• Dorothea von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel , Caroline von Schelling

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Jena · Date: 09.03.1799
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Dorothea von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel, Caroline von Schelling
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Jena
  • Date: 09.03.1799
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 245‒246.
  • Incipit: „[1] Diese Henriette weiß doch ihr Köpfchen aus der Schlinge zu ziehen, und wäre sie noch so verschlungen. Seien Sie doch [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34097
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.23,Nr.24
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,7 x 11,8 cm
    Language
  • German
[1] Diese Henriette weiß doch ihr Köpfchen aus der Schlinge zu ziehen, und wäre sie noch so verschlungen. Seien Sie doch so gerecht, lieber Freund, und erklären Sie ihr, daß Sie natürlich alles, was Erziehung betrifft, weit mehr ihr zuschreiben als mir. Doch diesesmal thun Sie uns wohl allen zu viel Ehre an. Wie um des Himmels willen soll man ein Geschöpf erziehen, das so gehelmt, und gerüstet, und fertig dem Haupte des göttlichen Vaters entspringt? Lucinde ist nicht sowohl verzogen, als gar nicht erzogen. – –
O, endlich habe ich es doch gewagt, selber zu schreiben. Wie lange quäle ich mich schon mit meiner Muthlosigkeit! Und nun hören sie gleich Alles. Lieber Schlegel. Liebe liebe Caroline kommen Sie doch zu uns! nehmen Sieʼs doch an was Ihnen Friedrich schrieb! Wenn es doch geschehen könnte, ich würde es wieder aufs neue fühlen, wie ich jetzt glücklich bin. Das wäre dann mein schönster Traum, Uns alle versammelt zu sehen; und ich ganz Euer, ungetheilt allem was ich liebe und verehre, das wäre dann wirklich wahr geworden. Glauben Sie nur nicht, daß es mir die allergeringste Beschwerlichkeit machen würde, ich habe Raum genug. Bedenken Sie ja nur alle die Gründe die Ihnen Friedrich dafür schrieb; Sie werden freilich einiges vermißen, [2] aber dann hat es wieder auch Gutes. Und für mich – nun ich will es gar nicht versuchen zu beschreiben, was es für mich sein würde. Wer weis ob ich Sie ordentlich werde sehen können, wenn Sie bei Ungers wohnen! – Wenn Madame Unger Ihnen zweifelhaft geantwortet hat, und gebeten sein will, so hoffe ich gewiß, Sie werden unsre Bitten nicht versagen. Zum 1ten April bin ich gewis in meiner neuen Wohnung; richten Sie dann wenn es geht, Ihre Reise <darnach> ein; wir haben das Projekt Sie in Potsdam zu erwarten, dort ist Schleyermacher jetzt in Amtsgeschäften. Friedrich kömt heute nicht zu mir, Wind und Wasser halten ihn draußen fest; er schikt mir seine Briefe <offen> her, um Henriettens mit einzulegen, und sie dann zu besorgen. Wie hätte ich sie nicht lesen sollen? Aber nicht wahr liebe Caroline! er hätte sie lieber nicht offen schikken sollen? – Jetzt sehn ich mich mehr als jemals darnach Sie zu sehen, Ihnen meine ganze Hochachtung mein Zutrauen zeigen zu können; Was hat Ihnen nun der Arge für halbes, unvollendetes Zeug geschrieben? Was können Sie nun, mit aller Schonung, doch über alledem denken? Laßen Sie mich Ihnen <auf> alles antworten, wo Ihnen Zweifel bleiben, fragen Sie mich alles – Erlauben Sie mirs dann, daß [3] ich Ihnen offen über alles spreche. Darf ich es hoffen daß Sie mein dreistes Eindringen nicht übel aufnehmen werden? Wie konnte ich anders da ich Friedrichs Brief gelesen habe? Mir ist viel leichter umʼs Herz nun ich es gewagt habe, ich werde Ihnen nun mit rechter Zuversicht entgegen gehen können, wenn wir uns sehen, so sind Sie dann keine neue Bekanntschaft für mich, und auch Sie kennen mich beßer. Wäre es nur erst so weit! wüßte ichʼs nur gewiß daß Sie kommen! Lieber Schlegel halten Sie es doch freundlichst nicht für zu arrogant von mir, wenn ich Ihnen für die Elegie ganz eigenst danke. Friedrich schreibt, ich hätte sie verstanden, das ist recht gut, aber nicht mein Verdienst; das ist doch schon mehr, daß ich sie ganz ordentlich, im ganzen und im einzelnen goutire! mir ist ein neuer Sinn damit aufgegangen; ich kann sie nicht genug lesen, und habe eine recht große wahre Freude damit: Henriette schreibt sie jetzt für sich ab, um sie mit zu nehmen, sie fürchtet das 4te Stück des Athenäums nicht mehr hier zu erleben, ob es gleich jetzt ausgemacht ist, daß sie nicht [4] vor der Messe reist. Schreiben Sie uns recht bald daß Sie gewiß kommen, und daß wir Sie unter unserm demüthigen Dach werden willkommen heißen. – Leben Sie wohl theure liebe Freunde lachen Sie mich immer aus daß ich so gar nichts zu sagen im Stande bin, als die Sache grade zu; aber seyen Sie mir nicht böse darüber.
Dorothea.
Augusten grüße ich aufʼs zärtlichste. Wir feiern morgen hier Friedrichs Geburtstag und werden recht oft Eurer gedenken.
den 9ten März 1799
[1] Diese Henriette weiß doch ihr Köpfchen aus der Schlinge zu ziehen, und wäre sie noch so verschlungen. Seien Sie doch so gerecht, lieber Freund, und erklären Sie ihr, daß Sie natürlich alles, was Erziehung betrifft, weit mehr ihr zuschreiben als mir. Doch diesesmal thun Sie uns wohl allen zu viel Ehre an. Wie um des Himmels willen soll man ein Geschöpf erziehen, das so gehelmt, und gerüstet, und fertig dem Haupte des göttlichen Vaters entspringt? Lucinde ist nicht sowohl verzogen, als gar nicht erzogen. – –
O, endlich habe ich es doch gewagt, selber zu schreiben. Wie lange quäle ich mich schon mit meiner Muthlosigkeit! Und nun hören sie gleich Alles. Lieber Schlegel. Liebe liebe Caroline kommen Sie doch zu uns! nehmen Sieʼs doch an was Ihnen Friedrich schrieb! Wenn es doch geschehen könnte, ich würde es wieder aufs neue fühlen, wie ich jetzt glücklich bin. Das wäre dann mein schönster Traum, Uns alle versammelt zu sehen; und ich ganz Euer, ungetheilt allem was ich liebe und verehre, das wäre dann wirklich wahr geworden. Glauben Sie nur nicht, daß es mir die allergeringste Beschwerlichkeit machen würde, ich habe Raum genug. Bedenken Sie ja nur alle die Gründe die Ihnen Friedrich dafür schrieb; Sie werden freilich einiges vermißen, [2] aber dann hat es wieder auch Gutes. Und für mich – nun ich will es gar nicht versuchen zu beschreiben, was es für mich sein würde. Wer weis ob ich Sie ordentlich werde sehen können, wenn Sie bei Ungers wohnen! – Wenn Madame Unger Ihnen zweifelhaft geantwortet hat, und gebeten sein will, so hoffe ich gewiß, Sie werden unsre Bitten nicht versagen. Zum 1ten April bin ich gewis in meiner neuen Wohnung; richten Sie dann wenn es geht, Ihre Reise <darnach> ein; wir haben das Projekt Sie in Potsdam zu erwarten, dort ist Schleyermacher jetzt in Amtsgeschäften. Friedrich kömt heute nicht zu mir, Wind und Wasser halten ihn draußen fest; er schikt mir seine Briefe <offen> her, um Henriettens mit einzulegen, und sie dann zu besorgen. Wie hätte ich sie nicht lesen sollen? Aber nicht wahr liebe Caroline! er hätte sie lieber nicht offen schikken sollen? – Jetzt sehn ich mich mehr als jemals darnach Sie zu sehen, Ihnen meine ganze Hochachtung mein Zutrauen zeigen zu können; Was hat Ihnen nun der Arge für halbes, unvollendetes Zeug geschrieben? Was können Sie nun, mit aller Schonung, doch über alledem denken? Laßen Sie mich Ihnen <auf> alles antworten, wo Ihnen Zweifel bleiben, fragen Sie mich alles – Erlauben Sie mirs dann, daß [3] ich Ihnen offen über alles spreche. Darf ich es hoffen daß Sie mein dreistes Eindringen nicht übel aufnehmen werden? Wie konnte ich anders da ich Friedrichs Brief gelesen habe? Mir ist viel leichter umʼs Herz nun ich es gewagt habe, ich werde Ihnen nun mit rechter Zuversicht entgegen gehen können, wenn wir uns sehen, so sind Sie dann keine neue Bekanntschaft für mich, und auch Sie kennen mich beßer. Wäre es nur erst so weit! wüßte ichʼs nur gewiß daß Sie kommen! Lieber Schlegel halten Sie es doch freundlichst nicht für zu arrogant von mir, wenn ich Ihnen für die Elegie ganz eigenst danke. Friedrich schreibt, ich hätte sie verstanden, das ist recht gut, aber nicht mein Verdienst; das ist doch schon mehr, daß ich sie ganz ordentlich, im ganzen und im einzelnen goutire! mir ist ein neuer Sinn damit aufgegangen; ich kann sie nicht genug lesen, und habe eine recht große wahre Freude damit: Henriette schreibt sie jetzt für sich ab, um sie mit zu nehmen, sie fürchtet das 4te Stück des Athenäums nicht mehr hier zu erleben, ob es gleich jetzt ausgemacht ist, daß sie nicht [4] vor der Messe reist. Schreiben Sie uns recht bald daß Sie gewiß kommen, und daß wir Sie unter unserm demüthigen Dach werden willkommen heißen. – Leben Sie wohl theure liebe Freunde lachen Sie mich immer aus daß ich so gar nichts zu sagen im Stande bin, als die Sache grade zu; aber seyen Sie mir nicht böse darüber.
Dorothea.
Augusten grüße ich aufʼs zärtlichste. Wir feiern morgen hier Friedrichs Geburtstag und werden recht oft Eurer gedenken.
den 9ten März 1799
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