• Friedrich de La Motte-Fouqué to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Nennhausen · Place of Destination: Aubergenville · Date: 14.04.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich de La Motte-Fouqué
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Nennhausen
  • Place of Destination: Aubergenville
  • Date: 14.04.1807
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 391‒394.
  • Incipit: „[1] Nennhausen am 14t April 1807
    Theuerster Freund,
    Ich schreibe Dir in einer sehr trüben Stimmung. Mein Erzieher, mein ältester und getreuster Freund, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,25,6
  • Number of Pages: 2 S. auf Doppelbl. u. 1 S., hs. m. U.
  • Format: 23,1 x 18,9 cm
    Language
  • German
[1] Nennhausen am 14t April 1807
Theuerster Freund,
Ich schreibe Dir in einer sehr trüben Stimmung. Mein Erzieher, mein ältester und getreuster Freund, der Graf Schmettau, welchen Du hier bei Mariaʼs Taufe kennen lerntest, ist gestorben. Ich weiß nicht, ob ich je Gelegenheit gefunden habe, mit Dir ausführlich über mein Verhältniß zu ihm zu reden, und ob Du daher im Stande bist, die Grösse meines Verlustes zu ermessen. Was Gutes in mir ist, danke ich ihm, sein mildes, väterliches Auge wachte vom Anfang meines Lebens her über mich, und belebte das völlige Vertrauen, mit welchem ich mein ganzes Dasein vor ihm aufschloß. Ich komme mir unbeschreiblich verlassen vor, und fühle es, daß dieser Schmerz mich durch mein ganzes übriges Leben begleiten wird. In Bezug auf Schmettau war ich gewohnt, Alles zu thun, vor ihm dachte ich die Kränze niederzulegen, nach denen ich trachtete, – nun ist auch dieses vorbei, und ich gleichgültiger als je gegen alle Herrlichkeit der aeussern Welt. Ich mache nur noch negative Foderungen an sie: sie soll mich in meinem Gram und in den stillen Arbeiten meines Geistes nicht stören, und das scheint sie mir denn auch gewähren zu wollen. Bald nach Schmettauʼs Tode ward zwar Marie von den Rötheln angefallen, jedoch scheint die Krankheit ohne Gefahr vorüberzugehn, nur daß freilich dadurch ein trüber [2] Vorhang mehr sich über meine jetzige Existenz fortzieht.
Du siehst leicht ein, daß ich gegenwärtig am wenigsten fähig bin, den Hauptinhalt Deines Briefes zu beantworten, aber überhaupt wird es mir immer gewisser, daß es eine Unmöglichkeit ist, uns durch Schreiben gänzlich darüber zu verständigen. Du bemerkst, daß ich Deine Aeusserungen über Bernhardi aus einem falschen Gesichtspunkt betrachtet habe. Das Gleiche möchte auch ich von Manchem, was Du über die Meinigen sagst, behaupten, wobei ich gern die Schuld auf die Undeutlichkeit meiner Ausdrücke schiebe, aber eben deshalb nicht hoffen darf, durch Briefe Dich oder mich zu überzeugen. Ich glaubte dies früher, und bat Dich, diesen stöhrenden Gegenstand aus unsrer Correspondenz zu entfernen, und hoffe jetzt wirklich zum letztenmale darüber geschrieben zu haben. Wie viel Heitres und Edles bleibt uns zu gegenseitiger Mittheilung übrig, dem schon öfters Zeit und Raum durch diesen unaufgelösten Knoten genommen ward. Daß es etwas geben muß, worüber wir nicht schriftlich mit einander reden, ist freilich schmerzhaft, und ich tröste mich nur mit der Aussicht, da ein mündliches Gespräch auch diese Nebel zwischen uns forttreiben wird. Was mir in Deinem letzten Briefe sehr wehgethan hat, ist eine Aeusserung über den Widerspruch, in welchem die Versicherungen meiner Anhänglichkeit an Dich mit meinen [3] Handlungen ständen. Wenn ich mich weigre, von einem unglücklichen, nicht fehlerfreien Menschen zurückzutreten, oder gar mich ihm gegenüber zu stellen, und Aufträge wider ihn zu empfangen, so glaube ich keinesweges, mich dadurch in die Classe der püsillanimen Leute zu stellen, die vor einem rechten und eigentlichen Freundschaftsdienste zurückschaudern. Ich habe es schon früher, und einem weniger geliebten Freund mit meinem Blute besiegelt, daß ich nicht fähig bin, Versichrungen ohne Gehalt an die, welche ich liebe, oder an irgend einen Andern zu verspenden, und fühle in mir, daß ich aus keinen verächtlichen Rücksichten handle. – Ich habe schon wieder mehr als ich wollte über diesen unglücklichen Gegenstand geschrieben. Vielleicht hätte mich das Alles diesmal weniger angeregt, wäre es nicht auf eine schon so schmerzlich verletzte Brust gefallen.
Ich breche mit erleichtertem Sinne ab, um mich zu der letzten, beruhigenden Seite Deines Briefes zu wenden, wenn ich Dir vorher Briests Dank für den übersandten Brief an die Gebrüder Jordans ausgerichtet habe. Deiner Entschuldigung wegen der verspäteten Auszahlung bedurfte es nicht. Ich werde das Geschäfft mit der nächsten Gelegenheit völlig beendigen.
Ich hätte mich sehr gefreut, etwas Näheres über Deine neuesten Arbeiten zu vernehmen. Gewähre mir doch dieses Vergnügen, sobald es Dir möglich ist. Von den Dichtungen meiner Frau sind bis jetzt drei Mährchen erschienen, unter welchen der Name Serena steht. Ihr interessante[stes] [4] Werk aber, ein Roman Namens Ruderich ist noch nicht ganz fertig gedruckt, obgleich bereits im Manuscripte vollendet. Dies ist in der That ein treffliches Werk, voll des klarsten Verstandes, der seine Blitze über die verschiedenartigsten Lebensansichten ausbreitet, und voll einer tiefen Innigkeit, die unfehlbar in jedem Herzen wiederklingen muß. Durch das formelle geregelte Leben der heutigen Zeit läßt sich eine phantastische Welt fast furchtbar ahnen, die mit immer vernehmbarern Klängen hervordringt, bis sie endlich die ganze conventionelle Gaukelei zerbricht, und in schauerlich tragischer Würde dasteht. Du wirst bald das Ganze zu lesen bekommen, und ich enthalte mich daher für jetzt, Dir etwas Näheres davon zu sagen.
Von meinen eignen Arbeiten wird wohl so bald noch nichts erscheinen. Die Verwirrung in der Buchhandlung, an welche ich Heinrich IV verkauft habe, dauert fort, und wegen meines Romanʼs habe ich noch keinen Verleger aufgesucht. Dies letztre Werk enthält das Leben eines Jünglings, durch Hoffeste und Eitelkeit zu Krieg, wahrhafter Liebe und wahrhaftem Schmerze fortgezogen. Die Poesie nimmt ihn heilend in ihre Arme, aber auch in einen Bund von Dichtern und Künstlern, welcher ihn umfaßte, bricht Feindschaft und Kampf ein, die Liebe wendet sich von ihm, er findet Trost und Frieden bei einem Theosophen, und die beiden liebsten Gestalten seines Lebens schliessen sich zuletzt wieder seinem beruhigten Gemüthe an. Ich habe zum Zeitpunkte den Anfang des Dreissigjährigen Krieges gewählt, wo [5] das Leben schon genug verblichen war, um eine Sehnsucht nach der bessern Vorwelt zu begründen, aber doch nicht gänzlich verarmt an romantischen Formen und glänzenden Erscheinungen. Nach der gänzlichen Beendigung dieser Arbeit denke ich ein Trauerspiel zu schreiben: Caesar und Ariovist. Ich habe dazu schon vorbereitende Studien angefangen, und sage Dir nächstens mehr davon. Der Gruß Deines Bruders hat mich wahrhaft erquickt. Möge er im Heinrich IV seine Erwartungen nicht getäuscht finden. Wenigstens, hoffe ich, soll der Fortschritt zum Bessern in den zwei letztern Stücken erkennbar sein, und im Caesar und Ariovist denke ich des Guten mehr, des Mangelhaften minder aufzustellen. Wie steht es mit den Arbeiten Deines Bruders? Ist keine nähere Hoffnung zu einer Deutschen Geschichte von seiner Hand, wovon Du mir einmal schriebst? Wie glückliche Tage wirst Du jetzt in der Vereinigung mit ihm leben! Laß doch nicht allzuselten Deinen einsamen, betrübten Freund ein tröstendes Wort von Dir vernehmen.
Lebe wohl, mein herzlich geliebter Freund. Die schönsten Grüsse von allen meinen Hausgenossen für Dich.
Von literarischen Neuigkeiten kann ich Dir fast nichts schreiben. Ich lebe in gänzlicher Abgeschiedenheit – Müller hat eine französische Lobrede auf Friedrich II in der Academie vorgelesen, und Göthe sie inʼs Deutsche übersetzt. – Wann erscheint das Poetische Taschenbuch von K. v. Hardenberg? Ich suche es vergebens in den Catalogen.
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[1] Nennhausen am 14t April 1807
Theuerster Freund,
Ich schreibe Dir in einer sehr trüben Stimmung. Mein Erzieher, mein ältester und getreuster Freund, der Graf Schmettau, welchen Du hier bei Mariaʼs Taufe kennen lerntest, ist gestorben. Ich weiß nicht, ob ich je Gelegenheit gefunden habe, mit Dir ausführlich über mein Verhältniß zu ihm zu reden, und ob Du daher im Stande bist, die Grösse meines Verlustes zu ermessen. Was Gutes in mir ist, danke ich ihm, sein mildes, väterliches Auge wachte vom Anfang meines Lebens her über mich, und belebte das völlige Vertrauen, mit welchem ich mein ganzes Dasein vor ihm aufschloß. Ich komme mir unbeschreiblich verlassen vor, und fühle es, daß dieser Schmerz mich durch mein ganzes übriges Leben begleiten wird. In Bezug auf Schmettau war ich gewohnt, Alles zu thun, vor ihm dachte ich die Kränze niederzulegen, nach denen ich trachtete, – nun ist auch dieses vorbei, und ich gleichgültiger als je gegen alle Herrlichkeit der aeussern Welt. Ich mache nur noch negative Foderungen an sie: sie soll mich in meinem Gram und in den stillen Arbeiten meines Geistes nicht stören, und das scheint sie mir denn auch gewähren zu wollen. Bald nach Schmettauʼs Tode ward zwar Marie von den Rötheln angefallen, jedoch scheint die Krankheit ohne Gefahr vorüberzugehn, nur daß freilich dadurch ein trüber [2] Vorhang mehr sich über meine jetzige Existenz fortzieht.
Du siehst leicht ein, daß ich gegenwärtig am wenigsten fähig bin, den Hauptinhalt Deines Briefes zu beantworten, aber überhaupt wird es mir immer gewisser, daß es eine Unmöglichkeit ist, uns durch Schreiben gänzlich darüber zu verständigen. Du bemerkst, daß ich Deine Aeusserungen über Bernhardi aus einem falschen Gesichtspunkt betrachtet habe. Das Gleiche möchte auch ich von Manchem, was Du über die Meinigen sagst, behaupten, wobei ich gern die Schuld auf die Undeutlichkeit meiner Ausdrücke schiebe, aber eben deshalb nicht hoffen darf, durch Briefe Dich oder mich zu überzeugen. Ich glaubte dies früher, und bat Dich, diesen stöhrenden Gegenstand aus unsrer Correspondenz zu entfernen, und hoffe jetzt wirklich zum letztenmale darüber geschrieben zu haben. Wie viel Heitres und Edles bleibt uns zu gegenseitiger Mittheilung übrig, dem schon öfters Zeit und Raum durch diesen unaufgelösten Knoten genommen ward. Daß es etwas geben muß, worüber wir nicht schriftlich mit einander reden, ist freilich schmerzhaft, und ich tröste mich nur mit der Aussicht, da ein mündliches Gespräch auch diese Nebel zwischen uns forttreiben wird. Was mir in Deinem letzten Briefe sehr wehgethan hat, ist eine Aeusserung über den Widerspruch, in welchem die Versicherungen meiner Anhänglichkeit an Dich mit meinen [3] Handlungen ständen. Wenn ich mich weigre, von einem unglücklichen, nicht fehlerfreien Menschen zurückzutreten, oder gar mich ihm gegenüber zu stellen, und Aufträge wider ihn zu empfangen, so glaube ich keinesweges, mich dadurch in die Classe der püsillanimen Leute zu stellen, die vor einem rechten und eigentlichen Freundschaftsdienste zurückschaudern. Ich habe es schon früher, und einem weniger geliebten Freund mit meinem Blute besiegelt, daß ich nicht fähig bin, Versichrungen ohne Gehalt an die, welche ich liebe, oder an irgend einen Andern zu verspenden, und fühle in mir, daß ich aus keinen verächtlichen Rücksichten handle. – Ich habe schon wieder mehr als ich wollte über diesen unglücklichen Gegenstand geschrieben. Vielleicht hätte mich das Alles diesmal weniger angeregt, wäre es nicht auf eine schon so schmerzlich verletzte Brust gefallen.
Ich breche mit erleichtertem Sinne ab, um mich zu der letzten, beruhigenden Seite Deines Briefes zu wenden, wenn ich Dir vorher Briests Dank für den übersandten Brief an die Gebrüder Jordans ausgerichtet habe. Deiner Entschuldigung wegen der verspäteten Auszahlung bedurfte es nicht. Ich werde das Geschäfft mit der nächsten Gelegenheit völlig beendigen.
Ich hätte mich sehr gefreut, etwas Näheres über Deine neuesten Arbeiten zu vernehmen. Gewähre mir doch dieses Vergnügen, sobald es Dir möglich ist. Von den Dichtungen meiner Frau sind bis jetzt drei Mährchen erschienen, unter welchen der Name Serena steht. Ihr interessante[stes] [4] Werk aber, ein Roman Namens Ruderich ist noch nicht ganz fertig gedruckt, obgleich bereits im Manuscripte vollendet. Dies ist in der That ein treffliches Werk, voll des klarsten Verstandes, der seine Blitze über die verschiedenartigsten Lebensansichten ausbreitet, und voll einer tiefen Innigkeit, die unfehlbar in jedem Herzen wiederklingen muß. Durch das formelle geregelte Leben der heutigen Zeit läßt sich eine phantastische Welt fast furchtbar ahnen, die mit immer vernehmbarern Klängen hervordringt, bis sie endlich die ganze conventionelle Gaukelei zerbricht, und in schauerlich tragischer Würde dasteht. Du wirst bald das Ganze zu lesen bekommen, und ich enthalte mich daher für jetzt, Dir etwas Näheres davon zu sagen.
Von meinen eignen Arbeiten wird wohl so bald noch nichts erscheinen. Die Verwirrung in der Buchhandlung, an welche ich Heinrich IV verkauft habe, dauert fort, und wegen meines Romanʼs habe ich noch keinen Verleger aufgesucht. Dies letztre Werk enthält das Leben eines Jünglings, durch Hoffeste und Eitelkeit zu Krieg, wahrhafter Liebe und wahrhaftem Schmerze fortgezogen. Die Poesie nimmt ihn heilend in ihre Arme, aber auch in einen Bund von Dichtern und Künstlern, welcher ihn umfaßte, bricht Feindschaft und Kampf ein, die Liebe wendet sich von ihm, er findet Trost und Frieden bei einem Theosophen, und die beiden liebsten Gestalten seines Lebens schliessen sich zuletzt wieder seinem beruhigten Gemüthe an. Ich habe zum Zeitpunkte den Anfang des Dreissigjährigen Krieges gewählt, wo [5] das Leben schon genug verblichen war, um eine Sehnsucht nach der bessern Vorwelt zu begründen, aber doch nicht gänzlich verarmt an romantischen Formen und glänzenden Erscheinungen. Nach der gänzlichen Beendigung dieser Arbeit denke ich ein Trauerspiel zu schreiben: Caesar und Ariovist. Ich habe dazu schon vorbereitende Studien angefangen, und sage Dir nächstens mehr davon. Der Gruß Deines Bruders hat mich wahrhaft erquickt. Möge er im Heinrich IV seine Erwartungen nicht getäuscht finden. Wenigstens, hoffe ich, soll der Fortschritt zum Bessern in den zwei letztern Stücken erkennbar sein, und im Caesar und Ariovist denke ich des Guten mehr, des Mangelhaften minder aufzustellen. Wie steht es mit den Arbeiten Deines Bruders? Ist keine nähere Hoffnung zu einer Deutschen Geschichte von seiner Hand, wovon Du mir einmal schriebst? Wie glückliche Tage wirst Du jetzt in der Vereinigung mit ihm leben! Laß doch nicht allzuselten Deinen einsamen, betrübten Freund ein tröstendes Wort von Dir vernehmen.
Lebe wohl, mein herzlich geliebter Freund. Die schönsten Grüsse von allen meinen Hausgenossen für Dich.
Von literarischen Neuigkeiten kann ich Dir fast nichts schreiben. Ich lebe in gänzlicher Abgeschiedenheit – Müller hat eine französische Lobrede auf Friedrich II in der Academie vorgelesen, und Göthe sie inʼs Deutsche übersetzt. – Wann erscheint das Poetische Taschenbuch von K. v. Hardenberg? Ich suche es vergebens in den Catalogen.
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