• August Wilhelm von Schlegel to Alexander von Humboldt

  • Place of Dispatch: Paris · Place of Destination: Paris · Date: 28.12.1817
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Alexander von Humboldt
  • Place of Dispatch: Paris
  • Place of Destination: Paris
  • Date: 28.12.1817
  • Notations: Abschrift von fremder Hand.
    Printed Text
  • Bibliography: Lenz, Max: Geschichte der königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Bd. 4. Halle 1918, S. 336‒337.
  • Weitere Drucke: Oppeln-Bronikowski, Friedrich von: David Ferdinand Koreff. Berlin u.a. 1928, S. 225‒227.
  • Verlag: Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses Halle
  • Incipit: „[1] Nichts konnte mir schmeichelhafter sein, mein verehrtester Freund, als die Berufung zu einer Lehrstelle an der Universität in Berlin. Während [...]“
    Manuscript
  • Provider: Berlin, Geheimes Staatsarchiv, Preußischer Kulturbesitz
  • Classification Number: I HA, Rep. 76, Va, Sekt. 2, Tit. IV, Nr. 1, Bd. 5, 23–24
  • Number of Pages: 4 S.
    Language
  • German
[1] Nichts konnte mir schmeichelhafter sein, mein verehrtester Freund, als die Berufung zu einer Lehrstelle an der Universität in Berlin. Während meiner langen Abwesenheit von Deutschland besorgte ich oft dort vergessen zu sein. Die ehrenvolle Aufmerksamkeit Ihrer Regierung belohnt mich für die Bemühungen, welche ich aufgewandt habe, um mich als Schriftsteller auszuzeichnen; und ich bitte Sie, meinen Gönnern in Berlin meinen lebhaftesten Dank zu bezeugen.
In dem glänzenden Mittelpunkte der deutschen Geistesbildung, unter einer Regierung, welche die Wissenschaften zu ehren weiß, als öffentlicher Lehrer aufzutreten, ist allerdings sehr einladend. Auf der andern Seite wissen Sie, welche gesellige Annehmlichkeiten der Aufenthalt hier, und während des Sommers in der Schweiz, auch nach dem unersetzlichen Verluste, den ich erlitten habe, mir darbietet. Die Kinder meiner verewigten Freundin haben, so wie in allen Stücken ihre Gesinnungen, so auch einen Teil ihrer Freundschaft für mich geerbt und wünschen mich nach wie vor als ihren Hausgenossen zu betrachten. Ich kann in völlig sorgenfreier Muße meine Pläne zu gelehrten Werken ausarbeiten. Wann ich also den Entschluß fasse, einen Kreis zu verlassen, in welchem mich so werte Erinnerungen festhalten, so bestimmt mich allein der Wunsch, meinem Vaterlande nach besten Kräften mich nützlich zu machen und den eingesammelten Ertrag langer Studien und Reisen deutschen Zuhörern mitzuteilen.
[2] Erlauben Sie mir, selbst keine Vorschläge in bezug auf die Bedingungen zu tun. Man kann dabei nur das vor Augen haben, was man aufgibt, und was man bedarf; eine Regierung hingegen hat ihre Verwilligungen nach dem Nutzen abzumessen, den die Mitwirkung eines Gelehrten für den öffentlichen Unterricht erwarten läßt. Überdies bin ich nicht genau unterrichtet, was für Gehalte so viele in Berlin angestellte verdiente Männer genießen, und möchte nicht mit verhältnismäßig unbescheidenen Ansprüchen auftreten.
Das Amt in Berlin, wozu ich die meiste Neigung gehabt haben würde, und in welchem ich vielleicht hätte nützlich sein können, die Stelle eines Königl. Bibliothekars, ist seit anderthalb Jahren durch den gelehrten Professor Wilken vortrefflich besetzt. Ich weiß aus eigner Erfahrung, daß man in Berlin für Vorlesungen ein zahlreiches Publikum gebildeter Zuhörer aus allen Klassen finden kann, doch ist der Ertrag, den man in Vorlesungen zu hoffen hat, auf die Dauer von mancherlei Zufälligkeiten abhängig.
Die Universität in Berlin ist seit meiner Entfernung gestiftet, ich bin also mit ihrer Verfassung unbekannt. Indessen vermute ich, es wird ebenso sein, wie auf andern Universitäten des nördlichen Deutschlands, daß eine Professur nur zu einer Vorlesung über einen speziellen Gegenstand halbjährig verpflichtet, das meiste aber in Privatvorlesungen vorgetragen wird, deren Wahl und Anordnung in gewissem Grade dem Lehrer selbst überlassen bleibt. Die Vorlesungen, die man vermutlich zunächst von mir erwartet, und [3] auf die ich auch vielleicht am besten vorbereitet bin, würden etwa sein: Geschichte der Literatur des Mittelalters und des neueren Europa; Geschichte der deutschen Sprache, Poesie und Literatur insbesondere; Geschichte der griechischen und römischen Literatur, nicht sowohl in philologischer Hinsicht, als unter allgemeineren Gesichtspunkten der Geistesbildung; Geschichte der bildenden Künste in der alten und neuen Zeit; ferner eigentliche Archäologie; endlich römische Geschichte und Altertümer in Verbindung mit den etrurischen und altitalischen überhaupt. In allen diesen Fächern habe ich wahrscheinlich dort bedeutende Mitwerber.
Ich sehe auf keinen Fall eine Möglichkeit, das Amt vor nächstem Herbst anzutreten. Die Herausgabe des nachgelassenen Werkes der Frau von Staël wird mich bis zum Monat April hier festhalten; dann habe ich in eignen Angelegenheiten eine Reise nach der Schweiz zu machen; und in Berlin würde ich ein paar Monate bedürfen, um mich einzurichten und auf die Wintervorlesungen vorzubereiten. Denn wiewohl ich einen beträchtlichen Vorrat von älteren Heften habe, fühlt man doch nach einer Anzahl Jahre immer das Bedürfnis, alles neu auszuarbeiten.
Ich würde um eine besondere Vergütung der Reisekosten nachsuchen müssen wegen des Transports meiner in Coppet befindlichen Bibliothek, die zwar nicht zahlreich ist (etwa 1500 Bände), aber manche schwer aufzufindende und seltene Bücher enthält, die mir gerade bei meinen Lieblingsuntersuchungen nötig sind.
Sie werden, teuerster Freund, aus allem obigen meinen bereit[4]willigen Eifer ersehen, und den Vorsatz, den ich in der Tat hege, so ehrenvollen Anträgen, sobald sie näher bestimmt sein werden, auf alle Weise entgegenzukommen. Ich empfehle Ihrer Güte die Sorge, mein Andenken in Ihrem Vaterlande günstig zu erneuern. Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung und Verehrung
Ihr ergebenster
A. W. v. Schlegel.
[1] Nichts konnte mir schmeichelhafter sein, mein verehrtester Freund, als die Berufung zu einer Lehrstelle an der Universität in Berlin. Während meiner langen Abwesenheit von Deutschland besorgte ich oft dort vergessen zu sein. Die ehrenvolle Aufmerksamkeit Ihrer Regierung belohnt mich für die Bemühungen, welche ich aufgewandt habe, um mich als Schriftsteller auszuzeichnen; und ich bitte Sie, meinen Gönnern in Berlin meinen lebhaftesten Dank zu bezeugen.
In dem glänzenden Mittelpunkte der deutschen Geistesbildung, unter einer Regierung, welche die Wissenschaften zu ehren weiß, als öffentlicher Lehrer aufzutreten, ist allerdings sehr einladend. Auf der andern Seite wissen Sie, welche gesellige Annehmlichkeiten der Aufenthalt hier, und während des Sommers in der Schweiz, auch nach dem unersetzlichen Verluste, den ich erlitten habe, mir darbietet. Die Kinder meiner verewigten Freundin haben, so wie in allen Stücken ihre Gesinnungen, so auch einen Teil ihrer Freundschaft für mich geerbt und wünschen mich nach wie vor als ihren Hausgenossen zu betrachten. Ich kann in völlig sorgenfreier Muße meine Pläne zu gelehrten Werken ausarbeiten. Wann ich also den Entschluß fasse, einen Kreis zu verlassen, in welchem mich so werte Erinnerungen festhalten, so bestimmt mich allein der Wunsch, meinem Vaterlande nach besten Kräften mich nützlich zu machen und den eingesammelten Ertrag langer Studien und Reisen deutschen Zuhörern mitzuteilen.
[2] Erlauben Sie mir, selbst keine Vorschläge in bezug auf die Bedingungen zu tun. Man kann dabei nur das vor Augen haben, was man aufgibt, und was man bedarf; eine Regierung hingegen hat ihre Verwilligungen nach dem Nutzen abzumessen, den die Mitwirkung eines Gelehrten für den öffentlichen Unterricht erwarten läßt. Überdies bin ich nicht genau unterrichtet, was für Gehalte so viele in Berlin angestellte verdiente Männer genießen, und möchte nicht mit verhältnismäßig unbescheidenen Ansprüchen auftreten.
Das Amt in Berlin, wozu ich die meiste Neigung gehabt haben würde, und in welchem ich vielleicht hätte nützlich sein können, die Stelle eines Königl. Bibliothekars, ist seit anderthalb Jahren durch den gelehrten Professor Wilken vortrefflich besetzt. Ich weiß aus eigner Erfahrung, daß man in Berlin für Vorlesungen ein zahlreiches Publikum gebildeter Zuhörer aus allen Klassen finden kann, doch ist der Ertrag, den man in Vorlesungen zu hoffen hat, auf die Dauer von mancherlei Zufälligkeiten abhängig.
Die Universität in Berlin ist seit meiner Entfernung gestiftet, ich bin also mit ihrer Verfassung unbekannt. Indessen vermute ich, es wird ebenso sein, wie auf andern Universitäten des nördlichen Deutschlands, daß eine Professur nur zu einer Vorlesung über einen speziellen Gegenstand halbjährig verpflichtet, das meiste aber in Privatvorlesungen vorgetragen wird, deren Wahl und Anordnung in gewissem Grade dem Lehrer selbst überlassen bleibt. Die Vorlesungen, die man vermutlich zunächst von mir erwartet, und [3] auf die ich auch vielleicht am besten vorbereitet bin, würden etwa sein: Geschichte der Literatur des Mittelalters und des neueren Europa; Geschichte der deutschen Sprache, Poesie und Literatur insbesondere; Geschichte der griechischen und römischen Literatur, nicht sowohl in philologischer Hinsicht, als unter allgemeineren Gesichtspunkten der Geistesbildung; Geschichte der bildenden Künste in der alten und neuen Zeit; ferner eigentliche Archäologie; endlich römische Geschichte und Altertümer in Verbindung mit den etrurischen und altitalischen überhaupt. In allen diesen Fächern habe ich wahrscheinlich dort bedeutende Mitwerber.
Ich sehe auf keinen Fall eine Möglichkeit, das Amt vor nächstem Herbst anzutreten. Die Herausgabe des nachgelassenen Werkes der Frau von Staël wird mich bis zum Monat April hier festhalten; dann habe ich in eignen Angelegenheiten eine Reise nach der Schweiz zu machen; und in Berlin würde ich ein paar Monate bedürfen, um mich einzurichten und auf die Wintervorlesungen vorzubereiten. Denn wiewohl ich einen beträchtlichen Vorrat von älteren Heften habe, fühlt man doch nach einer Anzahl Jahre immer das Bedürfnis, alles neu auszuarbeiten.
Ich würde um eine besondere Vergütung der Reisekosten nachsuchen müssen wegen des Transports meiner in Coppet befindlichen Bibliothek, die zwar nicht zahlreich ist (etwa 1500 Bände), aber manche schwer aufzufindende und seltene Bücher enthält, die mir gerade bei meinen Lieblingsuntersuchungen nötig sind.
Sie werden, teuerster Freund, aus allem obigen meinen bereit[4]willigen Eifer ersehen, und den Vorsatz, den ich in der Tat hege, so ehrenvollen Anträgen, sobald sie näher bestimmt sein werden, auf alle Weise entgegenzukommen. Ich empfehle Ihrer Güte die Sorge, mein Andenken in Ihrem Vaterlande günstig zu erneuern. Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung und Verehrung
Ihr ergebenster
A. W. v. Schlegel.
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