• Charlotte Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Braunschweig · Date: [Mitte Januar 1801]
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Charlotte Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Braunschweig
  • Date: [Mitte Januar 1801]
  • Notations: Da der Brief im Druck nur teilweise wiedergegeben ist, wurde er neu transkribiert. – Datum sowie Absende- und Empfangsort erschlossen. – Charlotte Ernst lässt bei „ch“-Schreibungen oft das „c“ weg. Hier wurde korrigierend eingegriffen.
    Printed Text
  • Bibliography: Novalis: Schriften. Tagebücher, Briefwechsel, Zeitgenössische Zeugnisse. Hg. v. Richard Samuel, Hans-Joachim Mähl und Gerhard Schulz. Bd. 4. Stuttgart u.a. 1998, S. 673‒674.
  • Weitere Drucke: Novalis: Schriften. Hg. v. Richard Samuel u. Paul Kluckhohn. Nach den Handschriften ergänzte und neugeordnete Ausgabe. Bd. 4. Leipzig 1929, S. 468.
  • Incipit: „[1] Liebster Wilhelm
    ich will es wenigstens noch probiren ob dich mein Brief in Braunschweig antrift
    Unser guter Hardenberg ist von dem [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-1a-33449
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.7,Nr.18
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 18,9 x 11,5 cm
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
[1] Liebster Wilhelm
ich will es wenigstens noch probiren ob dich mein Brief in Braunschweig antrift
Unser guter Hardenberg ist von dem Vater zurückgeholt, er hat die Reise glücklich überstanden, fünf Tage brachte er unterwegens zu. Ganz Hoffnungs los reiste er hier ab, mich hat der Abschied tief erschüttert, und doch war es gut daß er weg kam er hatte hier keine rechte Heymath. Sein Bruder zeigt sich als ein vortreflicher Mensch, ich habe noch nicht das Bild der brüderlichen Liebe so schön aufgestellt gesehn. Seine Julie die ihn gar nicht verläßt schwindet in stillem Kummer dahin, die Thränen die beständig in ihren Augen stehn drängt sie zurück um ihm ein freundliches Lächeln zu zeigen, der gleich gültigste Zuschauer, konnte nicht ohne Rührung bleiben. Der armen Julie ihre Mutter ist melancholisch geworden, und sie hat nun gar keine Ruhestädte für ihre Gedanken. Sie reiste ungern mit, sie fürchtete sich für die Eltern, doch war es unmöglich ihn zu verlassen. Hardenberg [2] seine Mutter soll auch melancholisch geworden seyn, es hat sich diesen Herbst ein Sohn von 12 Jahren ertrunken, es ist ihr Liebling gewesen, sie ist immer schon zum Trübsinn geneigt gewesen, und dieser Vorfall hat es vollendet. Petzhold hat ihn ganz aufgegeben, indeßen hege ich doch noch immer eine kleine Hoffnung, er hat viel Hypochondrie und sieht alles von der schlimmern Seite an. Er sagt daß sein Eingeweide ganz ruinirt und ordentlich angegangen wäre.
Wegen meiner hast du unrecht so auf den Artzt zu schimpfen, ich habe diesen Winter wieder respect für die Aerzte bekommen, bedenke daß ich nahe daran war den Starr zu bekommen, die Feuchtigkeit in der Pupille fieng an sich zu verdicken. Ich sah die Menschen, 6 Schritt weit schon als Schattengestalten jetzt ist das Auge völlig rein, nur von Zeit zu Zeit, drückt es die Schnupfenmaterie wieder, doch komt dieses auch jetzt nicht so oft, sonst ruhte beständig ein drückender Kopfschmerz über das eine Au[3]ge welches das schlimste war, und machte mir den Kopf ganz eingenommen, jetzt ist er im ganzen heiter und frey.
Die für das Auge zerstörenden Kräfte Krämpfe im Augenliedern, die sonst keine Nacht ausblieben und mir den Schlaf geraubt, haben jetzt aufgehört, nur mannig mal überfällt es mich noch wie ein Dieb in der Nacht. Meine Kräfte sind durch die Kurren gar nicht angegriffen sie hatten im Gegentheil vorher durch das Augen übel gelitten. Ich bin mit einem Worte ein andrer Mensch geworden, wäre ich nicht undankbar mich über meine Aertzte zu beklagen.
Ich hätte eine Bitte an dich, ich weiß ein paar Verse werden dir leicht. Du weißt daß in dem Weisischen Hause eine doppelte Heyrath vor sich geht, der Sohn in Magdeburg, und die älteste Tochter beide hübsche Menschen, die Tochter Heyrathet den jungen Schindler ein angenehmer und gebildeter wohlhabender Mann die Freude der Eltern ist groß, es wird die ganze Schindlersche Familie herauf kommen.
[4] ich muß auch daran eine fete zu geben da werden recht ein 30 ps springen müssen, in jetzigen Zeiten wird einem das sauer es werden so viel Menschen zusammen seyn, daß ich kalt serviren muß, um es ein bischen animirter zu machen, dachte ich beym Essen etwas Musik zu haben, und da wünschte ich daß du mir einige Verse auf diese Gelegenheit auf eine bekannte Melodie machtest um diesen Tag zu ehren, kannst du es so müßtest du sie mir bald schicken, denn in 14 Tagen würden die Bräutigams schon kommen, und höchstens in 3 Wochen zur Hochzeit seyn, willst du es nicht so schreib mir nur eine Zeile Antwort.
Das Gemälde von der Alberti habe ich gesehn ich finde vil Aehnlichkeit darinn, nur nicht gut gezeichnet, sie will eine Miniatur machen, die sie recht hübsch macht, wo sie die Fehler verbeßert.
Daß Carolinens Gesundheit sich verbessert freuet mich, ich hoffe die China wird sie vollends stärken. leb wohl
liebster Wilhelm,
Charlotte Ernst
Der Schneider hat mir eine kleine Post für ein Nachtkamisol erinnert von 23 g. von dir.
[1] Liebster Wilhelm
ich will es wenigstens noch probiren ob dich mein Brief in Braunschweig antrift
Unser guter Hardenberg ist von dem Vater zurückgeholt, er hat die Reise glücklich überstanden, fünf Tage brachte er unterwegens zu. Ganz Hoffnungs los reiste er hier ab, mich hat der Abschied tief erschüttert, und doch war es gut daß er weg kam er hatte hier keine rechte Heymath. Sein Bruder zeigt sich als ein vortreflicher Mensch, ich habe noch nicht das Bild der brüderlichen Liebe so schön aufgestellt gesehn. Seine Julie die ihn gar nicht verläßt schwindet in stillem Kummer dahin, die Thränen die beständig in ihren Augen stehn drängt sie zurück um ihm ein freundliches Lächeln zu zeigen, der gleich gültigste Zuschauer, konnte nicht ohne Rührung bleiben. Der armen Julie ihre Mutter ist melancholisch geworden, und sie hat nun gar keine Ruhestädte für ihre Gedanken. Sie reiste ungern mit, sie fürchtete sich für die Eltern, doch war es unmöglich ihn zu verlassen. Hardenberg [2] seine Mutter soll auch melancholisch geworden seyn, es hat sich diesen Herbst ein Sohn von 12 Jahren ertrunken, es ist ihr Liebling gewesen, sie ist immer schon zum Trübsinn geneigt gewesen, und dieser Vorfall hat es vollendet. Petzhold hat ihn ganz aufgegeben, indeßen hege ich doch noch immer eine kleine Hoffnung, er hat viel Hypochondrie und sieht alles von der schlimmern Seite an. Er sagt daß sein Eingeweide ganz ruinirt und ordentlich angegangen wäre.
Wegen meiner hast du unrecht so auf den Artzt zu schimpfen, ich habe diesen Winter wieder respect für die Aerzte bekommen, bedenke daß ich nahe daran war den Starr zu bekommen, die Feuchtigkeit in der Pupille fieng an sich zu verdicken. Ich sah die Menschen, 6 Schritt weit schon als Schattengestalten jetzt ist das Auge völlig rein, nur von Zeit zu Zeit, drückt es die Schnupfenmaterie wieder, doch komt dieses auch jetzt nicht so oft, sonst ruhte beständig ein drückender Kopfschmerz über das eine Au[3]ge welches das schlimste war, und machte mir den Kopf ganz eingenommen, jetzt ist er im ganzen heiter und frey.
Die für das Auge zerstörenden Kräfte Krämpfe im Augenliedern, die sonst keine Nacht ausblieben und mir den Schlaf geraubt, haben jetzt aufgehört, nur mannig mal überfällt es mich noch wie ein Dieb in der Nacht. Meine Kräfte sind durch die Kurren gar nicht angegriffen sie hatten im Gegentheil vorher durch das Augen übel gelitten. Ich bin mit einem Worte ein andrer Mensch geworden, wäre ich nicht undankbar mich über meine Aertzte zu beklagen.
Ich hätte eine Bitte an dich, ich weiß ein paar Verse werden dir leicht. Du weißt daß in dem Weisischen Hause eine doppelte Heyrath vor sich geht, der Sohn in Magdeburg, und die älteste Tochter beide hübsche Menschen, die Tochter Heyrathet den jungen Schindler ein angenehmer und gebildeter wohlhabender Mann die Freude der Eltern ist groß, es wird die ganze Schindlersche Familie herauf kommen.
[4] ich muß auch daran eine fete zu geben da werden recht ein 30 ps springen müssen, in jetzigen Zeiten wird einem das sauer es werden so viel Menschen zusammen seyn, daß ich kalt serviren muß, um es ein bischen animirter zu machen, dachte ich beym Essen etwas Musik zu haben, und da wünschte ich daß du mir einige Verse auf diese Gelegenheit auf eine bekannte Melodie machtest um diesen Tag zu ehren, kannst du es so müßtest du sie mir bald schicken, denn in 14 Tagen würden die Bräutigams schon kommen, und höchstens in 3 Wochen zur Hochzeit seyn, willst du es nicht so schreib mir nur eine Zeile Antwort.
Das Gemälde von der Alberti habe ich gesehn ich finde vil Aehnlichkeit darinn, nur nicht gut gezeichnet, sie will eine Miniatur machen, die sie recht hübsch macht, wo sie die Fehler verbeßert.
Daß Carolinens Gesundheit sich verbessert freuet mich, ich hoffe die China wird sie vollends stärken. leb wohl
liebster Wilhelm,
Charlotte Ernst
Der Schneider hat mir eine kleine Post für ein Nachtkamisol erinnert von 23 g. von dir.
×