• August Wilhelm von Schlegel to Sophie Bernhardi

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: [4. September 1801]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Sophie Bernhardi
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: [4. September 1801]
  • Notations: Datum sowie Absendeort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 17‒19.
  • Incipit: „[1] [Jena, 4. September 1801]
    Ich kann es nun nicht länger unterlassen, aus dem Herzen an Dich zu schreiben, was auch daraus [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,15,79
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,7 x 11,6 cm
    Language
  • German
[1] [Jena, 4. September 1801]
Ich kann es nun nicht länger unterlassen, aus dem Herzen an Dich zu schreiben, was auch daraus entstehn mag. Wie konntest Du glauben, daß mich irgend etwas andres davon abhielte, als die Besorgniß der Zufall möchte den Brief in fremde Hände spielen, und Dir Verdrießlichkeit daraus erwachsen. Um so eher konnte ich mir dieß als möglich denken, da Du von Unpäßlichkeiten schriebst. Ich stellte mir vor, mein Eifer die Rückkehr zu veranstalten, kaum da ich von der Reise hier zur Ruhe gekommen war, würde hinreichen, Dir die wahre Überzeugung von meinen Gesinnungen zu erhalten, und statt alles Schreibens gelten können. Aber so seyd ihr, immer mehr auf Reden als auf Handlungen zu geben. Nimm dieß nicht unfreundlich, liebe: mir wäre es eine Freude Dir mündlich und schriftlich ohne Ende zu wiederhohlen, daß ich Dein bin, Dir ganz angehöre, einzig für Dich leben will; daß ich mein Schicksal als an Dich geknüpft betrachte, und nicht umhin kann darauf zu sinnen auch das Deinige fester mit dem meinigen zu verknüpfen. Ich will nicht eher ruhn, bis ich Dich durch meine Liebe ganz glücklich sehe, bis der alte innre Zwist ausgeglichen und Dir alles erlittene [2] ersetzt ist. Sey nur auch sanft und geduldig und schone Dich selbst: gieb mir so den schönsten Beweis Deiner Zärtlichkeit.
Ich wollte, ich hätte Dich gar nicht verlassen dürfen, es war unvermeidlich, und hat mir den Gewinn gebracht, klarer zu sehen, daß gar kein äußerliches Hinderniß vorhanden ist, daß ich keine Lücke zurücklasse, wenn ich Dir mich ganz widme. Etwas anders fand ich es hier, als ich es mir nach dem Beysammensein in Br.[aunschweig] vorgestellt hatte, jedoch ohne darüber befremdet und noch weniger empfindlich werden zu dürfen. Ein freundliches und selbst freundschaftlich zärtliches Verhältniß wird zwischen mir und C.[aroline] immer fortdauern; sie macht gar keine Ansprüche an mich, begleitet aber jede meiner Thätigkeiten und mein ganzes Leben mit reger Theilnahme. Für sich selbst hat sie nach ihrer jetzigen Stimmung und körperlichen Verfassung schon ganz Abschied von der Welt genommen, und ihr Leben ist nur wie ein leichter Schein. Es tut mir weh, sie nicht zur Vertrautin machen zu dürfen. Eben darum wünschte ich, daß Du sie kennen lernen und Freundschaft mit ihr stiften möchtest. Da aber alles so steht, darf ich mit der Überredung, mich nach B.[erlin] zu begleiten, [3] nicht zu sehr in sie dringen. Auch ist sie, wie sichs jetzt zeigt, wirklich zu schwach. Ich hoffe daß sie noch ganz wieder aufleben soll, und dann kann der jetzige Zustand vielleicht verschwinden, ohne eine Spur zurückzulassen, doch kann man es nicht wissen.
Was soll mich denn außer Dir so sehr nach B.[erlin] locken? Das Äußerliche davon habe ich so ziemlich ausgenossen. Der Zirkel der Freunde? Er ist gewiß sehr erfreulich, aber ich habe hier wenigstens meinen Bruder und Schelling. – Wie kannst Du nur auf meine anscheinende Frivolität einen Nachdruck legen, die bloß die Zuflucht meiner Verlassenheit war?
Auch ich habe wohl Ersatz an das Schicksal zu fodern, er ist mir, wahrlich ganz ungehofft, und in solcher Fülle in Dir zutheil geworden. Daß ich so innig geliebt werde, und von einem Weibe wie Du, ist das schönste, ja das erste schöne Ereigniß meines Lebens. Ich werde es nicht verwahrlosen, ich werde die Feyerstunde nicht vorüber gehen lassen. Wie oft habe ich Dir nicht gesagt, forthin wolle und müsse ich für Dich leben, oder mir bliebe nur ein weltliches und äußerliches Leben über, mit und für niemand, von und zu nichts. Jetzt kann ich alle meine Thätigkeit auf Dich beziehen, und ich freue mich darauf recht viel schönes und herrliches hervorzubringen um es Dir zuzueignen.
[4] Mit der Aurelie, das ist ein schlechter Gedanke, über den ich Dir feind bin. Es verdienen es eben nicht alle, Dich als liebenswürdig zu kennen; aber Du bist es gewiß da, wo Du liebst, und in eben dem Maße, also für mich unendlich. Du weißt, was ich Dir von Deinem schönen Zorn gesagt habe, wiewohl er mich so sehr geängstigt hat, und ich also wohl parteyisch gegen ihn seyn könnte.
Hernach kann ich es auch nicht leiden, daß Du sagst, Du könntest niemals glücklich seyn. Wenn man liebt und wiedergeliebt wird, muß man es seyn wollen, wenn auch noch große Schritte dahin zu thun seyn sollten. Erhalte Dich nur unsrer Zukunft. Gesundheit ist das erste was man braucht um das Leben nach seinem Sinne einzurichten. Stärke und pflege Dich mir zu Liebe, glaube immer daß Du mir das zärtlichste damit erweisest. Könntest Du nur erst wieder an meinem Herzen ruhn. Ich bin voller Sehnsucht, und freue mich daß sie auf keine Weise zerstreut wird.
Noch lange möchte ich nicht abbrechen, wenn es aber von einem inneren Briefe abgeschält werden soll, so darf es doch kein Paket seyn. Du kannst keinen guten Doppelsinn in meine Briefe legen, den ich nicht beabsichtigt hätte.
Das nächstemal will ich einen Brief an Sch.[leiermacher] beylegen, auf eben die Weise wie diesen. Wie wäre es dann ferner zu machen, denn immer läßt sich dieß nicht wiederhohlen. Es ist hülflos, gar niemanden zum Vertrauten zu haben.
Deinen jüngsten Bruder bin ich sehr begierig zu sehen, ob er Dir wohl ähnlich ist. Ich werde mich recht bemühen, seine Zuneigung zu gewinnen. Leb wohl, leb recht wohl.
[1] [Jena, 4. September 1801]
Ich kann es nun nicht länger unterlassen, aus dem Herzen an Dich zu schreiben, was auch daraus entstehn mag. Wie konntest Du glauben, daß mich irgend etwas andres davon abhielte, als die Besorgniß der Zufall möchte den Brief in fremde Hände spielen, und Dir Verdrießlichkeit daraus erwachsen. Um so eher konnte ich mir dieß als möglich denken, da Du von Unpäßlichkeiten schriebst. Ich stellte mir vor, mein Eifer die Rückkehr zu veranstalten, kaum da ich von der Reise hier zur Ruhe gekommen war, würde hinreichen, Dir die wahre Überzeugung von meinen Gesinnungen zu erhalten, und statt alles Schreibens gelten können. Aber so seyd ihr, immer mehr auf Reden als auf Handlungen zu geben. Nimm dieß nicht unfreundlich, liebe: mir wäre es eine Freude Dir mündlich und schriftlich ohne Ende zu wiederhohlen, daß ich Dein bin, Dir ganz angehöre, einzig für Dich leben will; daß ich mein Schicksal als an Dich geknüpft betrachte, und nicht umhin kann darauf zu sinnen auch das Deinige fester mit dem meinigen zu verknüpfen. Ich will nicht eher ruhn, bis ich Dich durch meine Liebe ganz glücklich sehe, bis der alte innre Zwist ausgeglichen und Dir alles erlittene [2] ersetzt ist. Sey nur auch sanft und geduldig und schone Dich selbst: gieb mir so den schönsten Beweis Deiner Zärtlichkeit.
Ich wollte, ich hätte Dich gar nicht verlassen dürfen, es war unvermeidlich, und hat mir den Gewinn gebracht, klarer zu sehen, daß gar kein äußerliches Hinderniß vorhanden ist, daß ich keine Lücke zurücklasse, wenn ich Dir mich ganz widme. Etwas anders fand ich es hier, als ich es mir nach dem Beysammensein in Br.[aunschweig] vorgestellt hatte, jedoch ohne darüber befremdet und noch weniger empfindlich werden zu dürfen. Ein freundliches und selbst freundschaftlich zärtliches Verhältniß wird zwischen mir und C.[aroline] immer fortdauern; sie macht gar keine Ansprüche an mich, begleitet aber jede meiner Thätigkeiten und mein ganzes Leben mit reger Theilnahme. Für sich selbst hat sie nach ihrer jetzigen Stimmung und körperlichen Verfassung schon ganz Abschied von der Welt genommen, und ihr Leben ist nur wie ein leichter Schein. Es tut mir weh, sie nicht zur Vertrautin machen zu dürfen. Eben darum wünschte ich, daß Du sie kennen lernen und Freundschaft mit ihr stiften möchtest. Da aber alles so steht, darf ich mit der Überredung, mich nach B.[erlin] zu begleiten, [3] nicht zu sehr in sie dringen. Auch ist sie, wie sichs jetzt zeigt, wirklich zu schwach. Ich hoffe daß sie noch ganz wieder aufleben soll, und dann kann der jetzige Zustand vielleicht verschwinden, ohne eine Spur zurückzulassen, doch kann man es nicht wissen.
Was soll mich denn außer Dir so sehr nach B.[erlin] locken? Das Äußerliche davon habe ich so ziemlich ausgenossen. Der Zirkel der Freunde? Er ist gewiß sehr erfreulich, aber ich habe hier wenigstens meinen Bruder und Schelling. – Wie kannst Du nur auf meine anscheinende Frivolität einen Nachdruck legen, die bloß die Zuflucht meiner Verlassenheit war?
Auch ich habe wohl Ersatz an das Schicksal zu fodern, er ist mir, wahrlich ganz ungehofft, und in solcher Fülle in Dir zutheil geworden. Daß ich so innig geliebt werde, und von einem Weibe wie Du, ist das schönste, ja das erste schöne Ereigniß meines Lebens. Ich werde es nicht verwahrlosen, ich werde die Feyerstunde nicht vorüber gehen lassen. Wie oft habe ich Dir nicht gesagt, forthin wolle und müsse ich für Dich leben, oder mir bliebe nur ein weltliches und äußerliches Leben über, mit und für niemand, von und zu nichts. Jetzt kann ich alle meine Thätigkeit auf Dich beziehen, und ich freue mich darauf recht viel schönes und herrliches hervorzubringen um es Dir zuzueignen.
[4] Mit der Aurelie, das ist ein schlechter Gedanke, über den ich Dir feind bin. Es verdienen es eben nicht alle, Dich als liebenswürdig zu kennen; aber Du bist es gewiß da, wo Du liebst, und in eben dem Maße, also für mich unendlich. Du weißt, was ich Dir von Deinem schönen Zorn gesagt habe, wiewohl er mich so sehr geängstigt hat, und ich also wohl parteyisch gegen ihn seyn könnte.
Hernach kann ich es auch nicht leiden, daß Du sagst, Du könntest niemals glücklich seyn. Wenn man liebt und wiedergeliebt wird, muß man es seyn wollen, wenn auch noch große Schritte dahin zu thun seyn sollten. Erhalte Dich nur unsrer Zukunft. Gesundheit ist das erste was man braucht um das Leben nach seinem Sinne einzurichten. Stärke und pflege Dich mir zu Liebe, glaube immer daß Du mir das zärtlichste damit erweisest. Könntest Du nur erst wieder an meinem Herzen ruhn. Ich bin voller Sehnsucht, und freue mich daß sie auf keine Weise zerstreut wird.
Noch lange möchte ich nicht abbrechen, wenn es aber von einem inneren Briefe abgeschält werden soll, so darf es doch kein Paket seyn. Du kannst keinen guten Doppelsinn in meine Briefe legen, den ich nicht beabsichtigt hätte.
Das nächstemal will ich einen Brief an Sch.[leiermacher] beylegen, auf eben die Weise wie diesen. Wie wäre es dann ferner zu machen, denn immer läßt sich dieß nicht wiederhohlen. Es ist hülflos, gar niemanden zum Vertrauten zu haben.
Deinen jüngsten Bruder bin ich sehr begierig zu sehen, ob er Dir wohl ähnlich ist. Ich werde mich recht bemühen, seine Zuneigung zu gewinnen. Leb wohl, leb recht wohl.
· Beiliegender Brief von/an A.W. Schlegel , 04.09.1801
· Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
· Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.1,Nr.7b
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