• Karl Müller to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Stuttgart · Place of Destination: Bonn · Date: 29.07.1844
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Karl Müller
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Stuttgart
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 29.07.1844
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34292
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.15,Nr.73
  • Number of Pages: 3S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 27,2 x 21,5 cm
  • Incipit: „[1] Stuttgart, 29. Juli 1844.
    Seiner Hochwohlgeboren dem Herrn Professor Dr. A. Wilhelm v. Schlegel,
    Königlich Preußischem Staatsrath zu Bonn.
    Hochverehrter Herr Professor!
    Ich [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
[1] Stuttgart, 29. Juli 1844.
Seiner Hochwohlgeboren dem Herrn Professor Dr. A. Wilhelm v. Schlegel,
Königlich Preußischem Staatsrath zu Bonn.
Hochverehrter Herr Professor!
Ich bitte zuvörderst angelegentlich um Ihre Nachsicht, wenn ich, ein Ihnen völlig Unbekannter, mich auf so unvermittelter Weise mit zwei so inhaltsschweren und bedeutsamen Bitten an Sie zu wenden wage. Im Besitze der nöthigen intellektuellen, pecuniären und merkantilen Hüflfsmittel, habe ich mich vor Kurzem mit dem seitherigen Besitzer der Riegerʼschen Buchhandlung hier, Herrn Adolph Becher, zum Betriebe eines Verlagsgeschäftes vereinigt, bei dessen Führung ich mir hauptsächlich die Herausgabe solcher Werke zum Ziel gesetzt habe, durch welche dem deutschen Buchhandel und der Literatur vornehmlich Ehre gemacht, und Fortschritte in Wissenschaft und Leben gefördert werden. Eine unserer ersten gemeinschaftlichen Verlagsunternehmungen nun ist eine Sammlung von Autographen und Facsimiles berühmter Männer älterer und neuerer Zeit, und es ist uns vorerst durch die gütige Unterstützung etlicher Sammler und Liebhaber geglückt, eine recht hübsche Auswahl zu erzwecken. Nichts destoweniger fehlen uns noch viele Handschriften berühmter Personen, oder wir müssen den Umstand beklagen, daß die uns gehörigen Autographen an innerem Gehalte zu bedeutungslos sind, um mit Ehren genannt werden zu können. Es ist uns nämlich nicht unwesentlich, in der Auswahl besonders solche Handschriften zu berücksichtigen, welche auch stoffliches Interesse bieten. In der peinlichen Verlegenheit und Rathlosigkeit nun und in dem fatalen Dilemma, entweder jede Reliquie in Bausch und Bogen aufzunehmen, oder die unwichtigeren durch gehaltvollere zu ersetzen, welche wir recht mit schweren Opfern erwerben müßten, fiel mir der Entschluß bei, mich offen an Sie, Hochverehrter Herr Professor, zu wenden, dessen kritischen und literarhistorischen Schriften ich nicht nur den wesentlichsten Theil meines Wissens, sondern auch eine wahrhaft kindliche Ehrfurcht für Sie, gewiß den größten und sicherlich den verdientesten Mann unserer Zeit, verdanke. Ihr vielbewegtes, für Gelehrsamkeit und Kunst, für deutsche Literatur und deutsche nationale Geistes-Entwicklung so ersprießliches Leben hat Sie mit den berühmtesten Männern des letzten Jahrhunderts und aller Zungen Europas in Verkehr gebracht, und Ihr Briefwechsel muß daher ebenso interessant als vielseitig seyn; – ja der unbedeutendste, banalste Inhalt einer Einladungskarte erhielte schon Werth und historische Bedeutung durch den Umstand, daß er an Sie gerichtet wäre. Darum erkühne ich mich denn auch zu der offenen [2] hochachtungsvollen Bitte: Sie möchten uns aus dem reichen Schatze Ihrer Briefsammlung eine Auswahl solcher Autographen zukommen lassen, welche, sich eignend zur Veröffentlichung, dem doppelten Endzweck historischer und stofflicher Bedeutsamkeit entsprechen würden. Für die größtmögliche Schonung derselben, weil die Originale unter unsern Augen auf autographisches Papier durchgezeichnet werden, können und wollen wir haften, und unser Dank würde gewiß der wahrste und wärmste seyn. Das Unternehmen ist noch precär, die erforderlichen Handschriften selten zu finden, die Originale Ihnen nicht verkäuflich, aber ein bescheidenes Honorar, wie es in unsern Kräften steht, könnten Sie, hochgeschätzter Herr Professor, irgend einem milden Zwecke widmen. Dorow hat seiner Zeit eine ähnliche Sammlung von Autographen herausgegeben, welche indeß durch ihren hohen Preis nur wenigen zugänglich gemacht war. Diese Art und Weise aber wäre für die Publikation eines Briefwechsels ebenso neu als zweckentsprechend. – Werden wir eine Fehlbitte gethan haben, hochgeehrter Herr? – Ich fürchte nicht.
Nun komme ich noch auf eine andere Bitte, respective Vorschlag, welche ich noch weit schüchterner auszusprechen wage, weil ich hier vielleicht mit Bestrebungen von ihren werthern Geschäftsgenossen collidiren dürfte. Mit Einem Worte, meine Bitte bezweckt nichts weniger, als mich zum Verleger einer Gesammtausgabe Ihrer Werke zu empfehlen. Ihre Werke haben gegründeteren Anspruch auf das Prädikat klassichen Werthes, als irgend welche, und es wäre ein ewig zu beklagender Verlust, wenn sie nicht nach der Intension des großen Autors schon bei dessen Lebzeiten eingereicht und geordnet werden würden, ja wenn am Ende gar die Manchfaltigkeit des Stoffes es schwierig machte, auch nur einen des Unternehmens würdigen und ihm gewachsenen Mann aufzutreiben. Auch die Unterhandlungen mit den verschiedenen Verlegern könnten nur vom Autor selbst mit entschiedener Wirksamkeit durchgeführt werden, wenn je eine Gesammtausgabe in Bälde zu Stand kommen sollte. Auf solche Ausgaben und Sammlungen machten freilich die Matadoren des deutschen Buchhandels: Reimer, Brockhaus, Cotta u. And., zunächst Jagd, allein ich getröste mich der Hoffnung, daß eine solche Concurrenz in Ihren Augen die Wichtigkeit der Motive nicht beeinträchtigen dürfte, welche meiner Bewerbung zu Grunde liegen. Ich bin jung und thätig, voll guten Willens und Bewußtseyn der Kraft, mein Ziel consequent verfolgen zu können, allein Eines fehlt mir: Bekanntschaft mit irgend einem berühmten Manne, dessen Fürsprache und Unterstützung mich bei verdienstvollen Gelehrten empfehlen würde; bekäme ich einen einzigen Autor mit dem Gewicht Ihres Namens, hochverehrter Herr Professor, meine Zukunft wäre gesichert und mein Kredit bei Gelehrten und Buchhändlern festgestellt für immer, und einen Undankbaren sollten Sie sich in mir bei Gott nicht verpflichtet haben. Wenn ich Ihnen auch nicht ganz die Summen eines Cotta oder Anderer bieten könnte, so würde doch Ihr Andenken bei ganzen Generationen in meiner so G Familie und in der meines Associé nur mit Segen genannt werden; wem übrigens die würdigere Ausstattung und der ausgedehnte Vertrieb dieses ewig jungen und unvergänglichen Kranzes der edelsten Geistesblüthen und der schönsten Früchte eines der Wissenschaft und dem Schönen gewidmeten Lebens mehr am Herzen liegen würde – ob dem börsenfähigen Nabob, dessen Witz feist geworden vom Schweiße und den Nachtwachen strebsamer Gelehrten, oder dem thatkräftigen, st noch einer Begeisterung und inniger Dankbarkeit fähigen jungen Manne, – das brauche ich nicht erst näher zu erörtern. Wenn Sie also, hochgeschätzter Herr, nach reiflicher Erwägung meines Vorschlags denselben billigen, mich Ihres Ver[3]trauens würdig erachten und Sich nicht durch andere Verträge schon gebunden haben, so möchte ich Sie höflichsts ersuchen, mich doch in Bälde auch auf dieses Ansuchen mit einer Antwort zu erfreuen.
Ich weiß, daß ich viel gewagt habe, indem ich gleich mit zwei solchen Bitten mich an Sie wandte, allein mein Muth entsprang nur aus einer Art Ahnung, daß ich im einen oder im andern dieser Plane, – so Gott will in beiden – bei Ihnen reussiren und durch ein freundlichmildes Entgegenkommen beglückt werden werde, und darum seyen Sie auch innigst gebeten, mir diesen offenen Schritt nicht zu mißdeuten, sondern ihn zu entschuldigen mit der Jugend und aufrichtigen Bewunderung, womit ich mich nenne, hochgeschätzter Herr Ritter,
Ihren in aller Hochachtung ergebensten
Karl Müller,
Associé der Buchhandlung von
Becher & Müller,
Gymnasiumsstraße.
[4] Seiner Hochwohlgeboren
dem Herrn Ritter A. W. v. Schlegel,
Königl. Preußischem Staatsrath u. Professor
zu
Bonn.
frco
[1] Stuttgart, 29. Juli 1844.
Seiner Hochwohlgeboren dem Herrn Professor Dr. A. Wilhelm v. Schlegel,
Königlich Preußischem Staatsrath zu Bonn.
Hochverehrter Herr Professor!
Ich bitte zuvörderst angelegentlich um Ihre Nachsicht, wenn ich, ein Ihnen völlig Unbekannter, mich auf so unvermittelter Weise mit zwei so inhaltsschweren und bedeutsamen Bitten an Sie zu wenden wage. Im Besitze der nöthigen intellektuellen, pecuniären und merkantilen Hüflfsmittel, habe ich mich vor Kurzem mit dem seitherigen Besitzer der Riegerʼschen Buchhandlung hier, Herrn Adolph Becher, zum Betriebe eines Verlagsgeschäftes vereinigt, bei dessen Führung ich mir hauptsächlich die Herausgabe solcher Werke zum Ziel gesetzt habe, durch welche dem deutschen Buchhandel und der Literatur vornehmlich Ehre gemacht, und Fortschritte in Wissenschaft und Leben gefördert werden. Eine unserer ersten gemeinschaftlichen Verlagsunternehmungen nun ist eine Sammlung von Autographen und Facsimiles berühmter Männer älterer und neuerer Zeit, und es ist uns vorerst durch die gütige Unterstützung etlicher Sammler und Liebhaber geglückt, eine recht hübsche Auswahl zu erzwecken. Nichts destoweniger fehlen uns noch viele Handschriften berühmter Personen, oder wir müssen den Umstand beklagen, daß die uns gehörigen Autographen an innerem Gehalte zu bedeutungslos sind, um mit Ehren genannt werden zu können. Es ist uns nämlich nicht unwesentlich, in der Auswahl besonders solche Handschriften zu berücksichtigen, welche auch stoffliches Interesse bieten. In der peinlichen Verlegenheit und Rathlosigkeit nun und in dem fatalen Dilemma, entweder jede Reliquie in Bausch und Bogen aufzunehmen, oder die unwichtigeren durch gehaltvollere zu ersetzen, welche wir recht mit schweren Opfern erwerben müßten, fiel mir der Entschluß bei, mich offen an Sie, Hochverehrter Herr Professor, zu wenden, dessen kritischen und literarhistorischen Schriften ich nicht nur den wesentlichsten Theil meines Wissens, sondern auch eine wahrhaft kindliche Ehrfurcht für Sie, gewiß den größten und sicherlich den verdientesten Mann unserer Zeit, verdanke. Ihr vielbewegtes, für Gelehrsamkeit und Kunst, für deutsche Literatur und deutsche nationale Geistes-Entwicklung so ersprießliches Leben hat Sie mit den berühmtesten Männern des letzten Jahrhunderts und aller Zungen Europas in Verkehr gebracht, und Ihr Briefwechsel muß daher ebenso interessant als vielseitig seyn; – ja der unbedeutendste, banalste Inhalt einer Einladungskarte erhielte schon Werth und historische Bedeutung durch den Umstand, daß er an Sie gerichtet wäre. Darum erkühne ich mich denn auch zu der offenen [2] hochachtungsvollen Bitte: Sie möchten uns aus dem reichen Schatze Ihrer Briefsammlung eine Auswahl solcher Autographen zukommen lassen, welche, sich eignend zur Veröffentlichung, dem doppelten Endzweck historischer und stofflicher Bedeutsamkeit entsprechen würden. Für die größtmögliche Schonung derselben, weil die Originale unter unsern Augen auf autographisches Papier durchgezeichnet werden, können und wollen wir haften, und unser Dank würde gewiß der wahrste und wärmste seyn. Das Unternehmen ist noch precär, die erforderlichen Handschriften selten zu finden, die Originale Ihnen nicht verkäuflich, aber ein bescheidenes Honorar, wie es in unsern Kräften steht, könnten Sie, hochgeschätzter Herr Professor, irgend einem milden Zwecke widmen. Dorow hat seiner Zeit eine ähnliche Sammlung von Autographen herausgegeben, welche indeß durch ihren hohen Preis nur wenigen zugänglich gemacht war. Diese Art und Weise aber wäre für die Publikation eines Briefwechsels ebenso neu als zweckentsprechend. – Werden wir eine Fehlbitte gethan haben, hochgeehrter Herr? – Ich fürchte nicht.
Nun komme ich noch auf eine andere Bitte, respective Vorschlag, welche ich noch weit schüchterner auszusprechen wage, weil ich hier vielleicht mit Bestrebungen von ihren werthern Geschäftsgenossen collidiren dürfte. Mit Einem Worte, meine Bitte bezweckt nichts weniger, als mich zum Verleger einer Gesammtausgabe Ihrer Werke zu empfehlen. Ihre Werke haben gegründeteren Anspruch auf das Prädikat klassichen Werthes, als irgend welche, und es wäre ein ewig zu beklagender Verlust, wenn sie nicht nach der Intension des großen Autors schon bei dessen Lebzeiten eingereicht und geordnet werden würden, ja wenn am Ende gar die Manchfaltigkeit des Stoffes es schwierig machte, auch nur einen des Unternehmens würdigen und ihm gewachsenen Mann aufzutreiben. Auch die Unterhandlungen mit den verschiedenen Verlegern könnten nur vom Autor selbst mit entschiedener Wirksamkeit durchgeführt werden, wenn je eine Gesammtausgabe in Bälde zu Stand kommen sollte. Auf solche Ausgaben und Sammlungen machten freilich die Matadoren des deutschen Buchhandels: Reimer, Brockhaus, Cotta u. And., zunächst Jagd, allein ich getröste mich der Hoffnung, daß eine solche Concurrenz in Ihren Augen die Wichtigkeit der Motive nicht beeinträchtigen dürfte, welche meiner Bewerbung zu Grunde liegen. Ich bin jung und thätig, voll guten Willens und Bewußtseyn der Kraft, mein Ziel consequent verfolgen zu können, allein Eines fehlt mir: Bekanntschaft mit irgend einem berühmten Manne, dessen Fürsprache und Unterstützung mich bei verdienstvollen Gelehrten empfehlen würde; bekäme ich einen einzigen Autor mit dem Gewicht Ihres Namens, hochverehrter Herr Professor, meine Zukunft wäre gesichert und mein Kredit bei Gelehrten und Buchhändlern festgestellt für immer, und einen Undankbaren sollten Sie sich in mir bei Gott nicht verpflichtet haben. Wenn ich Ihnen auch nicht ganz die Summen eines Cotta oder Anderer bieten könnte, so würde doch Ihr Andenken bei ganzen Generationen in meiner so G Familie und in der meines Associé nur mit Segen genannt werden; wem übrigens die würdigere Ausstattung und der ausgedehnte Vertrieb dieses ewig jungen und unvergänglichen Kranzes der edelsten Geistesblüthen und der schönsten Früchte eines der Wissenschaft und dem Schönen gewidmeten Lebens mehr am Herzen liegen würde – ob dem börsenfähigen Nabob, dessen Witz feist geworden vom Schweiße und den Nachtwachen strebsamer Gelehrten, oder dem thatkräftigen, st noch einer Begeisterung und inniger Dankbarkeit fähigen jungen Manne, – das brauche ich nicht erst näher zu erörtern. Wenn Sie also, hochgeschätzter Herr, nach reiflicher Erwägung meines Vorschlags denselben billigen, mich Ihres Ver[3]trauens würdig erachten und Sich nicht durch andere Verträge schon gebunden haben, so möchte ich Sie höflichsts ersuchen, mich doch in Bälde auch auf dieses Ansuchen mit einer Antwort zu erfreuen.
Ich weiß, daß ich viel gewagt habe, indem ich gleich mit zwei solchen Bitten mich an Sie wandte, allein mein Muth entsprang nur aus einer Art Ahnung, daß ich im einen oder im andern dieser Plane, – so Gott will in beiden – bei Ihnen reussiren und durch ein freundlichmildes Entgegenkommen beglückt werden werde, und darum seyen Sie auch innigst gebeten, mir diesen offenen Schritt nicht zu mißdeuten, sondern ihn zu entschuldigen mit der Jugend und aufrichtigen Bewunderung, womit ich mich nenne, hochgeschätzter Herr Ritter,
Ihren in aller Hochachtung ergebensten
Karl Müller,
Associé der Buchhandlung von
Becher & Müller,
Gymnasiumsstraße.
[4] Seiner Hochwohlgeboren
dem Herrn Ritter A. W. v. Schlegel,
Königl. Preußischem Staatsrath u. Professor
zu
Bonn.
frco
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