• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Genf · Date: 07.01.1809
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Genf
  • Date: 07.01.1809
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 6‒10.
  • Incipit: „[1] Wien den 7ten Januar 1809.
    Geliebter Bruder,
    Es ist dießmal schon etwas lange her, daß ich Dir keine Nachricht von mir gegeben. [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,II,14
  • Number of Pages: 11 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,1 x 11,8 cm
    Language
  • German
[1] Wien den 7ten Januar 1809.
Geliebter Bruder,
Es ist dießmal schon etwas lange her, daß ich Dir keine Nachricht von mir gegeben. Ich muß Dir aber nur bekennen, daß dieß größtentheils von der Verstimmung herrührt, in welche mich Deine vorletzten Briefe setzten. Du tadelst meine Frau darin sehr heftig, daß sie eine gute Gelegenheit benutzt, hieher zu kommen. Doch hatte sie diesen Schritt nicht anders als auf den vielfachen und bestimmten Rath von Charlotten gethan, deren Stimme doch hiebei sehr viel bei ihr gelten mußte. Wenn Du glaubtest, daß es uns übel hier erginge, wie ich allerdings neben einigen entfernten Hoffnungen schon der Schwierigkeiten genug hier vorgefunden, so solltest Du uns lieber zu ermuntern und Muth einzuflössen suchen, als uns durch fruchtlose Vorwürfe noch mehr niederzuschlagen. Auch der Vorwurf wegen der „Uebersetzerfabrik“ und diesen Ausdruck fand ich ungerecht. Wenn Du den Merlin [2] und den Lother für Uebersetzungen hältst, so darfst Du nur das alte Original einmal zur Hand nehmen und wirst wohl sehen daß dieß nicht der Fall ist. Was die Corinna betrifft, so weißt Du selbst am besten warum ich meinen Nahmen dazu hergegeben. Indessen ist es mir sehr lieb, daß Du mich wegen der Briefe über die Deutsche Litteratur vorläufig benachrichtigst. Wenn sie in einem so üblen Geiste abgefaßt sind – was ich gar nicht erwartete – so werde ich freilich meinen Nahmen nicht zur Uebersetzung hergeben, und schon leicht eine Ursache finden, mich gegen die Stael davon frei zu machen, oder auch ihr die wahre Ursache offenherzig bekennen. Wenn Sie etwa auch von dem, was August aus den philosophischen Vorlesungen notirt hat, einigen Gebrauch machen wollte, so benachrichtige mich in welchem Sinne es geschehen wird, und achte selbst so viel Du kannst darauf, daß es nicht auf eine unrechte Art geschieht.
[3] Bekanntschaften habe ich nun sehr viele gemacht, beinah alle die mir zu meinem Zweck nützlich sein können. Bei dem Erzherzog Johann war ich schon zweimal; auch dem Erzherzog Reiner habʼ ich mein Werk überreicht. Zinzendorf hat mich ausgezeichnet günstig aufgenommen; ich speißte einmal mit dem alten Odonell, dem Minister bei ihm. Auch der Erzbischof, dem ich durch den Nuntius empfohlen war, nahm mich sehr freundlich auf. Zinzendorf sprach lange mit mir über meinen Wunsch eine historische Vorlesung zu halten. Zeiller hat sich besonders dafür interessirt. Spendou, Böhme machen mir die bestimmteste Hoffnung, vieler andrer nicht zu erwähnen. Da nun fast alle, die Einfluß darauf haben, mir einzeln ihr Jawort gegeben, so will ich den Versuch wagen. Es ist nicht nur für die äußre Existenz wünschenswerth, sondern auch der beste Weg, sich schnell grade in diesem Fache zu zeigen und zu empfehlen; besser als es irgend durch ein Werk geschehen kann. – Daß Sickingen fortdauernd sich meiner annimmt und ich ihn über alles um Rath frage, versteht sich; er ist nur in allen Dingen gar zu sehr fürs Aufschieben. – Den Grafen Joh. Odonell seh ich oft und mag ihn sehr [4] gern leiden. Er hat ungemein viel Verstand und ich begreife nicht wie die Stael in seiner Nähe hat an dem Moritz Geschmack finden können. Collin und Hormayr sind fortdauernde Freunde. Dieser Tage wird die Petition übergeben, und man verspricht mir Beschleunigung.
Vorbereitet war ich schon vor mehr als zwei Monaten so gut zu diesen historischen Vorlesungen daß ich seit dieser Zeit mich ausschließend Karl dem Vten gewidmet. Freilich aber haben die Besuche sehr viel Zeit gefressen, und ist der Kampf mit dem Umfang und Reichthum dieser Geschichte nicht leicht zu bestehn gewesen.
Die Fortsetzung der Europa wird auch mit meinen übrigen Arbeiten nicht in Collision kommen. Wenn ich die historische Vorlesung halte, so lasse ich diese selbst darin abdrucken, da ich sie ohnehin Wort für Wort aufschreiben will. Dann ist also schon für die Europa gesorgt; kommt die Vorlesung aber nicht zu Stande, so werde ich ohnehin Zeit genug haben, und will dann mein historisches und politisches Glaubensbekenntniß auf eine andre Art in Prosa daselbst beurkunden. – Was wirst Du mir zur [5] Europa geben? – Soll ich etwa den Aufsatz über das Mittelalter dazu nehmen, den ich noch in Händen habe, oder was kannst Du sonst dazu bestimmen? Ich bitte Dich, daß es viel und bald sei; was Du bestimmt hast, bitte ich Dich, nur direkt an Willmanns nach Frankfurt zu senden, da der Umweg über Wien gar zu groß ist.
Du fragst mich wegen der Aufnahme einiger Deiner ältern Gedichte in die zweite Ausgabe. Dem Verdammungsurtheile über die Ariadne kann ich nicht anders als beistimmen. Den Pygmalion solltest Du verschonen, däucht mich. Die Sonette; An einen Helden und Einzige Sicherheit sind auch meines Erachtens zu verwerfen. In dem Sonett, Die größere Gefahr kann ich für meine Person durchaus keine Zweideutigkeit entdecken. Die ältern Sonette; Dichtersinn, An Bürger, Das Lieblichste, Gesang und Kuß finde ich samt und sonders beizubehalten; denn wenn Dir selbst auch die Form gegenwärtig nicht genügt so ist doch der Gedanke sehr gut und lobenswerth. Das mit Molly und Laura wird durch die Zeit und das Verhältniß hinreichend entschuldigt. Für Kleomenes an Chariton habe ich nichts zur Rettung anzuführen – indessen [6] sehe ich doch auch keinen eigentlichen Grund der Verwerfung ein. – Was das Sonett an mich betrift, so kannst Du das gewiß besser beurtheilen als ich; wenn Du es aber weglassen willst, so solltest Du das an Schelling nur auch weglassen. Ueberhaupt was macht Saul unter den Propheten? Dergleichen Philosophen sind heuer berühmt und in ein paar Jahren weiß kein Mensch mehr von ihnen. In meinen Gedichten lasse ich keine persönliche und litterarische Erwähnung stehn, außer Dich, Tieck und einmal Goethe pp. – Was die Anordnung betrift so billige ich es zwar daß Du die Sonette zusammen nimmst wie die Elegiensden.de/fileadmin/data/APP2712-Bd-8/APP2712-Bd-8_tif/jpegs/00000722.tif.original.jpg. Nicht so will mir dieß mit den Stanzen einleuchten. Ich dächte Du nähmest unter der Ueberschrift vermischte Gedichte, alle mehr didaktischen und nicht sangbaren Gedichte zusammen; dazu auch den Bund der Kirche, und als Fragment selbst den Tristan. Die Lieder aber würde ich mit den Romanzen zusammen nehmen, nehmlich alle Stücke die sangbar und der musikalischen Composition fähig sind. Das gäbe dann in allen nur sechs Bücher.
[7] Ich erwähnte oben meiner Gedichte; es hat sich nämlich gefügt, daß die Sammlung davon schon zu Ostern herauskommt, da Hitzig von Reimer die schon früher verabredete Sammlung meiner ältern Schriften übernommen hat, wovon sie den ersten Theil ausmachen werden. Ich hätte sehr gewünscht, Deinen Rath dabei benutzen zu können; aber das ist freilich bei der weiten Entfernung unmöglich. Ein Theil des Manuscripts ist schon abgesendet. Von den Saturnalien habe ich nichts aufgenommen, und auch von den bisher gedruckten Kunst- und Witzgedichten am meisten verworfen und verändert. – Für die ältern Liebesgedichte aber habe ich durch die Zusammenstellung wieder eine Art Verbindung bekommen, weil ich finde daß ihnen diese sehr günstig ist, und sie gemeinsam viel besser wirken als einzeln.
Hitzig wird Dir ohne Zweifel selbst geschrieben haben, daß er den Calderon von Reimer übernommen hat. Diese Verändrung kann Dir gewiß nicht anders als angenehm sein, da die alte Verdrießlichkeit so endlich einmal beendigt ist. Möchtest Du Dich auch nur dadurch bald zur Fortsetzung ermuntert fühlen! Hitzig hatte mich anfangs gebeten, ihn Dir und auch der Frau von Stael zu empfehlen, da Du nun [8] selbst mit ihm in Verbindung stehst, so wird dieß überflüßig sein. Ich muß Dir indessen noch etwas aus seinem Briefe mittheilen. Es hat ihm jemand eine sehr vortreflich sein sollende Uebersetzung von Richard III und Cymbeline angetragen. Es scheint wohl daß er diesen Verlag anzunehmen einigermassen geneigt wäre; nur fürchtet er die Concurrenz mit Dir und daß es Dir mißfallen möchte. Er hat deshalb auch vermuthlich an mich geschrieben, indem er sich wohl nicht getraut, Dich desfalls anzugehn. Ich habe ihm sogleich geantwortet, daß die Collision allerdings um so mehr Statt haben würde, da Dein Richard III schon vollendet sei und zunächst in der Folge erscheinen würde; übrigens möchte er desfalls doch an Dich selbst schreiben.
Fichte ist sehr krank d. h. dauernd kränklich. Fouqué hat sich schon über das Niebelungenlied hergemacht mit einem dramatischen Sigurd. Diese Leute können doch nichts unangetastet lassen. Von Werners poetischer Anlage, die ich nie geläugnet, will ich auf Dein Wort gern noch eine höhere Meinung hegen als bisher. Seine illuminatische Gesinnung und Verkehrtheit aber ist und bleibt mir ein Greuel.
[9] Der alte Kapellmeister Reichardt ist jetzt hier, und wird Collins Bradamante componiren. Lange hat seine Biographie herausgegeben. Mit der Mad. Hendel ehemaligen Eunike werden wir morgen zusammen speisen. Ob Iffland herkommt ist immer noch ungewiß. – Ins Theater bin ich die letzte Zeit etwas mehr gegangen, wenigstens genug um es zu kennen. Ich konnte dieß um so eher, da die Direction mir für mich und meine Frau freie Entrée gegeben hat. Von Schillers Feyer wirst Du in der Zeitung gelesen haben; der Phädra hast Du hier einen tödtlichen Stoß gegeben. Keiner wagt es recht, sie zu vertheidigen. – Collin ist sehr fleißig; es ist ein trefflicher Mensch.
Best ist vor ungefähr acht Tagen nach München abgegangen. Knorring aber ist noch hier. Hardenberg klagt daß er keine Nachricht von Dir habe; er habe auch Geld von Dir in Händen und wisse aus Mangel an Beauftragung nicht was er damit machen solle. Seckendorf unterhandelt mit Cotta wegen des Prometheus; was es aber auch geben mag, das rechte was Noth wäre, wird es nicht werden. Das sind ja gar nicht die Menschen dazu.
Freund, gieb doch den Heidelbergern wenigstens eine Recension. Sie verdienen es wirklich.
[10] Schinner und Klinger haben fallirt. Meine dermalige Addresse ist daher; bei Johann Bruchmann, Singerstraße N° 951. Doch darfst Du übrigens nicht sorgen, daß was unter jener Addresse etwa noch abgegangen, doch richtig ankommen wird.
Albert sah ich gestern in bestem Wohlsein. Er hatte seit 14 Tagen keine Briefe von Euch. Seit geraumer Zeit hieß es hier allgemein, die Stael gehe nach Amerika. So lange sie dieß nur an die beiden Odonells geschrieben hatte, gab ich nicht viel darauf. Da sie nun aber auch Decarro und Albert dasselbe gemeldet, so bin ich desfalls sehr unruhig und bitte Dich mich desfalls zu berichten und wo möglich zu beruhigen. – Könnten wir uns denn nicht bei Gelegenheit von Alberts Rückkehr wiedersehn. Etwa, daß ich ihn Dir nach München brächte, Du ihn von da abhohltest. Besser wäre es freilich Du kämst ganz her. – Was Deine Büste betrift, so wüßte ich niemand hier, in dessen Zimmer sie so gut stünde, als die Gräfin Wrbna. Ich traf sie neulich bei Artaria; sie war sehr artig gegen mich. Sehe ich sie wieder, so will ich das Gespräch darauf führen.
[11] Ernst wird wohl den ganzen Winter in Pohlen bleiben müssen. Von Hannover weiß ich gar nichts. – Schubert hat eine Stelle in Nürnberg erhalten. Der Todtengräber des bayrischen Wissens, Schlichtegroll war neulich auch hier.
Vale
Friedrich

Ist es wahr, wie in den Zeitungen steht, daß auch Du dem Constant seine Uebersetzung des Wallenstein corrigirt hast? Wenn es wie zu vermuthen, ein schlechtes Machwerk, so ist dieses doch verdrießlich.
[12]
[1] Wien den 7ten Januar 1809.
Geliebter Bruder,
Es ist dießmal schon etwas lange her, daß ich Dir keine Nachricht von mir gegeben. Ich muß Dir aber nur bekennen, daß dieß größtentheils von der Verstimmung herrührt, in welche mich Deine vorletzten Briefe setzten. Du tadelst meine Frau darin sehr heftig, daß sie eine gute Gelegenheit benutzt, hieher zu kommen. Doch hatte sie diesen Schritt nicht anders als auf den vielfachen und bestimmten Rath von Charlotten gethan, deren Stimme doch hiebei sehr viel bei ihr gelten mußte. Wenn Du glaubtest, daß es uns übel hier erginge, wie ich allerdings neben einigen entfernten Hoffnungen schon der Schwierigkeiten genug hier vorgefunden, so solltest Du uns lieber zu ermuntern und Muth einzuflössen suchen, als uns durch fruchtlose Vorwürfe noch mehr niederzuschlagen. Auch der Vorwurf wegen der „Uebersetzerfabrik“ und diesen Ausdruck fand ich ungerecht. Wenn Du den Merlin [2] und den Lother für Uebersetzungen hältst, so darfst Du nur das alte Original einmal zur Hand nehmen und wirst wohl sehen daß dieß nicht der Fall ist. Was die Corinna betrifft, so weißt Du selbst am besten warum ich meinen Nahmen dazu hergegeben. Indessen ist es mir sehr lieb, daß Du mich wegen der Briefe über die Deutsche Litteratur vorläufig benachrichtigst. Wenn sie in einem so üblen Geiste abgefaßt sind – was ich gar nicht erwartete – so werde ich freilich meinen Nahmen nicht zur Uebersetzung hergeben, und schon leicht eine Ursache finden, mich gegen die Stael davon frei zu machen, oder auch ihr die wahre Ursache offenherzig bekennen. Wenn Sie etwa auch von dem, was August aus den philosophischen Vorlesungen notirt hat, einigen Gebrauch machen wollte, so benachrichtige mich in welchem Sinne es geschehen wird, und achte selbst so viel Du kannst darauf, daß es nicht auf eine unrechte Art geschieht.
[3] Bekanntschaften habe ich nun sehr viele gemacht, beinah alle die mir zu meinem Zweck nützlich sein können. Bei dem Erzherzog Johann war ich schon zweimal; auch dem Erzherzog Reiner habʼ ich mein Werk überreicht. Zinzendorf hat mich ausgezeichnet günstig aufgenommen; ich speißte einmal mit dem alten Odonell, dem Minister bei ihm. Auch der Erzbischof, dem ich durch den Nuntius empfohlen war, nahm mich sehr freundlich auf. Zinzendorf sprach lange mit mir über meinen Wunsch eine historische Vorlesung zu halten. Zeiller hat sich besonders dafür interessirt. Spendou, Böhme machen mir die bestimmteste Hoffnung, vieler andrer nicht zu erwähnen. Da nun fast alle, die Einfluß darauf haben, mir einzeln ihr Jawort gegeben, so will ich den Versuch wagen. Es ist nicht nur für die äußre Existenz wünschenswerth, sondern auch der beste Weg, sich schnell grade in diesem Fache zu zeigen und zu empfehlen; besser als es irgend durch ein Werk geschehen kann. – Daß Sickingen fortdauernd sich meiner annimmt und ich ihn über alles um Rath frage, versteht sich; er ist nur in allen Dingen gar zu sehr fürs Aufschieben. – Den Grafen Joh. Odonell seh ich oft und mag ihn sehr [4] gern leiden. Er hat ungemein viel Verstand und ich begreife nicht wie die Stael in seiner Nähe hat an dem Moritz Geschmack finden können. Collin und Hormayr sind fortdauernde Freunde. Dieser Tage wird die Petition übergeben, und man verspricht mir Beschleunigung.
Vorbereitet war ich schon vor mehr als zwei Monaten so gut zu diesen historischen Vorlesungen daß ich seit dieser Zeit mich ausschließend Karl dem Vten gewidmet. Freilich aber haben die Besuche sehr viel Zeit gefressen, und ist der Kampf mit dem Umfang und Reichthum dieser Geschichte nicht leicht zu bestehn gewesen.
Die Fortsetzung der Europa wird auch mit meinen übrigen Arbeiten nicht in Collision kommen. Wenn ich die historische Vorlesung halte, so lasse ich diese selbst darin abdrucken, da ich sie ohnehin Wort für Wort aufschreiben will. Dann ist also schon für die Europa gesorgt; kommt die Vorlesung aber nicht zu Stande, so werde ich ohnehin Zeit genug haben, und will dann mein historisches und politisches Glaubensbekenntniß auf eine andre Art in Prosa daselbst beurkunden. – Was wirst Du mir zur [5] Europa geben? – Soll ich etwa den Aufsatz über das Mittelalter dazu nehmen, den ich noch in Händen habe, oder was kannst Du sonst dazu bestimmen? Ich bitte Dich, daß es viel und bald sei; was Du bestimmt hast, bitte ich Dich, nur direkt an Willmanns nach Frankfurt zu senden, da der Umweg über Wien gar zu groß ist.
Du fragst mich wegen der Aufnahme einiger Deiner ältern Gedichte in die zweite Ausgabe. Dem Verdammungsurtheile über die Ariadne kann ich nicht anders als beistimmen. Den Pygmalion solltest Du verschonen, däucht mich. Die Sonette; An einen Helden und Einzige Sicherheit sind auch meines Erachtens zu verwerfen. In dem Sonett, Die größere Gefahr kann ich für meine Person durchaus keine Zweideutigkeit entdecken. Die ältern Sonette; Dichtersinn, An Bürger, Das Lieblichste, Gesang und Kuß finde ich samt und sonders beizubehalten; denn wenn Dir selbst auch die Form gegenwärtig nicht genügt so ist doch der Gedanke sehr gut und lobenswerth. Das mit Molly und Laura wird durch die Zeit und das Verhältniß hinreichend entschuldigt. Für Kleomenes an Chariton habe ich nichts zur Rettung anzuführen – indessen [6] sehe ich doch auch keinen eigentlichen Grund der Verwerfung ein. – Was das Sonett an mich betrift, so kannst Du das gewiß besser beurtheilen als ich; wenn Du es aber weglassen willst, so solltest Du das an Schelling nur auch weglassen. Ueberhaupt was macht Saul unter den Propheten? Dergleichen Philosophen sind heuer berühmt und in ein paar Jahren weiß kein Mensch mehr von ihnen. In meinen Gedichten lasse ich keine persönliche und litterarische Erwähnung stehn, außer Dich, Tieck und einmal Goethe pp. – Was die Anordnung betrift so billige ich es zwar daß Du die Sonette zusammen nimmst wie die Elegiensden.de/fileadmin/data/APP2712-Bd-8/APP2712-Bd-8_tif/jpegs/00000722.tif.original.jpg. Nicht so will mir dieß mit den Stanzen einleuchten. Ich dächte Du nähmest unter der Ueberschrift vermischte Gedichte, alle mehr didaktischen und nicht sangbaren Gedichte zusammen; dazu auch den Bund der Kirche, und als Fragment selbst den Tristan. Die Lieder aber würde ich mit den Romanzen zusammen nehmen, nehmlich alle Stücke die sangbar und der musikalischen Composition fähig sind. Das gäbe dann in allen nur sechs Bücher.
[7] Ich erwähnte oben meiner Gedichte; es hat sich nämlich gefügt, daß die Sammlung davon schon zu Ostern herauskommt, da Hitzig von Reimer die schon früher verabredete Sammlung meiner ältern Schriften übernommen hat, wovon sie den ersten Theil ausmachen werden. Ich hätte sehr gewünscht, Deinen Rath dabei benutzen zu können; aber das ist freilich bei der weiten Entfernung unmöglich. Ein Theil des Manuscripts ist schon abgesendet. Von den Saturnalien habe ich nichts aufgenommen, und auch von den bisher gedruckten Kunst- und Witzgedichten am meisten verworfen und verändert. – Für die ältern Liebesgedichte aber habe ich durch die Zusammenstellung wieder eine Art Verbindung bekommen, weil ich finde daß ihnen diese sehr günstig ist, und sie gemeinsam viel besser wirken als einzeln.
Hitzig wird Dir ohne Zweifel selbst geschrieben haben, daß er den Calderon von Reimer übernommen hat. Diese Verändrung kann Dir gewiß nicht anders als angenehm sein, da die alte Verdrießlichkeit so endlich einmal beendigt ist. Möchtest Du Dich auch nur dadurch bald zur Fortsetzung ermuntert fühlen! Hitzig hatte mich anfangs gebeten, ihn Dir und auch der Frau von Stael zu empfehlen, da Du nun [8] selbst mit ihm in Verbindung stehst, so wird dieß überflüßig sein. Ich muß Dir indessen noch etwas aus seinem Briefe mittheilen. Es hat ihm jemand eine sehr vortreflich sein sollende Uebersetzung von Richard III und Cymbeline angetragen. Es scheint wohl daß er diesen Verlag anzunehmen einigermassen geneigt wäre; nur fürchtet er die Concurrenz mit Dir und daß es Dir mißfallen möchte. Er hat deshalb auch vermuthlich an mich geschrieben, indem er sich wohl nicht getraut, Dich desfalls anzugehn. Ich habe ihm sogleich geantwortet, daß die Collision allerdings um so mehr Statt haben würde, da Dein Richard III schon vollendet sei und zunächst in der Folge erscheinen würde; übrigens möchte er desfalls doch an Dich selbst schreiben.
Fichte ist sehr krank d. h. dauernd kränklich. Fouqué hat sich schon über das Niebelungenlied hergemacht mit einem dramatischen Sigurd. Diese Leute können doch nichts unangetastet lassen. Von Werners poetischer Anlage, die ich nie geläugnet, will ich auf Dein Wort gern noch eine höhere Meinung hegen als bisher. Seine illuminatische Gesinnung und Verkehrtheit aber ist und bleibt mir ein Greuel.
[9] Der alte Kapellmeister Reichardt ist jetzt hier, und wird Collins Bradamante componiren. Lange hat seine Biographie herausgegeben. Mit der Mad. Hendel ehemaligen Eunike werden wir morgen zusammen speisen. Ob Iffland herkommt ist immer noch ungewiß. – Ins Theater bin ich die letzte Zeit etwas mehr gegangen, wenigstens genug um es zu kennen. Ich konnte dieß um so eher, da die Direction mir für mich und meine Frau freie Entrée gegeben hat. Von Schillers Feyer wirst Du in der Zeitung gelesen haben; der Phädra hast Du hier einen tödtlichen Stoß gegeben. Keiner wagt es recht, sie zu vertheidigen. – Collin ist sehr fleißig; es ist ein trefflicher Mensch.
Best ist vor ungefähr acht Tagen nach München abgegangen. Knorring aber ist noch hier. Hardenberg klagt daß er keine Nachricht von Dir habe; er habe auch Geld von Dir in Händen und wisse aus Mangel an Beauftragung nicht was er damit machen solle. Seckendorf unterhandelt mit Cotta wegen des Prometheus; was es aber auch geben mag, das rechte was Noth wäre, wird es nicht werden. Das sind ja gar nicht die Menschen dazu.
Freund, gieb doch den Heidelbergern wenigstens eine Recension. Sie verdienen es wirklich.
[10] Schinner und Klinger haben fallirt. Meine dermalige Addresse ist daher; bei Johann Bruchmann, Singerstraße N° 951. Doch darfst Du übrigens nicht sorgen, daß was unter jener Addresse etwa noch abgegangen, doch richtig ankommen wird.
Albert sah ich gestern in bestem Wohlsein. Er hatte seit 14 Tagen keine Briefe von Euch. Seit geraumer Zeit hieß es hier allgemein, die Stael gehe nach Amerika. So lange sie dieß nur an die beiden Odonells geschrieben hatte, gab ich nicht viel darauf. Da sie nun aber auch Decarro und Albert dasselbe gemeldet, so bin ich desfalls sehr unruhig und bitte Dich mich desfalls zu berichten und wo möglich zu beruhigen. – Könnten wir uns denn nicht bei Gelegenheit von Alberts Rückkehr wiedersehn. Etwa, daß ich ihn Dir nach München brächte, Du ihn von da abhohltest. Besser wäre es freilich Du kämst ganz her. – Was Deine Büste betrift, so wüßte ich niemand hier, in dessen Zimmer sie so gut stünde, als die Gräfin Wrbna. Ich traf sie neulich bei Artaria; sie war sehr artig gegen mich. Sehe ich sie wieder, so will ich das Gespräch darauf führen.
[11] Ernst wird wohl den ganzen Winter in Pohlen bleiben müssen. Von Hannover weiß ich gar nichts. – Schubert hat eine Stelle in Nürnberg erhalten. Der Todtengräber des bayrischen Wissens, Schlichtegroll war neulich auch hier.
Vale
Friedrich

Ist es wahr, wie in den Zeitungen steht, daß auch Du dem Constant seine Uebersetzung des Wallenstein corrigirt hast? Wenn es wie zu vermuthen, ein schlechtes Machwerk, so ist dieses doch verdrießlich.
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