• Jacob Grimm to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Kassel · Place of Destination: Bonn · Date: 16.02.1827
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Jacob Grimm
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Kassel
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 16.02.1827
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 390911364-19040100
  • Bibliography: Schmidt, Ludwig: Briefe Jacob Grimms an August Wilhelm Schlegel. In: Anzeiger für deutsches Altertum und deutsche Litteratur 29 (1904), S. 159‒160.
  • Incipit: „[1] Hochverehrter Herr,
    Ihr gütiges Schreiben hat in mir die angenehmsten Hofnungen erweckt. Der versprochene Besuch bei der Durchreise nach Berlin künftige [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33708
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.9,Nr.46
  • Number of Pages: 3S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 25,5 x 22,3 cm
    Language
  • German
[1] Hochverehrter Herr,
Ihr gütiges Schreiben hat in mir die angenehmsten Hofnungen erweckt. Der versprochene Besuch bei der Durchreise nach Berlin künftige Ostern wird uns ausserordentlich erfreuen. Die Aussicht, nächsten Sommer einige Wochen in Bonn zuzubringen und Ihres belehrenden Umgangs zu geniessen, will ich mir noch nicht abschneiden, obgleich ich vielen Schwierigkeiten entgegen sehe. Meine hiesigen Verhältnisse hindern längeren Urlaub und ich werde um diese Zeit auch wieder wöchentlich Bogen zu schreiben und zu corrigieren haben. Bekomme ich den Herbst nicht mehr freie Hand, so müste die ganze Freude bis auf das folgende Jahr verspart werden. Wenn ich alsdann auch die gütig angebotne Wohnung nicht annehmen dürfte, da ich es schon früher Welckern versprochen habe, bei ihm einzukehren, so würde ich Ihnen doch sicher genug zur Last fallen.
Die Aufsätze und Abhandlungen, welche Sie dem Publicum in Bezug auf meine Grammatik mitzutheilen denken, erwarte ich mit Verlangen. Da Sie mit grossem Erfolg über diesen Gegenstand öffentlich lesen, so kann es nicht fehlen, dass manche Gedanken, die ich mir auf meiner einsame Stube mache, von Ihnen bedeutender ausgebildet, berichtiget und beleuchtet werden. Es wird aber [2] auch im Einzelnen von allen Enden her an mich zu kommen sein. Freien, von der Last des Förmlichen ungedrückten Sinn, den Sie mir, wie ich mit großem Vergnügen sehe, zugestehen, hab ich mir wirklich jederzeit zu erhalten gewust, ich fühle mich daher fähig die heilsamen Rathschläge anderer so willig anzunehmen, als ich meine selbsterkannten Fehler verwerfe.
Es soll mir sehr lieb sein, wenn auch Bopp meine Arbeit beurtheilen will. Ich achte seine Gelehrsamkeit und seinen Scharfsinn hoch. Uebrigens gestehe ich, dass die neue Berliner Lit. Zeitung in den bis jetzt erschienenen Nummern noch nicht gewaltig imponiert. Diesen Critiken mangelt es an dem eindringenden Gehalt und der Anmuth, welche Lessing, und ich setze ohne Schmeichelei hinzu, Sie, über jeden Gegenstand, wovon die Rede war, zu verbreiten wusten. Hegels eigner Stil scheint mir sogar ungefällig, mitunter burschikos; und so wenig ich den Geist und die Kraft dieses Mannes verkenne, seine Philosophie hat doch das eigne, dass sie mehr gefesselte Nachfolger hervorbringt, als irgend eine und dass sie, was damit zusammenhängt, eben durch solche zu vorlaut in andere Fächer überschlägt, die der abstracten Betrachtung nicht so schnell unterworfen sind, z. B. in Philologie, Geschichte, Jurisprudenz. Damit will ich nicht behaupten, [3] dass in die neue Lit. Zeitung nicht auch andere Organe als Hegelsche Eingang finden. Worauf Gewicht gelegt wurde, das namentliche Unterschreiben der Recensenten, das Vorher-prüfen der eingehenden Critiken, dünkt mich etwas unwesentliches, wo nicht gar pedantisch. Ich glaube, dass sich für die Anonymität weit mehr sagen lässt, versteht sich im Durchschnitt; und ich würde keinem Recensenten ein Wörtchen übel nehmen.
Die unbedeutenden Mittheilungen über Saxnote und Armenien, hatte ich mir eingebildet, würden nicht einmahl verdienen, in die Indische Bibl. aufgenommen zu werden. Sie sollten Ihnen bloss eröffnen, wie ich mir beide Gegenstände vorstellte. Hinterher habe ich in der chronol. reg. Angl. bei Langhorn wirklich einen Saxonêta, als Wodens Sohn gefunden und Alvredus Bevertacensis (annales ed. Hearne. Oxonii 1716. p. 84) nennt ihn Seaxeca, das ohne Zweifel in Seaxnêta zu berichtigen ist. Hierdurch wird meine Ansicht gerechtfertigt. Bei der Anwendung von Armenien auf Baiern muss wohl der Name Noricum, Noreia (annal. berlin. ad a. 839) mit angeschlagen werden, von dem man auf norman, orman übergieng, als man aber einmahl ormenia, armenia hatte, noch leichter auf den Berg Ararat und die Arche Noah.
Ich bitte die Einlage abgeben zu lassen und beharre....
Cassel 16. Febr. 1827.
Jac. Grimm.
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[1] Hochverehrter Herr,
Ihr gütiges Schreiben hat in mir die angenehmsten Hofnungen erweckt. Der versprochene Besuch bei der Durchreise nach Berlin künftige Ostern wird uns ausserordentlich erfreuen. Die Aussicht, nächsten Sommer einige Wochen in Bonn zuzubringen und Ihres belehrenden Umgangs zu geniessen, will ich mir noch nicht abschneiden, obgleich ich vielen Schwierigkeiten entgegen sehe. Meine hiesigen Verhältnisse hindern längeren Urlaub und ich werde um diese Zeit auch wieder wöchentlich Bogen zu schreiben und zu corrigieren haben. Bekomme ich den Herbst nicht mehr freie Hand, so müste die ganze Freude bis auf das folgende Jahr verspart werden. Wenn ich alsdann auch die gütig angebotne Wohnung nicht annehmen dürfte, da ich es schon früher Welckern versprochen habe, bei ihm einzukehren, so würde ich Ihnen doch sicher genug zur Last fallen.
Die Aufsätze und Abhandlungen, welche Sie dem Publicum in Bezug auf meine Grammatik mitzutheilen denken, erwarte ich mit Verlangen. Da Sie mit grossem Erfolg über diesen Gegenstand öffentlich lesen, so kann es nicht fehlen, dass manche Gedanken, die ich mir auf meiner einsame Stube mache, von Ihnen bedeutender ausgebildet, berichtiget und beleuchtet werden. Es wird aber [2] auch im Einzelnen von allen Enden her an mich zu kommen sein. Freien, von der Last des Förmlichen ungedrückten Sinn, den Sie mir, wie ich mit großem Vergnügen sehe, zugestehen, hab ich mir wirklich jederzeit zu erhalten gewust, ich fühle mich daher fähig die heilsamen Rathschläge anderer so willig anzunehmen, als ich meine selbsterkannten Fehler verwerfe.
Es soll mir sehr lieb sein, wenn auch Bopp meine Arbeit beurtheilen will. Ich achte seine Gelehrsamkeit und seinen Scharfsinn hoch. Uebrigens gestehe ich, dass die neue Berliner Lit. Zeitung in den bis jetzt erschienenen Nummern noch nicht gewaltig imponiert. Diesen Critiken mangelt es an dem eindringenden Gehalt und der Anmuth, welche Lessing, und ich setze ohne Schmeichelei hinzu, Sie, über jeden Gegenstand, wovon die Rede war, zu verbreiten wusten. Hegels eigner Stil scheint mir sogar ungefällig, mitunter burschikos; und so wenig ich den Geist und die Kraft dieses Mannes verkenne, seine Philosophie hat doch das eigne, dass sie mehr gefesselte Nachfolger hervorbringt, als irgend eine und dass sie, was damit zusammenhängt, eben durch solche zu vorlaut in andere Fächer überschlägt, die der abstracten Betrachtung nicht so schnell unterworfen sind, z. B. in Philologie, Geschichte, Jurisprudenz. Damit will ich nicht behaupten, [3] dass in die neue Lit. Zeitung nicht auch andere Organe als Hegelsche Eingang finden. Worauf Gewicht gelegt wurde, das namentliche Unterschreiben der Recensenten, das Vorher-prüfen der eingehenden Critiken, dünkt mich etwas unwesentliches, wo nicht gar pedantisch. Ich glaube, dass sich für die Anonymität weit mehr sagen lässt, versteht sich im Durchschnitt; und ich würde keinem Recensenten ein Wörtchen übel nehmen.
Die unbedeutenden Mittheilungen über Saxnote und Armenien, hatte ich mir eingebildet, würden nicht einmahl verdienen, in die Indische Bibl. aufgenommen zu werden. Sie sollten Ihnen bloss eröffnen, wie ich mir beide Gegenstände vorstellte. Hinterher habe ich in der chronol. reg. Angl. bei Langhorn wirklich einen Saxonêta, als Wodens Sohn gefunden und Alvredus Bevertacensis (annales ed. Hearne. Oxonii 1716. p. 84) nennt ihn Seaxeca, das ohne Zweifel in Seaxnêta zu berichtigen ist. Hierdurch wird meine Ansicht gerechtfertigt. Bei der Anwendung von Armenien auf Baiern muss wohl der Name Noricum, Noreia (annal. berlin. ad a. 839) mit angeschlagen werden, von dem man auf norman, orman übergieng, als man aber einmahl ormenia, armenia hatte, noch leichter auf den Berg Ararat und die Arche Noah.
Ich bitte die Einlage abgeben zu lassen und beharre....
Cassel 16. Febr. 1827.
Jac. Grimm.
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