• August Wilhelm von Schlegel to Sophie Bernhardi

  • Place of Dispatch: Coppet · Place of Destination: Bad Liebenstein · Date: 29.06.1804 bis 03.07.1804
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Sophie Bernhardi
  • Place of Dispatch: Coppet
  • Place of Destination: Bad Liebenstein
  • Date: 29.06.1804 bis 03.07.1804
  • Notations: Absendeort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 113‒116.
  • Incipit: „[Coppet] d.29 Jun. [180]4
    Wie geht es Ihnen denn, meine geliebte Freundin? wie ist es mit Ihrer Gesundheit? Wenn dieser Brief Sie [...]“
    Language
  • German
[Coppet] d.29 Jun. [180]4
Wie geht es Ihnen denn, meine geliebte Freundin? wie ist es mit Ihrer Gesundheit? Wenn dieser Brief Sie schon wieder aus dem Bade zurückgekehrt findet, so seyn Sie mit den herzlichsten Wünschen für eine fortdauernd gute Wirkung in W.[eimar] bewillkommt. Ich weiß Ihnen nicht genug zu danken für den so bald gefaßten Entschluß nach Liebenstein zu reisen, es ist mir eine günstige Vorbedeutung für die Annahme meiner Vorschläge auf den Herbst.
Gern möchte ich Ihnen etwas Liebes erweisen, etwas von schönen Gegenden, warmem Wetter und heiteren Gesprächen einpacken und übersenden. In Ermangelung eines Besseren schicke ich einstweilen einen kleinen Wechsel. Wilhelms Geburtstag ist zwar versäumt, doch nimmt er es vielleicht nicht so genau, wenn Sie ihm und Felix ein Geschenk in meinem Namen nachbringen. Dann seyn Sie so gütig, Ihren Bruder etwas Hübsches zum Anzug oder Putz für Sie kaufen und sich damit überraschen zu lassen. Was übrig bleibt, wird noch einige gemeine Dienste in der Haushaltung leisten können. Ich wollte, es wäre mehr, und verspreche Ihnen gewiß in Zukunft besser zu sorgen.
d. 2tenJul. Ein unvorhergesehenes Hinderniß hat es mir unmöglich gemacht, diesen angefangnen Brief am Freytage zur rechten Zeit auf die Post zu befördern, zu meinem Verdruß hat also auch der Wechsel liegen bleiben müssen. Wenn Sie nur nicht in Verlegenheiten sind! Um Morgen den Abgang der Post gewiß nicht zu versäumen, schreibe ich heute im Vorrath.
Am Freytag Nachmittag habe ich mit den jungen Leuten, und ihrem Vetter Hrn. Necker, der Professor der Botanik ist, eine Partie auf die Dole gemacht, die höchste Felsenspitze des Jura. Wir fuhren bis an den Fuß der Berge, und gingen dann zu Fuß weiter, der Weg ist zum Theil beschwerlich aber die Aussicht belohnend. Zu unsern Füßen hatten wir die reiche schön angebaute Ebne vom Jura bis an den See, den man ganz übersieht, von Genf bis zum Walliserlande, hinter dem See nach verschiednen niedrigeren Bergen die Savoyischen Alpen und Gletscher, in ihrer Mitte den Mont Blanc in seiner vollen Pracht, links die wallisischen Gebirge und das bernische Oberland, rechts von Genf noch einen Theil von Savoyen und Französischem Gebiet. Im Rücken hatten wir die Aussicht ebenfalls frey, freylich ist sie lange nicht so schön, doch sieht man unermeßlich weit in die Franche-Comté hinein. Es ist herrlich so zwischen zwey Ländern zu stehen, denn das nächste Dorf auf dieser Seite ist schon französisch. Ich konnte mir dabey recht Moses auf dem Berge Nebo denken. Der Gipfel der Dole ist unbewaldet, aber über und zwischen den Felsen die herrlichsten Weiden, mit seltnen Blumen angefüllt, die alle in Flor standen. Weiter unten Tannenwälder, zerstreute Sennenhütten, und das Glockengeläut der weidenden Kühe. Wir frühstückten oben, wir hatten uns schon um 4 Uhr von dem Dorfe wo wir übernachtet, auf den Weg gemacht, dann erfrischten wir uns im Heruntersteigen in einer Sennenhütte mit Rahm und wanderten so weiter, bis wo wir unsere Wagen zurückgelassen hatten; am Sonnabend Nachmittag waren wir wieder hier. Ich beschreibe Ihnen dieß, um Ihnen Lust zu der Reise zu machen. Freylich würde ein solches Unternehmen für Sie unthunlich seyn, allein Sie könnten beynah den halben Genuß, ohne Beschwerlichkeiten haben.
Vor einer Woche hat uns Müller verlassen, nachdem er die letzten Tage mit Bonstetten ganz hier zugebracht hatte. Gern hätte ich ihm etwas an Sie mitgegeben, es wäre mir ein werther Gedanke gewesen, Ihnen einen Boten zu schicken. Aber er geht nicht über Weimar, er vermeidet es geflissentlich, weil er voraussieht, daß er es so schnell nicht würde verlassen können, und er will nach der Mitte Juli in Berlin seyn. Ich habe viele angenehme Stunden mit ihm gehabt, und ihm an einem der letzten Tage noch das vorgelesen, was ich über die Nibelungen geschrieben und daraus übersetzt. Es ist sehr lange her seit er diese Sachen studirt, und vielleicht hat er es nie aus dem Grunde gethan, allein er weiß so unermeßlich viel, und ist in jedem Theile, jedem Zeitalter der Geschichte so zu Hause, daß es unendlich belehrend ist, mit ihm darüber zu sprechen. Wenn Ihr Bruder dazu Gelegenheit hat, ehe er seine Arbeit bekannt macht, sollte er es ja nicht versäumen.
Vor 8 Tagen erhielt ich einen Brief von Ihrem Bruder mit der Nachricht von Ihrem Aufenthalte in Liebenstein. Heute hat mir die Post einen Brief von meiner Mutter aber nichts von Ihnen gebracht. Ich habe Tiecks Brief unsäglich oft gelesen, um alles tröstliche daraus zu ziehen, was meine Unruhe mildern kann, da ich leider in der Lage bin 10 bis 14 Tage mich ohne erneuerte Nachrichten behelfen zu müssen. Bis jetzt habe ich alle Wochen geschrieben und fahre damit fort. Übermorgen werde ich Fr.[au] von Stael mit ihrem ältesten Sohne nach Lausanne begleiten, wo sie bey der Cantons-Verwaltung Geschäfte wegen ihrer Güter hat, vermuthlich bleiben wir dort bis Sonntag, vielleicht gehn wir auf einen Tag nach Vevey, um die Gegend zu sehen, dann besuche ich Matthisson, der dort in Langerweile bey der Fürstin von Dessau schmachtet, zur Strafe für seine Elegie auf den Genfer See. – Alsdann hätte ich so ziemlich die schönen Punkte am See diesseits durchlaufen, Fr.[au] von St.[aël] hat viel Gefälligkeit für mich, daß ich alles sehen soll, für sie selbst hat es wenig Interesse, da sie so viele Jahre in dieser Gegend zugebracht.
Was die Abreise nach Italien betrifft so geht sie vielleicht ein 10 Tage früher vor sich, es kann nämlich seyn, daß Fr.[au] von St.[aël] sich eine Zusammenkunft mit ihrem Freunde Matthieu de Montmorency in Lyon giebt, wenn er nämlich nicht zuvor von Paris hieher kommen kann. Ich glaube schwerlich daß selbst die erste Französische Provinzialstadt mich sonderlich interessiren kann, in Frankreich ist Paris eins und alles, außerhalb giebt es fast keine ausgezeichnete Menschen noch Kunstwerke, noch sonst etwas. Die Bekanntschaft mit einem der wenigen edeln und religiösen Männer, die Frankreich noch besitzt, würde mir aber gewiß sehr werth seyn.
Sie müßten ja vor der Mitte des September hier seyn, damit wir noch einige Wochen zusammen zubrächten. Am 1ten August gehen wir nach Genf, werden aber nachher noch wieder hieher zurückkommen, nach 6 oder 8 Wochen vermutlich. Anmuthiger wäre es, wenn wir hier auf dem Lande in dem selben Hause mit einander wohnten. Vielleicht ziehen Sie aber vor, für sich allein zu wohnen und so würden Sie in Genf zwangloser seyn wo Fr.[au] von St.[aël] kein sehr geräumiges Logis hat, daß sie Gäste darin aufnehmen könnte. – Sie müssen sich in Allem ganz nach Ihrer Neigung einrichten. Wenn Sie die Einladung der Fr. [au] v. St.[aël] auf ihr Schloß annehmen, so wird ohne Zweifel unser Aufenthalt in Genf darnach abgekürzt werden können, um so mehr wenn Ihr Bruder mitkommt, um die Arbeit hier vorzunehmen. Die frühere Abreise würde bey der letztern auch durchaus nicht hinderlich seyn, überdem ist sie noch ungewiß. Ihr Bruder könnte mit aller Bequemlichkeit länger als wir hier bleiben und seine Arbeit vollenden, es würde ihm nichts als die Gesellschaft abgehn. Käme er aber Mitte September, so wären wir doch wenigstens noch 4 Wochen zusammen.
Sollte Ihnen die Reise über die Alpen für Ihre Kräfte zu beschwerlich seyn, wiewohl auf dem gewöhnlichen Wege über den Mont Cenis alles sehr gut eingerichtet ist, so könnten Sie durch Frankreich ganz bequem nach Nizza gehn und dort einstweilen bleiben. Überhaupt dürfen Sie sich die Reise nicht zu ermüdend denken. Nirgends habe ich bequemere Wege gesehen als in der Schweiz auf dem Wege hieher, auch in Deutschland wird alles im ganzen besser so wie man nach Süden kommt. Ich erwarte mit Ungeduld Ihren Entschluß, und werde vor Freuden außer mir seyn, wenn er meinen Wünschen entspricht. Ich schreibe alsdann gleich an Hufeland. Wenn ich Ihnen nur sagen könnte, wie mein ganzes Sinnen und Trachten darauf gerichtet ist, Ihnen ein recht frohes und freyes Leben zu verschaffen.
Ich habe letzthin mich entschließen müssen an Unger zu schreiben, und ihn um Abtrag des Wechsels von Hufeland zu bitten. Wenn er es nicht übernimmt, so muß ich freylich von hier aus Anstalt machen, und das wäre schlimm weil es meine Mittel erschöpft. Manuscript habe ich natürlich noch nicht abschicken können.
Ich bitte um einen Auszug aus dem Catalog von Herders Bibliothek wenn er gedruckt erscheint da es zu weitläuftig ist, ihn ganz zu schicken. Sie wissen schon was mich interessirt, die Spanischen und Altdeutschen Sachen.
d. 3 Jul. Leben Sie recht wohl, liebste Freundin. Ich bin heute allein zu Haus, da Fr.[au] von Stael einen Besuch bey ihrem Oheim in Cologny macht. Morgen reisen wir aber zusammen nach Lausanne, hoffentlich wird mir dorthin ein Brief von Ihnen oder Tieck nachgeschickt. Meine Gedanken und zärtlichen Besorgnisse sind überall bey Ihnen. Könnte ich Sie doch bald hier begrüßen, und aus jedem Athemzuge milderer Luft neue Hoffnung für Sie schöpfen. Ich herze die kleinen Engel.
[Coppet] d.29 Jun. [180]4
Wie geht es Ihnen denn, meine geliebte Freundin? wie ist es mit Ihrer Gesundheit? Wenn dieser Brief Sie schon wieder aus dem Bade zurückgekehrt findet, so seyn Sie mit den herzlichsten Wünschen für eine fortdauernd gute Wirkung in W.[eimar] bewillkommt. Ich weiß Ihnen nicht genug zu danken für den so bald gefaßten Entschluß nach Liebenstein zu reisen, es ist mir eine günstige Vorbedeutung für die Annahme meiner Vorschläge auf den Herbst.
Gern möchte ich Ihnen etwas Liebes erweisen, etwas von schönen Gegenden, warmem Wetter und heiteren Gesprächen einpacken und übersenden. In Ermangelung eines Besseren schicke ich einstweilen einen kleinen Wechsel. Wilhelms Geburtstag ist zwar versäumt, doch nimmt er es vielleicht nicht so genau, wenn Sie ihm und Felix ein Geschenk in meinem Namen nachbringen. Dann seyn Sie so gütig, Ihren Bruder etwas Hübsches zum Anzug oder Putz für Sie kaufen und sich damit überraschen zu lassen. Was übrig bleibt, wird noch einige gemeine Dienste in der Haushaltung leisten können. Ich wollte, es wäre mehr, und verspreche Ihnen gewiß in Zukunft besser zu sorgen.
d. 2tenJul. Ein unvorhergesehenes Hinderniß hat es mir unmöglich gemacht, diesen angefangnen Brief am Freytage zur rechten Zeit auf die Post zu befördern, zu meinem Verdruß hat also auch der Wechsel liegen bleiben müssen. Wenn Sie nur nicht in Verlegenheiten sind! Um Morgen den Abgang der Post gewiß nicht zu versäumen, schreibe ich heute im Vorrath.
Am Freytag Nachmittag habe ich mit den jungen Leuten, und ihrem Vetter Hrn. Necker, der Professor der Botanik ist, eine Partie auf die Dole gemacht, die höchste Felsenspitze des Jura. Wir fuhren bis an den Fuß der Berge, und gingen dann zu Fuß weiter, der Weg ist zum Theil beschwerlich aber die Aussicht belohnend. Zu unsern Füßen hatten wir die reiche schön angebaute Ebne vom Jura bis an den See, den man ganz übersieht, von Genf bis zum Walliserlande, hinter dem See nach verschiednen niedrigeren Bergen die Savoyischen Alpen und Gletscher, in ihrer Mitte den Mont Blanc in seiner vollen Pracht, links die wallisischen Gebirge und das bernische Oberland, rechts von Genf noch einen Theil von Savoyen und Französischem Gebiet. Im Rücken hatten wir die Aussicht ebenfalls frey, freylich ist sie lange nicht so schön, doch sieht man unermeßlich weit in die Franche-Comté hinein. Es ist herrlich so zwischen zwey Ländern zu stehen, denn das nächste Dorf auf dieser Seite ist schon französisch. Ich konnte mir dabey recht Moses auf dem Berge Nebo denken. Der Gipfel der Dole ist unbewaldet, aber über und zwischen den Felsen die herrlichsten Weiden, mit seltnen Blumen angefüllt, die alle in Flor standen. Weiter unten Tannenwälder, zerstreute Sennenhütten, und das Glockengeläut der weidenden Kühe. Wir frühstückten oben, wir hatten uns schon um 4 Uhr von dem Dorfe wo wir übernachtet, auf den Weg gemacht, dann erfrischten wir uns im Heruntersteigen in einer Sennenhütte mit Rahm und wanderten so weiter, bis wo wir unsere Wagen zurückgelassen hatten; am Sonnabend Nachmittag waren wir wieder hier. Ich beschreibe Ihnen dieß, um Ihnen Lust zu der Reise zu machen. Freylich würde ein solches Unternehmen für Sie unthunlich seyn, allein Sie könnten beynah den halben Genuß, ohne Beschwerlichkeiten haben.
Vor einer Woche hat uns Müller verlassen, nachdem er die letzten Tage mit Bonstetten ganz hier zugebracht hatte. Gern hätte ich ihm etwas an Sie mitgegeben, es wäre mir ein werther Gedanke gewesen, Ihnen einen Boten zu schicken. Aber er geht nicht über Weimar, er vermeidet es geflissentlich, weil er voraussieht, daß er es so schnell nicht würde verlassen können, und er will nach der Mitte Juli in Berlin seyn. Ich habe viele angenehme Stunden mit ihm gehabt, und ihm an einem der letzten Tage noch das vorgelesen, was ich über die Nibelungen geschrieben und daraus übersetzt. Es ist sehr lange her seit er diese Sachen studirt, und vielleicht hat er es nie aus dem Grunde gethan, allein er weiß so unermeßlich viel, und ist in jedem Theile, jedem Zeitalter der Geschichte so zu Hause, daß es unendlich belehrend ist, mit ihm darüber zu sprechen. Wenn Ihr Bruder dazu Gelegenheit hat, ehe er seine Arbeit bekannt macht, sollte er es ja nicht versäumen.
Vor 8 Tagen erhielt ich einen Brief von Ihrem Bruder mit der Nachricht von Ihrem Aufenthalte in Liebenstein. Heute hat mir die Post einen Brief von meiner Mutter aber nichts von Ihnen gebracht. Ich habe Tiecks Brief unsäglich oft gelesen, um alles tröstliche daraus zu ziehen, was meine Unruhe mildern kann, da ich leider in der Lage bin 10 bis 14 Tage mich ohne erneuerte Nachrichten behelfen zu müssen. Bis jetzt habe ich alle Wochen geschrieben und fahre damit fort. Übermorgen werde ich Fr.[au] von Stael mit ihrem ältesten Sohne nach Lausanne begleiten, wo sie bey der Cantons-Verwaltung Geschäfte wegen ihrer Güter hat, vermuthlich bleiben wir dort bis Sonntag, vielleicht gehn wir auf einen Tag nach Vevey, um die Gegend zu sehen, dann besuche ich Matthisson, der dort in Langerweile bey der Fürstin von Dessau schmachtet, zur Strafe für seine Elegie auf den Genfer See. – Alsdann hätte ich so ziemlich die schönen Punkte am See diesseits durchlaufen, Fr.[au] von St.[aël] hat viel Gefälligkeit für mich, daß ich alles sehen soll, für sie selbst hat es wenig Interesse, da sie so viele Jahre in dieser Gegend zugebracht.
Was die Abreise nach Italien betrifft so geht sie vielleicht ein 10 Tage früher vor sich, es kann nämlich seyn, daß Fr.[au] von St.[aël] sich eine Zusammenkunft mit ihrem Freunde Matthieu de Montmorency in Lyon giebt, wenn er nämlich nicht zuvor von Paris hieher kommen kann. Ich glaube schwerlich daß selbst die erste Französische Provinzialstadt mich sonderlich interessiren kann, in Frankreich ist Paris eins und alles, außerhalb giebt es fast keine ausgezeichnete Menschen noch Kunstwerke, noch sonst etwas. Die Bekanntschaft mit einem der wenigen edeln und religiösen Männer, die Frankreich noch besitzt, würde mir aber gewiß sehr werth seyn.
Sie müßten ja vor der Mitte des September hier seyn, damit wir noch einige Wochen zusammen zubrächten. Am 1ten August gehen wir nach Genf, werden aber nachher noch wieder hieher zurückkommen, nach 6 oder 8 Wochen vermutlich. Anmuthiger wäre es, wenn wir hier auf dem Lande in dem selben Hause mit einander wohnten. Vielleicht ziehen Sie aber vor, für sich allein zu wohnen und so würden Sie in Genf zwangloser seyn wo Fr.[au] von St.[aël] kein sehr geräumiges Logis hat, daß sie Gäste darin aufnehmen könnte. – Sie müssen sich in Allem ganz nach Ihrer Neigung einrichten. Wenn Sie die Einladung der Fr. [au] v. St.[aël] auf ihr Schloß annehmen, so wird ohne Zweifel unser Aufenthalt in Genf darnach abgekürzt werden können, um so mehr wenn Ihr Bruder mitkommt, um die Arbeit hier vorzunehmen. Die frühere Abreise würde bey der letztern auch durchaus nicht hinderlich seyn, überdem ist sie noch ungewiß. Ihr Bruder könnte mit aller Bequemlichkeit länger als wir hier bleiben und seine Arbeit vollenden, es würde ihm nichts als die Gesellschaft abgehn. Käme er aber Mitte September, so wären wir doch wenigstens noch 4 Wochen zusammen.
Sollte Ihnen die Reise über die Alpen für Ihre Kräfte zu beschwerlich seyn, wiewohl auf dem gewöhnlichen Wege über den Mont Cenis alles sehr gut eingerichtet ist, so könnten Sie durch Frankreich ganz bequem nach Nizza gehn und dort einstweilen bleiben. Überhaupt dürfen Sie sich die Reise nicht zu ermüdend denken. Nirgends habe ich bequemere Wege gesehen als in der Schweiz auf dem Wege hieher, auch in Deutschland wird alles im ganzen besser so wie man nach Süden kommt. Ich erwarte mit Ungeduld Ihren Entschluß, und werde vor Freuden außer mir seyn, wenn er meinen Wünschen entspricht. Ich schreibe alsdann gleich an Hufeland. Wenn ich Ihnen nur sagen könnte, wie mein ganzes Sinnen und Trachten darauf gerichtet ist, Ihnen ein recht frohes und freyes Leben zu verschaffen.
Ich habe letzthin mich entschließen müssen an Unger zu schreiben, und ihn um Abtrag des Wechsels von Hufeland zu bitten. Wenn er es nicht übernimmt, so muß ich freylich von hier aus Anstalt machen, und das wäre schlimm weil es meine Mittel erschöpft. Manuscript habe ich natürlich noch nicht abschicken können.
Ich bitte um einen Auszug aus dem Catalog von Herders Bibliothek wenn er gedruckt erscheint da es zu weitläuftig ist, ihn ganz zu schicken. Sie wissen schon was mich interessirt, die Spanischen und Altdeutschen Sachen.
d. 3 Jul. Leben Sie recht wohl, liebste Freundin. Ich bin heute allein zu Haus, da Fr.[au] von Stael einen Besuch bey ihrem Oheim in Cologny macht. Morgen reisen wir aber zusammen nach Lausanne, hoffentlich wird mir dorthin ein Brief von Ihnen oder Tieck nachgeschickt. Meine Gedanken und zärtlichen Besorgnisse sind überall bey Ihnen. Könnte ich Sie doch bald hier begrüßen, und aus jedem Athemzuge milderer Luft neue Hoffnung für Sie schöpfen. Ich herze die kleinen Engel.
· Beiliegender Brief von/an A.W. Schlegel , 03.07.1804
· Berlin, Staatsbibliothek
· NL L. Tieck 42, Mp. 4 Bl. 101
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