• Henriette Mendelssohn to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Dresden · Date: 16.08.1798
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Henriette Mendelssohn
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Dresden
  • Date: 16.08.1798
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 362832862
  • Bibliography: Dreihundert Briefe aus zwei Jahrhunderten. Hg. v. Karl von Holtei. Bd. 1. Hannover 1872, S. 165‒168.
  • Incipit: „Berlin d. 16ten Aug. 1798.
    Es ist mit Ihrem und meinem schreiben ganz so geworden, wie ich es mir vorgestellt. Ihr Brief [...]“
    Language
  • German
Berlin d. 16ten Aug. 1798.
Es ist mit Ihrem und meinem schreiben ganz so geworden, wie ich es mir vorgestellt. Ihr Brief und alles was Sie mir so gütig mitgetheilt, hat mich mehr gefreut als Sie selbst es denken können, es war das erste recht eigentliche Vergnügen, das ich, seit Sie uns verlassen, gehabt hatte. Aber daß ich Ihnen nun meinen Dank schreiben muss, und keinen freundlichen Morgenbesuch erwarten darf, um ihn Ihnen zu sagen, ist mir recht verdrüßlich und ängstigend, es ist mir grade wie bei Ihrem ersten Besuch zu Sinne, bei dem ich recht wie ein unwilliger Geist, nur durch unsers Schlegels Beschwörungen gezwungen, zugegen war, denn von Natur hatte ich die größte Lust mich vor Ihnen zu verstecken. Sie verstehen diese Furcht, und würden sowohl diese, als die jezige zu deuten wissen, und mirʼs gewis nicht übel nehmen, wenn ich Ihnen nicht antwortete, aber dann könnte es gar der Herr Bruder übel nehmen, daß ich ihm so geschwinde und ganz ohne tragische Anwandlungen geantwortet habe. Er meinte ohnehin, ich liebte ihn nur als Ihren Bruder, und denkt gar nicht daran, mit welchem Rechte ich ihm dieselben Worte in meinem Verhältniss zu ihm sagen könnte.
Danken will ich Ihnen recht herzlich und freundlich für Ihren und den Goethe-Brief. Beyde sind mir so werth, daß ich sie noch alle Tage lese. Sind Sie böse, wenn ich den letzten noch behalte? Ich möchte mich so ungern von irgend etwas in dieser Sendung trennen, und diesen schönen herzlichen ruhig-göttlichen Brief wenigstens bewahren, bis ich ihn Ihren eignen Händen übergeben kann. ‒
Was werden Sie zu der beikommenden Musik sagen? Sie sehen unser Zelter bedenkt sich nicht lange. Diesmahl istʼs ihm doch aber recht gelungen, ich finde diese Musik recht artig und zu dem Sinne der meisten Strophen sehr passend. Ich gestehe Ihnen, daß ich ihm die Kampaspe ungern vertraut habe, ich fürchtete die kalte Luft die in seinen Melodieen weht, wenn sie zart oder gefühlvoll seyn sollen. ‒ Wo er sich seiner Laune nicht überlassen darf, und seinen Empfindungen gern überlassen möchte, da pflegt er aus den poetischen Intentionen wohl eine Art Gefrornes zu machen, das einen ganz eigenen Vortrag, so wie das Eis eine besondere Esskunst erfordert, um den eigentlichen Geschmack der Masse wieder aufzufinden. Er hat aber die Kampaspe, die liebliche, in einem ganz andern Sinne genommen, und so ist sie ihm recht geglückt. Ich habe ihm das Urtheil von Goethen nur flüchtig im Vorbeigehn sagen können, weil ich ihn noch nicht anders gesehn, aber ich mußte versprechen ihm diese Stelle des Briefes zu zeigen, und Ihnen vorläufig für die Mittheilung zu danken. Es befremdet ihn, daß Goethe und Schiller ihm noch nichts für den künftigen Almanach geschickt haben. Wissen Sie nichts näheres hierüber? Zelter liebt zwar alle seine Compositionen, sie mögen sein welche sie wollen, mit der zärtlichsten Liebe, aber der Musik zum Zauberlehrling und zum Mahadöh mag er doch nur einen eignen Tempel in seinem Herzen errichten, denn weder er selbst, noch irgend etwas von ihm hätte Goethen eine so überaus günstige Meynung von ihm geben können. Darf er wohl nach Weimar reisen?
Durch sehr weitläuftige Tradizionen habe ich erfahren, daß Sie ein symbolisches Gedicht und mehrere Sonette an verschiedene Frauen kürzlich gemacht haben. Sollen wir nichts davon sehn? Bedenken Sie lieber Freund, daß uns nichts schönes jezt zukömmt als von Dresden her, daß wir in gewissem Sinne uns von der Hoffnung ernähren, die uns der künftige Monat giebt. Aber das ist noch sehr lange hin, und wie zerstreut und flüchtig werden Sie dann sein! Sein Sie also nur großmüthig, und vertrauen mir und meiner schwesterlichen Liebe für Sie, daß ich alles was mir von Ihnen kömmt gehörig in Acht nehmen, und selbst mit meiner Freude darüber diskret sein werde. Besonders dürfen Sie meine Bitte um Mittheilung der Sonette nicht abschlagen. Sie wissen wie ich die beiden schon bekannten liebe, und nun gar Sonette an Frauen! mitunter vielleicht an bekannte, etwa gar an die zierliche Sünderin? ‒ Von ihr habe ich schon seit langer Zeit viel Grüße und freundliche Bestellungen für Sie. Ich sehe sie übrigens jezt nicht viel, ihr Freund ‒ dessen Sie Sich wohl auch nicht ganz ohne Unwillen erinnern, hat mir alle Freude an ihrer Zierlichkeit oder Sündlichkeit verdorben, man muß gar zu viel an ihm ertragen! So tugendhaft müßte die kleine Frau doch sein, diesen Menschen sobald als möglich zu verlassen! ‒
Bei dem neuen Stück von Iffland der Mann von Wort, das vor einigen Wochen hier gegeben wurde, habe ich recht viel an Sie gedacht, und Ihre Gegenwart gewünscht. Da hätten Sie Ihre beiden Lieblinge recht im Wetteifer sehen können! Die kleine Fleck, die einen sehr naiven herzlichen Charakter mit vieler Feinheit und großem Feuer darstellte ‒ ihr gegenüber die Unzelmann in einem Anzuge, der uns Frauen während einer langen Zeit das Stück und alle Charaktere vergessen ließ; die aber doch nicht im Stande war, ihre unbedeutende herzlose Rolle auch nur ein wenig zu heben. ‒ Es scheint Ifflands Vorsatz zu sein, ihren Stolz zu demüthigen, es mag ihr auch wohl heilsam sein, wenn wir sie darüber nur nicht ganz verlieren! Sie fühlt sich gekränkt und vernachlässigt, und wenn diese blauen Augen einmahl recht ernstlich böse werden, so achtet sie gewiß ihre eigenen Verhältnisse, und verläßt uns. Es wäre doch ein unersezlicher Verlust!
Eigentlich ist alles, was ich Ihnen da auf so vielen Seiten geschrieben habe, gar nicht das rechte. Ich wollte Sie blos bitten so bald als möglich zu uns zu kommen. Sie glauben nicht mit welcher Ungeduld ich Sie alle erwarte. Ich habe jezt nichts das mir interessanter wäre als Ihr und Goethes Brief, aber wenn Sie nur kommen wollen, gern will ich ihn Ihnen wiedergeben, morgen, heute, so früh Sie wollen. Ich habe gar keine andre schöne Erwartung in der Ferne, als diese, Sie wieder zu sehn, und die Bekanntschaft Ihrer Frau zu machen, die ich so innig und herzlich verehre! Ich mag freilich nicht daran denken wie ich vor ihr erscheinen werde, ich verlasse mich auf Sie, Sie müssen mich in Schutz nehmen. Gewiß!
Waren Sie in Töplitz? Alle meine Wünsche und Gedanken sind Ihnen dahin gefolgt. Haben Sie die Levy gesehn?
Luise Berg hat mir geschrieben, daß sie und ihre Mutter die Reise nach Dresden nicht machen werden. Es sind unerwartete Hindernisse eingetreten, die beiden Frauen recht verdrüßlich sind. Sie hatten sich so gefreut Sie zu sehn. Wissen Sie wohl, daß Luise Sie recht lieben würde, wenn sie Ihren Witz nicht so fürchtete? Dies schrieb sie mir.
Die Veit meint, Sie hätten mehr als genug an diesem Geschwätz. Ich drücke die Augen fest zu und mag gar nicht denken, daß es zu Ihnen geht.
Leben Sie wohl und kommen bald, recht bald zu uns.
Henriette (Mendelssohn).
Berlin d. 16ten Aug. 1798.
Es ist mit Ihrem und meinem schreiben ganz so geworden, wie ich es mir vorgestellt. Ihr Brief und alles was Sie mir so gütig mitgetheilt, hat mich mehr gefreut als Sie selbst es denken können, es war das erste recht eigentliche Vergnügen, das ich, seit Sie uns verlassen, gehabt hatte. Aber daß ich Ihnen nun meinen Dank schreiben muss, und keinen freundlichen Morgenbesuch erwarten darf, um ihn Ihnen zu sagen, ist mir recht verdrüßlich und ängstigend, es ist mir grade wie bei Ihrem ersten Besuch zu Sinne, bei dem ich recht wie ein unwilliger Geist, nur durch unsers Schlegels Beschwörungen gezwungen, zugegen war, denn von Natur hatte ich die größte Lust mich vor Ihnen zu verstecken. Sie verstehen diese Furcht, und würden sowohl diese, als die jezige zu deuten wissen, und mirʼs gewis nicht übel nehmen, wenn ich Ihnen nicht antwortete, aber dann könnte es gar der Herr Bruder übel nehmen, daß ich ihm so geschwinde und ganz ohne tragische Anwandlungen geantwortet habe. Er meinte ohnehin, ich liebte ihn nur als Ihren Bruder, und denkt gar nicht daran, mit welchem Rechte ich ihm dieselben Worte in meinem Verhältniss zu ihm sagen könnte.
Danken will ich Ihnen recht herzlich und freundlich für Ihren und den Goethe-Brief. Beyde sind mir so werth, daß ich sie noch alle Tage lese. Sind Sie böse, wenn ich den letzten noch behalte? Ich möchte mich so ungern von irgend etwas in dieser Sendung trennen, und diesen schönen herzlichen ruhig-göttlichen Brief wenigstens bewahren, bis ich ihn Ihren eignen Händen übergeben kann. ‒
Was werden Sie zu der beikommenden Musik sagen? Sie sehen unser Zelter bedenkt sich nicht lange. Diesmahl istʼs ihm doch aber recht gelungen, ich finde diese Musik recht artig und zu dem Sinne der meisten Strophen sehr passend. Ich gestehe Ihnen, daß ich ihm die Kampaspe ungern vertraut habe, ich fürchtete die kalte Luft die in seinen Melodieen weht, wenn sie zart oder gefühlvoll seyn sollen. ‒ Wo er sich seiner Laune nicht überlassen darf, und seinen Empfindungen gern überlassen möchte, da pflegt er aus den poetischen Intentionen wohl eine Art Gefrornes zu machen, das einen ganz eigenen Vortrag, so wie das Eis eine besondere Esskunst erfordert, um den eigentlichen Geschmack der Masse wieder aufzufinden. Er hat aber die Kampaspe, die liebliche, in einem ganz andern Sinne genommen, und so ist sie ihm recht geglückt. Ich habe ihm das Urtheil von Goethen nur flüchtig im Vorbeigehn sagen können, weil ich ihn noch nicht anders gesehn, aber ich mußte versprechen ihm diese Stelle des Briefes zu zeigen, und Ihnen vorläufig für die Mittheilung zu danken. Es befremdet ihn, daß Goethe und Schiller ihm noch nichts für den künftigen Almanach geschickt haben. Wissen Sie nichts näheres hierüber? Zelter liebt zwar alle seine Compositionen, sie mögen sein welche sie wollen, mit der zärtlichsten Liebe, aber der Musik zum Zauberlehrling und zum Mahadöh mag er doch nur einen eignen Tempel in seinem Herzen errichten, denn weder er selbst, noch irgend etwas von ihm hätte Goethen eine so überaus günstige Meynung von ihm geben können. Darf er wohl nach Weimar reisen?
Durch sehr weitläuftige Tradizionen habe ich erfahren, daß Sie ein symbolisches Gedicht und mehrere Sonette an verschiedene Frauen kürzlich gemacht haben. Sollen wir nichts davon sehn? Bedenken Sie lieber Freund, daß uns nichts schönes jezt zukömmt als von Dresden her, daß wir in gewissem Sinne uns von der Hoffnung ernähren, die uns der künftige Monat giebt. Aber das ist noch sehr lange hin, und wie zerstreut und flüchtig werden Sie dann sein! Sein Sie also nur großmüthig, und vertrauen mir und meiner schwesterlichen Liebe für Sie, daß ich alles was mir von Ihnen kömmt gehörig in Acht nehmen, und selbst mit meiner Freude darüber diskret sein werde. Besonders dürfen Sie meine Bitte um Mittheilung der Sonette nicht abschlagen. Sie wissen wie ich die beiden schon bekannten liebe, und nun gar Sonette an Frauen! mitunter vielleicht an bekannte, etwa gar an die zierliche Sünderin? ‒ Von ihr habe ich schon seit langer Zeit viel Grüße und freundliche Bestellungen für Sie. Ich sehe sie übrigens jezt nicht viel, ihr Freund ‒ dessen Sie Sich wohl auch nicht ganz ohne Unwillen erinnern, hat mir alle Freude an ihrer Zierlichkeit oder Sündlichkeit verdorben, man muß gar zu viel an ihm ertragen! So tugendhaft müßte die kleine Frau doch sein, diesen Menschen sobald als möglich zu verlassen! ‒
Bei dem neuen Stück von Iffland der Mann von Wort, das vor einigen Wochen hier gegeben wurde, habe ich recht viel an Sie gedacht, und Ihre Gegenwart gewünscht. Da hätten Sie Ihre beiden Lieblinge recht im Wetteifer sehen können! Die kleine Fleck, die einen sehr naiven herzlichen Charakter mit vieler Feinheit und großem Feuer darstellte ‒ ihr gegenüber die Unzelmann in einem Anzuge, der uns Frauen während einer langen Zeit das Stück und alle Charaktere vergessen ließ; die aber doch nicht im Stande war, ihre unbedeutende herzlose Rolle auch nur ein wenig zu heben. ‒ Es scheint Ifflands Vorsatz zu sein, ihren Stolz zu demüthigen, es mag ihr auch wohl heilsam sein, wenn wir sie darüber nur nicht ganz verlieren! Sie fühlt sich gekränkt und vernachlässigt, und wenn diese blauen Augen einmahl recht ernstlich böse werden, so achtet sie gewiß ihre eigenen Verhältnisse, und verläßt uns. Es wäre doch ein unersezlicher Verlust!
Eigentlich ist alles, was ich Ihnen da auf so vielen Seiten geschrieben habe, gar nicht das rechte. Ich wollte Sie blos bitten so bald als möglich zu uns zu kommen. Sie glauben nicht mit welcher Ungeduld ich Sie alle erwarte. Ich habe jezt nichts das mir interessanter wäre als Ihr und Goethes Brief, aber wenn Sie nur kommen wollen, gern will ich ihn Ihnen wiedergeben, morgen, heute, so früh Sie wollen. Ich habe gar keine andre schöne Erwartung in der Ferne, als diese, Sie wieder zu sehn, und die Bekanntschaft Ihrer Frau zu machen, die ich so innig und herzlich verehre! Ich mag freilich nicht daran denken wie ich vor ihr erscheinen werde, ich verlasse mich auf Sie, Sie müssen mich in Schutz nehmen. Gewiß!
Waren Sie in Töplitz? Alle meine Wünsche und Gedanken sind Ihnen dahin gefolgt. Haben Sie die Levy gesehn?
Luise Berg hat mir geschrieben, daß sie und ihre Mutter die Reise nach Dresden nicht machen werden. Es sind unerwartete Hindernisse eingetreten, die beiden Frauen recht verdrüßlich sind. Sie hatten sich so gefreut Sie zu sehn. Wissen Sie wohl, daß Luise Sie recht lieben würde, wenn sie Ihren Witz nicht so fürchtete? Dies schrieb sie mir.
Die Veit meint, Sie hätten mehr als genug an diesem Geschwätz. Ich drücke die Augen fest zu und mag gar nicht denken, daß es zu Ihnen geht.
Leben Sie wohl und kommen bald, recht bald zu uns.
Henriette (Mendelssohn).
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