• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel , Caroline von Schelling

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Jena · Date: [Mai 1799]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel, Caroline von Schelling
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Jena
  • Date: [Mai 1799]
  • Notations: Datum erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 24. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Periode des Athenäums (25. Juli 1797 ‒ Ende August 1799). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Raymond Immerwahr. Paderborn 1985, S. 285‒287.
  • Incipit: „An Wilhelm.
    Zwey Bogen des Athen[äums] sind gedruckt, und die Elegie die große nimmt sich so noch ungleich würdiger aus. – Da [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34237
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.c,Nr.137
  • Number of Pages: 7S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,1 x 11,7 cm
    Language
  • German
An Wilhelm.
Zwey Bogen des Athen[äums] sind gedruckt, und die Elegie die große nimmt sich so noch ungleich würdiger aus. – Da alle 3 Stücke bisher so stark gewesen sind, so will Fröhlich dieses gern nur 10 Bogen stark machen.
Ich schicke Dir hier wenigstens eine allgemeine Einleitung zu den Notizen. – Der U.[nger] hat den Druck der Reden der Religion liegen lassen, und ich warte immer noch auf den letzten Bogen. Indessen hoffe ich diese Notiz den nächsten Posttag schicken zu können, und dann ist Schlei[ermacher] wohl auch mit der seinigen über Kants Anthropol.[ogie] fertig.
Mit der Stelle im Hirtenliede hast Du freylich recht, wie auch mit dem Ton des Ganzen. Es war das erste, er hatte die Galat.[ea] noch nicht gelesen, und nahm es viel zu volksmäßig und propylär. – In dem langen Gedicht ist mehr als eine Stelle abweichend, und die Construction der Perioden und Gedanken die wohl eben so künstlich ist wie das Silbenmaaß nicht so beobachtet wie dieses. Den Fehler in Rücksicht des letzten Reims hat T.[ieck] wohl bemerkt und wollte das Ganze umdrucken lassen, was denn freylich zu spät war. Das Uebel liegt eigentlich darin, daß T.[ieck] so wenig Hülfsmittel hatte, denn an Fleiß hat er nicht fehlen lassen. Nicht einmal das Lexikon der Akademie hat ihm U.[nger] verschafft, der überhaupt das ganze Unternehmen sehr leicht und merkantilisch nimmt, wovon ich am besten zu sagen weiß, da er es ja mir zuerst anbot, und es mir nachher so große Mühe machte ihn aus Reichardts Protektion zu reißen und an T.[ieck] zu bringen. – Wo ich aber schwerlich Deiner Meynung seyn werde, das ist der verfehlte Deutsche Ausdruck. Mir scheint in Rücksicht auf diesen in Vergleichung mit Deiner höchst kühnen Praxis im Hamlet und der Elegie z. B. Deine Theorie noch etwas furchtsam. Vergleiche nun auch Passagen in der letzten Hälfte, und ich wette Du wirst sie ganz anders finden.
Hast Du den ersten Theil der Lucinde noch einmal im Ganzen gelesen?
Steffens hat mir einige Hoffnung gemacht, eine Notiz über Schell[ing]ʼ[s] Naturφ zu schicken. Doch weiß ich nicht ob wir darauf rechnen können. Und wenn Du Hard.[enberg] siehst, so treibe ihn ja.
Heil und Brüderschaft!
Friedrich.
Von Henriette haben wir seit Dresden noch nichts wieder gehört. – Von Eduard hatten wir vor Kurzem einen sehr liebenswürdigen Brief. Dieser Wilde hat unglaublich viel Delicatesse.
Sind die Stücke für den nächsten Theil des Shakespear schon gewählt? –
Steffens sagt mir, das philos.[ophische] Journal werde wohl eingehn. Wärest Du nicht dafür, daß wir Schelling zu einiger Theilnahme am Athen.[äum] einlüden; wenn es auch nur Uebersicht der Physik wäre. Denn seine kritischen Uebersichten möchten freylich nicht recht hineinpassen. An sich wohl aber sie sind doch nicht populär und zu nachläßig. Aber vielleicht einmal ein philosophischer Aufsatz über einen bestimmten Gegenstand.

An Caroline.
Doroth.[ea] geht schon wieder in der Stube umher und macht mir den Kopf warm, weil sie das Zimmer rein machen will. Mit meinen Augen geht es so leidlich.
Ihr Steffens ist bey uns gewesen und gefällt mir sehr wohl. Er läßt Euch alle grüßen. Heute Abend soll er mit Tieck Thee hier trinken.
Mit U.[nger] ist alles richtig. Ich ging hin, er war recht freundlich, sagte wenn ich es gewiß wisse mit den 3 Ldrs, so müsse es dabey bleiben. Da ich nun von ihrer Zudringlichkeit nichts mehr zu befürchten, wird es mir leicht, ihn freundschaftlich zu erhalten. Das kleine für Fichte nimmt er auch. – Freylich muß ich nun Wunder thun. – Sie sehn, ich schreibe da etwas und streiche es immer wieder aus. Ich weiß nicht recht, ob es gut seyn wird, wenn W.[ilhelm] gelegentlich etwas über mich an U.[nger] schreibt. Haben sich keine Briefe gefunden, so wäre es wohl gut, wenn er, auf eine <zarte> freundschaftliche Weise versteht sich, sein Zeugniß ablegte. Außerdem könnte er <etwa> etwas für Entschuldigung meines Zögerns aus der Natur dieses Werks sagen; um so mehr da er selbst ein so eifriger Treiber ist: auch könnte er sich, wenn es auch nur wie im Scherz geschähe, erbieten, mich tüchtig zu treiben. Ob das lezte gut und schicklich, wenn sich Briefe gefunden haben, und das Zeugniß also nicht nöthig ist, überlasse ich ihm selbst zu beurtheilen.
Zu der Einlage bemerke ich nur noch, daß der erste Band der Luc.[inde] fertig ist. Nun bin ich dabey mich Athenäisch und Fichtisch zu constituiren. – Schlimm ist es, daß Fröhlich gern noch mehr M[anu]scr[i]pt haben möchte, ehe er den Druck anfangen läßt. Ich werde ihn überreden und drängen, wie ich weiß und kann. Sollte es aber zum Ziele führen, so wage ichs drauf, den Brief über Sh.[akespear] ohne Wilhelms Censur in den Druck zu geben. – An eine Collision gemeinschaftlicher oder einseitiger Verhältnisse ist ja hier ohnehin nicht zu denken, worauf sich doch unsre gegenseitige Censur, solange wir nicht beysammen leben, vorzüglich beschränkt. – Das nächste, was ich dann noch fertig mache, ist etwa eine moralische Rede, die sich gewissermassen an die Constitution der Popularität in dem Brief über die φς [Philosophie] anschließen wird. Die erste ganz allgemein, bloß ein Aufgebot an alle gebildeten Menschen in Masse über ihre Menschheit und Bildung menschlich und gebildet reden zu hören. – Nächstdem werde ich von der Familie, von der Religion, vom Umgang <pp> handeln.
Eine ganz kleine Portion Gedanken – denn so möchte ich sie einmal lieber nennen als Fragmente – aber exquisite, bedürfen nur der Abschrift.
Kürzlich habe ich in einer hiesigen Gesellschaft eine Vorlesung gehalten über den verschiedenen Styl in Goetheʼs frühern und spätern Werken. – Ich dictirte das, während meine Augen schwach waren. Ich habe daran wenigstens einen Leitfaden, und wenn ich alle einzelnen guten Gedanken, die ich etwa in meinem Heft über Goethe niedergeschrieben, ausziehe und daran feile, wird es wohl so werden, wie es soll um das Ueber M.[eister] auf eine indirecte Art fortzusetzen, wie ichs für besser halte als auf directe.
Was den Herder betrifft, so wünschte ich nur provisorisch Nachricht von Euch, wie es sey, ob. Ich dachte, er fiele Euch wohl eher in die Hände. Ich möchte nicht gern kaufen, wenn ich nicht vorher weiß daß es sich der Mühe verlohnt.
Was den Wieland betrifft, so bin ich halb Ihrer Meynung. Der Einfall an sich ist köstlich, scheint mir auch nicht zu bitter. Aber alle die andern sind doch gar zu arme Sünder; auch trifft sichs wunderlich, daß sie uns alle angegriffen haben; er allein nicht. Das würden die Leute sehr schrecklich finden. Etwas anderes wäre es mit einer systematischen Vernichtung seiner sämtlichen Poesie oder Unpoesie. Diese ist so sehr an der Zeit wie möglich – und da sollte das Alter und das Leben gar keine Rücksicht seyn. Im Gegentheil läßt W.[ilhelm] ihn sterben, so sagen die Menschen, bey Lebzeiten habe man nicht das Herz gehabt, und was dessen mehr ist. Also in Masse, in Masse! Aber bis dahin auch lieber diesen Einfall verspart, der mehr gegen das große kritische Geschäft im voraus einnehmen als es ankündigen würde. – Als Fragm.[ent] ging es weit eher, wo auch wohl über bessere als Wie.[and] ein salziges Wort gesagt wird. Aber da ginge die Form der Ankündigung verloren, die es so pikant macht.
An Wilhelm.
Zwey Bogen des Athen[äums] sind gedruckt, und die Elegie die große nimmt sich so noch ungleich würdiger aus. – Da alle 3 Stücke bisher so stark gewesen sind, so will Fröhlich dieses gern nur 10 Bogen stark machen.
Ich schicke Dir hier wenigstens eine allgemeine Einleitung zu den Notizen. – Der U.[nger] hat den Druck der Reden der Religion liegen lassen, und ich warte immer noch auf den letzten Bogen. Indessen hoffe ich diese Notiz den nächsten Posttag schicken zu können, und dann ist Schlei[ermacher] wohl auch mit der seinigen über Kants Anthropol.[ogie] fertig.
Mit der Stelle im Hirtenliede hast Du freylich recht, wie auch mit dem Ton des Ganzen. Es war das erste, er hatte die Galat.[ea] noch nicht gelesen, und nahm es viel zu volksmäßig und propylär. – In dem langen Gedicht ist mehr als eine Stelle abweichend, und die Construction der Perioden und Gedanken die wohl eben so künstlich ist wie das Silbenmaaß nicht so beobachtet wie dieses. Den Fehler in Rücksicht des letzten Reims hat T.[ieck] wohl bemerkt und wollte das Ganze umdrucken lassen, was denn freylich zu spät war. Das Uebel liegt eigentlich darin, daß T.[ieck] so wenig Hülfsmittel hatte, denn an Fleiß hat er nicht fehlen lassen. Nicht einmal das Lexikon der Akademie hat ihm U.[nger] verschafft, der überhaupt das ganze Unternehmen sehr leicht und merkantilisch nimmt, wovon ich am besten zu sagen weiß, da er es ja mir zuerst anbot, und es mir nachher so große Mühe machte ihn aus Reichardts Protektion zu reißen und an T.[ieck] zu bringen. – Wo ich aber schwerlich Deiner Meynung seyn werde, das ist der verfehlte Deutsche Ausdruck. Mir scheint in Rücksicht auf diesen in Vergleichung mit Deiner höchst kühnen Praxis im Hamlet und der Elegie z. B. Deine Theorie noch etwas furchtsam. Vergleiche nun auch Passagen in der letzten Hälfte, und ich wette Du wirst sie ganz anders finden.
Hast Du den ersten Theil der Lucinde noch einmal im Ganzen gelesen?
Steffens hat mir einige Hoffnung gemacht, eine Notiz über Schell[ing]ʼ[s] Naturφ zu schicken. Doch weiß ich nicht ob wir darauf rechnen können. Und wenn Du Hard.[enberg] siehst, so treibe ihn ja.
Heil und Brüderschaft!
Friedrich.
Von Henriette haben wir seit Dresden noch nichts wieder gehört. – Von Eduard hatten wir vor Kurzem einen sehr liebenswürdigen Brief. Dieser Wilde hat unglaublich viel Delicatesse.
Sind die Stücke für den nächsten Theil des Shakespear schon gewählt? –
Steffens sagt mir, das philos.[ophische] Journal werde wohl eingehn. Wärest Du nicht dafür, daß wir Schelling zu einiger Theilnahme am Athen.[äum] einlüden; wenn es auch nur Uebersicht der Physik wäre. Denn seine kritischen Uebersichten möchten freylich nicht recht hineinpassen. An sich wohl aber sie sind doch nicht populär und zu nachläßig. Aber vielleicht einmal ein philosophischer Aufsatz über einen bestimmten Gegenstand.

An Caroline.
Doroth.[ea] geht schon wieder in der Stube umher und macht mir den Kopf warm, weil sie das Zimmer rein machen will. Mit meinen Augen geht es so leidlich.
Ihr Steffens ist bey uns gewesen und gefällt mir sehr wohl. Er läßt Euch alle grüßen. Heute Abend soll er mit Tieck Thee hier trinken.
Mit U.[nger] ist alles richtig. Ich ging hin, er war recht freundlich, sagte wenn ich es gewiß wisse mit den 3 Ldrs, so müsse es dabey bleiben. Da ich nun von ihrer Zudringlichkeit nichts mehr zu befürchten, wird es mir leicht, ihn freundschaftlich zu erhalten. Das kleine für Fichte nimmt er auch. – Freylich muß ich nun Wunder thun. – Sie sehn, ich schreibe da etwas und streiche es immer wieder aus. Ich weiß nicht recht, ob es gut seyn wird, wenn W.[ilhelm] gelegentlich etwas über mich an U.[nger] schreibt. Haben sich keine Briefe gefunden, so wäre es wohl gut, wenn er, auf eine <zarte> freundschaftliche Weise versteht sich, sein Zeugniß ablegte. Außerdem könnte er <etwa> etwas für Entschuldigung meines Zögerns aus der Natur dieses Werks sagen; um so mehr da er selbst ein so eifriger Treiber ist: auch könnte er sich, wenn es auch nur wie im Scherz geschähe, erbieten, mich tüchtig zu treiben. Ob das lezte gut und schicklich, wenn sich Briefe gefunden haben, und das Zeugniß also nicht nöthig ist, überlasse ich ihm selbst zu beurtheilen.
Zu der Einlage bemerke ich nur noch, daß der erste Band der Luc.[inde] fertig ist. Nun bin ich dabey mich Athenäisch und Fichtisch zu constituiren. – Schlimm ist es, daß Fröhlich gern noch mehr M[anu]scr[i]pt haben möchte, ehe er den Druck anfangen läßt. Ich werde ihn überreden und drängen, wie ich weiß und kann. Sollte es aber zum Ziele führen, so wage ichs drauf, den Brief über Sh.[akespear] ohne Wilhelms Censur in den Druck zu geben. – An eine Collision gemeinschaftlicher oder einseitiger Verhältnisse ist ja hier ohnehin nicht zu denken, worauf sich doch unsre gegenseitige Censur, solange wir nicht beysammen leben, vorzüglich beschränkt. – Das nächste, was ich dann noch fertig mache, ist etwa eine moralische Rede, die sich gewissermassen an die Constitution der Popularität in dem Brief über die φς [Philosophie] anschließen wird. Die erste ganz allgemein, bloß ein Aufgebot an alle gebildeten Menschen in Masse über ihre Menschheit und Bildung menschlich und gebildet reden zu hören. – Nächstdem werde ich von der Familie, von der Religion, vom Umgang <pp> handeln.
Eine ganz kleine Portion Gedanken – denn so möchte ich sie einmal lieber nennen als Fragmente – aber exquisite, bedürfen nur der Abschrift.
Kürzlich habe ich in einer hiesigen Gesellschaft eine Vorlesung gehalten über den verschiedenen Styl in Goetheʼs frühern und spätern Werken. – Ich dictirte das, während meine Augen schwach waren. Ich habe daran wenigstens einen Leitfaden, und wenn ich alle einzelnen guten Gedanken, die ich etwa in meinem Heft über Goethe niedergeschrieben, ausziehe und daran feile, wird es wohl so werden, wie es soll um das Ueber M.[eister] auf eine indirecte Art fortzusetzen, wie ichs für besser halte als auf directe.
Was den Herder betrifft, so wünschte ich nur provisorisch Nachricht von Euch, wie es sey, ob. Ich dachte, er fiele Euch wohl eher in die Hände. Ich möchte nicht gern kaufen, wenn ich nicht vorher weiß daß es sich der Mühe verlohnt.
Was den Wieland betrifft, so bin ich halb Ihrer Meynung. Der Einfall an sich ist köstlich, scheint mir auch nicht zu bitter. Aber alle die andern sind doch gar zu arme Sünder; auch trifft sichs wunderlich, daß sie uns alle angegriffen haben; er allein nicht. Das würden die Leute sehr schrecklich finden. Etwas anderes wäre es mit einer systematischen Vernichtung seiner sämtlichen Poesie oder Unpoesie. Diese ist so sehr an der Zeit wie möglich – und da sollte das Alter und das Leben gar keine Rücksicht seyn. Im Gegentheil läßt W.[ilhelm] ihn sterben, so sagen die Menschen, bey Lebzeiten habe man nicht das Herz gehabt, und was dessen mehr ist. Also in Masse, in Masse! Aber bis dahin auch lieber diesen Einfall verspart, der mehr gegen das große kritische Geschäft im voraus einnehmen als es ankündigen würde. – Als Fragm.[ent] ging es weit eher, wo auch wohl über bessere als Wie.[and] ein salziges Wort gesagt wird. Aber da ginge die Form der Ankündigung verloren, die es so pikant macht.
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