• Elisabeth Wilhelmine van Nuys to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Hamburg · Place of Destination: Genf · Date: 21.01.1811
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Elisabeth Wilhelmine van Nuys
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Hamburg
  • Place of Destination: Genf
  • Date: 21.01.1811
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 186‒189.
  • Incipit: „[1] H[am]b[ur]g Jan 21 – [18]11
    Wie eine himmlische Erscheinung aus einer bessern Welt begrüst mich in diesem Augenblick der Edelste Freund [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,22,19
  • Number of Pages: 12 S. auf Doppelbl., hs. m. Paraphe
  • Format: 19,8 x 12,4 cm
    Language
  • German
  • English
[1] H[am]b[ur]g Jan 21 – [18]11
Wie eine himmlische Erscheinung aus einer bessern Welt begrüst mich in diesem Augenblick der Edelste Freund – Sonderbar ist [wie] die lebendige Erinerung sich begegnet ich hatte grade die herrliche Erscheinung der Fortsetzung des Shakespear erfahren und in demselben Mom[ent] sie von Perthes begehren lassen als mir grade die Fortsetzung der unschäzbaren Vorlesung eingehändigt wird, die mich so schön der Erinerung überzeuget die meinem Herzen Bedürfniß ist – Yes my Friend be sure, the place you occupes there, never can be filled by any other object on this earth I got thousand reasons to be satysfied with my situation and yet [2] I can absolutely not help regretting as many times that liberty which permitted to live near you and – which I gave up. My friend Matt in Vienna desires me to meet her next Summer in Carlsbad. Lady Vieth at Merseburg (at present) wishes also to go there. If I was sure to meet my only S[chlegel] I should find a way to get there – but if there was more probability of meeting half way the delig[h]tsfull country where I suppose you do be at present – the only S[witzerland] – I desire to see – I should find means to load there my steps. Let me know for gods sake with as much certainty as you can give – where you intend spend the next Summer it is long ago best S[chlegel] you flatterd [3] my hopes coming this way – the papers then did send you to America – the way I get now convinced of your occupations – surely are worth many Letters but yet now and then a word of y[ou]r projects would make me more happy than I can – than I need tell. Last night in my dream I saw a serpent of the most beautifull colours surrounding me awaking, the first question was what can it be that offers the emblem of eternity – and when your name – yes let me say – you self appeared so soon after – I felt – it was friendship – so as I allways thought it existed – and will exist for ever between us!
I yet was occupied with my friend in an other way exactly in those days having proposed to some acquaintances to read y[ou]r translation – they desired of me to begin with Juliet (of Romeo) on [4] the 24 it is a Thursday – every Thursday we ʼill read of you Dearest only beloved Soul will you think of it? Oh why cant you read Romeo? – who ʼill read here to inspire my mind? – perhaps you hardly can imagine that nothing here is able to gain my interest.
Last summer I spend 10 weeks entirely happy with my daughter, Mr S[chleiden] was absent, we lived in the country, but all the friends of my youth, my whole family round us – oh if there I could bring you – surely S[chlegel] you would also find yourself happy. Elise is a very charming creature – I dare say so – tho[ugh] she is my daughter – einen höhern Sinn zu haben für alles Edle, schneller fortzuschreiten in liebenswürdiger Bildung bei der höchsten Reinheit der Seele ist unmöglich – daß ich mit ihr hineilen könnte in jene himlische Gegend, wo der geliebteste Freund weilt diese Hofnung darf ich indessen nicht hegen [5] da ihr Mann in Hollstein eine der schönsten Besitzungen kaufte wozu mehrere Dörfer gehören, es liegt am Ufer eines reizenden Sees – die Buchenwälder sind höher dort als ich je sonst sie sah – und dennoch würde für diesen Sommer die Alpenkette mehr mich anziehen, die Ufer des Genfersees einzigen Reiz haben. Bis Frankf[urt], selbst weiter würdʼ ich zu reisen nicht schwer finden, wenn die Verhältnisse – Wünsche – und Empfindungen des Freundes noch so wären als bey der Trennung dann weiß ich – wo das begegnen statt fände, wie die Reise würde fortgesetzt werden! – Bei dem Wechsel der hier bekandtlich statt fand – bedarf es wohl keiner Darstellung der jetzigen Stimmung, des jetzigen Seyns! – Der Handel dieser sonst so ausgezeichnet blühenden Stadt lag längst danieder – an Abgaben wurden mehr Speziesthaler begehrt als [6] der ganze Norden von Deutschland nicht besitzt – auch wandern die reichsten Familien aus – und fährt man so fort dann laufʼ ich Gefahr mit meinen Getreuen nächstens mich allein hier zu finden. Das Theater ist unterdessen besuchter als je – da man die Gesellschaften einstellt. Jetzt ist alles entzückt von einer kleinen Nympfenartigen Gestalt die Becker geb. Ambrosch 22 Jahr alt – ihre Stimme hat eine seltene Klarheit und Höhe, und sie ist in der italienischen Schule gebildet. Für mich hatte aber einen unendlich höhern Reiz der m[einem] Fr[eunde] dem Nahmen nach vieleicht bekandte Patrick Peale (ein Baron Seckendorf) Bruder des S[eckendorf] den wir in W[ien] sahen – ein sehr seltener herrlicher Kopf, der aus Leidenschaft für die Kunst den Hof verließ, und jetzt mit seiner liebenswürdigen Gattinn auf einer Kunstreise für einige Jahre begrifen mimische Darstellungen giebt. Er unterscheidet sich [7] von der Händel in vielfacher Hinsicht. Wenn man dieser gegenüber in einer Schule der Kunst zu seyn glaubte, in der man das werden sah indem die H[ändel] vor den Augen des Publicums ihre Gewänder ordnete ihre Gruppen bildete, man also alle unvermeidliche Mängel mit tragen muste (wenn z. B. wie in der Niobe) sie 14 Kinder der verschiedensten Begriffe ordnete – einen Arm hier den andern dort etc hinlegte – ich sage wenn jene Künstlerin durch nichts dieses „werden sehen“ stören wollte, so stellte Peal dagegen durchaus nur vollendete Gemählde dar – ich werde ein Blättchen einlegen um von seiner Wahl eine idée zu geben. Er hat bereits 300 Gemählde – theils reizende Allegorien – componirt, seine Phantasie ist unerschöpflich, und die Darstellung der einzelnen Gemüthszustände unbegreiflich. Er hatte lange die obere [8] Aufsicht eines Tollhauses und dort – behauptet er – die Leidenschaften vorzüglich studiert zu haben. Sein edler Kopf auch die Gestalt eignet [sich] zum Christus auf zu angreifende Weise. Wer keine religion hat müßte sie bei solcher Darstellung bekommen – seine Frau eine herrliche Americanerin erhebt als Madonna ach – auch so ganz anders wie die H[ändel] – daß man sie gar nicht zugleich nennen kann.
Eine Französin von Geist welche die H[ändel] bei mir sah, sagte: Comment cette femme joue la tragedie? – impossible! cʼest la soubrette des soubrettes! und doch hatte sie in jener sehr gelungene Momente. Da sie aber bei ihren mimischen Darstellungen keinen Vorhang (wie P[eal] es) hatte und nach dem höchstdenkbaren Versuch, „die Verklärung“, sich gleich lachend wieder zum Publicum kehrte dann schwand zu schmerzlich die hohe Täuschung.
[9] Daß Fischer in W[ien] sehr lange in Paris war, hörte m[ein] g[uter] Fr[eund] wahrscheinlich, er will sich von dem geliebten Bilde durchaus nicht eher trennen, bis er seinem schönen Zwecke nachgekommen. Das Opfer der Entbehrung wenn es nur durch vollkommenes Gelingen gelohnt würde! und – die so freundlich, so gütig versprochene Büste? war es damit wirklich Ernst? – Grade seit dem – im März ein Jahr – hörtʼ ich nicht ein unmittelbares Wort.
Durch einen Br[ief] aus W[ien] dem reizenden, ewig unvergeßlichen Wien werd ich unterbrochen; man schreibt mir u. a. daß Lange vom Theater Abschied nahm, daß nie das Burgtheater so angefüllt war; daß mehrere Menschen verwundet wurden, und daß Lange 20000 fl. einnahm. Auch an der Wieden wartet seiner noch ein benefice und dann jährlich einige Vorstellungen, die auf ähnliche Weise [10] schnell seine Schätze mehren werden. Die failliten welche dort so häufig statt fanden haben aufgehört und man fürchtet jetzt weniger, da das Papiergeld wieder steigt. – Hier behauptet man daß bald ein neuer Krieg zwischen denen beginnen werde welche kaum Frieden machten, auch glaubt man: N[apoleon] würde Theil nehmen.
Hatte m[ein] Fr[eund] den[n] wirklich die Absicht übers Meer zu gehen und die herrliche Fr[au] v. S[taël] was macht sie, und die reizende Albertine?
Von meiner Harriott bin ich auf einige Zeit getrennt, B[ertheau]s zu großer Ernst machte es mir zur Pflicht – da unsere Ansicht über Erziehung keineswegs übereinstimt – H[arriott] würde nicht allein bald ganz aufgehört haben Kind zu seyn, aber ich hatte Ursache zu fürchten, daß sie selbst die Kindlichkeit [11] die ich für eine so hohe weibliche Zierde halte, einbüßen würde. Sie geniest den treflichsten Unterricht unter den Augen ihrer Schwester für ein Jahr – länger ertrag ich wahrscheinlich diese Trennung nicht und dann ist hofentlich der Character schon etwas gesetzter; bei mir lebt unterdessen eine Freundin aus dem Oldenburgischen, Frl. v. K[nobel].
Noch vergaß ich es zu erwähnen daß Peale auch herrlicher Déclamator ist. Die Legende St. Lukas von [meinem] F[reunde] déclamirte er am hinreißendsten, so daß auch öfentlich im Schauspielhause wo er sie sprach, die Beifallsbezeugungen gar kein Ende nehmen wollten. Ostern übernimt Schröder wieder die Direction; obgleich er keine Rolle selbst beschäftigt, ist schon für den zweiten Feyertag kein Plaz mehr zu haben; man hoft viel für die Bühne; er läßt auf [12] eigene Kosten Schauspieler zu Gastrollen kommen um eine bedeutende Wahl der Mitglieder zu bekommen. Er hat viel für die Bühne geschrieben, auch wird von diesen etwas zum Debut bestimt.
Darf ich jetzt noch die Frage hinzufügen ob Fried[rich] in W[ien] ganz zufrieden sich fühlt? und dann sans indiscretion – womit der gel[iebte] Fr[eund] sich jetzt beschäftigt? Was es auch sey, auf das Opfer einer halben Stunde, hofft die unwandelbare Minna wenn sie nicht auch verstummen soll.
Wäre nicht die Kluft so gar groß ich würde manches diesem beifügen womit Kinder und Freunde in der alten geliebten Vaterstadt am Geburtstage mich überraschten.
Nie habe ich D[einen] Geburtstag erfahren – obgleich ich gewiß bin mehr als ein mal darnach gefragt zu haben. Bitte bitte laß ihn wissen
Deine Fr[eundin]
M[inna]
[1] H[am]b[ur]g Jan 21 – [18]11
Wie eine himmlische Erscheinung aus einer bessern Welt begrüst mich in diesem Augenblick der Edelste Freund – Sonderbar ist [wie] die lebendige Erinerung sich begegnet ich hatte grade die herrliche Erscheinung der Fortsetzung des Shakespear erfahren und in demselben Mom[ent] sie von Perthes begehren lassen als mir grade die Fortsetzung der unschäzbaren Vorlesung eingehändigt wird, die mich so schön der Erinerung überzeuget die meinem Herzen Bedürfniß ist – Yes my Friend be sure, the place you occupes there, never can be filled by any other object on this earth I got thousand reasons to be satysfied with my situation and yet [2] I can absolutely not help regretting as many times that liberty which permitted to live near you and – which I gave up. My friend Matt in Vienna desires me to meet her next Summer in Carlsbad. Lady Vieth at Merseburg (at present) wishes also to go there. If I was sure to meet my only S[chlegel] I should find a way to get there – but if there was more probability of meeting half way the delig[h]tsfull country where I suppose you do be at present – the only S[witzerland] – I desire to see – I should find means to load there my steps. Let me know for gods sake with as much certainty as you can give – where you intend spend the next Summer it is long ago best S[chlegel] you flatterd [3] my hopes coming this way – the papers then did send you to America – the way I get now convinced of your occupations – surely are worth many Letters but yet now and then a word of y[ou]r projects would make me more happy than I can – than I need tell. Last night in my dream I saw a serpent of the most beautifull colours surrounding me awaking, the first question was what can it be that offers the emblem of eternity – and when your name – yes let me say – you self appeared so soon after – I felt – it was friendship – so as I allways thought it existed – and will exist for ever between us!
I yet was occupied with my friend in an other way exactly in those days having proposed to some acquaintances to read y[ou]r translation – they desired of me to begin with Juliet (of Romeo) on [4] the 24 it is a Thursday – every Thursday we ʼill read of you Dearest only beloved Soul will you think of it? Oh why cant you read Romeo? – who ʼill read here to inspire my mind? – perhaps you hardly can imagine that nothing here is able to gain my interest.
Last summer I spend 10 weeks entirely happy with my daughter, Mr S[chleiden] was absent, we lived in the country, but all the friends of my youth, my whole family round us – oh if there I could bring you – surely S[chlegel] you would also find yourself happy. Elise is a very charming creature – I dare say so – tho[ugh] she is my daughter – einen höhern Sinn zu haben für alles Edle, schneller fortzuschreiten in liebenswürdiger Bildung bei der höchsten Reinheit der Seele ist unmöglich – daß ich mit ihr hineilen könnte in jene himlische Gegend, wo der geliebteste Freund weilt diese Hofnung darf ich indessen nicht hegen [5] da ihr Mann in Hollstein eine der schönsten Besitzungen kaufte wozu mehrere Dörfer gehören, es liegt am Ufer eines reizenden Sees – die Buchenwälder sind höher dort als ich je sonst sie sah – und dennoch würde für diesen Sommer die Alpenkette mehr mich anziehen, die Ufer des Genfersees einzigen Reiz haben. Bis Frankf[urt], selbst weiter würdʼ ich zu reisen nicht schwer finden, wenn die Verhältnisse – Wünsche – und Empfindungen des Freundes noch so wären als bey der Trennung dann weiß ich – wo das begegnen statt fände, wie die Reise würde fortgesetzt werden! – Bei dem Wechsel der hier bekandtlich statt fand – bedarf es wohl keiner Darstellung der jetzigen Stimmung, des jetzigen Seyns! – Der Handel dieser sonst so ausgezeichnet blühenden Stadt lag längst danieder – an Abgaben wurden mehr Speziesthaler begehrt als [6] der ganze Norden von Deutschland nicht besitzt – auch wandern die reichsten Familien aus – und fährt man so fort dann laufʼ ich Gefahr mit meinen Getreuen nächstens mich allein hier zu finden. Das Theater ist unterdessen besuchter als je – da man die Gesellschaften einstellt. Jetzt ist alles entzückt von einer kleinen Nympfenartigen Gestalt die Becker geb. Ambrosch 22 Jahr alt – ihre Stimme hat eine seltene Klarheit und Höhe, und sie ist in der italienischen Schule gebildet. Für mich hatte aber einen unendlich höhern Reiz der m[einem] Fr[eunde] dem Nahmen nach vieleicht bekandte Patrick Peale (ein Baron Seckendorf) Bruder des S[eckendorf] den wir in W[ien] sahen – ein sehr seltener herrlicher Kopf, der aus Leidenschaft für die Kunst den Hof verließ, und jetzt mit seiner liebenswürdigen Gattinn auf einer Kunstreise für einige Jahre begrifen mimische Darstellungen giebt. Er unterscheidet sich [7] von der Händel in vielfacher Hinsicht. Wenn man dieser gegenüber in einer Schule der Kunst zu seyn glaubte, in der man das werden sah indem die H[ändel] vor den Augen des Publicums ihre Gewänder ordnete ihre Gruppen bildete, man also alle unvermeidliche Mängel mit tragen muste (wenn z. B. wie in der Niobe) sie 14 Kinder der verschiedensten Begriffe ordnete – einen Arm hier den andern dort etc hinlegte – ich sage wenn jene Künstlerin durch nichts dieses „werden sehen“ stören wollte, so stellte Peal dagegen durchaus nur vollendete Gemählde dar – ich werde ein Blättchen einlegen um von seiner Wahl eine idée zu geben. Er hat bereits 300 Gemählde – theils reizende Allegorien – componirt, seine Phantasie ist unerschöpflich, und die Darstellung der einzelnen Gemüthszustände unbegreiflich. Er hatte lange die obere [8] Aufsicht eines Tollhauses und dort – behauptet er – die Leidenschaften vorzüglich studiert zu haben. Sein edler Kopf auch die Gestalt eignet [sich] zum Christus auf zu angreifende Weise. Wer keine religion hat müßte sie bei solcher Darstellung bekommen – seine Frau eine herrliche Americanerin erhebt als Madonna ach – auch so ganz anders wie die H[ändel] – daß man sie gar nicht zugleich nennen kann.
Eine Französin von Geist welche die H[ändel] bei mir sah, sagte: Comment cette femme joue la tragedie? – impossible! cʼest la soubrette des soubrettes! und doch hatte sie in jener sehr gelungene Momente. Da sie aber bei ihren mimischen Darstellungen keinen Vorhang (wie P[eal] es) hatte und nach dem höchstdenkbaren Versuch, „die Verklärung“, sich gleich lachend wieder zum Publicum kehrte dann schwand zu schmerzlich die hohe Täuschung.
[9] Daß Fischer in W[ien] sehr lange in Paris war, hörte m[ein] g[uter] Fr[eund] wahrscheinlich, er will sich von dem geliebten Bilde durchaus nicht eher trennen, bis er seinem schönen Zwecke nachgekommen. Das Opfer der Entbehrung wenn es nur durch vollkommenes Gelingen gelohnt würde! und – die so freundlich, so gütig versprochene Büste? war es damit wirklich Ernst? – Grade seit dem – im März ein Jahr – hörtʼ ich nicht ein unmittelbares Wort.
Durch einen Br[ief] aus W[ien] dem reizenden, ewig unvergeßlichen Wien werd ich unterbrochen; man schreibt mir u. a. daß Lange vom Theater Abschied nahm, daß nie das Burgtheater so angefüllt war; daß mehrere Menschen verwundet wurden, und daß Lange 20000 fl. einnahm. Auch an der Wieden wartet seiner noch ein benefice und dann jährlich einige Vorstellungen, die auf ähnliche Weise [10] schnell seine Schätze mehren werden. Die failliten welche dort so häufig statt fanden haben aufgehört und man fürchtet jetzt weniger, da das Papiergeld wieder steigt. – Hier behauptet man daß bald ein neuer Krieg zwischen denen beginnen werde welche kaum Frieden machten, auch glaubt man: N[apoleon] würde Theil nehmen.
Hatte m[ein] Fr[eund] den[n] wirklich die Absicht übers Meer zu gehen und die herrliche Fr[au] v. S[taël] was macht sie, und die reizende Albertine?
Von meiner Harriott bin ich auf einige Zeit getrennt, B[ertheau]s zu großer Ernst machte es mir zur Pflicht – da unsere Ansicht über Erziehung keineswegs übereinstimt – H[arriott] würde nicht allein bald ganz aufgehört haben Kind zu seyn, aber ich hatte Ursache zu fürchten, daß sie selbst die Kindlichkeit [11] die ich für eine so hohe weibliche Zierde halte, einbüßen würde. Sie geniest den treflichsten Unterricht unter den Augen ihrer Schwester für ein Jahr – länger ertrag ich wahrscheinlich diese Trennung nicht und dann ist hofentlich der Character schon etwas gesetzter; bei mir lebt unterdessen eine Freundin aus dem Oldenburgischen, Frl. v. K[nobel].
Noch vergaß ich es zu erwähnen daß Peale auch herrlicher Déclamator ist. Die Legende St. Lukas von [meinem] F[reunde] déclamirte er am hinreißendsten, so daß auch öfentlich im Schauspielhause wo er sie sprach, die Beifallsbezeugungen gar kein Ende nehmen wollten. Ostern übernimt Schröder wieder die Direction; obgleich er keine Rolle selbst beschäftigt, ist schon für den zweiten Feyertag kein Plaz mehr zu haben; man hoft viel für die Bühne; er läßt auf [12] eigene Kosten Schauspieler zu Gastrollen kommen um eine bedeutende Wahl der Mitglieder zu bekommen. Er hat viel für die Bühne geschrieben, auch wird von diesen etwas zum Debut bestimt.
Darf ich jetzt noch die Frage hinzufügen ob Fried[rich] in W[ien] ganz zufrieden sich fühlt? und dann sans indiscretion – womit der gel[iebte] Fr[eund] sich jetzt beschäftigt? Was es auch sey, auf das Opfer einer halben Stunde, hofft die unwandelbare Minna wenn sie nicht auch verstummen soll.
Wäre nicht die Kluft so gar groß ich würde manches diesem beifügen womit Kinder und Freunde in der alten geliebten Vaterstadt am Geburtstage mich überraschten.
Nie habe ich D[einen] Geburtstag erfahren – obgleich ich gewiß bin mehr als ein mal darnach gefragt zu haben. Bitte bitte laß ihn wissen
Deine Fr[eundin]
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