• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Bern · Date: 28.01.1812
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Bern
  • Date: 28.01.1812
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335973167
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 2. Der Texte zweite Hälfte. 1809‒1844. Bern u.a. ²1969, S. 241‒243.
  • Incipit: „[1] Wien den 28ten Januar 1812
    Geliebter Bruder,
    Ich bin recht eigentlich in Verzweiflung darüber, daß ich so lange nichts von Dir höre. [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,II,27
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,8 x 11,3 cm
    Language
  • German
[1] Wien den 28ten Januar 1812
Geliebter Bruder,
Ich bin recht eigentlich in Verzweiflung darüber, daß ich so lange nichts von Dir höre. Ich muß nun fast mit Gewißheit voraussetzen, daß der Brief vom 4ten December verlohren ist (am 4ten Januar schrieb ich wieder). Es ist um so mehr Schade, da er auch viele Niebelungica enthielt, welche zu wiederhohlen ich heute wenigstens durchaus keinen ruhigen Augenblick finde. – Ich bin mit Arbeit überhäuft, werde auch noch Vorlesungen halten und das Museum geht rasch vorwärts. – Das erste Heft hat eine große Wirkung gemacht, welche Du aus dem einliegenden Blatt am besten beurtheilen kannst. Du wirst leicht errathen, daß sie von Genz ist, der sich bey dieser Gelegenheit als wahrer Freund und mit dem löblichsten Eifer bewährt hat – Ich habe Dir 2 Exemplare bestellt, eins von A[a]rau, eins über Zürich. Ich hoffe es ist früh in Deine Hände gekommen und bin nun äußerst begierig wie Du mit dem Ganzen und besonders mit meinem Antheil zufrieden bist. – Du mußt Dir nun schon gefallen lassen, daß dieser Brief nichts enthalten [2] wird, als mein Noth- und Hülfsgeschrey. An Beyträgen fehlt es mir nicht, aber die Deinigen sind es, die mir Noth thun und eigentlich helfen müssen. Ich sage es Dir noch einmal, so günstig der Anfang ist, das Gelingen und Bestehen des Ganzen hängt vorzüglich, ja fast ausschließend von Deiner vollen, ganzen, ernsten Theilnahme ab. Du hattest mir die Gedichte von Rudolf I doch so gewiß versprochen! Dieß wäre ein herrlicher und so äusserst passender Beytrag. Aber noch nothwendiger fast ist die Fortsetzung der Niebelungen. Besonders bitte ich um die historischen Kapitel. Alles ruft und schreyt danach. Die Guten, weil Du ihnen das lebhafteste Verlangen danach erregt; die noch Unentschiednen werden dadurch am Besten ins Reine kommen, und den bleibenden Caccadubbiis wird wenigstens der Mund gestopft. Vorzüglich aber wird dann verhindert, daß nicht andre Dich berauben und Dir die besten Ideen vorweg nehmen und verstümmelt unter die Leute bringen, welches sonst sehr leicht möglich ist, da so vieles davon schon ruchbar [3] und mitgetheilt worden. Bist Du mit dem FertigGeschriebenen nicht mehr überall ganz zufrieden, so schadet das ja nicht, da Du bey der Ausarbeitung genug wirst nachtragen können. Solltest Du wieder Vermuthen sehr bald das Ganze wollen vollenden und abdrucken lassen, so darf auch das Dich nicht hindern, da dieß ja ganz von Deiner Willkühr abhängt. Also schick, schick, schick, dieß ist meine inständigste und dringendste Bitte. Vor allem wünscht ich freylich die Kapitel von den verschiedenen Ueberarbeitungen, und daß das Gedicht seine letzte Gestalt in Oesterreich erhalten und also hier einheimisch ist. Dieß wird nicht bloß hier, sondern überhaupt am besten wirken. – Du mußt das Museum überhaupt ansehen, als wäre es nicht bloß meine Zeitschrift sondern unsre. Wer weiß, ob sie es nicht auch im buchstäblichsten Sinne werden kann, ich gestehe Dir ich habe diesen Wunsch heimlich von Anfang gehegt, und es könnte ja Fälle geben, wo dieß sehr leicht ausführbar und sehr vernünftig wäre.
Endlich sind Deine Gedichte angekommen. [4] Zuschrift ist wunderschön. 1 Ex[emplar] ord.[inäres Papier] habe ich an Genz gegeben, 1 auf Velin gebe ich Metternich der doch Dein wichtigster Gönner hier ist, das andre ist wohl für Sickingen bestimmet. Ich hoffe bald wie Du sie vertheilt haben willst, zu erfahren. – Deine Recension des Titurell habe ich noch nicht erhalten, aber schon viel Lobes davon von Heidelberg, auch von Büsching aus Breslau verkündigen hören. Ich bin sehr begierig darauf. Eigentlich gönne ich jetzt aber niemanden Beyträge von Dir, gar niemanden.
Balk ist jetzt hier, ich habe ihn aber noch nicht gesehn. Ba[a]der schreibt mir freundschaftlich. Schelling hat auch eine Zeitschrift angekündigt, und zwar mit einer Ankündigung die der meinigen in die Fußstapfen trat, bis auf einzelne Wendungen. Er nennt es von Teutschen für Teutsche. Ich will zufrieden seyn, wenn ich mein einfaches Deutsch behaupte. Aber was wird das auch für ein Deutsch seyn, was man uns da dafür geben wird – und was von daher kommt. Ich habe nur zuviel Bestätigung erfahren, daß seine Gesinnungen in der Hauptsache so schlecht und undeutsch als möglich sind. Es wird doch eine ganz rheinbundische und französische Tendenz haben.
Ich umarme Dich von Herzen, die Frau und Philipp grüssen.
Friedrich

Könnte in einem Schweizer Blatt eine Anzeige des Iten Hefts veranlaßt werden, wäre es sehr gut. – Unter vielen andern Briefen habe ich auch im Sinne an den Sohn Lavater in Zürich zu schreiben, um aus dem Nachlaß seines Vaters, besonders der Correspondenz [etwas] zu erhalten. Hast Du nähere Gelegenheit, so wäre das sehr gut.
[1] Wien den 28ten Januar 1812
Geliebter Bruder,
Ich bin recht eigentlich in Verzweiflung darüber, daß ich so lange nichts von Dir höre. Ich muß nun fast mit Gewißheit voraussetzen, daß der Brief vom 4ten December verlohren ist (am 4ten Januar schrieb ich wieder). Es ist um so mehr Schade, da er auch viele Niebelungica enthielt, welche zu wiederhohlen ich heute wenigstens durchaus keinen ruhigen Augenblick finde. – Ich bin mit Arbeit überhäuft, werde auch noch Vorlesungen halten und das Museum geht rasch vorwärts. – Das erste Heft hat eine große Wirkung gemacht, welche Du aus dem einliegenden Blatt am besten beurtheilen kannst. Du wirst leicht errathen, daß sie von Genz ist, der sich bey dieser Gelegenheit als wahrer Freund und mit dem löblichsten Eifer bewährt hat – Ich habe Dir 2 Exemplare bestellt, eins von A[a]rau, eins über Zürich. Ich hoffe es ist früh in Deine Hände gekommen und bin nun äußerst begierig wie Du mit dem Ganzen und besonders mit meinem Antheil zufrieden bist. – Du mußt Dir nun schon gefallen lassen, daß dieser Brief nichts enthalten [2] wird, als mein Noth- und Hülfsgeschrey. An Beyträgen fehlt es mir nicht, aber die Deinigen sind es, die mir Noth thun und eigentlich helfen müssen. Ich sage es Dir noch einmal, so günstig der Anfang ist, das Gelingen und Bestehen des Ganzen hängt vorzüglich, ja fast ausschließend von Deiner vollen, ganzen, ernsten Theilnahme ab. Du hattest mir die Gedichte von Rudolf I doch so gewiß versprochen! Dieß wäre ein herrlicher und so äusserst passender Beytrag. Aber noch nothwendiger fast ist die Fortsetzung der Niebelungen. Besonders bitte ich um die historischen Kapitel. Alles ruft und schreyt danach. Die Guten, weil Du ihnen das lebhafteste Verlangen danach erregt; die noch Unentschiednen werden dadurch am Besten ins Reine kommen, und den bleibenden Caccadubbiis wird wenigstens der Mund gestopft. Vorzüglich aber wird dann verhindert, daß nicht andre Dich berauben und Dir die besten Ideen vorweg nehmen und verstümmelt unter die Leute bringen, welches sonst sehr leicht möglich ist, da so vieles davon schon ruchbar [3] und mitgetheilt worden. Bist Du mit dem FertigGeschriebenen nicht mehr überall ganz zufrieden, so schadet das ja nicht, da Du bey der Ausarbeitung genug wirst nachtragen können. Solltest Du wieder Vermuthen sehr bald das Ganze wollen vollenden und abdrucken lassen, so darf auch das Dich nicht hindern, da dieß ja ganz von Deiner Willkühr abhängt. Also schick, schick, schick, dieß ist meine inständigste und dringendste Bitte. Vor allem wünscht ich freylich die Kapitel von den verschiedenen Ueberarbeitungen, und daß das Gedicht seine letzte Gestalt in Oesterreich erhalten und also hier einheimisch ist. Dieß wird nicht bloß hier, sondern überhaupt am besten wirken. – Du mußt das Museum überhaupt ansehen, als wäre es nicht bloß meine Zeitschrift sondern unsre. Wer weiß, ob sie es nicht auch im buchstäblichsten Sinne werden kann, ich gestehe Dir ich habe diesen Wunsch heimlich von Anfang gehegt, und es könnte ja Fälle geben, wo dieß sehr leicht ausführbar und sehr vernünftig wäre.
Endlich sind Deine Gedichte angekommen. [4] Zuschrift ist wunderschön. 1 Ex[emplar] ord.[inäres Papier] habe ich an Genz gegeben, 1 auf Velin gebe ich Metternich der doch Dein wichtigster Gönner hier ist, das andre ist wohl für Sickingen bestimmet. Ich hoffe bald wie Du sie vertheilt haben willst, zu erfahren. – Deine Recension des Titurell habe ich noch nicht erhalten, aber schon viel Lobes davon von Heidelberg, auch von Büsching aus Breslau verkündigen hören. Ich bin sehr begierig darauf. Eigentlich gönne ich jetzt aber niemanden Beyträge von Dir, gar niemanden.
Balk ist jetzt hier, ich habe ihn aber noch nicht gesehn. Ba[a]der schreibt mir freundschaftlich. Schelling hat auch eine Zeitschrift angekündigt, und zwar mit einer Ankündigung die der meinigen in die Fußstapfen trat, bis auf einzelne Wendungen. Er nennt es von Teutschen für Teutsche. Ich will zufrieden seyn, wenn ich mein einfaches Deutsch behaupte. Aber was wird das auch für ein Deutsch seyn, was man uns da dafür geben wird – und was von daher kommt. Ich habe nur zuviel Bestätigung erfahren, daß seine Gesinnungen in der Hauptsache so schlecht und undeutsch als möglich sind. Es wird doch eine ganz rheinbundische und französische Tendenz haben.
Ich umarme Dich von Herzen, die Frau und Philipp grüssen.
Friedrich

Könnte in einem Schweizer Blatt eine Anzeige des Iten Hefts veranlaßt werden, wäre es sehr gut. – Unter vielen andern Briefen habe ich auch im Sinne an den Sohn Lavater in Zürich zu schreiben, um aus dem Nachlaß seines Vaters, besonders der Correspondenz [etwas] zu erhalten. Hast Du nähere Gelegenheit, so wäre das sehr gut.
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