• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Amsterdam · Date: 09.05.1794
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Amsterdam
  • Date: 09.05.1794
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 23. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Bis zur Begründung der romantischen Schule (15. September 1788 ‒ 15. Juli 1797). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Ernst Behler u.a. Paderborn u.a. 1987, S. 192‒197.
  • Incipit: „[1] Dreßden. Den 9ten May.
    Hätte ich gleich den Empfang des Wechsels gemeldet, so wäre der Brief in L[eipzig] liegen geblieben, und [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34222
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.b,Nr.54
  • Number of Pages: 12 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19 x 11,5 cm
    Language
  • German
[1] Dreßden. Den 9ten May.
Hätte ich gleich den Empfang des Wechsels gemeldet, so wäre der Brief in L[eipzig] liegen geblieben, und heute kann ich zugleich die Erfüllung Deiner Aufträge mit berichten. Ich habe 534 Thl. 14 GG. in Sächsischen Species erhalten; behalte also ein Beträchtliches übrig, welches ich zum Theil aber zur Eintauschung von Louisd.[ors] habe brauchen müßen; welche hier 3¼ pCt. stehen. Ich habe sogleich 4 Ldrs. an Göschen geschickt, und werde noch heute an Carolinen schreiben, und auch noch heute die 3 Ldrs. an meine Mutter schicken. Ich habe nun sogleich mit möglichster Ueberlegung die Eintheilung des Geldes gemacht – an Rechnungen bleiben zwar <nur> einige kleinere und ein <sehr> beträchtlicher Rest. Für diese, wozu ich auch Vorschuß an baarem Gelde rechne, habe ich zuerst gesorgt; nun sind aber noch zwey Juden-Schulden übrig, 150, und 125 Thl., wovon der erstere iezt nichts, der andre nur 40 Thl. erhält: bey beyden bin ich schändlich betrogen. Du siehst es ist bei weitem noch nicht Alles überwunden; indeßen hoffe ich sind alle ehrlichen Creditores so weit befriedigt, daß sie zufrieden seyn werden; jene beyden verdienen es nicht beßer, und können am Ende doch nichts machen. –
Ich verspreche Dir heilig an Sparsamkeit, und Entsagung nichts nachzulaßen; noch an Eifer mir zu helfen. – Wegen der Uebersetzung hat mir G.[öschen] noch nicht geantwortet; die Buchhändler [2] kommen erst in künftiger Woche nach Leipz[ig]; von meinem Werke schicke ich Dir Alles, was fertig ist, wenn ich nach Pillnitz gehe, nebst Allem was ich darüber zu sagen habe. Nur wünschte ich zu wissen, welche Scholiasten Du vorzüglich meyntest als Du mir riethest, sie nebst dem Eustathius zu excerpiren?
Von dem Gelde werde ich vermuthlich nichts übrig behalten, als höchstens einige Thaler, zu einigen Ausgaben, z. B. Ankauf von Papier, und um für einige Wochen zu wirthschaften. Ich gestehe, es thut mir leid; aber die lezte Zeit hat alles so auf mich gedrängt; ich hatte mir fest vorgenommen 25 Thl. zurückzulegen, und meiner Schwester in Verwahrung zu geben, auf Michaelis: denn da ich Charl.[otte] die Aufsicht meiner hiesigen Finanzen übertragen habe (ich glaube hierin recht gehandelt zu haben, und dieses meiner Mutter schuldig gewesen zu seyn) so wäre die natürliche Folge, wenn ich meiner Schw.[ester] nicht Geld geben könnte, oder Dr.[esden] verließe, daß sie sich wieder von der Mutter schicken ließe, worüber ich untröstlich seyn würde. Doch wird es dahin nicht kommen; von den 35 Thl. müßen zu Michaelis wenigstens 10 übrig seyn; ich bekomme iezt 10 Thl. Stipendium, und diese werde ich hoffentlich zurücklegen können. Ich bin vielleicht zu ängstlich, [3] indeßen werde ich thun was ich kann; vielleicht bekomme ich die Aufsätze in der Thalia oder sonst bezahlt. Gelingt es mit der Uebersetzung so werde ich es einzurichten suchen, daß ich vor Michaelis noch mir kann Geld geben laßen. Vielleicht ist unter dem, was ich diesen Sommer ausarbeiten werde, auch Einiges, was ich gleich zu Michaelis verkaufen kann. – Und ungefähr sechs Wochen nach Mich.[aelis] wird das Werk fertig seyn. –
Deine Handlung, lieber Freund, ist eine solche, für die mein Leben Dir danken wird, und nicht dieser Brief. Ich lebe wieder auf, und nehme Theil an menschl.[ichen] Dingen und an dem Schicksal meiner Freunde. Die Hoffnung, Dich bald wieder zu sehen, erfreut mein Herz. Unser Wunsch ist nun in Erfüllung gegangen, unsre Losung; Deine Rückkehr ins Vaterland. – Es fehlt nichts als eine Heimath, die muß sich ja wohl finden. Carol.[ine] schreibt mir, ich soll hier recognosciren; hättet Ihr nur auch bestimmt, wie viel ich Lottch.[en] sagen darf. – Wenn ich ihr nicht darf vermuthen laßen, daß Ihr an einem Orte leben wollt, nach Deiner Zurückkunft, so kann ich sie kaum sondiren. – Es ist schwer, da im voraus Vermuthungen anzustellen – über Ernsts Betragen, weil sich [4] auf keinen von beyden mit Gewißheit rechnen läßt, weder im Guten noch im Bösen. Ernst handelt ganz nach Launen, hat selbst kein festes Vorurtheil, das des Christenthums etwan ausgenommen. – Doch so viel glaube ich einzusehen. Ch.[arlotte] liebt den Anstand, und ist die Sache also einmal nicht zu ändern, so wird sie sich äußerlich gut betragen, mag sie auch für sich denken was sie will. Ferner hat sie von Alters her, Vorliebe, und <ziemlich> hohe Meynung von Dir. – Das Politische ist Ernsts ganz gleichgültig, und sie brauchen auch in der Wahl ihres Umgangs nicht sehr Rücksicht darauf zu nehmen. – Ch.[arlotte] hat gegen Caroline die Meynung einer völligen weiblichen Immoralität, hält Dich für bezaubert und betrogen, und ist fest überzeugt von der Verbindung mit F[orster]. – Eine Person in Gesellschaft aufzuführen, noch dazu in einem so delicaten Falle, dazu besitzt C.[harlotte] die Geschicklichkeit nicht, auch würde ihr Zirkel, glaube ich für Car.[oline] nicht paßen, und Dir vielleicht auch nicht sehr behagen. Mit Car.[oline] müßte es also und würde es auch bey einem anständigen etwas entfernten Umgange bleiben. – Car[oline] wäre hier also vielleicht ganz isolirt. – Für Dich wäre Becker vielleicht eine nützliche Verbindung, aber doch wohl ein ziemlich leerer [5] Umgang. Körner würde Dir intereßant seyn; er kann gewiß jedes Talent anerkennen, im vollsten Sinne des Wortes, anerkennen. Einem Künstler, den er schätzt zu nützen, ihm seine Lage angenehm zu machen, thut er bis auf gewiße Grenzen, was er vermag, mit Eifer, selbst nicht ohne Feinheit. Und auf diesen läßt sich sicher rechnen, unter allen Umständen. Seine Frauen aber haßen Car[oline] wegen der Verbindung mit der F.[orster] und mit H[uber]. – Also Car.[oline] würde wenigstens zu Anfang isolirt seyn, und wenn sie das nicht ganz seyn will, so müßtet Ihr Euch selbst Euren Zirkel bilden. – Das Politische hat, glaube ich gar keine Schwierigkeit; doch möchtet Ihr desfalls lieber G.[öschen] um Rath fragen. Ich kann es wohl erfahren, aber nicht <gut> ohne Car.[oline] zu nennen. – Die Logis sind hier sehr wohlfeil, besonders in Neustadt; in der Kleidung hat jeder volle Freiheit, man geht im Ganzen schlecht, und was dazu gehört ist wenigstens viel wohlfeiler, als zu Hannover oder zu Gött[ingen]. – Der Tisch ist wohlfeil, aber Aufwartung und Domestiquen sind etwas theurer. – Im Sommer könntet Ihr auf dem Lande wohnen, und das ist auch sehr wohlfeil. – Aber auf eins muß ich Dich auf[6]merksam machen; nehmlich Car.[oline] hat hier gar keine Bekannten: wo sie also hier auftreten wird unter Leuten die Ch.[arlotte] oder Dich kennen, kann es unter keinem andern Titel seyn, als daß sie um Deinetwillen hier ist. Doch entspringt daraus <vielleicht> kein wesentlicher Nachtheil.
Den Verfaßer der Gesch.[ichte] Fr[iedrich] des II. kenne ich; es ist ein Rittmeister von Funck, Freund Körners. Von Fr.[iedrichs] Freigeisterey habe ich keine besondere Stelle beym Durchblättern gefunden; durchgängig wird er als sehr aufgeklärt und über sein Zeitalter erhaben dargestellt. Von dem Buche nur folgende dürftige Stelle; – Er hat von Peter de Vineis geredet und seinen Werken. ‚Das größte Aufsehen erregte ein Werk de tribus impostoribus, welches er auf Geheiß des Kaisers soll geschrieben haben. Sonderbar aber ist es, daß das Daseyn eines Buchs, worauf der Römische Hof so oft seine Vorwürfe gründete, von vielen Neuern bezweifelt wird cfr. Giannone tom. II p. 389.ʻ – Wenn Dir daran liegt, so schreibe mir bestimmt, was Du wißen willst, und ich werde auf der Bibliothek Nachsuchungen anstellen. Sie ist in Deutscher Geschichte, dem Rufe nach, [7] sehr reich, ja vollständig. –
Ich habe einen guten Einfall gehabt; ich lese iezt die vorzüglichsten Schriftsteller der Gr.[iechen] durch und excerpire zu meinen Zwecken. Da wird es nicht schwer seyn, auch mit Materialien aufzuzeichnen zu einigen kleinen Aufsätzen – Bruchstücke griechischer WeiblichkeitDiotimaAspasiaOlympiasCleopatra; vielleicht etwas über Lesbos, Korinth. – Du sollst aber Car.[oline] nichts davon sagen. – Ich dachte den Mitford mit einer Zulage zu begleiten, Geschichte des Standes der Gelehrten (Weltweise, Dichter, Redner, kurz alle mitgerechnet) bey den Griechen; hier liegt oft der Grund zu den größten Begebenheiten der sittlichen Welt: und bey der Gr.[iechischen] Nation enthält diese Geschichte vorzügliche Merkwürdigkeiten. Es sind auch einige nicht unerhebliche Gedanken in meinem Kopfe zu einer Theorie darüber. Aus beyden zusammen könnte wohl eine kleine Schrift werden, die ich, wenn ich einen Weg dazu finde (wie es leicht möglich wäre) sehr schicklich an Dalberg oder an den Prinzen von Augustenburg dediciren könnte.
[8] Ich wünschte auch sehr, noch künftigen Winter hier Vorlesungen zu Stande zu bringen. Ich bin gewiß, es würde gelingen; aber wie gesagt, ohne Körner kann ich es gar nicht anfangen. Ich will noch einmal versuchen ihn zu überreden; ich will mich erbieten zu Vorlesungen über die praktische Philosophie der Gr.[iechen] von Socrates bis Carneades, oder auch zu vermischten Vorlesungen über Griechische Geschichte, Politik, Alterth[ümer], Kunst u.s.w.* –
Da ich mir iezt selbst ein Beispiel gegeben habe, daß ich beharrlich an einem Werke arbeiten kann, so wird die Menge meiner Plane Dich nicht besorgt machen. Du fragst nach der Eintheilung meines Tages? – Diese ist folgende; wenn ich aufwache, fange ich an, an meinem Werke zu arbeiten, und ich höre auf, wenn ich mich niederlege. Im Wechsel des Schreibens, Denkens, Lesens, Excerpirens habe ich keine feste Regel.
[9] Ich bitte Dich mir über Deine künftigen Plane etwas zu schreiben, damit ich auch in dieser Rücksicht Dir von Dr.[esden] melden kann, was ich weiß. Aber auch von Deinen esoterischen Planen wünschte ich etwas zu wißen; wirst Du vielleicht alte Plane zu Gedichten von größern Umfange hervorziehen? oder historische, deren Du in Göttingen mehrere hattest? Zu den letzern wäre Dir die hiesige Bibliothek sehr brauchbar. – Ich kann Dir nicht sagen, wie sehr ich mich auf die Zeit freue, wo Du frey seyn wirst, und bey Car.[oline]; sollte das Schicksal uns beyde auch noch eine Zeitlang trennen. – Auf den Dante bin ich höchst begierig; ich werde Car.[oline] bitten, wenn Du es erlaubst, Alles was sie hat, mir aufzusparen, nebst Allem, was Du noch schikken wirst, bis ich in Pillnitz bin, und mir dann mitzutheilen, wo ich es mit Muße genießen kann <und darüber schreiben will>. –
Von Woldemar ist eine neue, sehr vermehrte Ausgabe in zwey Bänden erschienen; der Kunstgarten ist mit darin verflochten. Ich bin aber standhaft bey der Versuchung geblieben und habe ihn nicht gelesen. Du kannst ihn noch wohl nicht haben? –
Schiller arbeitet an dem Wallenstein, welcher wohl bald das Licht des Tages erblicken wird. –
Wenn Du an Becker recht bald schreiben könntest; und noch beßer wenn Du etwas für ihn hättest, ins Taschenbuch oder ins Damenjournal, so würdest Du mich sehr verbinden. So oft er mich sieht, fragt er. Und wie ich schon neulich schrieb, er könnte mir nützlich seyn, und vielleicht künftig [10] auch Dir. –
Ich bin hier am meisten verbunden mit Körner; mit dem ich schon seit Ostern 93 in Corresp.[ondenz] stand; er erzeugt mir Gefälligkeiten und Dienste, so viel er kann. Auch geht nichts von dem, was ich ihm etwa mittheile, verloren; er ist auch gar nicht zurückhaltend mir mithzutheilen, und so weit geht denn auch unsre Freundschaft, nehmlich so weit die Kunst geht. Daß er sicher ist, schrieb ich schon vorhin. Er steht in Corresp.[ondenz] mit Humbold (dem Aeltern nehmlich). Nun erinnere ich mich, daß Du in Hann.[over] Stieglitz nach deßen Addreße frugst. – Soll ich sie Dir etwa schicken? Er ist in Jena, und wird wohl eine Zeitlang da bleiben. Du könntest aber auch den Brief nur an mich schicken. – Menschen, die mir Projekte machen, giebt es wohl mehrere. Beckerʼs gefallen mir noch am besten. Eine Profeßur in L.[eipzig] wäre mir vielleicht nicht unmöglich zu erhalten, aber hat große Schwierigkeiten, und steht den besten meiner Plane im Wege. Nicht so eine Prof.[essur] in Jena oder Kiel; die könnte ich mir vielleicht einmal sehr wünschen. –
Von den Aufsätzen über Griechische Frauen kann ich vielleicht Becker für das Damenjournal etwas geben. –
Ich hoffe, daß meine Mutter nun doch etwas ruhiger werden wird. Ganz darf ich das freilich nicht hoffen, eher sie nicht vor Augen [11] sieht, daß Alles gut geht. Das muß ich in Geduld tragen, und auf die Zeit hoffen, wo sie sich auch meiner freuen wird. Daß ich bis dahin häufig an sie schreibe, das scheint mir fruchtlos; es heißt nichts, als mein Versprechen wiederhohlen. Was ich ihr iezt sagen kann, das hat mehr Glauben und Gewicht, wenn meine Geschwister es ihr sagen, vorzüglich Du und Lottchen. Ich werde aber auch an Carl weitläuftig schreiben, und ihm mittheilen, so viel ich kann, von Planen.
Von Kocsiusko habe ich hier nichts als Gutes gehört, und die öffentliche Stimme hier scheint allgemein für ihn zu seyn.
Du hättest mir manche bittre Stunde erspart, wenn du letzthin (in dem Briefe vom 10ten März) statt zurückzuhalten, offenherzig getadelt hättest. Darauf fiel ich nicht; und ich gestehe Dir, ich weiß noch nicht, welche meiner Handlungen, seit ich hier in Dreßden bin, Deinen Tadel verdient hat. –
Wie weitläuftig mein Werk seyn wird, werde ich noch nicht einmal, ehe ich nach Pillnitz gehe, bestimmen können, weil dabey auf das lezte Ausarbeiten so sehr viel ankömmt, und vorzüglich weil ich nicht zu beurtheilen weiß, wie sich Geschriebenes zu Gedrucktem [12] verhält. – Die Latein.[ischen] Dichter betreffend, so zweifle ich, daß ich sie lesen werde. Sie enthalten gewiß manchen Aufschluß über Gr.[iechische] Poesie; aber ich traue mir nicht die rechte Gabe zu, sie zu nutzen. Auch ist der Wiederschein der Gr.[iechischen] in der Römischen Poesie immer etwas Schwankendes. Mit dem Properz könnte ich mich in diesem Falle nicht befriedigen; ich würde fast alle Röm[ischen] Dichter lesen müßen; Terenz (wegen des Menander) Plautus, Lucrez (wegen des Empedocles, und Parmenides) u.s.w. Ich habe mir bisher geschmeichelt, es würde meinem Werke eine nicht unangenehme Eigenthümlichkeit geben, aus rein griechischen Quellen geschöpft zu seyn. Auch reichen die Gr.[iechischen] Dichter und die Fragmente hin; nehmlich in Verbindung mit der Geschichte des sittlichen Menschen unter den Griechen; und wenn man aus allen Ueberbleibsel Gr.[iechischer] Poesie so viel Belehrung sieht, als es möglich ist welches sehr viel sagen will und bey den Meisten noch nie geschehen ist. Man hat sich doch nur mit Einigen beschäftigt. Und welche Aufschlüße giebt der Zusammenhang dem der alle kennt. –
Doch bin ich noch nicht entschieden; vielleicht wäre es hinreichend die vier genannten Dichter zu lesen.

* Ich möchte doch diese Vorlesung nicht grade Collegia nennen; denn in sehr wesentlichen Stücken werden sie anders seyn. Darüber kürzlich.
[1] Dreßden. Den 9ten May.
Hätte ich gleich den Empfang des Wechsels gemeldet, so wäre der Brief in L[eipzig] liegen geblieben, und heute kann ich zugleich die Erfüllung Deiner Aufträge mit berichten. Ich habe 534 Thl. 14 GG. in Sächsischen Species erhalten; behalte also ein Beträchtliches übrig, welches ich zum Theil aber zur Eintauschung von Louisd.[ors] habe brauchen müßen; welche hier 3¼ pCt. stehen. Ich habe sogleich 4 Ldrs. an Göschen geschickt, und werde noch heute an Carolinen schreiben, und auch noch heute die 3 Ldrs. an meine Mutter schicken. Ich habe nun sogleich mit möglichster Ueberlegung die Eintheilung des Geldes gemacht – an Rechnungen bleiben zwar <nur> einige kleinere und ein <sehr> beträchtlicher Rest. Für diese, wozu ich auch Vorschuß an baarem Gelde rechne, habe ich zuerst gesorgt; nun sind aber noch zwey Juden-Schulden übrig, 150, und 125 Thl., wovon der erstere iezt nichts, der andre nur 40 Thl. erhält: bey beyden bin ich schändlich betrogen. Du siehst es ist bei weitem noch nicht Alles überwunden; indeßen hoffe ich sind alle ehrlichen Creditores so weit befriedigt, daß sie zufrieden seyn werden; jene beyden verdienen es nicht beßer, und können am Ende doch nichts machen. –
Ich verspreche Dir heilig an Sparsamkeit, und Entsagung nichts nachzulaßen; noch an Eifer mir zu helfen. – Wegen der Uebersetzung hat mir G.[öschen] noch nicht geantwortet; die Buchhändler [2] kommen erst in künftiger Woche nach Leipz[ig]; von meinem Werke schicke ich Dir Alles, was fertig ist, wenn ich nach Pillnitz gehe, nebst Allem was ich darüber zu sagen habe. Nur wünschte ich zu wissen, welche Scholiasten Du vorzüglich meyntest als Du mir riethest, sie nebst dem Eustathius zu excerpiren?
Von dem Gelde werde ich vermuthlich nichts übrig behalten, als höchstens einige Thaler, zu einigen Ausgaben, z. B. Ankauf von Papier, und um für einige Wochen zu wirthschaften. Ich gestehe, es thut mir leid; aber die lezte Zeit hat alles so auf mich gedrängt; ich hatte mir fest vorgenommen 25 Thl. zurückzulegen, und meiner Schwester in Verwahrung zu geben, auf Michaelis: denn da ich Charl.[otte] die Aufsicht meiner hiesigen Finanzen übertragen habe (ich glaube hierin recht gehandelt zu haben, und dieses meiner Mutter schuldig gewesen zu seyn) so wäre die natürliche Folge, wenn ich meiner Schw.[ester] nicht Geld geben könnte, oder Dr.[esden] verließe, daß sie sich wieder von der Mutter schicken ließe, worüber ich untröstlich seyn würde. Doch wird es dahin nicht kommen; von den 35 Thl. müßen zu Michaelis wenigstens 10 übrig seyn; ich bekomme iezt 10 Thl. Stipendium, und diese werde ich hoffentlich zurücklegen können. Ich bin vielleicht zu ängstlich, [3] indeßen werde ich thun was ich kann; vielleicht bekomme ich die Aufsätze in der Thalia oder sonst bezahlt. Gelingt es mit der Uebersetzung so werde ich es einzurichten suchen, daß ich vor Michaelis noch mir kann Geld geben laßen. Vielleicht ist unter dem, was ich diesen Sommer ausarbeiten werde, auch Einiges, was ich gleich zu Michaelis verkaufen kann. – Und ungefähr sechs Wochen nach Mich.[aelis] wird das Werk fertig seyn. –
Deine Handlung, lieber Freund, ist eine solche, für die mein Leben Dir danken wird, und nicht dieser Brief. Ich lebe wieder auf, und nehme Theil an menschl.[ichen] Dingen und an dem Schicksal meiner Freunde. Die Hoffnung, Dich bald wieder zu sehen, erfreut mein Herz. Unser Wunsch ist nun in Erfüllung gegangen, unsre Losung; Deine Rückkehr ins Vaterland. – Es fehlt nichts als eine Heimath, die muß sich ja wohl finden. Carol.[ine] schreibt mir, ich soll hier recognosciren; hättet Ihr nur auch bestimmt, wie viel ich Lottch.[en] sagen darf. – Wenn ich ihr nicht darf vermuthen laßen, daß Ihr an einem Orte leben wollt, nach Deiner Zurückkunft, so kann ich sie kaum sondiren. – Es ist schwer, da im voraus Vermuthungen anzustellen – über Ernsts Betragen, weil sich [4] auf keinen von beyden mit Gewißheit rechnen läßt, weder im Guten noch im Bösen. Ernst handelt ganz nach Launen, hat selbst kein festes Vorurtheil, das des Christenthums etwan ausgenommen. – Doch so viel glaube ich einzusehen. Ch.[arlotte] liebt den Anstand, und ist die Sache also einmal nicht zu ändern, so wird sie sich äußerlich gut betragen, mag sie auch für sich denken was sie will. Ferner hat sie von Alters her, Vorliebe, und <ziemlich> hohe Meynung von Dir. – Das Politische ist Ernsts ganz gleichgültig, und sie brauchen auch in der Wahl ihres Umgangs nicht sehr Rücksicht darauf zu nehmen. – Ch.[arlotte] hat gegen Caroline die Meynung einer völligen weiblichen Immoralität, hält Dich für bezaubert und betrogen, und ist fest überzeugt von der Verbindung mit F[orster]. – Eine Person in Gesellschaft aufzuführen, noch dazu in einem so delicaten Falle, dazu besitzt C.[harlotte] die Geschicklichkeit nicht, auch würde ihr Zirkel, glaube ich für Car.[oline] nicht paßen, und Dir vielleicht auch nicht sehr behagen. Mit Car.[oline] müßte es also und würde es auch bey einem anständigen etwas entfernten Umgange bleiben. – Car[oline] wäre hier also vielleicht ganz isolirt. – Für Dich wäre Becker vielleicht eine nützliche Verbindung, aber doch wohl ein ziemlich leerer [5] Umgang. Körner würde Dir intereßant seyn; er kann gewiß jedes Talent anerkennen, im vollsten Sinne des Wortes, anerkennen. Einem Künstler, den er schätzt zu nützen, ihm seine Lage angenehm zu machen, thut er bis auf gewiße Grenzen, was er vermag, mit Eifer, selbst nicht ohne Feinheit. Und auf diesen läßt sich sicher rechnen, unter allen Umständen. Seine Frauen aber haßen Car[oline] wegen der Verbindung mit der F.[orster] und mit H[uber]. – Also Car.[oline] würde wenigstens zu Anfang isolirt seyn, und wenn sie das nicht ganz seyn will, so müßtet Ihr Euch selbst Euren Zirkel bilden. – Das Politische hat, glaube ich gar keine Schwierigkeit; doch möchtet Ihr desfalls lieber G.[öschen] um Rath fragen. Ich kann es wohl erfahren, aber nicht <gut> ohne Car.[oline] zu nennen. – Die Logis sind hier sehr wohlfeil, besonders in Neustadt; in der Kleidung hat jeder volle Freiheit, man geht im Ganzen schlecht, und was dazu gehört ist wenigstens viel wohlfeiler, als zu Hannover oder zu Gött[ingen]. – Der Tisch ist wohlfeil, aber Aufwartung und Domestiquen sind etwas theurer. – Im Sommer könntet Ihr auf dem Lande wohnen, und das ist auch sehr wohlfeil. – Aber auf eins muß ich Dich auf[6]merksam machen; nehmlich Car.[oline] hat hier gar keine Bekannten: wo sie also hier auftreten wird unter Leuten die Ch.[arlotte] oder Dich kennen, kann es unter keinem andern Titel seyn, als daß sie um Deinetwillen hier ist. Doch entspringt daraus <vielleicht> kein wesentlicher Nachtheil.
Den Verfaßer der Gesch.[ichte] Fr[iedrich] des II. kenne ich; es ist ein Rittmeister von Funck, Freund Körners. Von Fr.[iedrichs] Freigeisterey habe ich keine besondere Stelle beym Durchblättern gefunden; durchgängig wird er als sehr aufgeklärt und über sein Zeitalter erhaben dargestellt. Von dem Buche nur folgende dürftige Stelle; – Er hat von Peter de Vineis geredet und seinen Werken. ‚Das größte Aufsehen erregte ein Werk de tribus impostoribus, welches er auf Geheiß des Kaisers soll geschrieben haben. Sonderbar aber ist es, daß das Daseyn eines Buchs, worauf der Römische Hof so oft seine Vorwürfe gründete, von vielen Neuern bezweifelt wird cfr. Giannone tom. II p. 389.ʻ – Wenn Dir daran liegt, so schreibe mir bestimmt, was Du wißen willst, und ich werde auf der Bibliothek Nachsuchungen anstellen. Sie ist in Deutscher Geschichte, dem Rufe nach, [7] sehr reich, ja vollständig. –
Ich habe einen guten Einfall gehabt; ich lese iezt die vorzüglichsten Schriftsteller der Gr.[iechen] durch und excerpire zu meinen Zwecken. Da wird es nicht schwer seyn, auch mit Materialien aufzuzeichnen zu einigen kleinen Aufsätzen – Bruchstücke griechischer WeiblichkeitDiotimaAspasiaOlympiasCleopatra; vielleicht etwas über Lesbos, Korinth. – Du sollst aber Car.[oline] nichts davon sagen. – Ich dachte den Mitford mit einer Zulage zu begleiten, Geschichte des Standes der Gelehrten (Weltweise, Dichter, Redner, kurz alle mitgerechnet) bey den Griechen; hier liegt oft der Grund zu den größten Begebenheiten der sittlichen Welt: und bey der Gr.[iechischen] Nation enthält diese Geschichte vorzügliche Merkwürdigkeiten. Es sind auch einige nicht unerhebliche Gedanken in meinem Kopfe zu einer Theorie darüber. Aus beyden zusammen könnte wohl eine kleine Schrift werden, die ich, wenn ich einen Weg dazu finde (wie es leicht möglich wäre) sehr schicklich an Dalberg oder an den Prinzen von Augustenburg dediciren könnte.
[8] Ich wünschte auch sehr, noch künftigen Winter hier Vorlesungen zu Stande zu bringen. Ich bin gewiß, es würde gelingen; aber wie gesagt, ohne Körner kann ich es gar nicht anfangen. Ich will noch einmal versuchen ihn zu überreden; ich will mich erbieten zu Vorlesungen über die praktische Philosophie der Gr.[iechen] von Socrates bis Carneades, oder auch zu vermischten Vorlesungen über Griechische Geschichte, Politik, Alterth[ümer], Kunst u.s.w.* –
Da ich mir iezt selbst ein Beispiel gegeben habe, daß ich beharrlich an einem Werke arbeiten kann, so wird die Menge meiner Plane Dich nicht besorgt machen. Du fragst nach der Eintheilung meines Tages? – Diese ist folgende; wenn ich aufwache, fange ich an, an meinem Werke zu arbeiten, und ich höre auf, wenn ich mich niederlege. Im Wechsel des Schreibens, Denkens, Lesens, Excerpirens habe ich keine feste Regel.
[9] Ich bitte Dich mir über Deine künftigen Plane etwas zu schreiben, damit ich auch in dieser Rücksicht Dir von Dr.[esden] melden kann, was ich weiß. Aber auch von Deinen esoterischen Planen wünschte ich etwas zu wißen; wirst Du vielleicht alte Plane zu Gedichten von größern Umfange hervorziehen? oder historische, deren Du in Göttingen mehrere hattest? Zu den letzern wäre Dir die hiesige Bibliothek sehr brauchbar. – Ich kann Dir nicht sagen, wie sehr ich mich auf die Zeit freue, wo Du frey seyn wirst, und bey Car.[oline]; sollte das Schicksal uns beyde auch noch eine Zeitlang trennen. – Auf den Dante bin ich höchst begierig; ich werde Car.[oline] bitten, wenn Du es erlaubst, Alles was sie hat, mir aufzusparen, nebst Allem, was Du noch schikken wirst, bis ich in Pillnitz bin, und mir dann mitzutheilen, wo ich es mit Muße genießen kann <und darüber schreiben will>. –
Von Woldemar ist eine neue, sehr vermehrte Ausgabe in zwey Bänden erschienen; der Kunstgarten ist mit darin verflochten. Ich bin aber standhaft bey der Versuchung geblieben und habe ihn nicht gelesen. Du kannst ihn noch wohl nicht haben? –
Schiller arbeitet an dem Wallenstein, welcher wohl bald das Licht des Tages erblicken wird. –
Wenn Du an Becker recht bald schreiben könntest; und noch beßer wenn Du etwas für ihn hättest, ins Taschenbuch oder ins Damenjournal, so würdest Du mich sehr verbinden. So oft er mich sieht, fragt er. Und wie ich schon neulich schrieb, er könnte mir nützlich seyn, und vielleicht künftig [10] auch Dir. –
Ich bin hier am meisten verbunden mit Körner; mit dem ich schon seit Ostern 93 in Corresp.[ondenz] stand; er erzeugt mir Gefälligkeiten und Dienste, so viel er kann. Auch geht nichts von dem, was ich ihm etwa mittheile, verloren; er ist auch gar nicht zurückhaltend mir mithzutheilen, und so weit geht denn auch unsre Freundschaft, nehmlich so weit die Kunst geht. Daß er sicher ist, schrieb ich schon vorhin. Er steht in Corresp.[ondenz] mit Humbold (dem Aeltern nehmlich). Nun erinnere ich mich, daß Du in Hann.[over] Stieglitz nach deßen Addreße frugst. – Soll ich sie Dir etwa schicken? Er ist in Jena, und wird wohl eine Zeitlang da bleiben. Du könntest aber auch den Brief nur an mich schicken. – Menschen, die mir Projekte machen, giebt es wohl mehrere. Beckerʼs gefallen mir noch am besten. Eine Profeßur in L.[eipzig] wäre mir vielleicht nicht unmöglich zu erhalten, aber hat große Schwierigkeiten, und steht den besten meiner Plane im Wege. Nicht so eine Prof.[essur] in Jena oder Kiel; die könnte ich mir vielleicht einmal sehr wünschen. –
Von den Aufsätzen über Griechische Frauen kann ich vielleicht Becker für das Damenjournal etwas geben. –
Ich hoffe, daß meine Mutter nun doch etwas ruhiger werden wird. Ganz darf ich das freilich nicht hoffen, eher sie nicht vor Augen [11] sieht, daß Alles gut geht. Das muß ich in Geduld tragen, und auf die Zeit hoffen, wo sie sich auch meiner freuen wird. Daß ich bis dahin häufig an sie schreibe, das scheint mir fruchtlos; es heißt nichts, als mein Versprechen wiederhohlen. Was ich ihr iezt sagen kann, das hat mehr Glauben und Gewicht, wenn meine Geschwister es ihr sagen, vorzüglich Du und Lottchen. Ich werde aber auch an Carl weitläuftig schreiben, und ihm mittheilen, so viel ich kann, von Planen.
Von Kocsiusko habe ich hier nichts als Gutes gehört, und die öffentliche Stimme hier scheint allgemein für ihn zu seyn.
Du hättest mir manche bittre Stunde erspart, wenn du letzthin (in dem Briefe vom 10ten März) statt zurückzuhalten, offenherzig getadelt hättest. Darauf fiel ich nicht; und ich gestehe Dir, ich weiß noch nicht, welche meiner Handlungen, seit ich hier in Dreßden bin, Deinen Tadel verdient hat. –
Wie weitläuftig mein Werk seyn wird, werde ich noch nicht einmal, ehe ich nach Pillnitz gehe, bestimmen können, weil dabey auf das lezte Ausarbeiten so sehr viel ankömmt, und vorzüglich weil ich nicht zu beurtheilen weiß, wie sich Geschriebenes zu Gedrucktem [12] verhält. – Die Latein.[ischen] Dichter betreffend, so zweifle ich, daß ich sie lesen werde. Sie enthalten gewiß manchen Aufschluß über Gr.[iechische] Poesie; aber ich traue mir nicht die rechte Gabe zu, sie zu nutzen. Auch ist der Wiederschein der Gr.[iechischen] in der Römischen Poesie immer etwas Schwankendes. Mit dem Properz könnte ich mich in diesem Falle nicht befriedigen; ich würde fast alle Röm[ischen] Dichter lesen müßen; Terenz (wegen des Menander) Plautus, Lucrez (wegen des Empedocles, und Parmenides) u.s.w. Ich habe mir bisher geschmeichelt, es würde meinem Werke eine nicht unangenehme Eigenthümlichkeit geben, aus rein griechischen Quellen geschöpft zu seyn. Auch reichen die Gr.[iechischen] Dichter und die Fragmente hin; nehmlich in Verbindung mit der Geschichte des sittlichen Menschen unter den Griechen; und wenn man aus allen Ueberbleibsel Gr.[iechischer] Poesie so viel Belehrung sieht, als es möglich ist welches sehr viel sagen will und bey den Meisten noch nie geschehen ist. Man hat sich doch nur mit Einigen beschäftigt. Und welche Aufschlüße giebt der Zusammenhang dem der alle kennt. –
Doch bin ich noch nicht entschieden; vielleicht wäre es hinreichend die vier genannten Dichter zu lesen.

* Ich möchte doch diese Vorlesung nicht grade Collegia nennen; denn in sehr wesentlichen Stücken werden sie anders seyn. Darüber kürzlich.
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