• Sophie Bernhardi to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: München · Place of Destination: Genf · Date: 04.01.1809
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Bernhardi
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: München
  • Place of Destination: Genf
  • Date: 04.01.1809
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 2‒6.
  • Incipit: „[1] München den 4ten Januar 1809
    Verzeihen Sie mir mein theurer Freund daß ich Ihnen nicht sogleich geantwortet habe. Der härteste Schlag [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-5
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,20,6
  • Number of Pages: 11 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19 x 12,1 cm
    Language
  • German
[1] München den 4ten Januar 1809
Verzeihen Sie mir mein theurer Freund daß ich Ihnen nicht sogleich geantwortet habe. Der härteste Schlag der das Herz einer Mutter vernichten kann hat mich betroffen, und ich sehe es ein, daß man auch an den allerhärtesten Schmerzen nicht stirbt. Gott wie soll ich es anfangen Ihnen mein Unglück zu sagen, woher werde ich die Fassung nehmen, ich vergehe noch im Elende hier ohne Hülfe ohne Trost ohne Freund, denn Knorring ist noch immer nicht hier, ich muß noch verzweiflen. Ich kämpfe mit dem Wahnsinn Tagelang und Nächtelang, und ich fühle es ist vergebens.
Ich habe das Lezte, das Bitterste ertragen, alle Schmach, alle Schmerzen sind auf mich gehäuft. Gott ich wolte es könte Ihnen ein Anderer Nachricht geben. Ich gehe noch an diesen Brief zu grunde.
Ich muß und will Ihnen in Ordnung mein Schicksall schreiben, und solte das Herz mir brec[2]hen. Ich verließ Wien auf den ausdrücklichen dringenden Rath des Nuntius, weil er mir versicherte daß troz aller Versprechungen gegen mich entschieden werden würde. Ja ich stand auf den Punkt meine Kinder zu verliehren weil meine Feinde den Augenblick wählten wo der Kaiser und der ganze Hof in Ungarn war, und der Graf Rothenhann auf seine Güter. Ich schrieb Ihnen, ich hätte hier die Sentenz des Berliner Stadtgerichts erhalten, welche zugleich einen Termin der Appellation festsezte, welcher in diesen Tagen erst zu endegeth. Ich sprach mit Rechtsgelehrten, und jeder versicherte mir es könne vor den Ablauf des Termins keine Exzekution stad finden. Ich schickte eilig mein leztes Geld dem Advokaten nach Berlin aus dessem leztem Briefe ich sehe das er von Bernhardi gewonnen war, und wo ich also sicher war das die Appellation versäumt würde wenn ich nicht eine beträchtliche Summe mitschickte. Der Graf Stadion, sprach hier mit dem Preusischen Gesandten, und Baader that dasselbe, und er gab beiden sein Wort, er sei noch ganz ununterrichtet, wenn aber etwaß an ihn [3] kähme solte ich benachrichtigt werden, und durchaus nichts schnelles geschehen. Während ich alle diese Vorsichtsmasregeln brauchte hatte Humboldt bei seiner Durchreise alles schon für Bernhardi veranstaltet, er hat dem Minister sein Wort gegeben, ich hätte meinen Prozeß schon in allen Instanzen verlohren. Der Preusische hiesige Minister, der uns allen sein Wort verpfändete, stand mit Bernhardi lange in Correspondenz, den Fichte aus allen Kräften unterstüzte. Mein Anwald in Berlin sagte aus, wenn man mir nicht die Beiden Kinder zuspräche, würde ich sogleich mit ihnen nach Corsika fliehen wo mich der Einfluß der preusischen Gesetze nicht erreichte, und dort mit ihnen unter fremden Nahmen leben. Dies bewirckte einen Schein des Rechts daß man den Termin der Appellation nicht abwartete, und Bernhardi mit allen volgültigen Papieren versahe, und so kam er hieher, ohne daß mein Anwald in Berlin oder sonst ein ehemaliger Freund so menschlich gewesen wäre, mir eine Nachricht zu [4] geben. Ich lag noch im Bette als sich der Polizei Direcktor bei mir melden läßt. Er detallierte mir alles, und ich sahe deutlich ein, daß ich verlohren sei, denn man hatte mich so umkettet, daß wenn ich nicht einen Tag gewan war alles vorbei.
Bernhardi war schon im Hause, ich erniedrigte mich zu bitten in meiner höchsten Verzweiflung, der Polizei Direcktor schien selbst gerührt, sagte mir er wolle dem Minister zu meinem Vortheil Bericht abstatten, und verpfändete seine Ehre in meines Bruders Hand, daß nichts gewaltsames, und nichts schnelles geschehen solte. Ich sammelte mich, schickte meinen Bruder zu Stadion, sprach selbst alle Geheimeräthe, und jeder sagte, dies Verfahren sei ganz aus der Form und die Polizei müsse erst von der Justiz beauftragt sein, es wurde ein Advokat bestelt, und ich fuhr mit meinen Kindern wieder nach Hause, denken Sie mein Entsetzen, als ich das Hauß mit Polizei Bediente besezt fand, und dreie in meinem Zimmer welche den Befehl des Direcktors vor[5]zeigten, mir beide Kinder zu entreissen, sie auf die Polizeistube zu führen, und dort Bernhardi sie auszuliefern. Der Wagen wartete schon und er wolte sogleich mit ihnen abreisen, zugleich gab einer meinem Bruder ein Billet vom Direcktor, worin dieser sein Ehrenworth zurücknahm. Gott stand mir bei daß ich in diesem schrecklichen Augenblick nicht die Fassung verlohr, ich verlangte Bernhardi und den Polizei Direcktor zu sprechen, und sezte dies fast mit Gewalt durch. Da nun jeder andere Ausweg verlohren war, schloß ich mit dem Ungeheuer einen Vergleich. Ich überließ ihm Wilhelm, und dagegen hat er mir Felix gerichtlich und förmlich ohne alle Einschränkung abgetreten.
Ich habe es nun dulden müssen ihn einige Tage lang fast immer bei mir zu sehen, ich muste mir sagen lassen, wie er mir unrecht gethan habe wie er bereue usw. und durfte der Empfindung meines Herzens nicht Luft machen, um meines Kin[6]des willen, den[n] es kam nun herauß daß er es höchst ungern nehme, nur um seiner Eltern willen müste, und ich habe sein Versprechen, daß er mir auch Wilhelm in einiger Zeit wiedergeben will.
Ich habe diesen schrecklichen Brief nun geschrieben, jezt beschwöre ich Sie bei Gott und allem waß heilig ist nicht zu glauben daß ich mein Kind hätte retten können, denn sein Gesuch war so von den höchsten Behörden unterstüzt daß die wiederrechtliche Exekution so rechtskräftig wurde, daß jede Regierung sie hätte unterstützen müssen. Ja währe es mir gelungen mich zu entfernen, so hätte ich die schimpflichste Verfolgung erwarten müssen.
Die entsezlichen Auftritte alle, der Zwang mit ihm reden und sein zu müssen, hatte nun die schreckliche Folge, daß es mich und meinen Bruder Ludwig gefährlich kranck dar[7]nieder warf. Schon den Weinachtstag als Bernhardi mit meinem armen Kinde abreiste lag ich fast lebloß im Bette. Mein Bruder legte sich den folgenden Tag, und war in Lebensgefahr. Beide haben wir nun erst das Bet verlassen, und ich habe meinen Bruder gestern zuerst wiedergesehn.
Denken Sie sich also jezt meine Lage und schenken Sie mir Mitleid und Trost, theilen Sie meinem Bruder Friedrich alle diese Nachrichten mit, doch so daß er sich nicht zu sehr kränkt. Sie sehen wohl daß Ihr Brief an Fichte so wie die Lage der Sache jezt ist nicht abgeschickt werden kann, wenigstens so nicht wie er ist, weil ich es mir dadurch ohnmöglich machen würde, daß mir Bernhardi das Kind wiedergäbe. Auch ist es noch sehr die Frage, wie es mit dem Zeugnisse ist. Ihr Brief kam grade an wie Bernhardi hier war und er gerieth dadurch sehr in Angst und verrieth nun daß alle die Zeugen auf welche in dem Prozesse so sehr gepocht wird, noch gar nicht abgehört sind, Bernhardi hat nur vor Gericht erklärt die Leute wolten [8] das Bezeugen, also bin ich eigentlich bloß auf sein Wort verurtheilt, dem man so viele Lügen beweisen kann. Haben Sie je von solcher Gerichtspflege gehört? Mann hat Bernhardi während des Prozesses zum Direcktor gemacht, und dies wirft bei allen Regierungen ein nachtheiliges Licht auf [mich], denn man glaubt nicht daß meine Beschuldigungen wahr sein können, weil ihn nicht zugleicher Zeit die Stelle bei der meine Klage anhängig gemacht ist befördern würde, wenn ein Grund der Wahrscheinlichkeit da währe, und zugleicher Zeit ist die Regierung gezwungen, alles gegen ihn zu unterdrüken, um sich mit dieser Beförderung nicht zu compromittiren.
Mit Ihrer Bibliothek ist es mit derselben niederträchtigen Klugheit eingerichtet so das kein Entrinnen möglich ist, und Bernhardis Kleider bezalt werden müssen. Er hat sich nehmlich für Sie verbürgt, und da Sie die Bezalung verweigert haben, haben sich die Feigenschen Erben an ihn gehalten, natürlich weigert er sich nicht zu bezalen, hat aber zu seiner Sicherheit Verhaft auf Ihre Bücher legen lassen. Ich habe auch dies in der Güte ausgemacht, weil es sonst der Gegenstand [9] eines Jahrelangen Prozesses sein würde. Er sagte mir er müsse es in Terminen bezalen, so wie er nach Hause käme 10 Reichsthaler. Ich habe ihm diese 10 Reichsthaler sogleich gegeben, er hat mir einen Schein ausgestelt, daß er Ihre Bücher sogleich jeden welchen Sie ernennen abliefert, ich habe ihm dagegen einen anderen gegeben daß die nun noch restirenden 97 Reichsthaler bis zum 1ten April 1809 bezalt werden sollen. Es war wie er es angelegt hatte nichts anders zu machen, denn Sie werden wohl zugeben, daß dieselben welche so partheiisch gegen mich, für ihn entschieden haben, nun nicht die Schande auf ihn werfen würden, daß er Sie mit seiner Schneiderrechnung betrogen habe. Ich sagte ihm, ich gienge diesen Vergleich mit ihm ein, weil es mir ein drükendes Gefühl wäre, daß Sie dem wir alle so viel Dank schuldig wären noch in Ihrem Eigenthum gekränkt würden, übrigens wisse er so gut als ich daß die Rechnung nicht für Ihre Kleider sei. Er ließ sich das gefallen, und war nur zufrieden Geld zu bekommen. Überhaupt scheint der Geiz jezt seine herschende Leidenschaft geworden zu [10] sein, die alle übrige verschlingt. Er hütete sich das kleinste für Wilhelm auszugeben und zwang mich dadurch, da ich mein armes Kind im Winter nicht unbedeckt wolte reisen lassen, zu vielen Ausgaben die mich drüken. Dan überließ er es auch mir die ziemlich ansehnlichen Gerichtskosten für die Abtretung des andern Kindes zu berichtigen. Und dies nicht aus Mangel, mein Mädchen versichert mir daß er große Summen bei sich hatte, sie bemerkte es da sie Wilhelms Sachen in seinen Koffer packte. Dieser Geiz wird mir wieder zu meinem Kinde helfen den[n] er wird es mir gegen eine Summe abtreten.
O! mein Freund dieser Brief ist geendigt den ich in unsäglicher Herzensqual schrieb. Ich muß Sie nun bald wiedersehen damit Ihre treuen Augen mich in solchen Schmerz erquiken. Gott waß soll ich anfangen, von Knorring weiß ich nichts, auch Ihr Bruder Friedrich ist nicht so menschlich mir nur eine Zeile zu schreiben, nun dürfte noch Knorring krank werden oder ster[11]ben dan wäre das Maß meines Elendes voll. Antworten Sie mir ich bitte Sie schnel gleich. Mein Bruder Friedrich Gott er soll bald kommen damit ich nicht untergehe. Leben Sie wohl ich kann nicht mehr.
S[ophie] Tieck
[12]
[1] München den 4ten Januar 1809
Verzeihen Sie mir mein theurer Freund daß ich Ihnen nicht sogleich geantwortet habe. Der härteste Schlag der das Herz einer Mutter vernichten kann hat mich betroffen, und ich sehe es ein, daß man auch an den allerhärtesten Schmerzen nicht stirbt. Gott wie soll ich es anfangen Ihnen mein Unglück zu sagen, woher werde ich die Fassung nehmen, ich vergehe noch im Elende hier ohne Hülfe ohne Trost ohne Freund, denn Knorring ist noch immer nicht hier, ich muß noch verzweiflen. Ich kämpfe mit dem Wahnsinn Tagelang und Nächtelang, und ich fühle es ist vergebens.
Ich habe das Lezte, das Bitterste ertragen, alle Schmach, alle Schmerzen sind auf mich gehäuft. Gott ich wolte es könte Ihnen ein Anderer Nachricht geben. Ich gehe noch an diesen Brief zu grunde.
Ich muß und will Ihnen in Ordnung mein Schicksall schreiben, und solte das Herz mir brec[2]hen. Ich verließ Wien auf den ausdrücklichen dringenden Rath des Nuntius, weil er mir versicherte daß troz aller Versprechungen gegen mich entschieden werden würde. Ja ich stand auf den Punkt meine Kinder zu verliehren weil meine Feinde den Augenblick wählten wo der Kaiser und der ganze Hof in Ungarn war, und der Graf Rothenhann auf seine Güter. Ich schrieb Ihnen, ich hätte hier die Sentenz des Berliner Stadtgerichts erhalten, welche zugleich einen Termin der Appellation festsezte, welcher in diesen Tagen erst zu endegeth. Ich sprach mit Rechtsgelehrten, und jeder versicherte mir es könne vor den Ablauf des Termins keine Exzekution stad finden. Ich schickte eilig mein leztes Geld dem Advokaten nach Berlin aus dessem leztem Briefe ich sehe das er von Bernhardi gewonnen war, und wo ich also sicher war das die Appellation versäumt würde wenn ich nicht eine beträchtliche Summe mitschickte. Der Graf Stadion, sprach hier mit dem Preusischen Gesandten, und Baader that dasselbe, und er gab beiden sein Wort, er sei noch ganz ununterrichtet, wenn aber etwaß an ihn [3] kähme solte ich benachrichtigt werden, und durchaus nichts schnelles geschehen. Während ich alle diese Vorsichtsmasregeln brauchte hatte Humboldt bei seiner Durchreise alles schon für Bernhardi veranstaltet, er hat dem Minister sein Wort gegeben, ich hätte meinen Prozeß schon in allen Instanzen verlohren. Der Preusische hiesige Minister, der uns allen sein Wort verpfändete, stand mit Bernhardi lange in Correspondenz, den Fichte aus allen Kräften unterstüzte. Mein Anwald in Berlin sagte aus, wenn man mir nicht die Beiden Kinder zuspräche, würde ich sogleich mit ihnen nach Corsika fliehen wo mich der Einfluß der preusischen Gesetze nicht erreichte, und dort mit ihnen unter fremden Nahmen leben. Dies bewirckte einen Schein des Rechts daß man den Termin der Appellation nicht abwartete, und Bernhardi mit allen volgültigen Papieren versahe, und so kam er hieher, ohne daß mein Anwald in Berlin oder sonst ein ehemaliger Freund so menschlich gewesen wäre, mir eine Nachricht zu [4] geben. Ich lag noch im Bette als sich der Polizei Direcktor bei mir melden läßt. Er detallierte mir alles, und ich sahe deutlich ein, daß ich verlohren sei, denn man hatte mich so umkettet, daß wenn ich nicht einen Tag gewan war alles vorbei.
Bernhardi war schon im Hause, ich erniedrigte mich zu bitten in meiner höchsten Verzweiflung, der Polizei Direcktor schien selbst gerührt, sagte mir er wolle dem Minister zu meinem Vortheil Bericht abstatten, und verpfändete seine Ehre in meines Bruders Hand, daß nichts gewaltsames, und nichts schnelles geschehen solte. Ich sammelte mich, schickte meinen Bruder zu Stadion, sprach selbst alle Geheimeräthe, und jeder sagte, dies Verfahren sei ganz aus der Form und die Polizei müsse erst von der Justiz beauftragt sein, es wurde ein Advokat bestelt, und ich fuhr mit meinen Kindern wieder nach Hause, denken Sie mein Entsetzen, als ich das Hauß mit Polizei Bediente besezt fand, und dreie in meinem Zimmer welche den Befehl des Direcktors vor[5]zeigten, mir beide Kinder zu entreissen, sie auf die Polizeistube zu führen, und dort Bernhardi sie auszuliefern. Der Wagen wartete schon und er wolte sogleich mit ihnen abreisen, zugleich gab einer meinem Bruder ein Billet vom Direcktor, worin dieser sein Ehrenworth zurücknahm. Gott stand mir bei daß ich in diesem schrecklichen Augenblick nicht die Fassung verlohr, ich verlangte Bernhardi und den Polizei Direcktor zu sprechen, und sezte dies fast mit Gewalt durch. Da nun jeder andere Ausweg verlohren war, schloß ich mit dem Ungeheuer einen Vergleich. Ich überließ ihm Wilhelm, und dagegen hat er mir Felix gerichtlich und förmlich ohne alle Einschränkung abgetreten.
Ich habe es nun dulden müssen ihn einige Tage lang fast immer bei mir zu sehen, ich muste mir sagen lassen, wie er mir unrecht gethan habe wie er bereue usw. und durfte der Empfindung meines Herzens nicht Luft machen, um meines Kin[6]des willen, den[n] es kam nun herauß daß er es höchst ungern nehme, nur um seiner Eltern willen müste, und ich habe sein Versprechen, daß er mir auch Wilhelm in einiger Zeit wiedergeben will.
Ich habe diesen schrecklichen Brief nun geschrieben, jezt beschwöre ich Sie bei Gott und allem waß heilig ist nicht zu glauben daß ich mein Kind hätte retten können, denn sein Gesuch war so von den höchsten Behörden unterstüzt daß die wiederrechtliche Exekution so rechtskräftig wurde, daß jede Regierung sie hätte unterstützen müssen. Ja währe es mir gelungen mich zu entfernen, so hätte ich die schimpflichste Verfolgung erwarten müssen.
Die entsezlichen Auftritte alle, der Zwang mit ihm reden und sein zu müssen, hatte nun die schreckliche Folge, daß es mich und meinen Bruder Ludwig gefährlich kranck dar[7]nieder warf. Schon den Weinachtstag als Bernhardi mit meinem armen Kinde abreiste lag ich fast lebloß im Bette. Mein Bruder legte sich den folgenden Tag, und war in Lebensgefahr. Beide haben wir nun erst das Bet verlassen, und ich habe meinen Bruder gestern zuerst wiedergesehn.
Denken Sie sich also jezt meine Lage und schenken Sie mir Mitleid und Trost, theilen Sie meinem Bruder Friedrich alle diese Nachrichten mit, doch so daß er sich nicht zu sehr kränkt. Sie sehen wohl daß Ihr Brief an Fichte so wie die Lage der Sache jezt ist nicht abgeschickt werden kann, wenigstens so nicht wie er ist, weil ich es mir dadurch ohnmöglich machen würde, daß mir Bernhardi das Kind wiedergäbe. Auch ist es noch sehr die Frage, wie es mit dem Zeugnisse ist. Ihr Brief kam grade an wie Bernhardi hier war und er gerieth dadurch sehr in Angst und verrieth nun daß alle die Zeugen auf welche in dem Prozesse so sehr gepocht wird, noch gar nicht abgehört sind, Bernhardi hat nur vor Gericht erklärt die Leute wolten [8] das Bezeugen, also bin ich eigentlich bloß auf sein Wort verurtheilt, dem man so viele Lügen beweisen kann. Haben Sie je von solcher Gerichtspflege gehört? Mann hat Bernhardi während des Prozesses zum Direcktor gemacht, und dies wirft bei allen Regierungen ein nachtheiliges Licht auf [mich], denn man glaubt nicht daß meine Beschuldigungen wahr sein können, weil ihn nicht zugleicher Zeit die Stelle bei der meine Klage anhängig gemacht ist befördern würde, wenn ein Grund der Wahrscheinlichkeit da währe, und zugleicher Zeit ist die Regierung gezwungen, alles gegen ihn zu unterdrüken, um sich mit dieser Beförderung nicht zu compromittiren.
Mit Ihrer Bibliothek ist es mit derselben niederträchtigen Klugheit eingerichtet so das kein Entrinnen möglich ist, und Bernhardis Kleider bezalt werden müssen. Er hat sich nehmlich für Sie verbürgt, und da Sie die Bezalung verweigert haben, haben sich die Feigenschen Erben an ihn gehalten, natürlich weigert er sich nicht zu bezalen, hat aber zu seiner Sicherheit Verhaft auf Ihre Bücher legen lassen. Ich habe auch dies in der Güte ausgemacht, weil es sonst der Gegenstand [9] eines Jahrelangen Prozesses sein würde. Er sagte mir er müsse es in Terminen bezalen, so wie er nach Hause käme 10 Reichsthaler. Ich habe ihm diese 10 Reichsthaler sogleich gegeben, er hat mir einen Schein ausgestelt, daß er Ihre Bücher sogleich jeden welchen Sie ernennen abliefert, ich habe ihm dagegen einen anderen gegeben daß die nun noch restirenden 97 Reichsthaler bis zum 1ten April 1809 bezalt werden sollen. Es war wie er es angelegt hatte nichts anders zu machen, denn Sie werden wohl zugeben, daß dieselben welche so partheiisch gegen mich, für ihn entschieden haben, nun nicht die Schande auf ihn werfen würden, daß er Sie mit seiner Schneiderrechnung betrogen habe. Ich sagte ihm, ich gienge diesen Vergleich mit ihm ein, weil es mir ein drükendes Gefühl wäre, daß Sie dem wir alle so viel Dank schuldig wären noch in Ihrem Eigenthum gekränkt würden, übrigens wisse er so gut als ich daß die Rechnung nicht für Ihre Kleider sei. Er ließ sich das gefallen, und war nur zufrieden Geld zu bekommen. Überhaupt scheint der Geiz jezt seine herschende Leidenschaft geworden zu [10] sein, die alle übrige verschlingt. Er hütete sich das kleinste für Wilhelm auszugeben und zwang mich dadurch, da ich mein armes Kind im Winter nicht unbedeckt wolte reisen lassen, zu vielen Ausgaben die mich drüken. Dan überließ er es auch mir die ziemlich ansehnlichen Gerichtskosten für die Abtretung des andern Kindes zu berichtigen. Und dies nicht aus Mangel, mein Mädchen versichert mir daß er große Summen bei sich hatte, sie bemerkte es da sie Wilhelms Sachen in seinen Koffer packte. Dieser Geiz wird mir wieder zu meinem Kinde helfen den[n] er wird es mir gegen eine Summe abtreten.
O! mein Freund dieser Brief ist geendigt den ich in unsäglicher Herzensqual schrieb. Ich muß Sie nun bald wiedersehen damit Ihre treuen Augen mich in solchen Schmerz erquiken. Gott waß soll ich anfangen, von Knorring weiß ich nichts, auch Ihr Bruder Friedrich ist nicht so menschlich mir nur eine Zeile zu schreiben, nun dürfte noch Knorring krank werden oder ster[11]ben dan wäre das Maß meines Elendes voll. Antworten Sie mir ich bitte Sie schnel gleich. Mein Bruder Friedrich Gott er soll bald kommen damit ich nicht untergehe. Leben Sie wohl ich kann nicht mehr.
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