• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Bonn · Date: 25.02.1819
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 25.02.1819
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 30. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Die Epoche der Zeitschrift Concordia (6. November 1818 ‒ Mai 1823). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Eugène Susini. Paderborn 1980, S. 91‒92.
  • Incipit: „[1] Wien, den 25ten Februar 1819.
    Geliebter Bruder!
    Ich bin so eben im Begriff, nach Bologna abzureisen, wo ich den Fürsten Mett.[ernich] erwarten [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-34288
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.24.d,Nr.227
  • Number of Pages: 4S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 21 x 12,7 cm
    Language
  • German
[1] Wien, den 25ten Februar 1819.
Geliebter Bruder!
Ich bin so eben im Begriff, nach Bologna abzureisen, wo ich den Fürsten Mett.[ernich] erwarten <soll>, der erst in einigen Tagen geht. Der Tag der Abreise war erst früher angesetzt, wurde dann verschoben und zuletzt doch noch wieder auf heute bestimmt; da ich fast schon geglaubt hatte, daß es später seyn würde. Du kannst Dir also leicht das Gedränge und die Verwirrung dieser letzten Tage denken; absichtlich verschob ich diese Zeilen des Abschiedes bis auf die letzte Stunde, da ich dachte, daß unterdeß vielleicht noch ein Brief von Dir eintreffen könnte.
Wenn man einen großen Wunsch endlich erreicht hat, so geschieht es gewöhnlich, daß doch wieder andres schmerzlich und unerfüllt zurückbleibt. So schmerzlich es mir nun ist, Deinen Wunsch, im nächsten Monath zu Dir und nach Heidelb.[erg] zu gehn, nicht erfüllen zu können; so tröstet mich nur das Eine dabey, daß es mir ganz zuverläßig, auch ohne die italiänische Reise unmöglich gewesen seyn würde, Deinen Wunsch zu erfüllen, da ich auch gar keine Aussicht vor mir sah, diese Unmöglichkeit zu heben. Außerdem ist es mir sehr zweifelhaft ja mehr als zweifelhaft, ob meine persönliche [2] Gegenwart so wie die Sache jetzt steht, irgend von Nutzen hätte seyn können. In meinen Briefen an die Mutter und an Sophie habe ich alles aufgeboten, was ich nur konnte, um der Mutter fühlbar zu machen wie sie mit diesen Gründen gewiß nicht durchdringen wird, und eine gerichtliche Scheidung gar von ihrer Seite nicht begründet ist, und wie Unrecht sie hatten, die Sache in die rohen Hände der Advocaten zu geben. Sophieen habe ich in einem allgemeinen aussöhnenden Sinne geschrieben, und daß sie zu Dir gehn soll.
Laß mich sobald als möglich wieder Nachricht von Dir haben. Im Rom bin ich von circa 2ten April bis 24ten; die Addresse meiner Frau, unter welcher Du mir direkte dort hin schreiben könntest, ist Dorothea di Schlegel, via Sistina, N° 72. Secondo Piano.– Außerdem aber kannst Du mir über Wien schreiben, indem Du die Briefe an den k. k. Hofsecretär Herrn von Pilat (Kohlmarkt, bey den drey Laufern) addressirst; wo mir die Briefe <dann> überall, wo wir seyn werden, sehr sicher und schnell nachgeschickt werden können, indem uns regelmäßig, wöchentlich mehreremale Couriere von der Staatskanzley nachgehn. [3] Allem Ansehn nach bin ich im Monath Julius, spätestens Anfangs August wieder zurück. Neigt sich die Sache zur Aussöhnung, so bin ich dann gewiß viel freyer, und kann es vielleicht möglich machen, zu Euch zu kommen. Am nützlichsten glaubte ich Euch seyn zu können, wenn Sophie sich erst entschlossen hätte, wieder zu Dir zu gehn, und ich dann einen oder ein paar Monath mit Euch zusammen leben könnte. Laß mich fortdauernd von allem genau unterrichtet seyn; ich kann noch nicht alle Hoffnung aufgeben, und mich in den Gedanken dieses Unglücks fügen, so lange nur noch ein Funken von Hoffnung übrig ist.
Die herzlichsten Grüße an Windischmann. Bitte auch ihn, daß er mir schreibt, mich verlangt sehr danach. Ich wünsche fortdauernd auch von dem dortigen Wesen und der Entwicklung der neuen Anstalt Euern Bericht und Urtheil zu hören. Es ist das an sich sehr wichtig und ich halte mein Auge fest darauf gerichtet.
Von meiner Frau habe ich fortdauernd die besten Nachrichten. O lieber Bruder, ich kann mich nur halb freun, über diese Reise, <und daß sie> nun endlich [4] doch gelungen ist, da der Gedanke an Dein Unglück mich immer quälend begleitet.
Nochmals bitte ich um häufige und schnelle Nachrichten von der Hauptsache und von Allem. Erhalte mir Deine brüderliche Freundschaft bis zum Wiedersehn.
Dein Friedrich.
[1] Wien, den 25ten Februar 1819.
Geliebter Bruder!
Ich bin so eben im Begriff, nach Bologna abzureisen, wo ich den Fürsten Mett.[ernich] erwarten <soll>, der erst in einigen Tagen geht. Der Tag der Abreise war erst früher angesetzt, wurde dann verschoben und zuletzt doch noch wieder auf heute bestimmt; da ich fast schon geglaubt hatte, daß es später seyn würde. Du kannst Dir also leicht das Gedränge und die Verwirrung dieser letzten Tage denken; absichtlich verschob ich diese Zeilen des Abschiedes bis auf die letzte Stunde, da ich dachte, daß unterdeß vielleicht noch ein Brief von Dir eintreffen könnte.
Wenn man einen großen Wunsch endlich erreicht hat, so geschieht es gewöhnlich, daß doch wieder andres schmerzlich und unerfüllt zurückbleibt. So schmerzlich es mir nun ist, Deinen Wunsch, im nächsten Monath zu Dir und nach Heidelb.[erg] zu gehn, nicht erfüllen zu können; so tröstet mich nur das Eine dabey, daß es mir ganz zuverläßig, auch ohne die italiänische Reise unmöglich gewesen seyn würde, Deinen Wunsch zu erfüllen, da ich auch gar keine Aussicht vor mir sah, diese Unmöglichkeit zu heben. Außerdem ist es mir sehr zweifelhaft ja mehr als zweifelhaft, ob meine persönliche [2] Gegenwart so wie die Sache jetzt steht, irgend von Nutzen hätte seyn können. In meinen Briefen an die Mutter und an Sophie habe ich alles aufgeboten, was ich nur konnte, um der Mutter fühlbar zu machen wie sie mit diesen Gründen gewiß nicht durchdringen wird, und eine gerichtliche Scheidung gar von ihrer Seite nicht begründet ist, und wie Unrecht sie hatten, die Sache in die rohen Hände der Advocaten zu geben. Sophieen habe ich in einem allgemeinen aussöhnenden Sinne geschrieben, und daß sie zu Dir gehn soll.
Laß mich sobald als möglich wieder Nachricht von Dir haben. Im Rom bin ich von circa 2ten April bis 24ten; die Addresse meiner Frau, unter welcher Du mir direkte dort hin schreiben könntest, ist Dorothea di Schlegel, via Sistina, N° 72. Secondo Piano.– Außerdem aber kannst Du mir über Wien schreiben, indem Du die Briefe an den k. k. Hofsecretär Herrn von Pilat (Kohlmarkt, bey den drey Laufern) addressirst; wo mir die Briefe <dann> überall, wo wir seyn werden, sehr sicher und schnell nachgeschickt werden können, indem uns regelmäßig, wöchentlich mehreremale Couriere von der Staatskanzley nachgehn. [3] Allem Ansehn nach bin ich im Monath Julius, spätestens Anfangs August wieder zurück. Neigt sich die Sache zur Aussöhnung, so bin ich dann gewiß viel freyer, und kann es vielleicht möglich machen, zu Euch zu kommen. Am nützlichsten glaubte ich Euch seyn zu können, wenn Sophie sich erst entschlossen hätte, wieder zu Dir zu gehn, und ich dann einen oder ein paar Monath mit Euch zusammen leben könnte. Laß mich fortdauernd von allem genau unterrichtet seyn; ich kann noch nicht alle Hoffnung aufgeben, und mich in den Gedanken dieses Unglücks fügen, so lange nur noch ein Funken von Hoffnung übrig ist.
Die herzlichsten Grüße an Windischmann. Bitte auch ihn, daß er mir schreibt, mich verlangt sehr danach. Ich wünsche fortdauernd auch von dem dortigen Wesen und der Entwicklung der neuen Anstalt Euern Bericht und Urtheil zu hören. Es ist das an sich sehr wichtig und ich halte mein Auge fest darauf gerichtet.
Von meiner Frau habe ich fortdauernd die besten Nachrichten. O lieber Bruder, ich kann mich nur halb freun, über diese Reise, <und daß sie> nun endlich [4] doch gelungen ist, da der Gedanke an Dein Unglück mich immer quälend begleitet.
Nochmals bitte ich um häufige und schnelle Nachrichten von der Hauptsache und von Allem. Erhalte mir Deine brüderliche Freundschaft bis zum Wiedersehn.
Dein Friedrich.
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