• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Frankfurt am Main · Place of Destination: Paris · Date: 15.07.1817
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Frankfurt am Main
  • Place of Destination: Paris
  • Date: 15.07.1817
  • Notations: Empfangsort erschlossen. – Datum nach der Handschrift korrigiert.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 29. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Vom Wiener Kongress zum Frankfurter Bundestag (10. September 1814 ‒ 31. Oktober 1818). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Jean-Jacques Anstett unter Mitarbeit von Ursula Behler. Paderborn 1980, S. 343‒344.
  • Weitere Drucke: Friedrich Schlegels Briefe an seinen Bruder August Wilhelm. Hg. v. Oskar Walzel. Berlin 1890, S. 568‒569.
  • Incipit: „[1] Frankfurt, den 15ten July 1817.
    Geliebter Bruder!
    Wenn Du die mindeste Vorstellung hättest von dem Tumult von Geschäften, Sorgen, Zerstreuungen und unendlichen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.204
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,9 x 12,6 cm
    Language
  • German
[1] Frankfurt, den 15ten July 1817.
Geliebter Bruder!
Wenn Du die mindeste Vorstellung hättest von dem Tumult von Geschäften, Sorgen, Zerstreuungen und unendlichen Lappalien, die mich nur selten zum wahren Arbeiten, noch viel seltner zum Schreiben an Freunde kommen laßen; so würde ich gewiß gar keiner weitern Entschuldigung bey Dir bedürfen, daß ich mir es wohl zwanzigmal vorgenommen, an Dich zu schreiben, ehe es nun wirklich geschieht.
Die beyden Bücher, Wilkins und Hitop.[adesa] habe ich allerdings gleich richtig erhalten, und danke nochmals sehr dafür. Kannst Du etwa noch den Ramayan für mich kaufen, wenn auch nur einen einzelnen Theil, so bitte ich Dich sehr darum; Du würdest mich sehr dadurch erfreuen, da dergleichen Besitzthümer doch der beste Trost <im Wirrwar wie in der Einöde> sind; die Auslagen sollen gleich ersetzt werden. [2] Melde mir doch wenigstens den Nahmen des <oder der> Pariser Buchhändlers, wo solche Werke in Paris am ersten zu finden sind; Du würdest mich sehr dadurch verpflichten. –
Der Graf Boulgaris, dem Du meine Addresse gegeben, hat mir sehr wohlgefallen; und wir haben einige recht angenehme Stunden zusammen zugebracht. Er ist fein und geistreich. Die Nachrichten, die er mir von dem Befinden der Fr.[au] v. Staël gab, waren noch ziemlich leidlich. Ungleich schlechter sind die, welche ich von Alex.[ander] Hamilton, meinem alten Samskrit-Freund vernahm, der dieser Tage hier durchkam; freylich waren seine Nachrichten nur vom Hörensagen, er hat eben wegen dessen, was er darüber gehört, gar nicht geglaubt, Deine Bekanntschaft machen zu können, was er sonst sehr gewünscht hätte, obschon er an 4 Wochen in Paris war; doch das wirst Du wohl von Bopp gehört haben, den er öfter sah und mit dem er sehr zufrieden war. Er [3] war übrigens sehr freundschaftlich und ganz der alte treue Engländer oder Indianer.
– Ich bitte Dich nun recht dringend um baldige und ausführliche Nachricht von Dir und von der St.[aël] an die ich ein Paar Zeilen beylege und sie ihr zu übergeben bitte. – Kürzlich hat Schütz ein paar Tage hier bey mir zugebracht, die mir sehr interessant waren; er lebt jetzt ganz in der Politik und Staatsökonomie, hat aber die immer gleiche Empfänglichkeit für alles Große und Schöne. – Tieck ist mit Burgsdorf nach England und auf dem Wege dahin über Coblenz gegangen; den Rückweg wollen sie über Paris nehmen, Du wirst ihn also wahrscheinlich bald dorten wiedersehen.
Unser Minister, der Graf Buol wird in den Ferien nach Paris gehn; triffst Du ihn etwa in einer der großen Gesellschaften, so versäume doch nicht, ihm vom meinetwegen [4] als meinem Chef, einige Aufmerksamkeit und Cerimonien zu erzeigen. In Hinsicht auf diese hat er recht angenehme Formen, auch mancherley Erfahrung, obwohl er sonst noch eins und das andre seyn könnte, was er wenigstens bis dato nicht ist. –
Meine Frau ist seit gestern in Wießbaden; sie litt den Winter über sehr an Gichtschmerzen in der ganzen linken Seite, und so ward die Cur nothwendig befunden. Ich werde auch in ein paar Tagen hingehen; die Addresse bleibt indessen unverändert hier im Taxischen Palais. Diese Ferien will ich mich nun vollends durch die Politik durcharbeiten, ich meyne was davon für den Druck bestimmt <ist>. Bin ich das einmal los, hab ich mein Ey gelegt, so kann ich dann auch poetisch oder philosophisch die Flügel wieder <regen>; denn schwer lag mir jener politische Klumpen auf dem Herzen. Laß mich ja nicht lang auf Antwort warten.
Dein getreuer Friedrich.
[1] Frankfurt, den 15ten July 1817.
Geliebter Bruder!
Wenn Du die mindeste Vorstellung hättest von dem Tumult von Geschäften, Sorgen, Zerstreuungen und unendlichen Lappalien, die mich nur selten zum wahren Arbeiten, noch viel seltner zum Schreiben an Freunde kommen laßen; so würde ich gewiß gar keiner weitern Entschuldigung bey Dir bedürfen, daß ich mir es wohl zwanzigmal vorgenommen, an Dich zu schreiben, ehe es nun wirklich geschieht.
Die beyden Bücher, Wilkins und Hitop.[adesa] habe ich allerdings gleich richtig erhalten, und danke nochmals sehr dafür. Kannst Du etwa noch den Ramayan für mich kaufen, wenn auch nur einen einzelnen Theil, so bitte ich Dich sehr darum; Du würdest mich sehr dadurch erfreuen, da dergleichen Besitzthümer doch der beste Trost <im Wirrwar wie in der Einöde> sind; die Auslagen sollen gleich ersetzt werden. [2] Melde mir doch wenigstens den Nahmen des <oder der> Pariser Buchhändlers, wo solche Werke in Paris am ersten zu finden sind; Du würdest mich sehr dadurch verpflichten. –
Der Graf Boulgaris, dem Du meine Addresse gegeben, hat mir sehr wohlgefallen; und wir haben einige recht angenehme Stunden zusammen zugebracht. Er ist fein und geistreich. Die Nachrichten, die er mir von dem Befinden der Fr.[au] v. Staël gab, waren noch ziemlich leidlich. Ungleich schlechter sind die, welche ich von Alex.[ander] Hamilton, meinem alten Samskrit-Freund vernahm, der dieser Tage hier durchkam; freylich waren seine Nachrichten nur vom Hörensagen, er hat eben wegen dessen, was er darüber gehört, gar nicht geglaubt, Deine Bekanntschaft machen zu können, was er sonst sehr gewünscht hätte, obschon er an 4 Wochen in Paris war; doch das wirst Du wohl von Bopp gehört haben, den er öfter sah und mit dem er sehr zufrieden war. Er [3] war übrigens sehr freundschaftlich und ganz der alte treue Engländer oder Indianer.
– Ich bitte Dich nun recht dringend um baldige und ausführliche Nachricht von Dir und von der St.[aël] an die ich ein Paar Zeilen beylege und sie ihr zu übergeben bitte. – Kürzlich hat Schütz ein paar Tage hier bey mir zugebracht, die mir sehr interessant waren; er lebt jetzt ganz in der Politik und Staatsökonomie, hat aber die immer gleiche Empfänglichkeit für alles Große und Schöne. – Tieck ist mit Burgsdorf nach England und auf dem Wege dahin über Coblenz gegangen; den Rückweg wollen sie über Paris nehmen, Du wirst ihn also wahrscheinlich bald dorten wiedersehen.
Unser Minister, der Graf Buol wird in den Ferien nach Paris gehn; triffst Du ihn etwa in einer der großen Gesellschaften, so versäume doch nicht, ihm vom meinetwegen [4] als meinem Chef, einige Aufmerksamkeit und Cerimonien zu erzeigen. In Hinsicht auf diese hat er recht angenehme Formen, auch mancherley Erfahrung, obwohl er sonst noch eins und das andre seyn könnte, was er wenigstens bis dato nicht ist. –
Meine Frau ist seit gestern in Wießbaden; sie litt den Winter über sehr an Gichtschmerzen in der ganzen linken Seite, und so ward die Cur nothwendig befunden. Ich werde auch in ein paar Tagen hingehen; die Addresse bleibt indessen unverändert hier im Taxischen Palais. Diese Ferien will ich mich nun vollends durch die Politik durcharbeiten, ich meyne was davon für den Druck bestimmt <ist>. Bin ich das einmal los, hab ich mein Ey gelegt, so kann ich dann auch poetisch oder philosophisch die Flügel wieder <regen>; denn schwer lag mir jener politische Klumpen auf dem Herzen. Laß mich ja nicht lang auf Antwort warten.
Dein getreuer Friedrich.
×
×