• Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: München · Place of Destination: Coppet · Date: 02.05.1809
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: München
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 02.05.1809
  • Notations: Die gestrichelte Linie in der Mitte des Briefes steht für Textverlust (vgl. Krisenjahre, Bd. 3, S. 402). Empfangsort erschlossen,
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 35‒37.
  • Incipit: „[1] M.[ünchen] 2 May [18]09
    Schon lange, theuerster Freund, mache ich mir die lebhaftesten Vorwürfe über mein langes Stillschweigen. Ich weiß nicht, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,24,6
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 22,7 x 18,4 cm
    Language
  • German
[1] M.[ünchen] 2 May [18]09
Schon lange, theuerster Freund, mache ich mir die lebhaftesten Vorwürfe über mein langes Stillschweigen. Ich weiß nicht, wie erst durch eine literarische Arbeit verhindert mein Schreiben endlich von Tag zu Tag weiter hinausgeschoben worden ist, bis zulezt auch die Sperre aller Posten und Wege und so manche Unruhe hinzukam, die nicht zum Schreiben gelangen ließ. Besonders ficht mich an, die Zeilen der Fr.[au] v. Staël zugleich so lange unbeantwortet gelassen zu haben. Ich lege diesem Brief eine kleine Antwort bei; haben Sie die Freundschaft mich zu entschuldigen so gut es gehn will und kann. –
Daß Fr. Tieck glücklich hier angekommen ist wissen Sie schon. Es war nicht gut, daß er eben in den ersten Tagen des Kriegs ankam. Sechs Wochen früher hätte er wohl gleich mehrere Bestellungen erhalten. Jezt sind ihm 3. Büsten aufgetragen und was die meinige betrifft, ein Abguß davon bestellt, weil er sie ohnehin mache. Es wäre mir äußerst leid, wenn ich glauben könnte dazu eine Veranlassung gegeben zu haben. Der Kronprinz schickte ganz unerwartet einen hiesigen sehr mittelmäßigen Bildhauer zu mir, meine Büste zu machen. Da ich durch Sie schon wußte, daß Tieck sie zu machen wünsche, so war mir dieß ein sehr angenehmer Vorwand, jenen andern mir zu verbitten. Daß es aber diese Wendung genommen kann ich mir nur erklären entweder aus einer jetzt für nöthig gehaltnen [2] Sparsamkeit, oder der Influenz irgend einer rancune oder daß der Prinz dadurch sein Wort gegen den andern Bildhauer retten will. Daß es mir sehr schmeichelhaft ist, meine Büste von Tieck gemacht zu sehen und daß er selbst den Wunsch dazu geäußert, können Sie leicht denken. Nur im ersten Augenblick setztʼ er mich in die Verlegenheit, daß es von meiner Seite als eine Spekulation auf das Pantheon des Kronprinzen angesehen werden konnte, wovon ich so sehr entfernt bin, als möglich. Mehrere hiesige Gelehrte unter andern unser theurer Präsident haben diese Spekulation ohne Erfolg gemacht; mir konnte nicht von ferne einfallen, an diese Ehre Anspruch zu machen. Tieck hat nun schon einige Tage an meinem Kopf modellirt; der Himmel mag wissen, wie er sich ausnimmt, der ihn doch gar nicht geschaffen hat, um als Büste dargestellt zu werden. Ich versichere Ihnen, daß ich Tieck wieder sehr lieb gewonnen habe. Sie thun mir wirklich Unrecht, wenn Sie glauben, daß meine Äußerung über ihn sich auf frühere Mißverhältnisse mit ihm bezogen habe. Ich war nie in dergleichen mit ihm; auch führte ich jene Meynung nur an als die fast allgemeine der anderen Künstler von ihm; und bin überzeugt, daß die Umgebung daran mehr Schuld hat als er selbst. Wir haben – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
[3] Baaderʼn haben Sie mit Übersendung der nachgelassenen Schriften von St. Martin ein großes Vergnügen gemacht. Er wird Ihnen bereits dafür gedankt haben oder doch nächstens danken. Es wird Sie freuen zu hören, daß diese Messe eine Sammlung seiner früheren und neueren Abhandlungen erscheint. –
Ich weiß nicht genau, bis zu welchem Hefte Sie die Jahrbücher haben. Sobald ich dieß weiß, ergänze ich das Fehlende. Wünschen Sie dieses Journal zu erhalten, an dem ich leider selbst wenig thun kann und das nur in den lezten Heften durch die 2. kurzen aber gehaltvollen Abhandlungen Baaders so wie durch einen Aufsatz von Steffens einen bedeutenden Werth erlangt hat, so lasse ich Ihnen jedes Heft unmittelbar durch Cotta schicken. Die Sammlung meiner Schriften erhalten Sie ungesäumt und mit ehster Gelegenheit.
Zum voraus freue ich mich außerordentlich theils auf Ihre Vorlesungen, die Sie mir versprochen, theils auf den neuen Band des Calderone. Es ist herrlich, daß Sie diesen nicht aufgeben. Neuerdings hat sich auch ein Abraham Voß gefunden, der ein Stück aus Shakespeares Cymbeline verübersetzt hat. Der Alte scheint nichts wie Übersetzer ausgeheckt zu haben.
Von den Wunder- oder nordischen Thranlampen sind wir hier bis jetzt verschont worden. Man sollte nicht so schonend umgehen mit dergleichen Gesellen, und diese Fremdlinge, die uns ihr schwaches Nordlicht als Sonne ankünden, vom deutschen Boden verjagen. Daß sie den Dänen dergleichen anbieten ist ganz billig; daß sie aber auch uns Deutschen ein Geschenk damit zu machen oder gar unsre Bewunderung zu erregen glauben, ist ganz unausstehlich.
Dem HE. v. Aretin habe ich wörtlich ausgerichtet was Sie mir aufgetragen. Er versprach damals Ihnen ungesäumt den Stos der Dürerschen Handzeichnungen [4] zu überschicken, und ließ sich auch nachher einmal Ihre Addresse ausbitten, muß aber doch versäumt oder vergessen haben, es zu thun. Sobald ich ihn zu sehen bekomme, (er ist jezt sehr oft abwesend) werde ich ihn erinnern.
Der Valstein français muß in Deutschland fast unbillig beurtheilt werden; doch hierüber werde ich in dem Blatt an Fr. v. Staël unsre hiesigen Gedanken erzählen.
Bei dem Anfang des neuen Kriegs sind wir hier besonders glücklich hinweggekommen. Die Generale und Mannschaft, die hier einrückten ließen keinen Zweifel über den Ausgang der Sache. Die Offiziere sind ein wahres Gesindel; ich bin überzeugt daß sie nicht besser wünschten, als gefangen zu werden. Wenigstens lagen sie hier 3. Tage ohne die geringste Nachricht von der Hauptarmee zu erhalten oder sich zu verschaffen, und ohne sich aus der Stelle zu rühren, da die Hauptarmee ihrer Hülfe gar sehr bedurft hätte. Wir können es hier in der Nähe sehr gut beurtheilen, und Sie können sich darauf verlassen, daß die östreichische Niederlage vollkommen und fast beispiellos ist. Unser Kronprinz hat die größten Proben von Tapferkeit und Entschlossenheit gegeben. – Zuerst die HamburgerZeitung dann auch der Moniteur haben verbreitet, Ihr HE. Bruder sey als Schriftsteller bei der Armee des Erzh.[erzog] Karls und haben ihn neben den Genz und Stein genannt. Ich habe, davon indignirt, es überall widersprochen, und bin überzeugt daß die Nachricht auf einem Mißverständniß beruht. Ihr HE. Bruder würde nicht übel thun, wenn er, sobald die Zeit dazu ist, dergleichen Nachrichten öffentlich widerspräche.
Leben Sie recht wohl, hochgeschäzter Freund; ich glaube Ihnen sehr viel geschrieben zu haben. Lassen Sie mich doch auch bald wieder etwas von Ihrer Hand erblicken. Wir grüßen Sie bestens. Von ganzem Herzen
Der Ihrige
Schelling.
[1] M.[ünchen] 2 May [18]09
Schon lange, theuerster Freund, mache ich mir die lebhaftesten Vorwürfe über mein langes Stillschweigen. Ich weiß nicht, wie erst durch eine literarische Arbeit verhindert mein Schreiben endlich von Tag zu Tag weiter hinausgeschoben worden ist, bis zulezt auch die Sperre aller Posten und Wege und so manche Unruhe hinzukam, die nicht zum Schreiben gelangen ließ. Besonders ficht mich an, die Zeilen der Fr.[au] v. Staël zugleich so lange unbeantwortet gelassen zu haben. Ich lege diesem Brief eine kleine Antwort bei; haben Sie die Freundschaft mich zu entschuldigen so gut es gehn will und kann. –
Daß Fr. Tieck glücklich hier angekommen ist wissen Sie schon. Es war nicht gut, daß er eben in den ersten Tagen des Kriegs ankam. Sechs Wochen früher hätte er wohl gleich mehrere Bestellungen erhalten. Jezt sind ihm 3. Büsten aufgetragen und was die meinige betrifft, ein Abguß davon bestellt, weil er sie ohnehin mache. Es wäre mir äußerst leid, wenn ich glauben könnte dazu eine Veranlassung gegeben zu haben. Der Kronprinz schickte ganz unerwartet einen hiesigen sehr mittelmäßigen Bildhauer zu mir, meine Büste zu machen. Da ich durch Sie schon wußte, daß Tieck sie zu machen wünsche, so war mir dieß ein sehr angenehmer Vorwand, jenen andern mir zu verbitten. Daß es aber diese Wendung genommen kann ich mir nur erklären entweder aus einer jetzt für nöthig gehaltnen [2] Sparsamkeit, oder der Influenz irgend einer rancune oder daß der Prinz dadurch sein Wort gegen den andern Bildhauer retten will. Daß es mir sehr schmeichelhaft ist, meine Büste von Tieck gemacht zu sehen und daß er selbst den Wunsch dazu geäußert, können Sie leicht denken. Nur im ersten Augenblick setztʼ er mich in die Verlegenheit, daß es von meiner Seite als eine Spekulation auf das Pantheon des Kronprinzen angesehen werden konnte, wovon ich so sehr entfernt bin, als möglich. Mehrere hiesige Gelehrte unter andern unser theurer Präsident haben diese Spekulation ohne Erfolg gemacht; mir konnte nicht von ferne einfallen, an diese Ehre Anspruch zu machen. Tieck hat nun schon einige Tage an meinem Kopf modellirt; der Himmel mag wissen, wie er sich ausnimmt, der ihn doch gar nicht geschaffen hat, um als Büste dargestellt zu werden. Ich versichere Ihnen, daß ich Tieck wieder sehr lieb gewonnen habe. Sie thun mir wirklich Unrecht, wenn Sie glauben, daß meine Äußerung über ihn sich auf frühere Mißverhältnisse mit ihm bezogen habe. Ich war nie in dergleichen mit ihm; auch führte ich jene Meynung nur an als die fast allgemeine der anderen Künstler von ihm; und bin überzeugt, daß die Umgebung daran mehr Schuld hat als er selbst. Wir haben – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
[3] Baaderʼn haben Sie mit Übersendung der nachgelassenen Schriften von St. Martin ein großes Vergnügen gemacht. Er wird Ihnen bereits dafür gedankt haben oder doch nächstens danken. Es wird Sie freuen zu hören, daß diese Messe eine Sammlung seiner früheren und neueren Abhandlungen erscheint. –
Ich weiß nicht genau, bis zu welchem Hefte Sie die Jahrbücher haben. Sobald ich dieß weiß, ergänze ich das Fehlende. Wünschen Sie dieses Journal zu erhalten, an dem ich leider selbst wenig thun kann und das nur in den lezten Heften durch die 2. kurzen aber gehaltvollen Abhandlungen Baaders so wie durch einen Aufsatz von Steffens einen bedeutenden Werth erlangt hat, so lasse ich Ihnen jedes Heft unmittelbar durch Cotta schicken. Die Sammlung meiner Schriften erhalten Sie ungesäumt und mit ehster Gelegenheit.
Zum voraus freue ich mich außerordentlich theils auf Ihre Vorlesungen, die Sie mir versprochen, theils auf den neuen Band des Calderone. Es ist herrlich, daß Sie diesen nicht aufgeben. Neuerdings hat sich auch ein Abraham Voß gefunden, der ein Stück aus Shakespeares Cymbeline verübersetzt hat. Der Alte scheint nichts wie Übersetzer ausgeheckt zu haben.
Von den Wunder- oder nordischen Thranlampen sind wir hier bis jetzt verschont worden. Man sollte nicht so schonend umgehen mit dergleichen Gesellen, und diese Fremdlinge, die uns ihr schwaches Nordlicht als Sonne ankünden, vom deutschen Boden verjagen. Daß sie den Dänen dergleichen anbieten ist ganz billig; daß sie aber auch uns Deutschen ein Geschenk damit zu machen oder gar unsre Bewunderung zu erregen glauben, ist ganz unausstehlich.
Dem HE. v. Aretin habe ich wörtlich ausgerichtet was Sie mir aufgetragen. Er versprach damals Ihnen ungesäumt den Stos der Dürerschen Handzeichnungen [4] zu überschicken, und ließ sich auch nachher einmal Ihre Addresse ausbitten, muß aber doch versäumt oder vergessen haben, es zu thun. Sobald ich ihn zu sehen bekomme, (er ist jezt sehr oft abwesend) werde ich ihn erinnern.
Der Valstein français muß in Deutschland fast unbillig beurtheilt werden; doch hierüber werde ich in dem Blatt an Fr. v. Staël unsre hiesigen Gedanken erzählen.
Bei dem Anfang des neuen Kriegs sind wir hier besonders glücklich hinweggekommen. Die Generale und Mannschaft, die hier einrückten ließen keinen Zweifel über den Ausgang der Sache. Die Offiziere sind ein wahres Gesindel; ich bin überzeugt daß sie nicht besser wünschten, als gefangen zu werden. Wenigstens lagen sie hier 3. Tage ohne die geringste Nachricht von der Hauptarmee zu erhalten oder sich zu verschaffen, und ohne sich aus der Stelle zu rühren, da die Hauptarmee ihrer Hülfe gar sehr bedurft hätte. Wir können es hier in der Nähe sehr gut beurtheilen, und Sie können sich darauf verlassen, daß die östreichische Niederlage vollkommen und fast beispiellos ist. Unser Kronprinz hat die größten Proben von Tapferkeit und Entschlossenheit gegeben. – Zuerst die HamburgerZeitung dann auch der Moniteur haben verbreitet, Ihr HE. Bruder sey als Schriftsteller bei der Armee des Erzh.[erzog] Karls und haben ihn neben den Genz und Stein genannt. Ich habe, davon indignirt, es überall widersprochen, und bin überzeugt daß die Nachricht auf einem Mißverständniß beruht. Ihr HE. Bruder würde nicht übel thun, wenn er, sobald die Zeit dazu ist, dergleichen Nachrichten öffentlich widerspräche.
Leben Sie recht wohl, hochgeschäzter Freund; ich glaube Ihnen sehr viel geschrieben zu haben. Lassen Sie mich doch auch bald wieder etwas von Ihrer Hand erblicken. Wir grüßen Sie bestens. Von ganzem Herzen
Der Ihrige
Schelling.
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