• Friedrich von Schlegel , Dorothea von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Zürich · Date: 24.07.1811
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel, Dorothea von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Zürich
  • Date: 24.07.1811
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 362613826
  • Bibliography: Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm. Hg. v. Oskar Walzel. Berlin 1890, S. 529‒531.
  • Incipit: „[1] Wien, den 24ten Julius 1811.
    Geliebter Freund, Gleich nach Deiner Abreise war das erste was begegnet ist, daß man mir allerley [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.189
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,6 x 11,6 cm
    Language
  • German
[1] Wien, den 24ten Julius 1811.
Geliebter Freund, Gleich nach Deiner Abreise war das erste was begegnet ist, daß man mir allerley Besorgnisse einflößen wollte, der Weg von Insbruck nach der Schweiz sei sehr unwegsam und schwierig, so daß aus dem Wagenherrlichen als welcher Du zuletzt hier auftratst leicht ein Wagengebrochener werden möchte. Desto begieriger sehe ich desfalls den ersten Nachrichten von Deiner glücklichen Ankunft entgegen. Gleich nach Deiner Abreise habe ich mich, um die große Lücke in etwas auszufüllen, und zugleich auch um mit etwas beschäftigt zu seyn, was uns gemeinsam lieb ist, wieder an die Niebelungische Untersuchung gegeben. ‒ Grimms altdänische Lieder haben meine Erwartung nicht befriedigt. Die eigentlich dänischen sind, ohwohl sie treu übersetzt scheinen, oftmals sogar etwas wunderhörnern. Diese eigne Gattung von halbverrückten Volksliedern [2] mag in allen protestantischen Ländern seit der Reformation und nach dem Untergang der alten großen Nationalgedichte entstanden seyn. Die wenigen auf Niebelungische Mythologie sich beziehenden in Grimms Sammlung scheinen mir ein äußerst später, verworrener und wenig erfreulicher Nachhall der Deutschen Niebelungen-Lieder zu seyn. Die Wolsunga-Saga muß dagegen in ein göttliches Eisgebirge emporragen. In Grimms Einleitung und Commentar ist mir nur vorzüglich aufgefallen seine ausdrückliche Behauptung eines Umstandes, wonach auch ich Dich schon gefragt. Er sagt nämlich, das Fragment bey Eccard von Hathubrant und Hithibrant sey mit Alliterationen wie die altsächsische Harmonie der Evangelien zu München (sonst zu Bamberg). Da die Handschrift des Eccardschen Fragments selbst zu Cassel befindlich, so kann man sich hierin wohl um so mehr auf sein Urt[3]heil verlassen. Da ich vergessen habe Dir meine Abtheilung der Niebelungen aufzuzeichnen, so schreibe ich Dir dieselbe jetzt. Der zweite Gesang des 1ten Theils nach meiner Eintheilung beginnt mit der 6ten Aventüre, V. 1313 der neuen Hagenschen Ausgabe. Iteneue Mähre etc. Der dritte Gesang mit der 12ten Aventüre V. 2909 vielleicht auch mit der 11ten V. 2773. ‒ Der 2te Gesang des 2ten Theils oder das 5te Buch des Ganzen beginnt mit der 23ten Aventüre V. 5561. ‒ Der 3te Gesang des 2ten Theils oder das 6te Buch mit Aventüre 28 Vers 6889. Das 7te und letzte Buch mit der 37ten Aventüre V. 8641. ‒ Nächstens mehr über diese Gegenstände. Von unsern gemeinschaftlichen Bekannten habe ich nur erst einige wieder gesehn. Genz ist nach der Rückkehr aus Baden gleich wieder anderswohin aufs Land gegangen. Collin hat von neuem das Fieber. Den Tag nach Deiner Abreise speiste ich bey Metternich. Er sagte mir auch manche freundliche Aeußerung über die Danksagungen, so ich ihm in Deinem Nahmen machte; ,er hoffte Dich auch [4] bey einer andern Gelegenheit hier zu sehenʻ. Worte, die in seinem Munde gewiß äußerst bedeutend und günstig sind. ‒ Uns geht es auf die alte gewohnte Weise. Meine Frau war einige Tage recht ernsthaft unwohl und hatte einen fürchterlichen Magenkrampf. Doch geht es jetzt wieder besser. Philipp hat von Bader eine recht ähnliche Zeichnung entworfen. Ich benutze die Ruhe und Einsamkeit zum Fleiß so gut als es gehn will. Meine Leidenschaft ist jetzt, in der Donau kalt zu baden. An die Staël schreibe ich gradezu. Eile ja uns recht oft und viel Nachricht zu geben. Ich werde desgleichen thun. Dieß sind nur ein Paar Zeilen im voraus. Meine Frau und Philipp grüßen herzlich.
Dein Friedr.
Hat unser jüngster Bruder den Becher in seinen Säcken gefunden? und wird er nicht wieder kommen und sich bei uns entschuldigen? Grüß Sie Gott tausendmal, ich kann nicht mehr schreiben, bin sehr angegriffen. Dorothea.
[1] Wien, den 24ten Julius 1811.
Geliebter Freund, Gleich nach Deiner Abreise war das erste was begegnet ist, daß man mir allerley Besorgnisse einflößen wollte, der Weg von Insbruck nach der Schweiz sei sehr unwegsam und schwierig, so daß aus dem Wagenherrlichen als welcher Du zuletzt hier auftratst leicht ein Wagengebrochener werden möchte. Desto begieriger sehe ich desfalls den ersten Nachrichten von Deiner glücklichen Ankunft entgegen. Gleich nach Deiner Abreise habe ich mich, um die große Lücke in etwas auszufüllen, und zugleich auch um mit etwas beschäftigt zu seyn, was uns gemeinsam lieb ist, wieder an die Niebelungische Untersuchung gegeben. ‒ Grimms altdänische Lieder haben meine Erwartung nicht befriedigt. Die eigentlich dänischen sind, ohwohl sie treu übersetzt scheinen, oftmals sogar etwas wunderhörnern. Diese eigne Gattung von halbverrückten Volksliedern [2] mag in allen protestantischen Ländern seit der Reformation und nach dem Untergang der alten großen Nationalgedichte entstanden seyn. Die wenigen auf Niebelungische Mythologie sich beziehenden in Grimms Sammlung scheinen mir ein äußerst später, verworrener und wenig erfreulicher Nachhall der Deutschen Niebelungen-Lieder zu seyn. Die Wolsunga-Saga muß dagegen in ein göttliches Eisgebirge emporragen. In Grimms Einleitung und Commentar ist mir nur vorzüglich aufgefallen seine ausdrückliche Behauptung eines Umstandes, wonach auch ich Dich schon gefragt. Er sagt nämlich, das Fragment bey Eccard von Hathubrant und Hithibrant sey mit Alliterationen wie die altsächsische Harmonie der Evangelien zu München (sonst zu Bamberg). Da die Handschrift des Eccardschen Fragments selbst zu Cassel befindlich, so kann man sich hierin wohl um so mehr auf sein Urt[3]heil verlassen. Da ich vergessen habe Dir meine Abtheilung der Niebelungen aufzuzeichnen, so schreibe ich Dir dieselbe jetzt. Der zweite Gesang des 1ten Theils nach meiner Eintheilung beginnt mit der 6ten Aventüre, V. 1313 der neuen Hagenschen Ausgabe. Iteneue Mähre etc. Der dritte Gesang mit der 12ten Aventüre V. 2909 vielleicht auch mit der 11ten V. 2773. ‒ Der 2te Gesang des 2ten Theils oder das 5te Buch des Ganzen beginnt mit der 23ten Aventüre V. 5561. ‒ Der 3te Gesang des 2ten Theils oder das 6te Buch mit Aventüre 28 Vers 6889. Das 7te und letzte Buch mit der 37ten Aventüre V. 8641. ‒ Nächstens mehr über diese Gegenstände. Von unsern gemeinschaftlichen Bekannten habe ich nur erst einige wieder gesehn. Genz ist nach der Rückkehr aus Baden gleich wieder anderswohin aufs Land gegangen. Collin hat von neuem das Fieber. Den Tag nach Deiner Abreise speiste ich bey Metternich. Er sagte mir auch manche freundliche Aeußerung über die Danksagungen, so ich ihm in Deinem Nahmen machte; ,er hoffte Dich auch [4] bey einer andern Gelegenheit hier zu sehenʻ. Worte, die in seinem Munde gewiß äußerst bedeutend und günstig sind. ‒ Uns geht es auf die alte gewohnte Weise. Meine Frau war einige Tage recht ernsthaft unwohl und hatte einen fürchterlichen Magenkrampf. Doch geht es jetzt wieder besser. Philipp hat von Bader eine recht ähnliche Zeichnung entworfen. Ich benutze die Ruhe und Einsamkeit zum Fleiß so gut als es gehn will. Meine Leidenschaft ist jetzt, in der Donau kalt zu baden. An die Staël schreibe ich gradezu. Eile ja uns recht oft und viel Nachricht zu geben. Ich werde desgleichen thun. Dieß sind nur ein Paar Zeilen im voraus. Meine Frau und Philipp grüßen herzlich.
Dein Friedr.
Hat unser jüngster Bruder den Becher in seinen Säcken gefunden? und wird er nicht wieder kommen und sich bei uns entschuldigen? Grüß Sie Gott tausendmal, ich kann nicht mehr schreiben, bin sehr angegriffen. Dorothea.
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