• Gottfried August Bürger to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Göttingen · Place of Destination: Unknown · Date: 28.09.1792
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Gottfried August Bürger
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Göttingen
  • Place of Destination: Unknown
  • Date: 28.09.1792
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 36284268X
  • Bibliography: Strodtmann, Adolf: Briefe von und an Gottfried August Bürger. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte seiner Zeit. Aus dem Nachlasse Bürger’s und anderen, meist handschriftlichen Quellen. Bd. 4. Berlin 1874, S. 214‒216.
  • Incipit: „[1] G[öttingen], den 28. Sept. 1792.
    Ich habe nicht mehr Zeit, den Mus.Alm. den ich hier beifüge, mit einer langen Epistel zu [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-38972
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.3,Nr.100
  • Number of Pages: 5 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,7 x 12,2 cm
    Language
  • German
[1] G[öttingen], den 28. Sept. 1792.
Ich habe nicht mehr Zeit, den Mus.Alm. den ich hier beifüge, mit einer langen Epistel zu begleiten, weil ich die Abreise des Grafen v. Salis zu spät erst erfahre. Gern hätte ich auch die Stücke der Academie hinzugelegt, wenn Gr[af] S[alis] nicht schon die Miene über das Volumen dieses Paquetchens verzöge. Also will ich letztere nächstens über Hanover senden.
Es ist mir in der That unangenehm gewesen, mein liebes Söhnlein, nichts von dir in den Alm. aufnehmen zu können. Die Fragmente aus dem Dante schienen mir (vollends ohne Commentar) hier nicht an ihrer Stelle, und in dem Sonnett von Leonardo da Vinci konnte ich das zweite Quatrain unmöglich gut heißen. Ich habe es zwar anders zu geben gesucht; allein ich selbst bin ungewiß, ob ich den wahren Sinn getroffen habe. Die Umänderung ist meinem Gedächtniß entfallen, und ich bin auch nicht im Stande sie unter meinen Papieren aufzufinden, sonst wollte ich sie hieher schreiben. Ein andermahl!
Du wirst dich wundern über die enorme Menge von Gedichten, womit ich dießmahl den Mus.Alm. selbst [2] vollgestopft habe. Denn auch die Menschenschreckiana und die mit Anonymi und Urfeyʼs Nahmen bezeichneten Stücke sind von mir. Über 40 größere und kleinere! Ist das nicht arg? Ich schäme mich beinahe der allzu großen Menge. Beinahe möchte ich glauben, die Freude von meinem schweren Hauskreuz wieder erlöst zu seyn, habe mich so reimreich gemacht. Hätte ich den Schluß des Alm. bis jetzt aufhalten können, so wäre ich im Stande gewesen, ihn noch mit einem halben Dutzend neuen Gedichten auszustatten. Die mit B. bezeichneten Sonnette sind von Bouterweck, der auch Bajocco Romano ist, und sich an seinem muthmaßlichen Recensenten in der Alg. L[iteratur] Z[eitung] dem Signor Huber in Mainz damit hat rächen wollen. Sein Huberulus Murzuphlus will aber nicht so viel Beifall finden als mein Vogel Urselbst gegen Schiller, [Georg] Schatz und Consorten. Schreib mir doch darüber deine Meinung. Der Jahrgang von Epigrammen S. 245 ist gegen [Leopold Aloys] Hoffmann den Herausgeber der Wiener Zeitschrift gerichtet. Ich denke dieser Alm. wird ein ziemliches Zetergeschrei erregen.
Auf Heynes Veranlassung habe ich einige Blätter [3] umdrucken lassen müssen. Er fand nehmlich S. 46 in dem Liede von Clamer Schmidt die Schäferstunde des Allliebenden und S. 224 das Motto aus der Bibel zu ärgerlich. In Ansehung des ersten hat er unstreitig Recht, und der abgeschmackte Einfall ist nur meiner Aufmerksamkeit entgangen, wie es bey solchen Verfassern zu geschehen pflegt, deren Beiträge man unbesehens aufzunehmen pflegt. Indessen ist es mehr eine ästhetische als moralische Sünde. Ich habe es nachher in: Bild, in segenreichster Stunde u. s. w. umgeändert und das biblische Motto ausgestrichen. Das Lied S. 224 ist von Signor Carl Reinhard. Weil es nun doch einmahl ans Umdrucken ging, so habe ich auch noch mir selbst zu gefallen ein drittes Blatt umdrucken lassen, und S. 191 oben so gesetzt
daß unter ihrem Herzchen wohl
nicht alles richtig war.

Das Herzchen schien mir denn doch delicater zu seyn, als das Schürzchen, ob dieß gleich populärer und lebhafter ist. ‒ Ich kann die umgedruckten Blätter, die ich nicht gleich bei der Hand habe, nicht beifügen; jedoch habe ich diese Umänderungen nicht vorenthalten wollen.
Ich habe die Nahmen der mir bekannten Verfasser bei denen mit Buchstaben bezeichneten Stücken im Register mit Bleistift bemerkt.
[4] Gestern hat sich Fiorillos Familie mit einem vierten Jungen vermehrt. Er will nächstens auch einmahl schreiben.
In einigen Tagen verreise ich auf 14 Tage bis 3 Wochen zu meiner Schwester nach Sachsen.
Leb wohl, mein Söhnchen, und versaure mir nicht in dem vom Apoll und den Musen verdammten Holland! Ich kann und mag jetzt nichts mehr hinzufügen, als daß ich mit Leib und Seele bin und bleibe
dein getreuer B.
[1] G[öttingen], den 28. Sept. 1792.
Ich habe nicht mehr Zeit, den Mus.Alm. den ich hier beifüge, mit einer langen Epistel zu begleiten, weil ich die Abreise des Grafen v. Salis zu spät erst erfahre. Gern hätte ich auch die Stücke der Academie hinzugelegt, wenn Gr[af] S[alis] nicht schon die Miene über das Volumen dieses Paquetchens verzöge. Also will ich letztere nächstens über Hanover senden.
Es ist mir in der That unangenehm gewesen, mein liebes Söhnlein, nichts von dir in den Alm. aufnehmen zu können. Die Fragmente aus dem Dante schienen mir (vollends ohne Commentar) hier nicht an ihrer Stelle, und in dem Sonnett von Leonardo da Vinci konnte ich das zweite Quatrain unmöglich gut heißen. Ich habe es zwar anders zu geben gesucht; allein ich selbst bin ungewiß, ob ich den wahren Sinn getroffen habe. Die Umänderung ist meinem Gedächtniß entfallen, und ich bin auch nicht im Stande sie unter meinen Papieren aufzufinden, sonst wollte ich sie hieher schreiben. Ein andermahl!
Du wirst dich wundern über die enorme Menge von Gedichten, womit ich dießmahl den Mus.Alm. selbst [2] vollgestopft habe. Denn auch die Menschenschreckiana und die mit Anonymi und Urfeyʼs Nahmen bezeichneten Stücke sind von mir. Über 40 größere und kleinere! Ist das nicht arg? Ich schäme mich beinahe der allzu großen Menge. Beinahe möchte ich glauben, die Freude von meinem schweren Hauskreuz wieder erlöst zu seyn, habe mich so reimreich gemacht. Hätte ich den Schluß des Alm. bis jetzt aufhalten können, so wäre ich im Stande gewesen, ihn noch mit einem halben Dutzend neuen Gedichten auszustatten. Die mit B. bezeichneten Sonnette sind von Bouterweck, der auch Bajocco Romano ist, und sich an seinem muthmaßlichen Recensenten in der Alg. L[iteratur] Z[eitung] dem Signor Huber in Mainz damit hat rächen wollen. Sein Huberulus Murzuphlus will aber nicht so viel Beifall finden als mein Vogel Urselbst gegen Schiller, [Georg] Schatz und Consorten. Schreib mir doch darüber deine Meinung. Der Jahrgang von Epigrammen S. 245 ist gegen [Leopold Aloys] Hoffmann den Herausgeber der Wiener Zeitschrift gerichtet. Ich denke dieser Alm. wird ein ziemliches Zetergeschrei erregen.
Auf Heynes Veranlassung habe ich einige Blätter [3] umdrucken lassen müssen. Er fand nehmlich S. 46 in dem Liede von Clamer Schmidt die Schäferstunde des Allliebenden und S. 224 das Motto aus der Bibel zu ärgerlich. In Ansehung des ersten hat er unstreitig Recht, und der abgeschmackte Einfall ist nur meiner Aufmerksamkeit entgangen, wie es bey solchen Verfassern zu geschehen pflegt, deren Beiträge man unbesehens aufzunehmen pflegt. Indessen ist es mehr eine ästhetische als moralische Sünde. Ich habe es nachher in: Bild, in segenreichster Stunde u. s. w. umgeändert und das biblische Motto ausgestrichen. Das Lied S. 224 ist von Signor Carl Reinhard. Weil es nun doch einmahl ans Umdrucken ging, so habe ich auch noch mir selbst zu gefallen ein drittes Blatt umdrucken lassen, und S. 191 oben so gesetzt
daß unter ihrem Herzchen wohl
nicht alles richtig war.

Das Herzchen schien mir denn doch delicater zu seyn, als das Schürzchen, ob dieß gleich populärer und lebhafter ist. ‒ Ich kann die umgedruckten Blätter, die ich nicht gleich bei der Hand habe, nicht beifügen; jedoch habe ich diese Umänderungen nicht vorenthalten wollen.
Ich habe die Nahmen der mir bekannten Verfasser bei denen mit Buchstaben bezeichneten Stücken im Register mit Bleistift bemerkt.
[4] Gestern hat sich Fiorillos Familie mit einem vierten Jungen vermehrt. Er will nächstens auch einmahl schreiben.
In einigen Tagen verreise ich auf 14 Tage bis 3 Wochen zu meiner Schwester nach Sachsen.
Leb wohl, mein Söhnchen, und versaure mir nicht in dem vom Apoll und den Musen verdammten Holland! Ich kann und mag jetzt nichts mehr hinzufügen, als daß ich mit Leib und Seele bin und bleibe
dein getreuer B.
×
×