• Johann Friedrich August Tischbein , Sophie Tischbein to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Weimar · Place of Destination: Unknown · Date: [Herbst 1795]
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Johann Friedrich August Tischbein, Sophie Tischbein
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Weimar
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: [Herbst 1795]
  • Notations: Datum erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Fiebiger, Otto: Briefe an August Wilhelm Schlegel. In: Die Grenzboten 76 (1917), H. 3, S. 308‒309.
  • Incipit: „[1] Weymar! [Herbst 1795]
    Daß ich Ihren freundschaftlichen Brief noch hier erhalten würde, das lieber Freund ahndete Ihnen wohl nicht, noch [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-36910
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.27,Nr.8
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23,1 x 18,9 cm
    Language
  • German
[1] Weymar! [Herbst 1795]
Daß ich Ihren freundschaftlichen Brief noch hier erhalten würde, das lieber Freund ahndete Ihnen wohl nicht, noch viel weniger aber, daß ihn mir hier meine gewöhnliche Vorleserin, vorbuchstabieren würde. Und doch ist dem so. Seit acht Tagen ist sie hier bey mir, und mit ihr meine beyden Erben. Ich habe hier mehr Beschäftigung gefunden als ich vermuthet hätte; ich sahe vorauß daß ich den Winter noch hier zubringen würde, fürchtete mich vor den langen Abenden, winkte und sie kam. Mit gemeinschaftlichem Vergnügen haben wir also Ihre lieben Briefe gelesen, und uns Ihres Andenkens erfreuet. Also auch Sie haben den Weltumkehrenden Franken Platz gemacht. Daß Sie aber gerade Braunschweig und nicht Weymar zu Ihrem künftigen Aufenthalt gewählt haben, thut uns leyd. Wie schön wäre es gewesen wenn wir uns hier wieder zusammen gefunden hätten. Wie oft und wie gerne würden wir uns dann, von ferne der Freyheit und Gleichheit lüsternen Bataven errinnert haben. [2] Doch eben fällt mir ein, Sie sagen in Ihrem Brief, daß Sie vielleicht noch diesen Winter, Herbst, wollte ich sagen, durch Weymar kommen dürften. Versuchen Sie es, und bleiben dann hängen wie ich.
Das wäre schön, recht schön. Hier muß sich gut dichten. Sie wissen ja daß die Herder, die Wielands, Göthe usw. Ihre Gesänge bloß den Nachtigallen an den schattigen Ufern der Ilme zu danken haben. So viel ist wenigstens gewiß, daß ich deren nirgends so viel belauscht habe, als in dem hiesigen ungemein schönen Park.
Herders und Wielands Bekandschaft habe ich bereits näher gemacht, und werde mich derselben immer mit Vergnügen errinnern. In Göthen habe ich bißher nur noch den Minister, nicht aber den feurigen, kraftvollen Schriftsteller gesehen. Hierüber zu einer andern Zeit nähere Erklärung. Die Porträte der beyden ersten, werden Sie gleich beym [3] Eintrit in mein Arbeitszimmer erblicken. Außer diesen habe ich noch die Bekandschaft eines vortreflichen Mannes gemacht ‒ die des hiesigen Ober-Consistorial-Raths Böttiger. Es ist der nehmliche Frembde, dessen Sie in Ihrem Brief gedenken, und von dem man Ihnen gewiß viel gutes gesagt hat. Nu scheid ik er vit voor van Avond myn Heer, want mevr(ouw) heefd reeds voor de tweede Keer de Vrypostigheid gebruikt, van naa de Penn te grapsen, om dat zy meent, dat har Beurt er nu ok was.
Frau Sophie, die den Freund auch gern wiederzusehen wünschte, unterstützte die Bitte ihres Mannes, indem sie fortfahrend ihm ihr Glück, jetzt in Weimar sein zu dürfen, vor Augen stellte:
Wie doch das Schicksal so manchen Menschen so wunderbar herumführt. Vor einem Jahr war ich noch in Amsterdam, gewiß überzeugt dort meine Lebenszeit zubringen zu müßen, dann vor 6 Wochen noch in Mengeringhausen, in der Meinung dort einen traurigen Winter verleben zu müßen und nun in Weimar. Sonderbar genung, aber doch schön; ich bin dießmal mit dem Streich des Schicksals wohl zufrieden, denn ich glaube es wird [4] mir hier gefallen und es wird mir leicht werden Amsterdam zu vergeßen. Dieß werthester Freund dachten wier doch vergangenen Herbst nicht; wie oft klagten wier damals und wahren unwillig das uns unser Unstern nach Holland geführt hatte. Gottlob wier sind dem Frosch-Land entflohen und die Rückkehr dort hin wird von unserer Seite gewiß nicht so bald geschehen und Sie glaube ich, werden sich nie wieder dort sehen lassen. Es freut mich zu hören das es keine Unmöglichkeit ist Sie hier in Weimar zu sehen. Da wollen wier uns noch einmal recht lustig über die Holländer machen. Sie müßen aber noch diesen Herbst oder wärend dem Winter kommen. Denn im Früjahr mögten wier wohl nicht mehr hier sein. Sie finden ja hier Ihren Abgott Herrn Göte; ich habe ihn noch nicht gesehen, würde es aber dennoch nicht unternämen (wenn ich ihn auch känte) Ihnen eine Beschreibung von ihm zu machen; denn wer kan einen Gott beschreiben. ‒ Ich kan überhaubt noch nicht viel von Weimar erzälen, denn ich bin erst seid 8 Tagen hier; ich behalte mir dieß vor. Doch wäre es schöner wenn Sie mir diese Müh ersparten, und selbst her kämen. Ti[schbein] ist hier ausserordentlich vergnügt auch recht wohl; er sitzt in diesem Augenblick neben mir und lehrt die Kinder rechnen; wie sich dabei schreiben läst können Sie leicht denken; ich will nun aufhören. Schreiben Sie uns bald wieder und leben Sie recht wohl
Ihre Freundin S[ophie] Tischbein.
[1] Weymar! [Herbst 1795]
Daß ich Ihren freundschaftlichen Brief noch hier erhalten würde, das lieber Freund ahndete Ihnen wohl nicht, noch viel weniger aber, daß ihn mir hier meine gewöhnliche Vorleserin, vorbuchstabieren würde. Und doch ist dem so. Seit acht Tagen ist sie hier bey mir, und mit ihr meine beyden Erben. Ich habe hier mehr Beschäftigung gefunden als ich vermuthet hätte; ich sahe vorauß daß ich den Winter noch hier zubringen würde, fürchtete mich vor den langen Abenden, winkte und sie kam. Mit gemeinschaftlichem Vergnügen haben wir also Ihre lieben Briefe gelesen, und uns Ihres Andenkens erfreuet. Also auch Sie haben den Weltumkehrenden Franken Platz gemacht. Daß Sie aber gerade Braunschweig und nicht Weymar zu Ihrem künftigen Aufenthalt gewählt haben, thut uns leyd. Wie schön wäre es gewesen wenn wir uns hier wieder zusammen gefunden hätten. Wie oft und wie gerne würden wir uns dann, von ferne der Freyheit und Gleichheit lüsternen Bataven errinnert haben. [2] Doch eben fällt mir ein, Sie sagen in Ihrem Brief, daß Sie vielleicht noch diesen Winter, Herbst, wollte ich sagen, durch Weymar kommen dürften. Versuchen Sie es, und bleiben dann hängen wie ich.
Das wäre schön, recht schön. Hier muß sich gut dichten. Sie wissen ja daß die Herder, die Wielands, Göthe usw. Ihre Gesänge bloß den Nachtigallen an den schattigen Ufern der Ilme zu danken haben. So viel ist wenigstens gewiß, daß ich deren nirgends so viel belauscht habe, als in dem hiesigen ungemein schönen Park.
Herders und Wielands Bekandschaft habe ich bereits näher gemacht, und werde mich derselben immer mit Vergnügen errinnern. In Göthen habe ich bißher nur noch den Minister, nicht aber den feurigen, kraftvollen Schriftsteller gesehen. Hierüber zu einer andern Zeit nähere Erklärung. Die Porträte der beyden ersten, werden Sie gleich beym [3] Eintrit in mein Arbeitszimmer erblicken. Außer diesen habe ich noch die Bekandschaft eines vortreflichen Mannes gemacht ‒ die des hiesigen Ober-Consistorial-Raths Böttiger. Es ist der nehmliche Frembde, dessen Sie in Ihrem Brief gedenken, und von dem man Ihnen gewiß viel gutes gesagt hat. Nu scheid ik er vit voor van Avond myn Heer, want mevr(ouw) heefd reeds voor de tweede Keer de Vrypostigheid gebruikt, van naa de Penn te grapsen, om dat zy meent, dat har Beurt er nu ok was.
Frau Sophie, die den Freund auch gern wiederzusehen wünschte, unterstützte die Bitte ihres Mannes, indem sie fortfahrend ihm ihr Glück, jetzt in Weimar sein zu dürfen, vor Augen stellte:
Wie doch das Schicksal so manchen Menschen so wunderbar herumführt. Vor einem Jahr war ich noch in Amsterdam, gewiß überzeugt dort meine Lebenszeit zubringen zu müßen, dann vor 6 Wochen noch in Mengeringhausen, in der Meinung dort einen traurigen Winter verleben zu müßen und nun in Weimar. Sonderbar genung, aber doch schön; ich bin dießmal mit dem Streich des Schicksals wohl zufrieden, denn ich glaube es wird [4] mir hier gefallen und es wird mir leicht werden Amsterdam zu vergeßen. Dieß werthester Freund dachten wier doch vergangenen Herbst nicht; wie oft klagten wier damals und wahren unwillig das uns unser Unstern nach Holland geführt hatte. Gottlob wier sind dem Frosch-Land entflohen und die Rückkehr dort hin wird von unserer Seite gewiß nicht so bald geschehen und Sie glaube ich, werden sich nie wieder dort sehen lassen. Es freut mich zu hören das es keine Unmöglichkeit ist Sie hier in Weimar zu sehen. Da wollen wier uns noch einmal recht lustig über die Holländer machen. Sie müßen aber noch diesen Herbst oder wärend dem Winter kommen. Denn im Früjahr mögten wier wohl nicht mehr hier sein. Sie finden ja hier Ihren Abgott Herrn Göte; ich habe ihn noch nicht gesehen, würde es aber dennoch nicht unternämen (wenn ich ihn auch känte) Ihnen eine Beschreibung von ihm zu machen; denn wer kan einen Gott beschreiben. ‒ Ich kan überhaubt noch nicht viel von Weimar erzälen, denn ich bin erst seid 8 Tagen hier; ich behalte mir dieß vor. Doch wäre es schöner wenn Sie mir diese Müh ersparten, und selbst her kämen. Ti[schbein] ist hier ausserordentlich vergnügt auch recht wohl; er sitzt in diesem Augenblick neben mir und lehrt die Kinder rechnen; wie sich dabei schreiben läst können Sie leicht denken; ich will nun aufhören. Schreiben Sie uns bald wieder und leben Sie recht wohl
Ihre Freundin S[ophie] Tischbein.
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