• August Wilhelm von Schlegel , Caroline von Schelling to Carl August Böttiger

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Weimar · Date: 05.01.1797
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel, Caroline von Schelling
  • Recipient: Carl August Böttiger
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Weimar
  • Date: 05.01.1797
  • Notations: Da alle Drucke den Brief unvollständig wiedergeben, wurde er neu transkribiert. – Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 362657327
  • Bibliography: Waitz, Georg: Caroline und ihre Freunde. Mittheilungen aus Briefen. Leipzig 1882, S. 36‒37.
  • Weitere Drucke: August Wilhelm Schlegel an C. A. Böttiger. In: Archiv für Litteraturgeschichte 3 (1874), S. 157‒159.
  • Incipit: „[1] Jena d. 5 Jan 1797
    Eben war ich im Begriff, mein verehrter Freund, an Sie zu schreiben, und Sie dabey [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: BOETTIGER-2014-FOLDER
  • Classification Number: Mscr.Dresd.h.37,8°,Bd.22,Nr.18
  • Number of Pages: 6 S., hs. m. U.
  • Format: 19 x 11 cm
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
[1] Jena d. 5 Jan 1797
Eben war ich im Begriff, mein verehrter Freund, an Sie zu schreiben, und Sie dabey mit einer Bitte zu belästigen – etwas, wovon Sie die Schuld Ihrer allzugroßen Gefälligkeit geben müssen, wenn es Ihnen häufig begegnet – als mich Ihre angenehme Sendung überraschte. Haben Sie tausend Dank dafür – ich muß diesen Brief abschicken, ehe ich im Stande bin, Vater Wielands kritischen Dialog mit rechter Ruhe zu lesen, weil der Chevalier Duvaux, der ihn mitnehmen will, ihn bey Zeiten haben muß. – Es trifft sich grade, daß in der LZeitung mit Eröffnung dieses Jahrgangs auch ein X Urtheil über die beyden letzten Musenalmanache steht, worin Voß sehr getadelt wird. Freylich wird er auch gelobt, aber das gilt einige Gedichte im vorigen Almanach. Wenn er heilbar wäre, würde [2] er sich endlich von der gemeinen Behaglichkeit seiner häuslichen und gesellschaftlichen Lieder heilen lassen, wofern er dießmahl nah dem xxx leiblichen Tode entgeht, denn es hat sehr schlimm mit ihm gestanden. In Schillers Alm. ist er nicht wegen jener sondern wegen seiner Louise und seiner Einsichten in das klassische Alterthum gelobt, sondern und beydes, denke ich, verdient großes Lob. Hennings muß wohl sehr bitter gegen die Xenien seyn, daß er seinen alten Freund Voß zugleich mit angriff. angreift. Bis jetzt habe ich weder den Genius noch die Urianiade gesehn, die wahrscheinlich nicht sehr furchtbar ist. *Haben Sie Reichards Manifest im Xten Stück Deutschland gelesen?
Mein Bruder ist noch nicht wieder zurück. Er arbeitet in Halle fleißig an der letzten Redaktion seines Grundrisses der Gesch. der Griech. Poësie. Es ist gut, daß er dabey Wolf über manches konsultiren kann, [3] mit dem er gleich sehr gute Bekanntschaft gestiftet hat. Ich denke das Buch soll durch den längeren Aufschub seiner öffentlichen Erscheinung nicht verloren haben ‒ vielleicht kann mein Bruder Ihnen schon auf Ostern den ersten Theil vorlegen, um Ihr Urtheil darüber zu erfahren. Daß Wieland mit seinem Lysias zufrieden ist, wird ihm sehr angenehm seyn.
Die Rec. der Briefe Mirʼs an Chamfort ist nicht von mir. Sie hat meine Neugier durch die übersetzten Proben auch sehr befriedigt, indessen würde ich doch anders verfahren seyn, wenn man mir die Arbeit aufgetragen hätte: ich hätte weniger excerpirt und mehr raisonnirt, denn ein Urtheil wie jenes verliert doch im Grunde seinen Werth, sobald das Buch selbst in aller Händen ist oder seyn kann. Haben wir vielleicht eine Beurtheilung des [4] Buchs von Mad. Necker von Ihnen zu erwarten? Wenn das ist, so thun wir gern noch darauf Verzicht ‒ sonst aber werden Sie mir und hauptsächlich meiner Caroline ein großes Vergnügen dadurch gewähren. Sie können versichert seyn, daß das es gut in Acht genommen wird. Und nun kommt meine große Bitte. Könnten Sie mir wohl Vasari Vite de pittori, scultori u. s. w. auf einige Tage verschaffen? Es ist ja gewiß in der dortigen Bibliothek. Ich wünschte bey einer gewissen Arbeit das Werk zu Rathe zu ziehn, die ich gleich jetzt vornehmen möchte. Göthe hatte mir versprochen, wenn er herüberkäme, seinen Vasari mitzubringen, nun ist er aber verreist. Noch einmahl: Sie würden mich sehr verbinden, aber es muß ohne Ihre Beschwerde geschehen können.
[5] Um doch gegen so viele freundliche Gaben und Anerbietungen nicht ganz leer vor Ihnen zu xxxxx erscheinen, schicke ich Ihnen hier die Fortsetzung des Werks von Fiorillo. Der Artikel vom Raphaël ist noch nicht geschlossen: das eigentliche Urtheil über seinen Styl kommt noch. Ich bin begierig auf den Aufsatz von Fernow im Merkur.
Ich danke Ihnen wegen der Mittheilung von Frommanns Äußerung. Er bezeugte schon auf der Leipziger große Lust ‒ damahls war ich aber noch nicht von dem heillosen Michaelis los. Ich beging den Fehler, mir zuerst Vorschläge von ihm thun zu lassen ‒ nun machte er sie mir zu gering, da er sonst vielleicht, wenigstens bis auf einen gewissen Grad, meine Foderungen eingegangen wäre. Wahrscheinlich ist der Druck jetzt bey Unger schon [6] angefangen, und der erste Band soll wie ich hoffe auf Ostern das Licht der Welt erblicken.
Ihren Auftrag an H. von Humbold will ich unverzüglich besorgen.
Von den Horen ist das letzte Stük 96 aber erst ein einziges Stück Exemplar angekommen. Es enthält die Fortsetzung von Agnes von Lilien, und ein sehr geistvolles und leicht geschriebnes, obgleich nur fragmentarisches Urtheil über Wilh. Meister.
Verzeihen Sie diese unordentliche Schreiberey, mein werthester Freund. Viele herzliche Empfehlungen von meiner Gattin an Sie und an die Ihrige. Wie Schade daß unsre mündlichen Mittheilungen immer nur so kurz dauern müssen.
Ganz der Ihrige
AWSchlegel

Ich bin Ihnen noch ganz besonders für die Mittheilung des Mercur verbunden da ich das Gespräch wirklich schon, zwar in aller Eile, in dem Schl. schrieb, aber doch mit einigem Verstande (in der Eile haben wir Weiber gewöhnlich beßern Verstand als in der Ruhe) gelesen habe, und ganz außerordentlich damit zufrieden bin, welches nicht anders seyn kan, da ich mir einbilde ohngefähr eben so geurtheilt zu haben, Schiken Sie uns * ja das nächste Stück sobald es gedrukt ist und Sie sollen im voraus schönstens bedankt seyn. Caroline S.
[1] Jena d. 5 Jan 1797
Eben war ich im Begriff, mein verehrter Freund, an Sie zu schreiben, und Sie dabey mit einer Bitte zu belästigen – etwas, wovon Sie die Schuld Ihrer allzugroßen Gefälligkeit geben müssen, wenn es Ihnen häufig begegnet – als mich Ihre angenehme Sendung überraschte. Haben Sie tausend Dank dafür – ich muß diesen Brief abschicken, ehe ich im Stande bin, Vater Wielands kritischen Dialog mit rechter Ruhe zu lesen, weil der Chevalier Duvaux, der ihn mitnehmen will, ihn bey Zeiten haben muß. – Es trifft sich grade, daß in der LZeitung mit Eröffnung dieses Jahrgangs auch ein X Urtheil über die beyden letzten Musenalmanache steht, worin Voß sehr getadelt wird. Freylich wird er auch gelobt, aber das gilt einige Gedichte im vorigen Almanach. Wenn er heilbar wäre, würde [2] er sich endlich von der gemeinen Behaglichkeit seiner häuslichen und gesellschaftlichen Lieder heilen lassen, wofern er dießmahl nah dem xxx leiblichen Tode entgeht, denn es hat sehr schlimm mit ihm gestanden. In Schillers Alm. ist er nicht wegen jener sondern wegen seiner Louise und seiner Einsichten in das klassische Alterthum gelobt, sondern und beydes, denke ich, verdient großes Lob. Hennings muß wohl sehr bitter gegen die Xenien seyn, daß er seinen alten Freund Voß zugleich mit angriff. angreift. Bis jetzt habe ich weder den Genius noch die Urianiade gesehn, die wahrscheinlich nicht sehr furchtbar ist. *Haben Sie Reichards Manifest im Xten Stück Deutschland gelesen?
Mein Bruder ist noch nicht wieder zurück. Er arbeitet in Halle fleißig an der letzten Redaktion seines Grundrisses der Gesch. der Griech. Poësie. Es ist gut, daß er dabey Wolf über manches konsultiren kann, [3] mit dem er gleich sehr gute Bekanntschaft gestiftet hat. Ich denke das Buch soll durch den längeren Aufschub seiner öffentlichen Erscheinung nicht verloren haben ‒ vielleicht kann mein Bruder Ihnen schon auf Ostern den ersten Theil vorlegen, um Ihr Urtheil darüber zu erfahren. Daß Wieland mit seinem Lysias zufrieden ist, wird ihm sehr angenehm seyn.
Die Rec. der Briefe Mirʼs an Chamfort ist nicht von mir. Sie hat meine Neugier durch die übersetzten Proben auch sehr befriedigt, indessen würde ich doch anders verfahren seyn, wenn man mir die Arbeit aufgetragen hätte: ich hätte weniger excerpirt und mehr raisonnirt, denn ein Urtheil wie jenes verliert doch im Grunde seinen Werth, sobald das Buch selbst in aller Händen ist oder seyn kann. Haben wir vielleicht eine Beurtheilung des [4] Buchs von Mad. Necker von Ihnen zu erwarten? Wenn das ist, so thun wir gern noch darauf Verzicht ‒ sonst aber werden Sie mir und hauptsächlich meiner Caroline ein großes Vergnügen dadurch gewähren. Sie können versichert seyn, daß das es gut in Acht genommen wird. Und nun kommt meine große Bitte. Könnten Sie mir wohl Vasari Vite de pittori, scultori u. s. w. auf einige Tage verschaffen? Es ist ja gewiß in der dortigen Bibliothek. Ich wünschte bey einer gewissen Arbeit das Werk zu Rathe zu ziehn, die ich gleich jetzt vornehmen möchte. Göthe hatte mir versprochen, wenn er herüberkäme, seinen Vasari mitzubringen, nun ist er aber verreist. Noch einmahl: Sie würden mich sehr verbinden, aber es muß ohne Ihre Beschwerde geschehen können.
[5] Um doch gegen so viele freundliche Gaben und Anerbietungen nicht ganz leer vor Ihnen zu xxxxx erscheinen, schicke ich Ihnen hier die Fortsetzung des Werks von Fiorillo. Der Artikel vom Raphaël ist noch nicht geschlossen: das eigentliche Urtheil über seinen Styl kommt noch. Ich bin begierig auf den Aufsatz von Fernow im Merkur.
Ich danke Ihnen wegen der Mittheilung von Frommanns Äußerung. Er bezeugte schon auf der Leipziger große Lust ‒ damahls war ich aber noch nicht von dem heillosen Michaelis los. Ich beging den Fehler, mir zuerst Vorschläge von ihm thun zu lassen ‒ nun machte er sie mir zu gering, da er sonst vielleicht, wenigstens bis auf einen gewissen Grad, meine Foderungen eingegangen wäre. Wahrscheinlich ist der Druck jetzt bey Unger schon [6] angefangen, und der erste Band soll wie ich hoffe auf Ostern das Licht der Welt erblicken.
Ihren Auftrag an H. von Humbold will ich unverzüglich besorgen.
Von den Horen ist das letzte Stük 96 aber erst ein einziges Stück Exemplar angekommen. Es enthält die Fortsetzung von Agnes von Lilien, und ein sehr geistvolles und leicht geschriebnes, obgleich nur fragmentarisches Urtheil über Wilh. Meister.
Verzeihen Sie diese unordentliche Schreiberey, mein werthester Freund. Viele herzliche Empfehlungen von meiner Gattin an Sie und an die Ihrige. Wie Schade daß unsre mündlichen Mittheilungen immer nur so kurz dauern müssen.
Ganz der Ihrige
AWSchlegel

Ich bin Ihnen noch ganz besonders für die Mittheilung des Mercur verbunden da ich das Gespräch wirklich schon, zwar in aller Eile, in dem Schl. schrieb, aber doch mit einigem Verstande (in der Eile haben wir Weiber gewöhnlich beßern Verstand als in der Ruhe) gelesen habe, und ganz außerordentlich damit zufrieden bin, welches nicht anders seyn kan, da ich mir einbilde ohngefähr eben so geurtheilt zu haben, Schiken Sie uns * ja das nächste Stück sobald es gedrukt ist und Sie sollen im voraus schönstens bedankt seyn. Caroline S.
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