• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Köln · Place of Destination: Coppet · Date: 15.05.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Köln
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 15.05.1807
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 405‒407.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Zweiter Teil (Januar 1806 ‒ Juni 1808). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 197‒198.
  • Incipit: „[1] Kölln am 15ten Mai 1807.
    Herzlich geliebter Bruder, ich habe so viel Geschäfte und Arbeiten hier vorgefunden, daß ich bis jetzt [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,34
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,3 x 12,4 cm
    Language
  • German
[1] Kölln am 15ten Mai 1807.
Herzlich geliebter Bruder, ich habe so viel Geschäfte und Arbeiten hier vorgefunden, daß ich bis jetzt nicht dazu habe kommen können, Dir zu schreiben, und daß ich auch heute Dich bitten muß, mich noch bei der Stael zu entschuldigen und für Dich selbst vorlieb zu nehmen. An die Frau von Stael werde ich nächstens desto ausführlicher schreiben.
Heute geht das 7te–10te Buch incl. der Corinna nach Berlin; ich habe auch schon das ganze Exemplar von Paris erhalten, so daß ich also von dieser Seite außer Sorgen bin und Du Dir wegen der noch fehlenden Aushängebogen keine Mühe weiter zu geben brauchst. Desto mehr bin ich ängstlich, daß ich gar nichts von der Unger höre – wenn nur nicht Manuscript verlohren gegangen ist! – Auf jeden Fall wünschtʼ ich nun fast lieber, die Uebersetzung wäre bei Cotta erschienen!
In dem Meßcatalog sind allerlei Artikel die Dich interessiren werden und die ich Dir desfalls auszeichne; als die Niobe vom Verfasser des Lacrimas bei Reimer. Ferner das Niebelungen Lied, bearbeitet [2] von Fr. Heinr. von der Hagen bei der Unger. Kennst Du diesen Menschen? – Die Ideen über organische Bildung von Goethe bei Cotta, kennst Du wohl; ich vermuthe, es sind die physikalischen Vorlesungen die er in Weimar vor mehreren vornehmen Personen gehalten hat. – Von Reimer hat eine ziemlich abgeschmackte Auffoderung an Dich in der Jenaischen Litteratur Zeitung gestanden, die ich zum Ueberfluß noch einmal in Abschrift beilege; meine Frau hatte sie schon in einem am 20ten April an Dich unter Bazinʼs Addresse gerichteten Brief beigelegt. Dieser ist vermuthlich Dir nach Coppet nachgeschickt.
Kosc.[iuszko] hat in den nordischen Zeitungen die Proclamationen welche man ihm beigelegt, feierlich wiederrufen. In Lüttich und Achen begegnete ich einigen Deutschen Regimentern, theils von Preußischen Kriegsgefangenen errichtet, die man sehr hatte Noth leiden lassen um sie zu diesem Schritt zu bewegen, theils von denen des Prinzen Isenburg; man hat ihnen versprochen, daß durchaus kein französischer Officier in ihr Regiment gesetzt werden soll, und braucht sie nur im Innern.
[3] In Deutschland druckt man, so viel ich höre, politische Zeitungen ausgenommen, sehr frei, so daß Du immer den Wilhelm Tell, und das Gedicht auf die Jungfrau ganz ungeändert könntest drucken lassen, wenn Du sonst wolltest.
An Deinen komischen Gedichten haben wir uns recht herzlich ergötzt und erquickt. Meine Frau dankt Dir aufs beste für die Abschrift der andern, unter denen ihr das auf die Jungfrau von Orleans am schönsten gefällt; wenn erst etwas mehr Zeit ist, schreibt sie Dir wohl selbst darüber. – Laß mich nun recht bald wissen was Du treibst, ob Richard III, oder eigne Gedichte. Thu Dir ja einige Gewalt an, und überlaß Dich nie wieder den bösen Einflüssen so wie vorigen Sommer und Herbst. Den Winter haben wir doch manche schöne Stunde zusammen verlebt, die auch noch in der Erinnerung erfreuend und belebend nachwirkt. Laß uns nun recht eifrig für das Mittelalter arbeiten. Ich freue mich recht, daß Du Dich mit mir dazu vereinigt hast.
Von Tieck steht unter den künftigen Büchern auch ein Helden[4]buch; aber das wird wohl nur eine Autor-Fabel sein. Ein künftiges Buch bedeutet bei ihm meistens nur gegenwärtiges Geld.
Grüße die Kinder herzlich von mir; meiner Frau hat es sehr leid gethan nach allem was ich ihr erzählt, daß ich den Albert nicht mitgebracht.
Haben sich die Leute, die einen Hofmeister haben wollten, noch weiter vornehmen lassen? – Von Düsseldorf habe ich noch nichts weiter gehört, es ist aber auch in der jetzigen Crisis nichts zu erwarten.
Ich höre nun wieder die alten feierlichen Glocken, in denen noch immer derselbe Geist ertönt, der die Kirchen gen Himmel erhob, während die Menschen unten so ganz geändert sind. Wir haben jetzt einige schöne Feste hier, bei denen ich Dich gegenwärtig wünschte. Die Diligençe, die ich genommen hatte, ging wieder über Amiens und Gent, so daß ich den schönen Dom, und auch die Gemählde zu Brüssel noch einmal gesehen, dagegen aber habe ich 5 Nächte nach einander durchfahren müssen.
An Frau von Stael schreibe ich ehester Tage recht ausführlich. Die herzlichsten Grüße von meiner Frau.
Friedrich.
[1] Kölln am 15ten Mai 1807.
Herzlich geliebter Bruder, ich habe so viel Geschäfte und Arbeiten hier vorgefunden, daß ich bis jetzt nicht dazu habe kommen können, Dir zu schreiben, und daß ich auch heute Dich bitten muß, mich noch bei der Stael zu entschuldigen und für Dich selbst vorlieb zu nehmen. An die Frau von Stael werde ich nächstens desto ausführlicher schreiben.
Heute geht das 7te–10te Buch incl. der Corinna nach Berlin; ich habe auch schon das ganze Exemplar von Paris erhalten, so daß ich also von dieser Seite außer Sorgen bin und Du Dir wegen der noch fehlenden Aushängebogen keine Mühe weiter zu geben brauchst. Desto mehr bin ich ängstlich, daß ich gar nichts von der Unger höre – wenn nur nicht Manuscript verlohren gegangen ist! – Auf jeden Fall wünschtʼ ich nun fast lieber, die Uebersetzung wäre bei Cotta erschienen!
In dem Meßcatalog sind allerlei Artikel die Dich interessiren werden und die ich Dir desfalls auszeichne; als die Niobe vom Verfasser des Lacrimas bei Reimer. Ferner das Niebelungen Lied, bearbeitet [2] von Fr. Heinr. von der Hagen bei der Unger. Kennst Du diesen Menschen? – Die Ideen über organische Bildung von Goethe bei Cotta, kennst Du wohl; ich vermuthe, es sind die physikalischen Vorlesungen die er in Weimar vor mehreren vornehmen Personen gehalten hat. – Von Reimer hat eine ziemlich abgeschmackte Auffoderung an Dich in der Jenaischen Litteratur Zeitung gestanden, die ich zum Ueberfluß noch einmal in Abschrift beilege; meine Frau hatte sie schon in einem am 20ten April an Dich unter Bazinʼs Addresse gerichteten Brief beigelegt. Dieser ist vermuthlich Dir nach Coppet nachgeschickt.
Kosc.[iuszko] hat in den nordischen Zeitungen die Proclamationen welche man ihm beigelegt, feierlich wiederrufen. In Lüttich und Achen begegnete ich einigen Deutschen Regimentern, theils von Preußischen Kriegsgefangenen errichtet, die man sehr hatte Noth leiden lassen um sie zu diesem Schritt zu bewegen, theils von denen des Prinzen Isenburg; man hat ihnen versprochen, daß durchaus kein französischer Officier in ihr Regiment gesetzt werden soll, und braucht sie nur im Innern.
[3] In Deutschland druckt man, so viel ich höre, politische Zeitungen ausgenommen, sehr frei, so daß Du immer den Wilhelm Tell, und das Gedicht auf die Jungfrau ganz ungeändert könntest drucken lassen, wenn Du sonst wolltest.
An Deinen komischen Gedichten haben wir uns recht herzlich ergötzt und erquickt. Meine Frau dankt Dir aufs beste für die Abschrift der andern, unter denen ihr das auf die Jungfrau von Orleans am schönsten gefällt; wenn erst etwas mehr Zeit ist, schreibt sie Dir wohl selbst darüber. – Laß mich nun recht bald wissen was Du treibst, ob Richard III, oder eigne Gedichte. Thu Dir ja einige Gewalt an, und überlaß Dich nie wieder den bösen Einflüssen so wie vorigen Sommer und Herbst. Den Winter haben wir doch manche schöne Stunde zusammen verlebt, die auch noch in der Erinnerung erfreuend und belebend nachwirkt. Laß uns nun recht eifrig für das Mittelalter arbeiten. Ich freue mich recht, daß Du Dich mit mir dazu vereinigt hast.
Von Tieck steht unter den künftigen Büchern auch ein Helden[4]buch; aber das wird wohl nur eine Autor-Fabel sein. Ein künftiges Buch bedeutet bei ihm meistens nur gegenwärtiges Geld.
Grüße die Kinder herzlich von mir; meiner Frau hat es sehr leid gethan nach allem was ich ihr erzählt, daß ich den Albert nicht mitgebracht.
Haben sich die Leute, die einen Hofmeister haben wollten, noch weiter vornehmen lassen? – Von Düsseldorf habe ich noch nichts weiter gehört, es ist aber auch in der jetzigen Crisis nichts zu erwarten.
Ich höre nun wieder die alten feierlichen Glocken, in denen noch immer derselbe Geist ertönt, der die Kirchen gen Himmel erhob, während die Menschen unten so ganz geändert sind. Wir haben jetzt einige schöne Feste hier, bei denen ich Dich gegenwärtig wünschte. Die Diligençe, die ich genommen hatte, ging wieder über Amiens und Gent, so daß ich den schönen Dom, und auch die Gemählde zu Brüssel noch einmal gesehen, dagegen aber habe ich 5 Nächte nach einander durchfahren müssen.
An Frau von Stael schreibe ich ehester Tage recht ausführlich. Die herzlichsten Grüße von meiner Frau.
Friedrich.
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