• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Köln · Place of Destination: Genf · Date: 05.08.1807
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Köln
  • Place of Destination: Genf
  • Date: 05.08.1807
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 427‒428.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Zweiter Teil (Januar 1806 ‒ Juni 1808). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 236‒237.
  • Incipit: „[1] Kölln den 5ten August 1807.
    Geliebter Bruder,
    Die Mutter verlangt, daß ich Dir einliegenden Brief auch zusenden soll. Ich verschiebe es also [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,38
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,3 x 12,4 cm
    Language
  • German
[1] Kölln den 5ten August 1807.
Geliebter Bruder,
Die Mutter verlangt, daß ich Dir einliegenden Brief auch zusenden soll. Ich verschiebe es also nicht länger und begleite ihn mit einigen Zeilen. – Neues habʼ ich unterdessen nicht erfahren, außer der Niobe von Schütz – aber daran ist nicht viel Freude zu erleben. Die Art, wie er die Fabel genommen hat, möchte recht gut sein; Niobe ist Verehrerin der allerzeugenden Erde und Sinnbild dieser selbst; dieß ist recht deutlich dargestellt, und der Chor der Frauen läßt sich fast allzu deutlich heraus über die Zeugungsgluth die in ihren Gliedern braust; die Jungfrauen scheinen anfangs eben so gesinnt doch sind sie bescheidener und kehren noch zu rechter Zeit um – zum Licht des Zeus und der Pallas; dieses Licht aber (des Verstandes oder des Unendlichen und Himmlischen) was den Gegensatz gegen die Erde machen soll, ist aber [2] schier dunkel geblieben. Was soll man zu der mehr als Vossischen Steil- Stein- und Steifheit der bleihackrigen Verse und Sprache oder vielmehr Wortklumpen sagen? – Es ist gar sehr misrathen. Es thäte überhaupt recht Noth daß wir uns der Deutschen Litteratur einmal wieder annähmen und tüchtig aussezten; tadeln dürften wir meist alles, ohne Besorgniß etwas Gutes zu treffen. Loben aber ja nicht, wenigstens nicht unsre ehemaligen guten Freunde; denn diese haben uns eigentlich viel Schaden gethan.
Es ist sonderbar genug, daß die französische Corinna so spät in Deutschland zu haben war. Sollte der Labbori nun etwa wegen des frühen Erscheinens der Deutschen klagen, so sage nur der Stael daß die lezte wirklich erst 6 Wochen nach [3] dem Erscheinen des französischen Originals am 1ten Mai, wie es ausgemacht war, ans Licht getreten. Uebrigens höre ich immer noch nichts von der U.[nger], worüber ich sehr in Verlegenheit bin. Hätte ich die Uebersetzung Cottaʼn gegeben, so hätte ich diesen ganzen Sommer frei und sehr zufrieden leben können, statt daß ich mich nun so erbärmlich quälen muß, daß mir fast die Geduld ausgeht. An dem Indischen Werke habe ich stets fortgearbeitet und bin nun auch schon sehr weit – aber manchmal ist der Mißmuth so groß, daß ich recht dagegen zu kämpfen habe, um nur weiter arbeiten zu können. Auch daß ich von so vielen Seiten in der Ungewißheit schwankend erhalten werde, macht mich ungeduldig. Möcht ich doch einmal in der Lage sein, wo ich ruhig arbeiten könnte!
Mit Düsseldorf ist auch noch nichts entschieden. Jetzt sehʼ ich nun wohl wie es mit dem Frieden [4] ist, und fürchte es bricht jeden Augenblick von neuem los. Dänemark kann es vielleicht eben so gehen wie Preußen.
Du solltest mir auch öfter schreiben. Dieß würde mir in meiner Trübsal zu nicht geringem Trost gereichen.
Bekommst Du das Morgenblatt oder sonst eine Deutsche Zeitung in Genf?
Sehr gut wäre es wenn die Anzeige des Dichtergartens eine Deiner ersten Arbeiten sein könnte; ich fürchte sonst, der gute Hardenberg hat viel Schaden daran, da es so gar nicht ins Publikum zu kommen scheint. – Meine Frau grüßt Dich bestens. Schreibe mir bald und besonders auch was Du arbeitest.
Friedrich.
[1] Kölln den 5ten August 1807.
Geliebter Bruder,
Die Mutter verlangt, daß ich Dir einliegenden Brief auch zusenden soll. Ich verschiebe es also nicht länger und begleite ihn mit einigen Zeilen. – Neues habʼ ich unterdessen nicht erfahren, außer der Niobe von Schütz – aber daran ist nicht viel Freude zu erleben. Die Art, wie er die Fabel genommen hat, möchte recht gut sein; Niobe ist Verehrerin der allerzeugenden Erde und Sinnbild dieser selbst; dieß ist recht deutlich dargestellt, und der Chor der Frauen läßt sich fast allzu deutlich heraus über die Zeugungsgluth die in ihren Gliedern braust; die Jungfrauen scheinen anfangs eben so gesinnt doch sind sie bescheidener und kehren noch zu rechter Zeit um – zum Licht des Zeus und der Pallas; dieses Licht aber (des Verstandes oder des Unendlichen und Himmlischen) was den Gegensatz gegen die Erde machen soll, ist aber [2] schier dunkel geblieben. Was soll man zu der mehr als Vossischen Steil- Stein- und Steifheit der bleihackrigen Verse und Sprache oder vielmehr Wortklumpen sagen? – Es ist gar sehr misrathen. Es thäte überhaupt recht Noth daß wir uns der Deutschen Litteratur einmal wieder annähmen und tüchtig aussezten; tadeln dürften wir meist alles, ohne Besorgniß etwas Gutes zu treffen. Loben aber ja nicht, wenigstens nicht unsre ehemaligen guten Freunde; denn diese haben uns eigentlich viel Schaden gethan.
Es ist sonderbar genug, daß die französische Corinna so spät in Deutschland zu haben war. Sollte der Labbori nun etwa wegen des frühen Erscheinens der Deutschen klagen, so sage nur der Stael daß die lezte wirklich erst 6 Wochen nach [3] dem Erscheinen des französischen Originals am 1ten Mai, wie es ausgemacht war, ans Licht getreten. Uebrigens höre ich immer noch nichts von der U.[nger], worüber ich sehr in Verlegenheit bin. Hätte ich die Uebersetzung Cottaʼn gegeben, so hätte ich diesen ganzen Sommer frei und sehr zufrieden leben können, statt daß ich mich nun so erbärmlich quälen muß, daß mir fast die Geduld ausgeht. An dem Indischen Werke habe ich stets fortgearbeitet und bin nun auch schon sehr weit – aber manchmal ist der Mißmuth so groß, daß ich recht dagegen zu kämpfen habe, um nur weiter arbeiten zu können. Auch daß ich von so vielen Seiten in der Ungewißheit schwankend erhalten werde, macht mich ungeduldig. Möcht ich doch einmal in der Lage sein, wo ich ruhig arbeiten könnte!
Mit Düsseldorf ist auch noch nichts entschieden. Jetzt sehʼ ich nun wohl wie es mit dem Frieden [4] ist, und fürchte es bricht jeden Augenblick von neuem los. Dänemark kann es vielleicht eben so gehen wie Preußen.
Du solltest mir auch öfter schreiben. Dieß würde mir in meiner Trübsal zu nicht geringem Trost gereichen.
Bekommst Du das Morgenblatt oder sonst eine Deutsche Zeitung in Genf?
Sehr gut wäre es wenn die Anzeige des Dichtergartens eine Deiner ersten Arbeiten sein könnte; ich fürchte sonst, der gute Hardenberg hat viel Schaden daran, da es so gar nicht ins Publikum zu kommen scheint. – Meine Frau grüßt Dich bestens. Schreibe mir bald und besonders auch was Du arbeitest.
Friedrich.
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