• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Leipzig · Place of Destination: Amsterdam · Date: [Anfang August 1792]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Leipzig
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: [Anfang August 1792]
  • Notations: Datum erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 61‒62.
  • Incipit: „[1] Du beschwerst Dich über meine unbefriedigenden Briefe, und wirst heute nicht viel mehr erhalten. – Ich sollte Dir danken für [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34186
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.a,Nr.14
  • Number of Pages: 5S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,1 x 11,2 cm
    Language
  • German
[1] Du beschwerst Dich über meine unbefriedigenden Briefe, und wirst heute nicht viel mehr erhalten. – Ich sollte Dir danken für das überschickte, und muß statt dessen von neuem bey Dir betteln, und in Wahrheit das Betteln ist das einzige was meiner Glückseeligkeit noch abgeht. –
Seit einiger Zeit bin ich viel in Gesellschaft gegangen, und hatte mich in den Stand gesetzt, es noch mehr zu thun. Dazu habe ich mich ganz neu equipiren müssen, und habe auch sonst viele Ausgaben gehabt, so daß ich ganz von Geld entblößt und in Schulden bin. Es wäre vielleicht besser, es wäre nicht geschehen. Nun ist es zu spät, und ich muß auf Dich hoffen, wenn ich nicht an meiner Ehre verlieren soll.
Dein Geld habe ich hier gleich gebraucht. Ich hatte von dem besten <und ältesten> meiner hiesigen Freunde [2] geliehen, in zwey kleinen Posten; das erstemal bot er mir an soviel er hatte, mit den höflichsten Ausdrücken; das zweytemal auch noch, aber in seiner Miene war etwas, als zählte er unsre Freundschaft und das Geld gegen einander ab – es ergab sich denn daß unsre Freundschaft doch noch wohl <grade> so viele Thaler werth sey. – Hier mochte ich nun nicht schuldig bleiben. Bornemann hat also nichts gekriegt. Uebrigens ist mir unbegreiflich daß Karl Dir nichts darüber geschrieben, er hat die Rechnung und an ihn dachte ich solltest Du es schicken.
Ich muß Dir nun sagen, was mich in die Gesellschaft gezogen hat, es war die Neigung zu einer Frau, die ich bis itzt <fast> nur noch in Gesellschaften gesehen habe. – Es läßt sich ganz unmöglich schon eine Erzählung davon machen – ich habe mich noch nicht der kleinsten Gunst zu rühmen; ich habe noch nicht einmal ein einziges <armseliges> Billet angebracht. Zwar habe ich wohl einige [3] gute Zeichen erhalten, aber noch das letzte mal bin ich sehr unglimpflich behandelt worden. Ich hatte es aber auch verdient.
Einige Tage später.
Du siehst leicht ein, daß ich itzt gar nicht im Stande bin, Dir zu sagen, wie die Sache ist; dazu kenne ich sie viel zu wenig und bin viel zu leidenschaftlich; ich gäbe alles darum Dich hier zu haben, Dein Rath würde mir gleich helfen. Eine halbe Stunde tête-à-tête würde mich auch au fait setzen; darauf muß ich vielleicht noch einige Zeit warten: bey dem versteckten Gespräch in grösserer Gesellschaft fallen so viele Misverständnisse vor, daß man am Ende nicht weiß, wo einem der Kopf steht. Mit jedem Moment wechseln alle Leidenschaften in mir; es würde vergebens seyn mehr zu sagen, ich könnte Dir doch nur die Ansicht eines Augenblicks geben. Aber sobald als ich fähig bin zu erzählen, sollst Du alles aufs pünctlichste wissen.
[4] Du kennst mich, Du wirst also wissen, wie mir ist; wie die Leidenschaft mir die Nichtswürdigkeit meines Lebens deutlich macht. Ich habe das nie so gefühlt wie itzt, und vielleicht ist unsre Trennung nahe. – Es fällt mir schmerzlich, Dich um Geld bitten zu müssen. Aber es ist nun geschehen und ein Theil meiner Glückseeligkeit schier hängt nun davon ab. Was Du mir geben kannst, hängt von Dir ab, nur bitte ich Dich, es so bald als möglich zu schicken.
Warum soll ich leben? – Du kannst mir das nicht beantworten, und kannst mir nicht aus Gründen rathen zu leben, wenn nehmlich nach andern Gründen als nach der Neigung entschieden werden soll. Denn frage ich diese, so ist kein Zaudern. Ich würde Dich nicht mit der Freude wieder umarmen, als die Werkzeuge meiner Freiheit, in der Gewißheit, sie gleich brauchen zu können.
[5] Ich bin matt und kann nicht mehr schreiben. Etwas wollte ich Dir doch schicken und so muß der Brief nun so fort wie er ist. – Von meiner Versorgung und meinen Aussichten auch einandermal. Nur so viel vorläufig. Wenn Du eine Hofmeisterstelle für mich in H.[olland] findest, so bin ich geneigt zu kommen. Vielleicht bedarf es aber aller tiefen Plane auf die Zukunft nicht,
Fr. S.

Schreib mir itzt viel, ich will Dir zur bessern Zeit vergelten.
[6]
[1] Du beschwerst Dich über meine unbefriedigenden Briefe, und wirst heute nicht viel mehr erhalten. – Ich sollte Dir danken für das überschickte, und muß statt dessen von neuem bey Dir betteln, und in Wahrheit das Betteln ist das einzige was meiner Glückseeligkeit noch abgeht. –
Seit einiger Zeit bin ich viel in Gesellschaft gegangen, und hatte mich in den Stand gesetzt, es noch mehr zu thun. Dazu habe ich mich ganz neu equipiren müssen, und habe auch sonst viele Ausgaben gehabt, so daß ich ganz von Geld entblößt und in Schulden bin. Es wäre vielleicht besser, es wäre nicht geschehen. Nun ist es zu spät, und ich muß auf Dich hoffen, wenn ich nicht an meiner Ehre verlieren soll.
Dein Geld habe ich hier gleich gebraucht. Ich hatte von dem besten <und ältesten> meiner hiesigen Freunde [2] geliehen, in zwey kleinen Posten; das erstemal bot er mir an soviel er hatte, mit den höflichsten Ausdrücken; das zweytemal auch noch, aber in seiner Miene war etwas, als zählte er unsre Freundschaft und das Geld gegen einander ab – es ergab sich denn daß unsre Freundschaft doch noch wohl <grade> so viele Thaler werth sey. – Hier mochte ich nun nicht schuldig bleiben. Bornemann hat also nichts gekriegt. Uebrigens ist mir unbegreiflich daß Karl Dir nichts darüber geschrieben, er hat die Rechnung und an ihn dachte ich solltest Du es schicken.
Ich muß Dir nun sagen, was mich in die Gesellschaft gezogen hat, es war die Neigung zu einer Frau, die ich bis itzt <fast> nur noch in Gesellschaften gesehen habe. – Es läßt sich ganz unmöglich schon eine Erzählung davon machen – ich habe mich noch nicht der kleinsten Gunst zu rühmen; ich habe noch nicht einmal ein einziges <armseliges> Billet angebracht. Zwar habe ich wohl einige [3] gute Zeichen erhalten, aber noch das letzte mal bin ich sehr unglimpflich behandelt worden. Ich hatte es aber auch verdient.
Einige Tage später.
Du siehst leicht ein, daß ich itzt gar nicht im Stande bin, Dir zu sagen, wie die Sache ist; dazu kenne ich sie viel zu wenig und bin viel zu leidenschaftlich; ich gäbe alles darum Dich hier zu haben, Dein Rath würde mir gleich helfen. Eine halbe Stunde tête-à-tête würde mich auch au fait setzen; darauf muß ich vielleicht noch einige Zeit warten: bey dem versteckten Gespräch in grösserer Gesellschaft fallen so viele Misverständnisse vor, daß man am Ende nicht weiß, wo einem der Kopf steht. Mit jedem Moment wechseln alle Leidenschaften in mir; es würde vergebens seyn mehr zu sagen, ich könnte Dir doch nur die Ansicht eines Augenblicks geben. Aber sobald als ich fähig bin zu erzählen, sollst Du alles aufs pünctlichste wissen.
[4] Du kennst mich, Du wirst also wissen, wie mir ist; wie die Leidenschaft mir die Nichtswürdigkeit meines Lebens deutlich macht. Ich habe das nie so gefühlt wie itzt, und vielleicht ist unsre Trennung nahe. – Es fällt mir schmerzlich, Dich um Geld bitten zu müssen. Aber es ist nun geschehen und ein Theil meiner Glückseeligkeit schier hängt nun davon ab. Was Du mir geben kannst, hängt von Dir ab, nur bitte ich Dich, es so bald als möglich zu schicken.
Warum soll ich leben? – Du kannst mir das nicht beantworten, und kannst mir nicht aus Gründen rathen zu leben, wenn nehmlich nach andern Gründen als nach der Neigung entschieden werden soll. Denn frage ich diese, so ist kein Zaudern. Ich würde Dich nicht mit der Freude wieder umarmen, als die Werkzeuge meiner Freiheit, in der Gewißheit, sie gleich brauchen zu können.
[5] Ich bin matt und kann nicht mehr schreiben. Etwas wollte ich Dir doch schicken und so muß der Brief nun so fort wie er ist. – Von meiner Versorgung und meinen Aussichten auch einandermal. Nur so viel vorläufig. Wenn Du eine Hofmeisterstelle für mich in H.[olland] findest, so bin ich geneigt zu kommen. Vielleicht bedarf es aber aller tiefen Plane auf die Zukunft nicht,
Fr. S.

Schreib mir itzt viel, ich will Dir zur bessern Zeit vergelten.
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