• August Wilhelm von Schlegel to Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling

  • Place of Dispatch: Coppet · Place of Destination: München · Date: 26.03.1812
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling
  • Place of Dispatch: Coppet
  • Place of Destination: München
  • Date: 26.03.1812
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Marbach am Neckar, Deutsches Literaturarchiv
  • Classification Number: A:Schelling 56.561
  • Number of Pages: 6 S., hs. m. U.
  • Format: 8°
  • Incipit: „[1] Coppet d. 26sten März
    1812
    Verschiedene Reisen, die ungewisse Dauer meines Aufenthalts bald an diesem bald an jenem Orte, und andre [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
[1] Coppet d. 26sten März
1812
Verschiedene Reisen, die ungewisse Dauer meines Aufenthalts bald an diesem bald an jenem Orte, und andre zerstreuende Abhaltungen, mögen, wenn sie können, mich bey Ihnen entschuldigen, theuerster Freund, daß ich auf mehrere und sehr bedeutende Briefe so lange die Antwort schuldig blieb. Wenigstens habe ich Sorge getragen, daß die Ausführung des Denkmals nicht durch meine Schuld gehemmt würde, und die Sendung meiner Gedichte hat Ihnen bewiesen, daß ich Ihrer unterdessen freundschaftlich gedachte.
Zuerst einige Worte von dem Geschäft unserer Abrechnung, um dieses zu beseitigen. Das Capital ist abgetragen, nun bitte ich Sie um die Berechnung der Zinsen: nämlich für das Ganze vom Anfange an bis zu der ersten Zahlung, für 400 r. auf die Zwischenzeit von dieser bis zu der letzten. Ich habe die Zeiten nicht genau im Kopfe; sobald ich weiß, wie hoch sich meine Schuld noch beläuft, werde ich baldmöglichst für die Berichtigung sorgen.
Daß Sie nach Tiecks so langen, wiewohl zum Theil unwillkührlichen Zögerungen die Ausführung des Denkmals einem andern Bildhauer auf[2]getragen, darüber konnte ich mich weder verwundern, noch dagegen etwas einzuwenden haben. Nur Eine Bedenklichkeit wage ich Ihnen zu äußern. Nach dem ehemaligen Plane sollte das Brustbild der seligen Augusta einen Theil des Denkmals ausmachen. Wird Thorwaldson als Copist nach dem vorhandenen arbeiten wollen, und hat Tieck nicht ein Eigenthumsrecht auf seine Arbeit? Oder soll Thorwaldson nach den vorhandenen unvollkommnen Zeichnungen die Büste von neuem entwerfen, und wird nicht die Ähnlichkeit leiden, wenn er dabey nicht von Personen geleitet wird, welche die Verstorbene gekannt? Oder soll kein Bildniß bey dem Denkmale seyn?
Doch, Sie werden nach Ihren eignen Einsichten alles auf das schicklichste anzuordnen wissen. Ich wünsche dabey den besten Erfolg, und hoffe, es wird auch für mich die Zeit kommen, wo ich einmal zu dem Geliebten Grabe wallfahrten kann.
Tieck ist unterwegs nach Italien, er hat sich in Bern einige Wochen bey mir verweilt: ich hielt ihn geflissentlich auf, damit er nicht gerade in der wegen der Lauvinen bedenklichsten Jahrszeit über den St. Gotthard gehen möchte. Er geht nicht zunächst nach Rom, sondern zuvörderst nach Carrara, [3] wo er eine Zeitlang zu arbeiten gedenkt. Die Laufbahn eines Künstlers ist heut zu Tage wegen der ungünstigen Zeiten in der That sehr mühselig.
Frau von Stael ist Ihnen dankbar für Ihr Andenken. Ich wünschte Ihnen erfreulichere Nachrichten von ihr geben zu können. Ihre Gesundheit ist sehr erschüttert; sie ist seit mehreren Monaten in einem durchaus leidenden, wo nicht bedenklichen Zustande: doch hoffe ich ihre Herstellung von dem Frühlinge, der sich bey uns schon anmeldet, und von ihrer eignen starken Lebenskraft.
Meinem Bruder habe ich Ihre Erklärung wörtlich mitgetheilt. Die ersten Stücke seiner Zeitschrift sind vermuthlich in Ihren Händen, ich selbst habe sie noch nicht, wiewohl ich sogleich thätig dafür gewesen. Ungeachtet der Ähnlichkeit der Ankündigungen werden die Zwecke der beyden Schriften Zeitschriften doch wohl verschieden genug seyn, um einander nicht in den Weg zu treten.
Ich danke Ihnen für die Theilnahme, womit Sie meine Gedichte gelesen, u dabey der vorigen Zeiten gedenken. Eine solche Sammlung enthält immer eine Art von Lebensgeschichte: wenn man diese im Sinne hat, kann man nicht ohne Wehmuth das Bild des Vergangenen betrachten, das nicht [4] wiederkehrt, und wie sich das Leben so ganz anders gestaltet, als man es selbst entworfen hatte: dieß Gefühl habe ich in der kleinen Zueignung angesprochen. Ich sage nicht, daß ich ganz von der Poesie Abschied nehme; indessen ist es besser zu früh aufzuhören als zu spät. Auch habe ich jetzt andre weit aussehende u große Arbeit erfodernde Plane im Sinn. Ein dritter Band, der in einiger Zeit erscheinen soll, wird die Nachbildungen einzelner Stücke von griechischen und südlichen Dichtern enthalten.
Auf Ihre neueste Schrift bin ich sehr begierig, noch ist sie nicht zu mir gelangt, eben so wenig als die von Jacobi: man erhält in der Schweiz alles sehr spät.
Was Sie mir von Hrn. von Balk sagen, hat mir viel Vergnügen gemacht: ich brachte letzten Sommer mit diesem geistreichen Manne, der in seiner ganz auf das Äußerliche gerichteten Nation ein Phänomen ist, verwichnen Sommer manche angenehme Stunde in Bern zu.
Ich bin so frey, einen Brief an Hrn. Docen einzulegen, u bitte Sie, sobald er die für mich übernommene Arbeit an der Hohenemser Handschrift der Nibelungen fertig hat, ihm von der Summe, welche Sie in Händen haben, was ausgemacht worden (ich glaube es war vier Carolinen) oder was Sie billig finden, auszuzahlen. Ich würde diese Auslage bey der nächsten [5] Zahlung wieder erstatten. Es wird ihm vermuthlich willkommen seyn, das Geld sogleich zu erhalten, u es wäre weitläuftig, erst noch eine besondre Anweisung hinzuschicken.
Viele Grüße an Baader. Leben Sie recht wohl und bewahren Sie mir Ihre freundschaftlichen Gesinnungen.
AWS.
Was geben denn neuerdings die beyden Berlinischen Propheten, Fichte und Schleiermacher, zu vernehmen? Es hatte jemand den lustigen Gedanken, Schleiermachern für eine neue Incarnation des alten preußischen National-Gottes Potrimpos zu erklären. So würde er dann unter dem Ausrufe: „Es lebe Potrimpos! Potrimpos er lebe!“ auf den Schultern seiner Schüler durch die Straßen Berlins getragen.
[6] [leer]
[1] Coppet d. 26sten März
1812
Verschiedene Reisen, die ungewisse Dauer meines Aufenthalts bald an diesem bald an jenem Orte, und andre zerstreuende Abhaltungen, mögen, wenn sie können, mich bey Ihnen entschuldigen, theuerster Freund, daß ich auf mehrere und sehr bedeutende Briefe so lange die Antwort schuldig blieb. Wenigstens habe ich Sorge getragen, daß die Ausführung des Denkmals nicht durch meine Schuld gehemmt würde, und die Sendung meiner Gedichte hat Ihnen bewiesen, daß ich Ihrer unterdessen freundschaftlich gedachte.
Zuerst einige Worte von dem Geschäft unserer Abrechnung, um dieses zu beseitigen. Das Capital ist abgetragen, nun bitte ich Sie um die Berechnung der Zinsen: nämlich für das Ganze vom Anfange an bis zu der ersten Zahlung, für 400 r. auf die Zwischenzeit von dieser bis zu der letzten. Ich habe die Zeiten nicht genau im Kopfe; sobald ich weiß, wie hoch sich meine Schuld noch beläuft, werde ich baldmöglichst für die Berichtigung sorgen.
Daß Sie nach Tiecks so langen, wiewohl zum Theil unwillkührlichen Zögerungen die Ausführung des Denkmals einem andern Bildhauer auf[2]getragen, darüber konnte ich mich weder verwundern, noch dagegen etwas einzuwenden haben. Nur Eine Bedenklichkeit wage ich Ihnen zu äußern. Nach dem ehemaligen Plane sollte das Brustbild der seligen Augusta einen Theil des Denkmals ausmachen. Wird Thorwaldson als Copist nach dem vorhandenen arbeiten wollen, und hat Tieck nicht ein Eigenthumsrecht auf seine Arbeit? Oder soll Thorwaldson nach den vorhandenen unvollkommnen Zeichnungen die Büste von neuem entwerfen, und wird nicht die Ähnlichkeit leiden, wenn er dabey nicht von Personen geleitet wird, welche die Verstorbene gekannt? Oder soll kein Bildniß bey dem Denkmale seyn?
Doch, Sie werden nach Ihren eignen Einsichten alles auf das schicklichste anzuordnen wissen. Ich wünsche dabey den besten Erfolg, und hoffe, es wird auch für mich die Zeit kommen, wo ich einmal zu dem Geliebten Grabe wallfahrten kann.
Tieck ist unterwegs nach Italien, er hat sich in Bern einige Wochen bey mir verweilt: ich hielt ihn geflissentlich auf, damit er nicht gerade in der wegen der Lauvinen bedenklichsten Jahrszeit über den St. Gotthard gehen möchte. Er geht nicht zunächst nach Rom, sondern zuvörderst nach Carrara, [3] wo er eine Zeitlang zu arbeiten gedenkt. Die Laufbahn eines Künstlers ist heut zu Tage wegen der ungünstigen Zeiten in der That sehr mühselig.
Frau von Stael ist Ihnen dankbar für Ihr Andenken. Ich wünschte Ihnen erfreulichere Nachrichten von ihr geben zu können. Ihre Gesundheit ist sehr erschüttert; sie ist seit mehreren Monaten in einem durchaus leidenden, wo nicht bedenklichen Zustande: doch hoffe ich ihre Herstellung von dem Frühlinge, der sich bey uns schon anmeldet, und von ihrer eignen starken Lebenskraft.
Meinem Bruder habe ich Ihre Erklärung wörtlich mitgetheilt. Die ersten Stücke seiner Zeitschrift sind vermuthlich in Ihren Händen, ich selbst habe sie noch nicht, wiewohl ich sogleich thätig dafür gewesen. Ungeachtet der Ähnlichkeit der Ankündigungen werden die Zwecke der beyden Schriften Zeitschriften doch wohl verschieden genug seyn, um einander nicht in den Weg zu treten.
Ich danke Ihnen für die Theilnahme, womit Sie meine Gedichte gelesen, u dabey der vorigen Zeiten gedenken. Eine solche Sammlung enthält immer eine Art von Lebensgeschichte: wenn man diese im Sinne hat, kann man nicht ohne Wehmuth das Bild des Vergangenen betrachten, das nicht [4] wiederkehrt, und wie sich das Leben so ganz anders gestaltet, als man es selbst entworfen hatte: dieß Gefühl habe ich in der kleinen Zueignung angesprochen. Ich sage nicht, daß ich ganz von der Poesie Abschied nehme; indessen ist es besser zu früh aufzuhören als zu spät. Auch habe ich jetzt andre weit aussehende u große Arbeit erfodernde Plane im Sinn. Ein dritter Band, der in einiger Zeit erscheinen soll, wird die Nachbildungen einzelner Stücke von griechischen und südlichen Dichtern enthalten.
Auf Ihre neueste Schrift bin ich sehr begierig, noch ist sie nicht zu mir gelangt, eben so wenig als die von Jacobi: man erhält in der Schweiz alles sehr spät.
Was Sie mir von Hrn. von Balk sagen, hat mir viel Vergnügen gemacht: ich brachte letzten Sommer mit diesem geistreichen Manne, der in seiner ganz auf das Äußerliche gerichteten Nation ein Phänomen ist, verwichnen Sommer manche angenehme Stunde in Bern zu.
Ich bin so frey, einen Brief an Hrn. Docen einzulegen, u bitte Sie, sobald er die für mich übernommene Arbeit an der Hohenemser Handschrift der Nibelungen fertig hat, ihm von der Summe, welche Sie in Händen haben, was ausgemacht worden (ich glaube es war vier Carolinen) oder was Sie billig finden, auszuzahlen. Ich würde diese Auslage bey der nächsten [5] Zahlung wieder erstatten. Es wird ihm vermuthlich willkommen seyn, das Geld sogleich zu erhalten, u es wäre weitläuftig, erst noch eine besondre Anweisung hinzuschicken.
Viele Grüße an Baader. Leben Sie recht wohl und bewahren Sie mir Ihre freundschaftlichen Gesinnungen.
AWS.
Was geben denn neuerdings die beyden Berlinischen Propheten, Fichte und Schleiermacher, zu vernehmen? Es hatte jemand den lustigen Gedanken, Schleiermachern für eine neue Incarnation des alten preußischen National-Gottes Potrimpos zu erklären. So würde er dann unter dem Ausrufe: „Es lebe Potrimpos! Potrimpos er lebe!“ auf den Schultern seiner Schüler durch die Straßen Berlins getragen.
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