• Dorothea von Schlegel , Ludwig Emanuel Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Pillnitz · Place of Destination: Coppet · Date: 27.08.1808
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Dorothea von Schlegel, Ludwig Emanuel Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Pillnitz
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 27.08.1808
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 606‒608.
  • Incipit: „[1] Pillnitz 27ten August [180]8
    Theuerster Bruder, ich bin endlich gestern nach einer ziemlich mühseeligen Reise glücklich und ziemlich gesund hier angelangt, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,8
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,5 x 12,6 cm
    Language
  • German
[1] Pillnitz 27ten August [180]8
Theuerster Bruder, ich bin endlich gestern nach einer ziemlich mühseeligen Reise glücklich und ziemlich gesund hier angelangt, und habe die unsrigen recht gesund und vergnügt angetroffen. Ich bin mit einer Liebe empfangen worden die mich alle Beschwerlichkeit vergessen, und jeden Unmuth in meiner Seele verschwinden macht, womit verdiene ich solche Liebe Ihr theuern Menschen! In Koblenz hielt ich mich einige Tage bei guten Freunden auf, um die Gegenden dort noch einmal zu genießen. Diese Gegend des Rheins war mir noch unbekannt, und sie sind so über alle Maßen schön, daß ich ganz wie verlohren darin war. Warum mußte ich alles das so allein genießen, warum durften Sie und Friedrich nicht mit dabei seyn? auf dem wundervollen See Lach, und seinen Ufern habe ich mit einer Sehnsucht an Euch beide gedacht, von welcher Ihr nothwendig eine Ahndung müßt gehabt haben; neue Wunder stiegen vor meinen Augen auf – nein, nicht neue Wunder, die alten wurden wieder lebendig! Dort lebt noch die ganze Mährchenwelt liebster Wilhelm, und die Ungeheuer die jene Ufer jetzt beherrschen, können doch diese Wunder nicht vertilgen! – Den Rhein habe ich mit recht wehmüthigen Gefühlen verlassen; seitdem er Abschied von mir genommen war auch meine Reise nichts weniger als angenehm, ich fand nirgend Begleitung, fand in Frankfurt keine andre Gelegenheit als bis nach Bamberg; da sie ziemlich wohlfeil war, so achtete ich der paar Meilen nicht die es um ist; in Bamberg ward ich krank und musste drei Tage dort verweilen; es fand sich immer keine Gelegenheit ich nahm also einen Miethkutscher um weiter zu kommen, gerieth aber unter die von Preußen rückkehrenden französischen Truppen, musste mich an mehren Orten weil keine Pferde zu haben waren aufhalten lassen, musste endlich Extra Post nehmen, weil ich gar nicht sonst fort kam, und fuhr so mitten durch die Armee hin; niemand that mir etwas zu Leide und ich habe die Reise zuletzt so geschwind als möglich zurückgelegt, [2] nur hat es mich sehr viel Geld gekostet. Ich bin in Kölln dem Manne die 380 francs schuldig geblieben, ein guter Freund ist Bürge für diese Schuld geworden, auf 3 Monate Zeit; in Frankfurt von Moor bekam ich hundert Gulden, vom Verkauf unsrer Sachen in Köln löste ich auch noch 100 Gulden, und von alle diesem Gelde habe ich nichts mit hergebracht als 100 Gulden! – Ich durfte zuletzt das Geld auf der Reise nicht sparen, und musste Postillione und alle dergleichen gut bezahlen sonst wäre ich gar nicht aus der Stelle gekommen. Verzeihen Sie gütigst diese Details, ich glaube sie Ihnen schuldig zu seyn; verzeihen Sie auch daß ich Ihnen von Kölln aus schrieb, ich müße noch Geld haben: es war eine übertriebene Aengstlichkeit von mir, und da jener Freund Bürge für die Schuld ward, und auch Mohr noch die 100 Gulden gab, so war es ganz unnöthig. – Ich bleibe nun in Pillnitz so lange als Ernsts; im September wollen meine Kinder nach Dresden kommen, denen muß ich nothwendig einige Monate leben, ich werde mich also dort mit ihnen zusammen einzurichten suchen auf ein paar Monaten. Unterdessen wird es sich mit Friedrich in Wien ja wohl entscheiden. Ob Sie alle meine Briefe erhalten haben weiß ich nicht liebster Wilhelm, ich höre aber von Charlotte daß ein Brief von Ihnen an mich noch nach Kölln gegangen ist, dieser wird nun wohl bald zurück kommen. Ich hatte eine Adresse dort zu lassen vergessen, heute habe ich sie aber gleich hingeschrieben. Charlotte sagt mir, Sie würden im Winter wieder nach Wien gehen, ist das so? Das wäre eine höchst erfreuliche Sache für mich, und für Friedrich sehr glücklich! Ich habe keinen Brief hier von Friedrich gefunden in Frankfurt fand ich drei, worin aber noch gar nichts bestimmtes über seine Aussichten und Hoffnungen! – Ich muß Sie um Verzeihung bitten, wegen dieser unordentlichen Zeilen; ich bin noch sehr angegriffen, und wirklich beinah krank, doch wollte ich keine Zeit versäumen Ihnen Nachricht von mir zu geben. Diesen Brief gab Ernst mir an Sie einzulegen. Da Sie Henrietten so [3] nahe sind, wollten Sie wohl die Güte haben ihr zu schreiben, daß ich hier bin und ihr bald schreiben werde? Heute ist es mir ganz unmöglich. Tausend liebevolle Grüße von Charlotte.
Noch eins. Ich glaube Knorring und Sophie suchen Friedrich zu bewegen sie nach München zu begleiten; ich hoffe nicht daß er es thun wird, ich glaube das wäre jetzt ein sehr mißlicher Schritt, wenn auch nur als einen sehr kurzen Besuch. Schreiben Sie mir hierüber liebster Wilhelm, aber wenn ich Sie bitten darf, kein Wort hierüber nach Wien! Leben Sie wohl behalten Sie mich im brüderlichen Andenken.
Dorothea Schlegel

[4] Grose Freude haben Sie uns gemacht, lieber Herr Bruder, mit Ihren Briefen an uns. Meine Frau würde selber geschrieben haben, wenn nicht der Frau Schwiegerin Briefe eilig fortmüßten.
Den Schein, den Sie Sich mit der Ihnen ganz eigenen Liberalität gefallen lassen, habe ich erhalten.
Meiner Frauen sehnlichster Wunsch ist der Ihrige, daß nichts Sie stören möge, diesen Winter wieder in Wien zuzubringen. Unser politischer Himmel hat sich sehr getrübt. Welchen Ausgang noch das alles nehmen wird.
Auguste ist Ihnen für die Briefe sehr dankbar und läßt sich der Albertine v. Stael aufs angelegentlichste empfehlen. Haben Sie die Güte, lieber Herr Bruder, uns die so schätzbaren geneigten Gesinnungen der Frau Baronin zu erhalten.
Pillnitz,
d. 28. Aug. 1808.
Ihr Ihnen
aufrichtigst ergebener
L. Emmanuel Ernst
[1] Pillnitz 27ten August [180]8
Theuerster Bruder, ich bin endlich gestern nach einer ziemlich mühseeligen Reise glücklich und ziemlich gesund hier angelangt, und habe die unsrigen recht gesund und vergnügt angetroffen. Ich bin mit einer Liebe empfangen worden die mich alle Beschwerlichkeit vergessen, und jeden Unmuth in meiner Seele verschwinden macht, womit verdiene ich solche Liebe Ihr theuern Menschen! In Koblenz hielt ich mich einige Tage bei guten Freunden auf, um die Gegenden dort noch einmal zu genießen. Diese Gegend des Rheins war mir noch unbekannt, und sie sind so über alle Maßen schön, daß ich ganz wie verlohren darin war. Warum mußte ich alles das so allein genießen, warum durften Sie und Friedrich nicht mit dabei seyn? auf dem wundervollen See Lach, und seinen Ufern habe ich mit einer Sehnsucht an Euch beide gedacht, von welcher Ihr nothwendig eine Ahndung müßt gehabt haben; neue Wunder stiegen vor meinen Augen auf – nein, nicht neue Wunder, die alten wurden wieder lebendig! Dort lebt noch die ganze Mährchenwelt liebster Wilhelm, und die Ungeheuer die jene Ufer jetzt beherrschen, können doch diese Wunder nicht vertilgen! – Den Rhein habe ich mit recht wehmüthigen Gefühlen verlassen; seitdem er Abschied von mir genommen war auch meine Reise nichts weniger als angenehm, ich fand nirgend Begleitung, fand in Frankfurt keine andre Gelegenheit als bis nach Bamberg; da sie ziemlich wohlfeil war, so achtete ich der paar Meilen nicht die es um ist; in Bamberg ward ich krank und musste drei Tage dort verweilen; es fand sich immer keine Gelegenheit ich nahm also einen Miethkutscher um weiter zu kommen, gerieth aber unter die von Preußen rückkehrenden französischen Truppen, musste mich an mehren Orten weil keine Pferde zu haben waren aufhalten lassen, musste endlich Extra Post nehmen, weil ich gar nicht sonst fort kam, und fuhr so mitten durch die Armee hin; niemand that mir etwas zu Leide und ich habe die Reise zuletzt so geschwind als möglich zurückgelegt, [2] nur hat es mich sehr viel Geld gekostet. Ich bin in Kölln dem Manne die 380 francs schuldig geblieben, ein guter Freund ist Bürge für diese Schuld geworden, auf 3 Monate Zeit; in Frankfurt von Moor bekam ich hundert Gulden, vom Verkauf unsrer Sachen in Köln löste ich auch noch 100 Gulden, und von alle diesem Gelde habe ich nichts mit hergebracht als 100 Gulden! – Ich durfte zuletzt das Geld auf der Reise nicht sparen, und musste Postillione und alle dergleichen gut bezahlen sonst wäre ich gar nicht aus der Stelle gekommen. Verzeihen Sie gütigst diese Details, ich glaube sie Ihnen schuldig zu seyn; verzeihen Sie auch daß ich Ihnen von Kölln aus schrieb, ich müße noch Geld haben: es war eine übertriebene Aengstlichkeit von mir, und da jener Freund Bürge für die Schuld ward, und auch Mohr noch die 100 Gulden gab, so war es ganz unnöthig. – Ich bleibe nun in Pillnitz so lange als Ernsts; im September wollen meine Kinder nach Dresden kommen, denen muß ich nothwendig einige Monate leben, ich werde mich also dort mit ihnen zusammen einzurichten suchen auf ein paar Monaten. Unterdessen wird es sich mit Friedrich in Wien ja wohl entscheiden. Ob Sie alle meine Briefe erhalten haben weiß ich nicht liebster Wilhelm, ich höre aber von Charlotte daß ein Brief von Ihnen an mich noch nach Kölln gegangen ist, dieser wird nun wohl bald zurück kommen. Ich hatte eine Adresse dort zu lassen vergessen, heute habe ich sie aber gleich hingeschrieben. Charlotte sagt mir, Sie würden im Winter wieder nach Wien gehen, ist das so? Das wäre eine höchst erfreuliche Sache für mich, und für Friedrich sehr glücklich! Ich habe keinen Brief hier von Friedrich gefunden in Frankfurt fand ich drei, worin aber noch gar nichts bestimmtes über seine Aussichten und Hoffnungen! – Ich muß Sie um Verzeihung bitten, wegen dieser unordentlichen Zeilen; ich bin noch sehr angegriffen, und wirklich beinah krank, doch wollte ich keine Zeit versäumen Ihnen Nachricht von mir zu geben. Diesen Brief gab Ernst mir an Sie einzulegen. Da Sie Henrietten so [3] nahe sind, wollten Sie wohl die Güte haben ihr zu schreiben, daß ich hier bin und ihr bald schreiben werde? Heute ist es mir ganz unmöglich. Tausend liebevolle Grüße von Charlotte.
Noch eins. Ich glaube Knorring und Sophie suchen Friedrich zu bewegen sie nach München zu begleiten; ich hoffe nicht daß er es thun wird, ich glaube das wäre jetzt ein sehr mißlicher Schritt, wenn auch nur als einen sehr kurzen Besuch. Schreiben Sie mir hierüber liebster Wilhelm, aber wenn ich Sie bitten darf, kein Wort hierüber nach Wien! Leben Sie wohl behalten Sie mich im brüderlichen Andenken.
Dorothea Schlegel

[4] Grose Freude haben Sie uns gemacht, lieber Herr Bruder, mit Ihren Briefen an uns. Meine Frau würde selber geschrieben haben, wenn nicht der Frau Schwiegerin Briefe eilig fortmüßten.
Den Schein, den Sie Sich mit der Ihnen ganz eigenen Liberalität gefallen lassen, habe ich erhalten.
Meiner Frauen sehnlichster Wunsch ist der Ihrige, daß nichts Sie stören möge, diesen Winter wieder in Wien zuzubringen. Unser politischer Himmel hat sich sehr getrübt. Welchen Ausgang noch das alles nehmen wird.
Auguste ist Ihnen für die Briefe sehr dankbar und läßt sich der Albertine v. Stael aufs angelegentlichste empfehlen. Haben Sie die Güte, lieber Herr Bruder, uns die so schätzbaren geneigten Gesinnungen der Frau Baronin zu erhalten.
Pillnitz,
d. 28. Aug. 1808.
Ihr Ihnen
aufrichtigst ergebener
L. Emmanuel Ernst
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