung durch ein übelberechnetes Wechseln zwischen einem vornehmen Hofmeisterton und schnell trocknenden Thränen der Zärtlichkeit sich des arglosesten Gemüths immer mehr zu bemächtigen strebten, nur aber den ruhig beobachtenden Verstand allmählich von der duldendsten Liebe zum Mistrauen gegen Ihre Schlauheiten und Menschenverbildungskünste nöthigten.
Und nun endlich wollen Sie auf Rechte trozen, wollen so, wie die Klapperschlange ihren Raub durch blosse Blicke fesselt, durch Andeutung heiliger Ansprüche die Getäuschte in Ihre Nähe und Gewalt zu bringen versuchen, während ich mich überzeugen lassen muss, dass Sie – das reinste, edelste, unbefangenste Wesen zu nichts als einem Gegenstand der impotentesten Wollüstigkeit machen wollten und dass Sie, so schlau Sie oft von Ihrer die Jahre übertreffenden Gesundheit zu reden pflegten, mit all Ihren Reizmitteln zu nichts anderem fähig sind. Pfui! Pfui Schande und Abscheulichkeit. Flöhen Sie auch bis zum Indus, welchen Abscheu, welches Unheil der Verworfenheit müsste ganz Teutschland und das halbe Europa, wo Sie auf Ihre Celebrität stolz sind, Ihnen nachrufen, über diese Mischung von Arglist und Verrücktheit, die allein Sie bereden konnte, ein Mädchen von diesem Charakter, [4] das nur aus Achtung lieben kann, zum Reizmittel Ihrer kraftlosen Lüste und zum Spielzeug charackterloser Launen machen zu können und machen zu dürfen. Was muss hier grösser seyn, die physische Impotenz oder die moralische? wenn man neben einem solchen Betrug gegen ein solches Mädchen noch von persönlicher Würde reden will.
Allerdings hatten Sie der edlen Sophie ganze, treue Liebe. Wer hätte auch die ganze, unsern reinen Wünschen angepassteste Haltung Ihres früheren Benehmens für planmäßige Erkünstelung ansehen können? Aber schon zu Stuttgart, wissen Sie wohl, nöthigten Sie sie zu den ernsthaftesten Zweifeln über die Veränderlichkeit in Ihrem bald überzärtlichen bald unbekümmerten und gebieterischen Betragen. Durch die heiligste Zusicherungen wussten Sie, unter Thränen, alles in blosse Misverständnisse aufzulösen. Auch ich erklärte es gerne begütigend aus Zufälligkeiten. Aber auch als Sie mit Sophie allein hieher gereist waren, erfuhr ich von der guten, duldenden Seele das, was mich bewog, Ihnen ausdrücklich, wiewohl auf die schonendste Weise, Warnungen gegen das herzlose, egoistische Vornehmthun zu schreiben, welches nur da, wo man weder Liebe wolle noch gebe, [5] stattfinden möge. Sie können jenen Meinen noch von Stuttgart aus erhaltenen Brief nicht ignorieren. Ihre Versuche, bald mit Thränen bald mit herrischer Heftigkeit zu wechseln, dauerten dennoch fort. Indess redete ich zu Sophie nur von der Pflicht, erst alles mögliche durch Liebe und Beharrlichkeit zu versuchen. Ihre treue Liebe blieb Ihnen so lange, bis sie sich für eine vorsäzlich getäuschte und betrogene halten musste.
In jener Gesinnung ist ihr Briefgen kurz nach Ihrer Abreise geschrieben.
Leider! hatten Mutter und Tochter vor dieser Ihrer beschleunigten Abreise einander wegen Unpässlichkeit nicht vertraulich sprechen können. Daher blieb jener Ihr körperlicher Zustand, jenes mit Wollust gepaarte kraftlose Unwesen, welches Sie von jedem Heurathsantrag hätte zurückhalten müssen, länger unentdeckt. Unentdeckt blieb, wie Sie sich nicht scheuten, jedesmal, zu Ihren verheimlichten Waschungen und Reizmitteln ab- und zu-gehend, durch erneute, immer aber impotente Attentate Ihrer Wollüstigkeit zu fröhnen; wie überhaupt Sie nur auf sich, nicht auf die Gesundheit der Getäuschten, Rücksicht nahmen, während Sie von Ihren Vorsäzen, nur für Sophie zu leben, tausend Worte machen. – Trug und Täuschung [6] ist der Tod des Vertrauens! Ohne Vertrauen keine Liebe!! Blosse Worte aber machten Sie ja, seit Sie Rechte zu haben glauben, auch in andern bedeutenden Puncten.
Hatten Sie mir nicht zugesagt, sogleich nach der Verbindung ein genaues Verzeichniss der Bestandtheile und Documente Ihres Vermögens zu machen, einiges von Legaten, welche Sie Ihren Brüdern abgeben lassen wollten, zu benennen, Ihr ganzes Vermögen aber, neben dem, was die nach dem Badischen Landrecht bestimmte Gütergemeinschaft ohnehin der Gattin zutheilt, für Sophie testamentarisch zu bestimmen. Nur wegen dieser Zusage abstrahierte ich Zutrauensvoll den Tag vor der Trauung von dem Abfassen eines schriftlichen Ehevertrags. Sie sind abgereist, ohne durch eine solche Consignation und ohne durch Mittheilung eines solchen Testaments Ihr Wort gegen mich zu erfüllen; ungeachtet Sie es auch vor meiner Frau und Tochter wiederholt hatten. – Was Wunder! Hat doch Ihre Honneteté Ihnen zugelassen, sogar das, was Sie zum Brautgeschenk bestimmt haben wollten, nicht zu bezahlen und wie über Ihr privatives Eigenthum darüber disponieren zu wollen.
[7] So lange ich es irgend vermochte, habe ich Ihr sonstiges Betragen, da es zweydeutig zu werden anfing, auf das mildeste entschuldigt und zum besten gekehrt. Sie wissen Meinen Grundsaz. Ich vermeide jeden persönlichen Streit so sehr wie möglich. Wer mich aber dazu einmal nöthigt, mag es sich selbst zuschreiben, dass ich durch die entscheidendsten Mittel sein Unrecht abzutreiben keinen Augenblick ruhe und raste.
Wie gerne wären wir dieser Enthüllungen überhoben gewesen. Aber Sie beharren auf der Unbesonnenheit, Rechte haben zu wollen. Pflicht und Recht müssen Sie über Ihre Nullität zurechtweisen.
Sie haben den tadellosen Lebensgang der edelmüthigen Sophie entweyht. Sie haben reine Gefühle, die Erstlinge eines unschäzbaren Gemüths, durch ein Übermaas von Heucheley erregt und in ihrer schönsten Blüthe zerknickt. Sie haben das Lebensglück eines zu den frohesten Hofnungen berechtigten Mädchens zweifelhaft gemacht und, wenn die Tugend nicht alles vermöchte, schleichend zerrüttet. Sie haben als Wollüstling sich nicht gescheut, die reine Gabe der Gesundheit in ihr in Gefahr zu sezen.
Mein Innerstes gährt, wenn ich izt an alle Ihre Windungen zurückdenke. Ja wohl hatten Sie Ursache, Sophie lehren zu wollen, dass eine Gattin ihren Mann lieben müsste, auch wenn er ein Kain würde. [8] Wie vermöchten Sie, das Unersezliche zu vergüten!?
Doch! die crassesten Folgen dieser unaussprechlich trügerischen Verkehrtheiten müssen gehoben werden!
Würden Sie nicht – ohne Trug und Widerrede – alles das auf der Stelle erfüllen, was Ihnen Herr HofRath Haakh, ein erprobter, biderer, welterfahrner Rechtsfreund, aus Heilbronn, den wir hiezu nach unserm vollsten Zutrauen bevollmächtigt haben, und hiemit auf das rechtskräftigste bevollmächtigen, darüber, noch zur Schonung Ihrer öffentlichen Verhältnisse zur Bedingung machen wird; so wird von diesem Augenblick eine Untersuchungs-, Nullitäts- und Entschädigungsklage gegen Sie vor der – zum Glück – öffentlichen Justiz Ihrer Obrigkeit anhängig gemacht, deren Acten, wie dieser Brief, überall, wo Sie bekannt seyn mögen, sofort die größte Publicität erhalten sollen.
Heidelberg den 16 Dec. 1818
Geh. Kirchenrath, Dr H. E. G. Paulus
Was im obigen Meine Verhältnisse betrifft, ist nur allzu wahr, und Meiner unbestreitbaren Überzeugung gemäss. Auch Ich erkenne deswegen Herrn HofRath Haakh als Meinen Bevollmächtigten in dieser traurigen Angelegenheit.
Sophie Eleutherie von Schlegel, geb. Paulus
· Beiliegender Brief von/an A.W. Schlegel , 05.01.1819
· Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
· Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.23,Nr.114
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