• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Köln · Place of Destination: Wien · Date: 24.02.1808
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Köln
  • Place of Destination: Wien
  • Date: 24.02.1808
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 509‒514.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Zweiter Teil (Januar 1806 ‒ Juni 1808). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 310‒315.
  • Incipit: „[1] Kölln. Den 24ten Febr 1808
    Herzlich geliebter Bruder,
    Vortreflich ist alles was Du mir in Beziehung auf meine Wünsche und Zwecke in [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,46
  • Number of Pages: 8 S. auf Doppelbl. u. 4 S., hs. m. U
  • Format: 18,8 x 12,4 cm; 7,2 x 11,3 cm
    Language
  • German
[1] Kölln. Den 24ten Febr 1808
Herzlich geliebter Bruder,
Vortreflich ist alles was Du mir in Beziehung auf meine Wünsche und Zwecke in Deinen beiden letzten Briefen schreibst. Deine Freundschaft stärkt und hält mich; wird man jetzt immer hin und her gerissen und oft an dem Besten irre gemacht durch die unsägliche Verwirrung der Zeit, so bleibt denn doch dieß Eine mir fest und unerschütterlich gewiß.
Laß nur gleich und unverzüglich die Rückkehr des Gefangenen in dem Prometheus abdrucken, ob mit meinem Nahmen das entscheide Du; wo nicht so setze darunter M.(eister) Eckardt; unter diesem Nahmen denke ich zu schreiben, was ich künftig etwa anonym zu schreiben habe. Das M. setze ich dazu, weil mehre Leute wirklich Eckardt heißen. Desgleichen Die Huldigung, wenn es Dir gut dünkt. Wegen der Rückkehr pp ergeht gleich an das Morgenblatt Contreordre. Vielleicht ist diese nicht einmal nöthig; denn obwohl Cotta mit großem Beifall nach seiner Art davon schrieb, so meinte er doch, eine Stelle würde bei der Censur Anstoß finden; dieß ist nun wahrscheinlich der Fall gewesen, denn sonst hätte es schon im Januar erscheinen müssen. – Von dem indischen Werk ist nun endlich der Druck angefangen, und zwar ist er sehr schön. Jetzt wird es sehr schnell gehn; ohne Zweifel also [2] kommt es noch in Deine Hände, ehe Du Wien verläßst. Ich treibe aus allen Kräften, und sollte es ja fehlen, so lasse ich Dir wenigstens vorläufig zum Herumzeigen die Abhandlung schicken, sobald wenigstens diese gedruckt ist.
An Karl dem V. ist aber noch nichts vollendet. Freilich hoffe ich auch daß es sehr schnell gehn soll, wenn nur einmal ein Act auf dem Papier steht. Aber ich kann durchaus nicht anfangen, ohne den Sandoval und Sepulveda zu Handen zu haben. Der letzte enthält unter den gedruckten Quellen am meisten von Karls eignen Aeußerungen und Ansichten; der erste das für poetische Darstellung so unentbehrliche Detail, besonders in dem spanischen Theile der Geschichte; und gleich im ersten Stücke ist der Aufruhr des Padilla und Donna Maria eine wesentliche Parthie. – Den Anfang des ersten Stücks dachte ich mir bis jetzt ungefähr so. Ein Chor von Herolden macht den Prolog die die furchtbare Entwicklung des neuen Zeitalters ankündigen und mit kurzen Zügen darstellen. – Die erste Scene bildet Ulrich von Hutten und dergleichen Gesellen in Franz von Sickingens Vorzimmer; sie hoffen ihn zu gewinnen, und entwickeln im Gespräch das [3] Interesse der Partheien. Er tritt endlich heraus, vertieft in astrologische Betrachtungen (er war ein Gönner und Freund des D.[oktor] Faust) – er spricht von der Zeit, von Luther, den er mit Faust vergleicht und tritt endlich zum Jubel der Gesellen zur lutherischen Parthei über. Der Kaiser selbst wird nach einer Einleitung edler Hofsitte und politischer Unterredung – in einem Monolog erst selbst eigentlich auftreten, wo er zweifelt ob er Luthern das Geleit brechen oder halten soll. Er betet und beschließt endlich Luthern das Geleit zu halten – welches dann verkündigt wird. – Luther selbst tritt nicht auf. Ich habe das Personage, nachdem ich viele seiner Schriften gelesen, in der That zu pöbelhaft gefunden.
Ist der Graf Sickingen, den Du kennst, ein Abkömmling jenes Franz, den Goethe im Götz so gar leicht behandelt hat? – Bei mir wird er als ein Heros erscheinen, der letzte einer untergehenden Heldenwelt, und sein Tod sehr tragisch; übrigens gehört er aber doch zur schlechten Parthei. – Wenn Du den ersten Act noch in Wien erhalten könntest, so wäre es freilich sehr gut die Erlaubniß wo möglich zu bewirken, es dem Kaiser zu dediciren oder dem Erzherzog Karl. Wo nicht, so wirst Du bekannt genug werden, um den Kanal offen zu haben und auch nach Deiner Abreise noch für mich wirken zu können. Freilich ist das Erste unendlich besser. – Die erwähnten [4] unentbehrlichen Bücher sind in Frankfurt; aber dahin zu gehn (was doch im Frühjahr gewiß geschieht) hat es bis jetzt noch an manchen Bedingungen gefehlt, wie das gewöhnlich der Fall ist. Auch erwarte ich jeden Tag die Bücher von Brüssel; und sobald sie da sind, bleibt alles andre stehn und liegen. – Unterdessen aber habe ich um doch nicht ganz müssig zu sein, einige Recensionen in die Heidelberger Jahrbücher der Litteratur geliefert: Gedruckt sind bis jetzt, eine sehr lange über Goetheʼs sämtliche Werke, und eine über Hagens und Büschings Volkslieder. – Eine über Müllers Vorlesungen, die aber mehr eine Abhandlung über die Zeit und neue Schule ist, kommt ins nächste Heft; wie auch eine von allen Fichtens neueren Schriften. Ich habe ihn und auch Schelling sehr geschont, so sehr als es möglich war, da ich ihre Philosophie eigentlich beiderseits gleich erbärmlich finde. Wenn sie aber etwa wie metaphysische Karrenschieber auf mich los gehen wollen, so sollen sie sehen, mit wem sie es zu thun haben; denn ich habe wahres Kartätschenfeuer gegen sie im Hinterhalt. Nach dem was Du schreibst, werde ich nun wohl an Schelling ein Exemplar meines indischen Werks schicken, wie ich ohnehin schon halb und halb gesonnen war; denn zwecklose Feindschaften fortzusetzen habe ich gar keinen Beruf. [5] An Jakobi werde ich denn aber freilich keins schicken, da er gegen Dich so albern war. Wie redlich Schelling übrigens sei, kannst Du leicht aus dem einen Umstande abnehmen, daß er unter vier Augen Dein GedankenEigenthum mit einem Kratzfuß anerkennt; in der Abhandlung selbst aber dessen mit keinem Worte gedenkt. So macht ers ja eigentlich immer und überall.
Was die Vorlesungen in Wien betrifft, so hoffe ich Du wirst Dich standhaft gehalten und schlechterdings selbst nichts dazu gethan haben, bis man Dir alles vorbereitet an- und entgegenträgt. Ich sehe übrigens daraus wie sehr ich Recht gehabt, Wien in manchem Betracht für ein großes Kölln zu halten. Die Menschen meinen es auch hier sehr gut, haben auch eigentlich rechten Eifer für das Gute, aber vor lauter kleinen Schwerfälligkeiten kommt es am Ende nicht zu Stande.
Dem H. von Hormayr empfiehl mich ja recht dringend. Er ist mir also für die Folge wegen dieser gemeinschaftlichen Richtung unsrer historischen Studien, ein sehr wichtiger Mann. Seinen östreichischen Plutarch habe ich mir lange bestellt, aber noch immer nicht erhalten; die Geschichte von Tyrol ist bisweilen etwas in Müllers Manier manierirt. – Ich denke ihm wohl noch selbst während Du dort bist zu schreiben.
An Seckendorf schicke ich mit nächstem littera[6]rische Skizzen – einzelne Bruchstücke und Abhandlungen in nuce von Opitz bis auf die neueste Zeit. Melde mir, ob es den Umweg p[e]r Leipzig bei Kummer machen muß.
Du bist so freundschaftlich mir Deinen Rückstand bei der Jenaischen A.[llgemeinen] L.[iteratur] Z.[eitung] zu übermachen, wofür ich Dir herzlichen Dank sage. Ich habe es Eichstädten gemeldet und auch schon eine Assignation ausgestellt. Hast Du nun also etwa noch nicht geschrieben und Avis gegeben, so thu es ja gleich, damit keine Verwirrung entsteht. – Von dem Canonicat würde ich erst 1810 Einnahme haben. Ich sage würde, denn wie könnte ich versprechen oder unterschreiben was mit gutem Gewissen nicht angeht. Meine einzige Sorge desfalls ist, es mir mit guter Art von Halse zu schaffen, so daß die Mutter nichts erfährt. Wenn Karl nur wollte und es geschickt anfinge, so ginge es gewiß ganz einfach per cessionem. Das Beste ist daß es keine große Eil hat, und so kannst Du mir, da Du nach Hannover zu gehn denkst, wahrscheinlich auch hierin hülfreich sein.
Es wartet Deiner dort noch ein andres Geschäft. Die Schwiegerin ist fortdauernd von der Mutter ganz getrennt. Charlotte findet das Betragen der ersten auch tadelhaft; sie fürchtet daß die Mutter bei einer Krankheit oder in noch höherm Alter ganz hülflos [7] und Fremden überlassen sein würde. Die Wittwencaße wird vielleicht eingehen. Charlotte hat sich erboten, die Mutter zu sich zu nehmen, wenn sie dieß wünschen sollte. Doch hat dieß auch große Schwierigkeiten. Ernst der kränklich und sehr empfindlich ist, würde bei dem kleinen engen Hauswesen vielleicht sich gar sehr gestört fühlen; die Mutter würde sich auch schwer in die von der hannövrischen verschiedne Lebensart und Gesellschaft finden können; würde vielleicht sogar an der Pension verliehren usw. Alles dieses sollst Du nun, wenn Du in Hannover bist, mit eignen Augen sehen und entscheiden. Dieß ist Charlottens Wunsch und Bitte. Uebrigens beklagt nicht nur sie sondern ganz Dreßden sich darüber, daß Frau von Staël Dreßden das alle andre Reisende aufsuchen, bei so verschiedenen Reisen umgeht. Werdet Ihr nicht etwa den Weg nach Weimar über Dreßden nehmen? – Sehen müssen wir uns auf jeden Fall; am besten ist es wohl in Frankfurt. Sonst könntest Du von Hannover aus auch über Düsseldorf und Cölln reisen. Doch das haben wir nun noch Zeit zu verabreden.
Der Frau von Staël werde ich nächstens schreiben. Ihr Brief an mich ist etwas trocken. Verhüte es ja daß sie mich nicht auf eine solche Art empfiehlt, wie sie mir schreibt daß sie es thun will. Ich bin sehr ängstlich deshalb und gewiß daß es mir äusserst schädlich sein würde. Sie behandelt das viel zu aristokratisch [8] und nicht mit der Würde und dem gerechten Stolze der meinem Charakter allein angemessen und in diesem Falle gewiß auch der Klugheit nach das beste ist. Ich bin gewiß daß Stadion deswegen sich nicht so mit Dir einließ als er sonst gethan haben würde, weil er durch dergleichen Aeußerungen verstimmt worden war. – Uebrigens irrt sie sich sehr, wenn sie glaubt, daß es mir nur um eine Stelle zu thun ist. Dazu würde wohl noch Rath; haben doch noch neulich gegen Reinhard in Paris sehr angesehene Leute von einer Stelle für mich an der großen Universität gesprochen. Die Stelle aber die mir die rechte ist und gebührt zu finden, das ist das Schwere; bis dahin will ich also wenigstens die Ehre behaupten.
Daß es Dir an den Freuden des Lebens und der Liebe mitten unter den Zerstreuungen nicht fehlt, freut mich. Du lebtest die letzten Jahre wirklich gar zu streng und traurig verschlossen. – Was Du mir aber außerdem am Schluß Deines Briefs eröffnest und errathen läßt, erfüllt mich mit Sorge und Bekümmerniß; für Dich, für den guten Hardenberg auf dessen Freundschaft sie vielleicht mehr als recht ist lasten, am meisten aber für die edle große Sache, die am Ende, wenn öffentlicher Skandal entsteht, dadurch geschändet wird. Du erzeigst mir einen Freundschaftsdienst (denn jene große Sache ist unabänderlich auch die meinige) wenn Du warnst und ermahnst, so viel Du kannst, daß man stets der Pflicht, diese Sache zu ehren, aufs strengste eingedenk sei.
[9] Was die Projekte betrift, so sehe ich wenigstens daß sie leider bei so unbesonnenem und ganz weltlichem Beginnen nicht in guten Händen sind. Ich wünschte Du hättest mir mehr davon geschrieben, wenigstens angedeutet. –
Die elende Recension der Comparaison in dem Publicisten wirst Du gelesen haben; wirklich unter aller Kritik. Um seine Kenntniß der Deutschen Sprache zu bewähren, führt er am Ende eins der alten verschollenen Epigramme von Schiller auf mich an als von Goethe auf Dich. Im Journal de lʼEmpire erscheint so eben auch eine; und das ist von allen die leidlichste und geschickteste. Er ist doch fein und der einzige, der Dich ganz verstanden hat.
Vergiß ja nicht mich dem H. v. Hammer zu empfehlen, es ist mir sehr erfreulich, daß die Probe im M[orgen]bl[att] seinen Beifall hatte. Das M[orgen]bl.[att] wird in der That wie man sagt immer gemeiner. Die Jungfrau von Orleans hat nicht darin gestanden; Du wirst also Recht haben, daß er Bedenken getragen. –
Grüße auch Knorring von mir recht sehr. Ich weiß nicht andres als gutes von ihm, und würde mich freuen seine Bekanntschaft zu erneuern. Ich wünschte recht daß diese Leute in Ordnung kämen und der Welt nicht mehr zu sprechen gäben. – Dein Tristan ist ein unabhängiges Dichterwerk, dazu mußt Du keine Einleitung geben, brauchst also auch das alte Gedicht nicht wieder zu lesen. Wenn ich einmal wieder mit Dir zusammen wäre, würde ich Dir vielleicht zureden, diesen Gesang als Studium zu [10] betrachten, und die ganze Fabel von Artus, S. Graal, Perceval, Lancelot, Tristan alles zusammen in einem großen Gedicht zu umfassen, was dann an Fülle und Reichthum alles übertreffen könnte. Daß Du es so lange unterlassen konntest, weiter an dem Tristan zu dichten, beweißt doch schon daß der Plan nicht ganz der rechte für Dich war.
Ich bin entzückt vom Niebelungenliede – es ist das schönste aus alter und neuer Zeit was in Deutscher Sprache gesungen worden. Ich habe auch davon eine Beurtheilung für die Heidelberger übernommen, wo ich mich freilich nur auf den poetischen Werth beschränken werde. Ich bin übrigens sehr fest überzeugt, daß Heinrich von Ofterdingen dieß Gedicht so wie wirs da haben, gemacht hat. – Doch davon ein andermal. Auch von Stolbergs Werk werde ich eine Anzeige bei den Heidelbergern machen; worüber Voß vielleicht vor Bosheit sterben wird. Der alte Racker hat nach siebenjährigem Druchsen endlich eine Art von Anti Parodie gegen Dich zu Stande gebracht, die Klage des Romantikers (steht im Morgenblatt). Ließ auch wundershalber eine unendliche Recension Deiner Elegie, im Januar 1807 der A.[llgemeinen] L.[iteratur] Z.[eitung]. Es ist eigentlich eine Apologie der Trochäen, doch mit großem Lobe Deiner.
Nun lebe herzlich wohl, geliebter Freund.
Ewig Dein
F.[riedrich] S.[chlegel]

Ich schreibe an Seckendorf eine Zeile Antwort, weil ich den kenne. Sage aber auch dem andern Herausgeber etwas Verbindliches von mir.
[11]
Wenn der Hormayr nicht etwa ein ganz antipoetischer Historiker ist – so ließ ihm doch auch gleich die Rückkehr vor. Bewirke doch eine Recension des Dichter Gartens im Prometheus. Wenn du Seckendorf grade zu sagst, er möchte das Christliche nicht berühren oder doch nicht herausheben, und ihm dann die patriotischen Gedichte und Stellen besonders rühmst oder vorließt, so wird er die Recension gewiß recht gut machen.
[12]
Die herrliche Wiener Gemähldesammlung solltest Du nun doch aber nicht länger versäumen. – Auf Deine Benutzung des Münchner Codex des Niebelungenlieds bin ich unendlich begierig. Wie lange wirst Du ihn behalten? – Meine Frau grüßt Dich aufs beste. – Daß die Recensionen im Heidelberger [Jahrbuch] keine unnütze Arbeit sind und für unsern litterarischen Einfluß in die Zeit sehr zweckmäßig eingreifen, wird Du sehen, wenn Du sie ließt.
[1] Kölln. Den 24ten Febr 1808
Herzlich geliebter Bruder,
Vortreflich ist alles was Du mir in Beziehung auf meine Wünsche und Zwecke in Deinen beiden letzten Briefen schreibst. Deine Freundschaft stärkt und hält mich; wird man jetzt immer hin und her gerissen und oft an dem Besten irre gemacht durch die unsägliche Verwirrung der Zeit, so bleibt denn doch dieß Eine mir fest und unerschütterlich gewiß.
Laß nur gleich und unverzüglich die Rückkehr des Gefangenen in dem Prometheus abdrucken, ob mit meinem Nahmen das entscheide Du; wo nicht so setze darunter M.(eister) Eckardt; unter diesem Nahmen denke ich zu schreiben, was ich künftig etwa anonym zu schreiben habe. Das M. setze ich dazu, weil mehre Leute wirklich Eckardt heißen. Desgleichen Die Huldigung, wenn es Dir gut dünkt. Wegen der Rückkehr pp ergeht gleich an das Morgenblatt Contreordre. Vielleicht ist diese nicht einmal nöthig; denn obwohl Cotta mit großem Beifall nach seiner Art davon schrieb, so meinte er doch, eine Stelle würde bei der Censur Anstoß finden; dieß ist nun wahrscheinlich der Fall gewesen, denn sonst hätte es schon im Januar erscheinen müssen. – Von dem indischen Werk ist nun endlich der Druck angefangen, und zwar ist er sehr schön. Jetzt wird es sehr schnell gehn; ohne Zweifel also [2] kommt es noch in Deine Hände, ehe Du Wien verläßst. Ich treibe aus allen Kräften, und sollte es ja fehlen, so lasse ich Dir wenigstens vorläufig zum Herumzeigen die Abhandlung schicken, sobald wenigstens diese gedruckt ist.
An Karl dem V. ist aber noch nichts vollendet. Freilich hoffe ich auch daß es sehr schnell gehn soll, wenn nur einmal ein Act auf dem Papier steht. Aber ich kann durchaus nicht anfangen, ohne den Sandoval und Sepulveda zu Handen zu haben. Der letzte enthält unter den gedruckten Quellen am meisten von Karls eignen Aeußerungen und Ansichten; der erste das für poetische Darstellung so unentbehrliche Detail, besonders in dem spanischen Theile der Geschichte; und gleich im ersten Stücke ist der Aufruhr des Padilla und Donna Maria eine wesentliche Parthie. – Den Anfang des ersten Stücks dachte ich mir bis jetzt ungefähr so. Ein Chor von Herolden macht den Prolog die die furchtbare Entwicklung des neuen Zeitalters ankündigen und mit kurzen Zügen darstellen. – Die erste Scene bildet Ulrich von Hutten und dergleichen Gesellen in Franz von Sickingens Vorzimmer; sie hoffen ihn zu gewinnen, und entwickeln im Gespräch das [3] Interesse der Partheien. Er tritt endlich heraus, vertieft in astrologische Betrachtungen (er war ein Gönner und Freund des D.[oktor] Faust) – er spricht von der Zeit, von Luther, den er mit Faust vergleicht und tritt endlich zum Jubel der Gesellen zur lutherischen Parthei über. Der Kaiser selbst wird nach einer Einleitung edler Hofsitte und politischer Unterredung – in einem Monolog erst selbst eigentlich auftreten, wo er zweifelt ob er Luthern das Geleit brechen oder halten soll. Er betet und beschließt endlich Luthern das Geleit zu halten – welches dann verkündigt wird. – Luther selbst tritt nicht auf. Ich habe das Personage, nachdem ich viele seiner Schriften gelesen, in der That zu pöbelhaft gefunden.
Ist der Graf Sickingen, den Du kennst, ein Abkömmling jenes Franz, den Goethe im Götz so gar leicht behandelt hat? – Bei mir wird er als ein Heros erscheinen, der letzte einer untergehenden Heldenwelt, und sein Tod sehr tragisch; übrigens gehört er aber doch zur schlechten Parthei. – Wenn Du den ersten Act noch in Wien erhalten könntest, so wäre es freilich sehr gut die Erlaubniß wo möglich zu bewirken, es dem Kaiser zu dediciren oder dem Erzherzog Karl. Wo nicht, so wirst Du bekannt genug werden, um den Kanal offen zu haben und auch nach Deiner Abreise noch für mich wirken zu können. Freilich ist das Erste unendlich besser. – Die erwähnten [4] unentbehrlichen Bücher sind in Frankfurt; aber dahin zu gehn (was doch im Frühjahr gewiß geschieht) hat es bis jetzt noch an manchen Bedingungen gefehlt, wie das gewöhnlich der Fall ist. Auch erwarte ich jeden Tag die Bücher von Brüssel; und sobald sie da sind, bleibt alles andre stehn und liegen. – Unterdessen aber habe ich um doch nicht ganz müssig zu sein, einige Recensionen in die Heidelberger Jahrbücher der Litteratur geliefert: Gedruckt sind bis jetzt, eine sehr lange über Goetheʼs sämtliche Werke, und eine über Hagens und Büschings Volkslieder. – Eine über Müllers Vorlesungen, die aber mehr eine Abhandlung über die Zeit und neue Schule ist, kommt ins nächste Heft; wie auch eine von allen Fichtens neueren Schriften. Ich habe ihn und auch Schelling sehr geschont, so sehr als es möglich war, da ich ihre Philosophie eigentlich beiderseits gleich erbärmlich finde. Wenn sie aber etwa wie metaphysische Karrenschieber auf mich los gehen wollen, so sollen sie sehen, mit wem sie es zu thun haben; denn ich habe wahres Kartätschenfeuer gegen sie im Hinterhalt. Nach dem was Du schreibst, werde ich nun wohl an Schelling ein Exemplar meines indischen Werks schicken, wie ich ohnehin schon halb und halb gesonnen war; denn zwecklose Feindschaften fortzusetzen habe ich gar keinen Beruf. [5] An Jakobi werde ich denn aber freilich keins schicken, da er gegen Dich so albern war. Wie redlich Schelling übrigens sei, kannst Du leicht aus dem einen Umstande abnehmen, daß er unter vier Augen Dein GedankenEigenthum mit einem Kratzfuß anerkennt; in der Abhandlung selbst aber dessen mit keinem Worte gedenkt. So macht ers ja eigentlich immer und überall.
Was die Vorlesungen in Wien betrifft, so hoffe ich Du wirst Dich standhaft gehalten und schlechterdings selbst nichts dazu gethan haben, bis man Dir alles vorbereitet an- und entgegenträgt. Ich sehe übrigens daraus wie sehr ich Recht gehabt, Wien in manchem Betracht für ein großes Kölln zu halten. Die Menschen meinen es auch hier sehr gut, haben auch eigentlich rechten Eifer für das Gute, aber vor lauter kleinen Schwerfälligkeiten kommt es am Ende nicht zu Stande.
Dem H. von Hormayr empfiehl mich ja recht dringend. Er ist mir also für die Folge wegen dieser gemeinschaftlichen Richtung unsrer historischen Studien, ein sehr wichtiger Mann. Seinen östreichischen Plutarch habe ich mir lange bestellt, aber noch immer nicht erhalten; die Geschichte von Tyrol ist bisweilen etwas in Müllers Manier manierirt. – Ich denke ihm wohl noch selbst während Du dort bist zu schreiben.
An Seckendorf schicke ich mit nächstem littera[6]rische Skizzen – einzelne Bruchstücke und Abhandlungen in nuce von Opitz bis auf die neueste Zeit. Melde mir, ob es den Umweg p[e]r Leipzig bei Kummer machen muß.
Du bist so freundschaftlich mir Deinen Rückstand bei der Jenaischen A.[llgemeinen] L.[iteratur] Z.[eitung] zu übermachen, wofür ich Dir herzlichen Dank sage. Ich habe es Eichstädten gemeldet und auch schon eine Assignation ausgestellt. Hast Du nun also etwa noch nicht geschrieben und Avis gegeben, so thu es ja gleich, damit keine Verwirrung entsteht. – Von dem Canonicat würde ich erst 1810 Einnahme haben. Ich sage würde, denn wie könnte ich versprechen oder unterschreiben was mit gutem Gewissen nicht angeht. Meine einzige Sorge desfalls ist, es mir mit guter Art von Halse zu schaffen, so daß die Mutter nichts erfährt. Wenn Karl nur wollte und es geschickt anfinge, so ginge es gewiß ganz einfach per cessionem. Das Beste ist daß es keine große Eil hat, und so kannst Du mir, da Du nach Hannover zu gehn denkst, wahrscheinlich auch hierin hülfreich sein.
Es wartet Deiner dort noch ein andres Geschäft. Die Schwiegerin ist fortdauernd von der Mutter ganz getrennt. Charlotte findet das Betragen der ersten auch tadelhaft; sie fürchtet daß die Mutter bei einer Krankheit oder in noch höherm Alter ganz hülflos [7] und Fremden überlassen sein würde. Die Wittwencaße wird vielleicht eingehen. Charlotte hat sich erboten, die Mutter zu sich zu nehmen, wenn sie dieß wünschen sollte. Doch hat dieß auch große Schwierigkeiten. Ernst der kränklich und sehr empfindlich ist, würde bei dem kleinen engen Hauswesen vielleicht sich gar sehr gestört fühlen; die Mutter würde sich auch schwer in die von der hannövrischen verschiedne Lebensart und Gesellschaft finden können; würde vielleicht sogar an der Pension verliehren usw. Alles dieses sollst Du nun, wenn Du in Hannover bist, mit eignen Augen sehen und entscheiden. Dieß ist Charlottens Wunsch und Bitte. Uebrigens beklagt nicht nur sie sondern ganz Dreßden sich darüber, daß Frau von Staël Dreßden das alle andre Reisende aufsuchen, bei so verschiedenen Reisen umgeht. Werdet Ihr nicht etwa den Weg nach Weimar über Dreßden nehmen? – Sehen müssen wir uns auf jeden Fall; am besten ist es wohl in Frankfurt. Sonst könntest Du von Hannover aus auch über Düsseldorf und Cölln reisen. Doch das haben wir nun noch Zeit zu verabreden.
Der Frau von Staël werde ich nächstens schreiben. Ihr Brief an mich ist etwas trocken. Verhüte es ja daß sie mich nicht auf eine solche Art empfiehlt, wie sie mir schreibt daß sie es thun will. Ich bin sehr ängstlich deshalb und gewiß daß es mir äusserst schädlich sein würde. Sie behandelt das viel zu aristokratisch [8] und nicht mit der Würde und dem gerechten Stolze der meinem Charakter allein angemessen und in diesem Falle gewiß auch der Klugheit nach das beste ist. Ich bin gewiß daß Stadion deswegen sich nicht so mit Dir einließ als er sonst gethan haben würde, weil er durch dergleichen Aeußerungen verstimmt worden war. – Uebrigens irrt sie sich sehr, wenn sie glaubt, daß es mir nur um eine Stelle zu thun ist. Dazu würde wohl noch Rath; haben doch noch neulich gegen Reinhard in Paris sehr angesehene Leute von einer Stelle für mich an der großen Universität gesprochen. Die Stelle aber die mir die rechte ist und gebührt zu finden, das ist das Schwere; bis dahin will ich also wenigstens die Ehre behaupten.
Daß es Dir an den Freuden des Lebens und der Liebe mitten unter den Zerstreuungen nicht fehlt, freut mich. Du lebtest die letzten Jahre wirklich gar zu streng und traurig verschlossen. – Was Du mir aber außerdem am Schluß Deines Briefs eröffnest und errathen läßt, erfüllt mich mit Sorge und Bekümmerniß; für Dich, für den guten Hardenberg auf dessen Freundschaft sie vielleicht mehr als recht ist lasten, am meisten aber für die edle große Sache, die am Ende, wenn öffentlicher Skandal entsteht, dadurch geschändet wird. Du erzeigst mir einen Freundschaftsdienst (denn jene große Sache ist unabänderlich auch die meinige) wenn Du warnst und ermahnst, so viel Du kannst, daß man stets der Pflicht, diese Sache zu ehren, aufs strengste eingedenk sei.
[9] Was die Projekte betrift, so sehe ich wenigstens daß sie leider bei so unbesonnenem und ganz weltlichem Beginnen nicht in guten Händen sind. Ich wünschte Du hättest mir mehr davon geschrieben, wenigstens angedeutet. –
Die elende Recension der Comparaison in dem Publicisten wirst Du gelesen haben; wirklich unter aller Kritik. Um seine Kenntniß der Deutschen Sprache zu bewähren, führt er am Ende eins der alten verschollenen Epigramme von Schiller auf mich an als von Goethe auf Dich. Im Journal de lʼEmpire erscheint so eben auch eine; und das ist von allen die leidlichste und geschickteste. Er ist doch fein und der einzige, der Dich ganz verstanden hat.
Vergiß ja nicht mich dem H. v. Hammer zu empfehlen, es ist mir sehr erfreulich, daß die Probe im M[orgen]bl[att] seinen Beifall hatte. Das M[orgen]bl.[att] wird in der That wie man sagt immer gemeiner. Die Jungfrau von Orleans hat nicht darin gestanden; Du wirst also Recht haben, daß er Bedenken getragen. –
Grüße auch Knorring von mir recht sehr. Ich weiß nicht andres als gutes von ihm, und würde mich freuen seine Bekanntschaft zu erneuern. Ich wünschte recht daß diese Leute in Ordnung kämen und der Welt nicht mehr zu sprechen gäben. – Dein Tristan ist ein unabhängiges Dichterwerk, dazu mußt Du keine Einleitung geben, brauchst also auch das alte Gedicht nicht wieder zu lesen. Wenn ich einmal wieder mit Dir zusammen wäre, würde ich Dir vielleicht zureden, diesen Gesang als Studium zu [10] betrachten, und die ganze Fabel von Artus, S. Graal, Perceval, Lancelot, Tristan alles zusammen in einem großen Gedicht zu umfassen, was dann an Fülle und Reichthum alles übertreffen könnte. Daß Du es so lange unterlassen konntest, weiter an dem Tristan zu dichten, beweißt doch schon daß der Plan nicht ganz der rechte für Dich war.
Ich bin entzückt vom Niebelungenliede – es ist das schönste aus alter und neuer Zeit was in Deutscher Sprache gesungen worden. Ich habe auch davon eine Beurtheilung für die Heidelberger übernommen, wo ich mich freilich nur auf den poetischen Werth beschränken werde. Ich bin übrigens sehr fest überzeugt, daß Heinrich von Ofterdingen dieß Gedicht so wie wirs da haben, gemacht hat. – Doch davon ein andermal. Auch von Stolbergs Werk werde ich eine Anzeige bei den Heidelbergern machen; worüber Voß vielleicht vor Bosheit sterben wird. Der alte Racker hat nach siebenjährigem Druchsen endlich eine Art von Anti Parodie gegen Dich zu Stande gebracht, die Klage des Romantikers (steht im Morgenblatt). Ließ auch wundershalber eine unendliche Recension Deiner Elegie, im Januar 1807 der A.[llgemeinen] L.[iteratur] Z.[eitung]. Es ist eigentlich eine Apologie der Trochäen, doch mit großem Lobe Deiner.
Nun lebe herzlich wohl, geliebter Freund.
Ewig Dein
F.[riedrich] S.[chlegel]

Ich schreibe an Seckendorf eine Zeile Antwort, weil ich den kenne. Sage aber auch dem andern Herausgeber etwas Verbindliches von mir.
[11]
Wenn der Hormayr nicht etwa ein ganz antipoetischer Historiker ist – so ließ ihm doch auch gleich die Rückkehr vor. Bewirke doch eine Recension des Dichter Gartens im Prometheus. Wenn du Seckendorf grade zu sagst, er möchte das Christliche nicht berühren oder doch nicht herausheben, und ihm dann die patriotischen Gedichte und Stellen besonders rühmst oder vorließt, so wird er die Recension gewiß recht gut machen.
[12]
Die herrliche Wiener Gemähldesammlung solltest Du nun doch aber nicht länger versäumen. – Auf Deine Benutzung des Münchner Codex des Niebelungenlieds bin ich unendlich begierig. Wie lange wirst Du ihn behalten? – Meine Frau grüßt Dich aufs beste. – Daß die Recensionen im Heidelberger [Jahrbuch] keine unnütze Arbeit sind und für unsern litterarischen Einfluß in die Zeit sehr zweckmäßig eingreifen, wird Du sehen, wenn Du sie ließt.
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