• August Wilhelm von Schlegel to Sophie Bernhardi

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 21.08.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Sophie Bernhardi
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 21.08.1801
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 36283637X
  • Bibliography: Dreihundert Briefe aus zwei Jahrhunderten. Hg. v. Karl von Holtei. Bd. 2. Hannover 1872, S. 61‒68.
  • Incipit: „[1] Jena d. 21. Aug. 1801.
    Wertheste Freundin!
    Den einen Brief, der zu spät für mich nach B. geschickt worden, habe ich richtig [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-37100
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.1,Nr.7c
  • Number of Pages: 11 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 18,6 x 11,6 cm
    Language
  • German
[1] Jena d. 21. Aug. 1801.
Wertheste Freundin!
Den einen Brief, der zu spät für mich nach B. geschickt worden, habe ich richtig zurück erhalten. Ich wollte Sie hätten ihn aufmachen können, er war von meiner Schwägerin und enthielt eine Nachricht Wiedemanns über Ihren Bruder, die ich Ihnen nun selbst noch schreibe. P. (Pisa?) d. 18. Juli: „Tieck (Friedrich, der Bildhauer) reiset erst in 8 oder 14 Tagen von hier ab; ich war diesen Morgen bei ihm. Da die Gallerie der Italienischen Gemählde seit dem 14. Jul. eröffnet ist, so muß er diese noch so viel möglich sehen. Er arbeitet selbst sehr gut. Großes habe ich von ihm zwar nicht gesehen, aber auch aus dem Kleinen kann man ihn beurtheilen. Einige Porträts in Basrelief von Kindern hat er sehr hübsch gemacht.“ ‒
Sie sehen, daß dieß in Ansehung der Ursache seines längeren Verweilens mit der Aussage Humboldts übereinstimmt. Doch wundern wir uns nach dieser fast, daß er noch nicht hier ist, denn heute sind es gerade 14 Tage seit Humboldt meine Frau besucht und versichert hat: Fr. T. folge ihm auf dem Fuße nach. ‒ Ueber die Beschaffenheit seiner Aufträge im Weimarschen Schloß werde ich nun bald von Goethe das nähere erfahren. Erfordert ihre Ausführung viel Zeit, [2] so solltʼ ich denken, er würde jetzt erst seine berlinischen Geschäfte in Richtigkeit bringen, um dann hierher zurückzukehren. Dann wäre es möglich, daß er noch einen Theil des nächsten Sommers in W. zubrächte, und er könnte hier auch das Monument ausarbeiten. Es wird sich ja bald alles aufklären.
Carolinens Besserung geht fort, doch ist sie noch äußerst schwach von Kräften und muß sich sehr schonen. Indessen ist sie wieder so weit, daß sie spazieren fahren und gehen kann, und ich hoffe sie vor dem Winter wieder auf dem Punkte ihrer Gesundheit zu sehen, wo sie vor dieser letzten Krankheit, (einem Nervenfieber wenn man nicht schleunig entgegengearbeitet hätte,) sich befand. Unser wackerer Arzt, Kilian, schmeichelt sich allerdings, ungeachtet ihrer jetzigen unendlichen Susceptibilität, sie noch wieder zu einer ganz festen Constitution zu bringen. Künftigen Sommer wird sie wohl ein Mineralbad, wenigstens ein künstliches ‒ man legt hier herum Schlackenbäder an ‒ gebrauchen müssen. Auch jetzt tragen Bäder mit Infusionen und Kräutern wohl das meiste bey.
Alles was für die Gesundheit Carolinens [3] vorgekehrt wird, erinnert mich an die Ihrige, und ich bitte Sie recht dringend, mir einen förmlichen officiellen Bülletin darüber zukommen zu lassen. Auch von Ihrer täglichen Lebensart, damit ich sehe, ob Sie sich gehörig in Acht nehmen, und alles thun was sich gehört. Wie bekömmt die Chocolate, die Weinsuppe mit Sago, das Isländische Moos, u. s. w? Ich hoffe, Sie haben sich meine Erinnerungen wegen des Theeʼs zu Herzen gehen lassen. Ueberhaupt müssen Sie Ihre Abneigung gegen die heilsamsten Dinge ablegen, wenn ich Ihnen nicht feind werden soll. Sie machen sich doch fleißig mäßige Bewegung mit Fahren und Gehen, ehe die schlimmere Jahreszeit eintritt? Ich wollte, Sie könnten auch baden. Das würde aber freilich bey Ihrer Wohnung weitläuftig seyn. Ich will verfahren wie ein französischer General, und Bernhardiʼn einstweilen responsabel machen für allen Schaden den Sie nehmen könnten. Im nächsten Frühling führen wir Sie dann von Berlin weg, damit Sie einmal keinen Staub verschlucken dürfen, die Landluft genießen, und unter der Leitung eines ächten Brownschen (!) Arztes stehen.
[4] Wir haben gestern eine Wohnung auf nächsten Sommer besehen, die außerordentlich hübsch ist, und worin es unsern Freunden wohl bey uns werden soll. Sie liegt am Ende der Vorstadt nach Rudolstadt zu, geht ganz ins Freye hinaus, und genießt die herrlichste Aussicht. Auch in dem daranstoßenden Garten sieht man ringsherum am Horizonte die Berge. Doctor Luther hat einmal in diesem Hause gewohnt, und dadurch seinen guten Geschmack bewiesen. Indessen ist es von Innen ganz neu ausgebaut, und das Lutheranische wird also wohl ziemlich abgekratzt seyn. Noch wissen wir nicht, wieviel der Eigenthümer fordern wird, vermuthlich ziemlich viel, da er Möbeln darin hat, die er nicht davon trennen will. Wir haben schon gespaßt: die Freunde, die uns besuchen würden, sollten Entree bezahlen. Gewiß ist es, daß kein angenehmerer Gesellschafts-Versammlungsort für sie zu finden wäre. Caroline hat die ganze Nacht davon geträumt, und verabscheut die jetzige Wohnung, in Hoffnung auf die neue, herzlich.
Was mich betrifft, so wandle ich hier in einem neuen Leben. Ich trinke täglich eine Flasche leichten rothen Ungarischen Wein, dagegen [5] wenig Bier und keinen Thee. Ich bade mich einen Tag um den andern, ich lese die Zeitungen, ich fahre, gehe spazieren, und werde nächstens auch ausreiten. Letzthin wanderte ich mit meiner Schwägerin und Mlle. Gotter einen ganzen Nachmittag herum ‒ es thut einem doch wohl, einmal wieder von den Bergen herab die Bäche rauschen zu hören. Größere Ausflüge, z. B. nach der Rudelsburg, haben noch nicht unternommen werden können. Einige Tage habe ich, wie ich schon neulich schrieb, mit Kramen in meinen Papieren und Büchern, auch mit Briefschreiben hingebracht; dann habe ich schon viel Griechisch und Spanisch gelesen; an eigene Arbeiten bin ich noch nicht gekommen, nun geht es aber mit allem Eifer daran. Mir kommt vor ich hätte hier noch einmal so viel Zeit als in Berlin. Es ist wahr, das mühselige Hin- und Herlaufen ist allerdings in Anschlag zu bringen; und dann habe ich manche schöne Stunde mich auch verplaudert, besonders die letzten Wochen, meine theuren Freunde, in dem Glauben daß ich euch bald verließe, welches nun doch nicht wahr gewesen ist, indem ich ja schon auf meine Rückkehr denke.
Caroline hat den Plan mit den Vorlesungen [6] in Berlin sehr gebilliget, wiewohl sie nach ihren jetzigen Umständen nicht versprechen kann, sogleich mich zu begleiten; doch denkt sie gewiß um Weihnachten nachzukommen. Ein Hauptgrund ist auch, daß sie, im Fall einer Krankheit, dort keinen Arzt finden würde, zu dem sie volles Zutrauen haben könnte. ‒ Vielleicht ist sie vor Ende Octobers schon so gesund, daß sie einen anderen Entschluß fassen kann. An Ueberredung lasse ich es nicht fehlen.
Hier habe ich denn nun das Avertissement über meine Vorlesungen aufgesetzt und frage an: ob es so recht ist? Ueberlegen Sie es mit Bernhardi und Schleiermacher. Sollten kleine Veränderungen darin nöthig erachtet werden, so hat die junta Vollmacht sie vorzunehmen. Verwerft ihr aber das Ganze als nicht zweckmäßig, so thut es mir baldigst zu wissen, damit ich ein verändertes schicken kann. Ich wünsche, daß es in Berlin gedruckt werde. Hier würde, wenn ich auch in Frommanns Druckerey Heimlichhaltung anbeföhle, doch gleich ein großes Aufheben von meiner baldigen Wieder-Abreise entstehen, welches mir nachher sehr schädlich wäre, wenn nichts daraus würde. [7] Frölich kann den Druck auf meine Rechnung besorgen, oder auch Sander. Beyde werden wissen, ob so etwas erst noch die Censur passiren muß. Ich wünsche es einigermaßen elegant gedruckt, mit lateinischen Lettern, und auf Schreibpapier, welches doch keine große Ausgabe machen wird, da es auf ein Blatt, höchstens zweye, gehen muß. Die Billette bestellt mit lateinischen Lettern auf Visitenkartenpapier. Von den Avertissements müssen doch wohl ein 200 Exemplare abgezogen werden. Ich hoffe die sämmtlichen Freunde werden sich mit Werken eifrig bezeigen. Außer Ihrem eigentlichen Kreise bitte ich Sie einige Exemplare zu schicken: an Frau von Berg (mit einem Briefe, den ich heute noch oder nächsten Posttag an Sie einschließen werde,) an Mad. Liepmann (der ich ebenfalls einige Zeilen schreibe) und an Dr. Meyer.
So viel möglich muß man die Leute die Pränumeration sogleich erlegen, und sich ja nicht den Gedanken merken lassen, als ob es vielleicht nicht dazu käme. Sollte dieß der Fall seyn, so werden die Frd. zu[8]rückgezahlt. ‒ Mit den Billetten muß aber die Einrichtung getroffen werden, daß sie nicht anders gültig sind, als wenn einer meiner Freunde sie contrasignirt hat. Dieses muß aber ein Einziger verrichten, damit keine Unordnung entsteht: Bernhardi, Schleiermacher oder Schütze, wer sich dem Geschäft am liebsten unterziehen will. Dieser schreibt alsdann oben den Namen des Abonnenten hinein, darunter: bezahlt, ‒ und seinen Namen. Ich muß ihn dann auch bitten, ein genaues Verzeichniss der Personen an welche Billets gegeben werden, nebst Anmerkung ihrer Wohnung zu halten, und ja keine Billets ohne Friedrdʼor auszugeben, für welches (als die Hauptsache bei der ganzen Begebenheit) ich ihn responsabel mache. Die Freybillets an gute Freunde kann ich austheilen wenn ich ankomme.
Ich hoffe auf baldige Nachricht von dem Erfolg. Sollte es nicht gelingen, so wird mir dieß den Aufenthalt in Berlin nicht verleiden: ich komme dennoch in der zweiten Hälfte des Winters.

[9] Der Druck des Alman. ist angefangen und wird nun rasch fortgehen. Noch habe ich keine Zeile von Tieck (Ludwig) und ich werde mich auch nicht mit schreiben bemühen: denn wozu soll ich mich vergeblich ereifern? Der Almanach ist reich genug, wenn er auch nichts mehr liefert. Nur Bernhardiʼs Gedicht sollte T. doch herausgeben und seine Stimme darüber sagen. Mahnen Sie ihn dazu!
Ich verfahre übrigens jetzt bei der Herausgabe, als wenn ich sie allein übernommen hätte.
Goethe hat mir aus Cassel geschrieben; in acht Tagen wird er gewiß zurück erwartet, dann gehe ich gleich nach Weimar, presentire die Bilder, und wir werden alles sonstige besprechen.
Mniochs Brief an mich muß Schütze noch haben ‒ schicken Sie ihn mir doch gelegentlich mit. ‒ Die Original-Abschrift von Hardenbergs (Novalis) Liedern muß Schleiermacher haben. Lassen Sie sich selbige wieder geben und verwahren sie mir auf. Lassen Sie sich auch von B. das Velin-Exempl. des 7ten Bandes von Shakspeare geben, und behalten es ebenfalls dort.
[10] Von Hardenbergs geistl. Liedern hat, wie mir mein Bruder gesagt, Karl Hardenberg Ihrem Bruder eine große Menge überliefert ‒ der Plan beyder ein gemeinschaftliches Gesangbuch herauszugeben, wird also nun wohl noch realisirt werden.
Mein Bruder hat mir vor seiner Abreise die sämmtlichen Gedichte zur Lucinde dagelassen. Es sind doch viel neue hinzugekommen. ‒ Drey dramatische Plane hat er mir vorgelegt, doch ist davon noch nichts niedergeschrieben. Eben so ist auch das Indische Mährchen noch nicht auf dem Papiere, er will nicht an die Ausarbeitung gehen, bis er weiß, ob es noch in den dießjährigen Almanach kommen kann, was vielleicht der Fall nicht ist. ‒ Daß er das Arabische erlernt, ist nur ein blindes Gerücht. Lust hat er allerdings dazu. Dagegen ist er ein eifriger Portugiese geworden, und enthusiastisch für des Camoëns Lusiade eingenommen. Er hat auch mich sehr dazu ermahnt, und versichert, mit meinem Spanischen könnte ich es in 14 Tagen soweit bringen. Allein diese habe ich jetzt nicht daran zu wenden.
Viele Grüße an die Freunde! Caroline läßt sich Ihnen und Bernhardi allerbestens [11] empfehlen. Mit den fünf liebenswürdigen Frauenzimmern im Hause vertrage ich mich zum Theil gut, zum Theil so so.
Emma hat Ihre Bonbons sehr goutirt. Vor einigen Tagen hat ihr Schelling einen kleinen Hamster geschenkt, an dem sie große Freude hat. Er ist jetzt hier die modige Ergötzung der Kinder.
Lebt wohl meine lieben Freunde.

Jetzt darf ich es Ihnen wohl melden, daß ich Goetheʼn ein Anerbieten von Mad. Unzelmann zu machen gehabt, im September in Weimar zu spielen. Er ist sehr erfreut darüber, und will ihr gleich von Cassel aus nach Breslau schreiben. Vermuthlich nimmt er die Abwesenheit der Jagemann doppelt gern auf diese Weise wahr. Von dieser und ihrem Anhange besorgte ich Gegenwirkung und hielt es daher ganz geheim. Sagen Sie es auch in Berlin noch nicht weiter. ‒
Hier geht allgemein das Gerücht Iffland werde im Sept. in Weimar auftreten. Ich glaube es nicht. Melden Sie mir ja Alles was Sie vom berliner Theater hören und wissen.
Mein Bruder ist von seiner Reise noch nicht zurück.
[12]
[1] Jena d. 21. Aug. 1801.
Wertheste Freundin!
Den einen Brief, der zu spät für mich nach B. geschickt worden, habe ich richtig zurück erhalten. Ich wollte Sie hätten ihn aufmachen können, er war von meiner Schwägerin und enthielt eine Nachricht Wiedemanns über Ihren Bruder, die ich Ihnen nun selbst noch schreibe. P. (Pisa?) d. 18. Juli: „Tieck (Friedrich, der Bildhauer) reiset erst in 8 oder 14 Tagen von hier ab; ich war diesen Morgen bei ihm. Da die Gallerie der Italienischen Gemählde seit dem 14. Jul. eröffnet ist, so muß er diese noch so viel möglich sehen. Er arbeitet selbst sehr gut. Großes habe ich von ihm zwar nicht gesehen, aber auch aus dem Kleinen kann man ihn beurtheilen. Einige Porträts in Basrelief von Kindern hat er sehr hübsch gemacht.“ ‒
Sie sehen, daß dieß in Ansehung der Ursache seines längeren Verweilens mit der Aussage Humboldts übereinstimmt. Doch wundern wir uns nach dieser fast, daß er noch nicht hier ist, denn heute sind es gerade 14 Tage seit Humboldt meine Frau besucht und versichert hat: Fr. T. folge ihm auf dem Fuße nach. ‒ Ueber die Beschaffenheit seiner Aufträge im Weimarschen Schloß werde ich nun bald von Goethe das nähere erfahren. Erfordert ihre Ausführung viel Zeit, [2] so solltʼ ich denken, er würde jetzt erst seine berlinischen Geschäfte in Richtigkeit bringen, um dann hierher zurückzukehren. Dann wäre es möglich, daß er noch einen Theil des nächsten Sommers in W. zubrächte, und er könnte hier auch das Monument ausarbeiten. Es wird sich ja bald alles aufklären.
Carolinens Besserung geht fort, doch ist sie noch äußerst schwach von Kräften und muß sich sehr schonen. Indessen ist sie wieder so weit, daß sie spazieren fahren und gehen kann, und ich hoffe sie vor dem Winter wieder auf dem Punkte ihrer Gesundheit zu sehen, wo sie vor dieser letzten Krankheit, (einem Nervenfieber wenn man nicht schleunig entgegengearbeitet hätte,) sich befand. Unser wackerer Arzt, Kilian, schmeichelt sich allerdings, ungeachtet ihrer jetzigen unendlichen Susceptibilität, sie noch wieder zu einer ganz festen Constitution zu bringen. Künftigen Sommer wird sie wohl ein Mineralbad, wenigstens ein künstliches ‒ man legt hier herum Schlackenbäder an ‒ gebrauchen müssen. Auch jetzt tragen Bäder mit Infusionen und Kräutern wohl das meiste bey.
Alles was für die Gesundheit Carolinens [3] vorgekehrt wird, erinnert mich an die Ihrige, und ich bitte Sie recht dringend, mir einen förmlichen officiellen Bülletin darüber zukommen zu lassen. Auch von Ihrer täglichen Lebensart, damit ich sehe, ob Sie sich gehörig in Acht nehmen, und alles thun was sich gehört. Wie bekömmt die Chocolate, die Weinsuppe mit Sago, das Isländische Moos, u. s. w? Ich hoffe, Sie haben sich meine Erinnerungen wegen des Theeʼs zu Herzen gehen lassen. Ueberhaupt müssen Sie Ihre Abneigung gegen die heilsamsten Dinge ablegen, wenn ich Ihnen nicht feind werden soll. Sie machen sich doch fleißig mäßige Bewegung mit Fahren und Gehen, ehe die schlimmere Jahreszeit eintritt? Ich wollte, Sie könnten auch baden. Das würde aber freilich bey Ihrer Wohnung weitläuftig seyn. Ich will verfahren wie ein französischer General, und Bernhardiʼn einstweilen responsabel machen für allen Schaden den Sie nehmen könnten. Im nächsten Frühling führen wir Sie dann von Berlin weg, damit Sie einmal keinen Staub verschlucken dürfen, die Landluft genießen, und unter der Leitung eines ächten Brownschen (!) Arztes stehen.
[4] Wir haben gestern eine Wohnung auf nächsten Sommer besehen, die außerordentlich hübsch ist, und worin es unsern Freunden wohl bey uns werden soll. Sie liegt am Ende der Vorstadt nach Rudolstadt zu, geht ganz ins Freye hinaus, und genießt die herrlichste Aussicht. Auch in dem daranstoßenden Garten sieht man ringsherum am Horizonte die Berge. Doctor Luther hat einmal in diesem Hause gewohnt, und dadurch seinen guten Geschmack bewiesen. Indessen ist es von Innen ganz neu ausgebaut, und das Lutheranische wird also wohl ziemlich abgekratzt seyn. Noch wissen wir nicht, wieviel der Eigenthümer fordern wird, vermuthlich ziemlich viel, da er Möbeln darin hat, die er nicht davon trennen will. Wir haben schon gespaßt: die Freunde, die uns besuchen würden, sollten Entree bezahlen. Gewiß ist es, daß kein angenehmerer Gesellschafts-Versammlungsort für sie zu finden wäre. Caroline hat die ganze Nacht davon geträumt, und verabscheut die jetzige Wohnung, in Hoffnung auf die neue, herzlich.
Was mich betrifft, so wandle ich hier in einem neuen Leben. Ich trinke täglich eine Flasche leichten rothen Ungarischen Wein, dagegen [5] wenig Bier und keinen Thee. Ich bade mich einen Tag um den andern, ich lese die Zeitungen, ich fahre, gehe spazieren, und werde nächstens auch ausreiten. Letzthin wanderte ich mit meiner Schwägerin und Mlle. Gotter einen ganzen Nachmittag herum ‒ es thut einem doch wohl, einmal wieder von den Bergen herab die Bäche rauschen zu hören. Größere Ausflüge, z. B. nach der Rudelsburg, haben noch nicht unternommen werden können. Einige Tage habe ich, wie ich schon neulich schrieb, mit Kramen in meinen Papieren und Büchern, auch mit Briefschreiben hingebracht; dann habe ich schon viel Griechisch und Spanisch gelesen; an eigene Arbeiten bin ich noch nicht gekommen, nun geht es aber mit allem Eifer daran. Mir kommt vor ich hätte hier noch einmal so viel Zeit als in Berlin. Es ist wahr, das mühselige Hin- und Herlaufen ist allerdings in Anschlag zu bringen; und dann habe ich manche schöne Stunde mich auch verplaudert, besonders die letzten Wochen, meine theuren Freunde, in dem Glauben daß ich euch bald verließe, welches nun doch nicht wahr gewesen ist, indem ich ja schon auf meine Rückkehr denke.
Caroline hat den Plan mit den Vorlesungen [6] in Berlin sehr gebilliget, wiewohl sie nach ihren jetzigen Umständen nicht versprechen kann, sogleich mich zu begleiten; doch denkt sie gewiß um Weihnachten nachzukommen. Ein Hauptgrund ist auch, daß sie, im Fall einer Krankheit, dort keinen Arzt finden würde, zu dem sie volles Zutrauen haben könnte. ‒ Vielleicht ist sie vor Ende Octobers schon so gesund, daß sie einen anderen Entschluß fassen kann. An Ueberredung lasse ich es nicht fehlen.
Hier habe ich denn nun das Avertissement über meine Vorlesungen aufgesetzt und frage an: ob es so recht ist? Ueberlegen Sie es mit Bernhardi und Schleiermacher. Sollten kleine Veränderungen darin nöthig erachtet werden, so hat die junta Vollmacht sie vorzunehmen. Verwerft ihr aber das Ganze als nicht zweckmäßig, so thut es mir baldigst zu wissen, damit ich ein verändertes schicken kann. Ich wünsche, daß es in Berlin gedruckt werde. Hier würde, wenn ich auch in Frommanns Druckerey Heimlichhaltung anbeföhle, doch gleich ein großes Aufheben von meiner baldigen Wieder-Abreise entstehen, welches mir nachher sehr schädlich wäre, wenn nichts daraus würde. [7] Frölich kann den Druck auf meine Rechnung besorgen, oder auch Sander. Beyde werden wissen, ob so etwas erst noch die Censur passiren muß. Ich wünsche es einigermaßen elegant gedruckt, mit lateinischen Lettern, und auf Schreibpapier, welches doch keine große Ausgabe machen wird, da es auf ein Blatt, höchstens zweye, gehen muß. Die Billette bestellt mit lateinischen Lettern auf Visitenkartenpapier. Von den Avertissements müssen doch wohl ein 200 Exemplare abgezogen werden. Ich hoffe die sämmtlichen Freunde werden sich mit Werken eifrig bezeigen. Außer Ihrem eigentlichen Kreise bitte ich Sie einige Exemplare zu schicken: an Frau von Berg (mit einem Briefe, den ich heute noch oder nächsten Posttag an Sie einschließen werde,) an Mad. Liepmann (der ich ebenfalls einige Zeilen schreibe) und an Dr. Meyer.
So viel möglich muß man die Leute die Pränumeration sogleich erlegen, und sich ja nicht den Gedanken merken lassen, als ob es vielleicht nicht dazu käme. Sollte dieß der Fall seyn, so werden die Frd. zu[8]rückgezahlt. ‒ Mit den Billetten muß aber die Einrichtung getroffen werden, daß sie nicht anders gültig sind, als wenn einer meiner Freunde sie contrasignirt hat. Dieses muß aber ein Einziger verrichten, damit keine Unordnung entsteht: Bernhardi, Schleiermacher oder Schütze, wer sich dem Geschäft am liebsten unterziehen will. Dieser schreibt alsdann oben den Namen des Abonnenten hinein, darunter: bezahlt, ‒ und seinen Namen. Ich muß ihn dann auch bitten, ein genaues Verzeichniss der Personen an welche Billets gegeben werden, nebst Anmerkung ihrer Wohnung zu halten, und ja keine Billets ohne Friedrdʼor auszugeben, für welches (als die Hauptsache bei der ganzen Begebenheit) ich ihn responsabel mache. Die Freybillets an gute Freunde kann ich austheilen wenn ich ankomme.
Ich hoffe auf baldige Nachricht von dem Erfolg. Sollte es nicht gelingen, so wird mir dieß den Aufenthalt in Berlin nicht verleiden: ich komme dennoch in der zweiten Hälfte des Winters.

[9] Der Druck des Alman. ist angefangen und wird nun rasch fortgehen. Noch habe ich keine Zeile von Tieck (Ludwig) und ich werde mich auch nicht mit schreiben bemühen: denn wozu soll ich mich vergeblich ereifern? Der Almanach ist reich genug, wenn er auch nichts mehr liefert. Nur Bernhardiʼs Gedicht sollte T. doch herausgeben und seine Stimme darüber sagen. Mahnen Sie ihn dazu!
Ich verfahre übrigens jetzt bei der Herausgabe, als wenn ich sie allein übernommen hätte.
Goethe hat mir aus Cassel geschrieben; in acht Tagen wird er gewiß zurück erwartet, dann gehe ich gleich nach Weimar, presentire die Bilder, und wir werden alles sonstige besprechen.
Mniochs Brief an mich muß Schütze noch haben ‒ schicken Sie ihn mir doch gelegentlich mit. ‒ Die Original-Abschrift von Hardenbergs (Novalis) Liedern muß Schleiermacher haben. Lassen Sie sich selbige wieder geben und verwahren sie mir auf. Lassen Sie sich auch von B. das Velin-Exempl. des 7ten Bandes von Shakspeare geben, und behalten es ebenfalls dort.
[10] Von Hardenbergs geistl. Liedern hat, wie mir mein Bruder gesagt, Karl Hardenberg Ihrem Bruder eine große Menge überliefert ‒ der Plan beyder ein gemeinschaftliches Gesangbuch herauszugeben, wird also nun wohl noch realisirt werden.
Mein Bruder hat mir vor seiner Abreise die sämmtlichen Gedichte zur Lucinde dagelassen. Es sind doch viel neue hinzugekommen. ‒ Drey dramatische Plane hat er mir vorgelegt, doch ist davon noch nichts niedergeschrieben. Eben so ist auch das Indische Mährchen noch nicht auf dem Papiere, er will nicht an die Ausarbeitung gehen, bis er weiß, ob es noch in den dießjährigen Almanach kommen kann, was vielleicht der Fall nicht ist. ‒ Daß er das Arabische erlernt, ist nur ein blindes Gerücht. Lust hat er allerdings dazu. Dagegen ist er ein eifriger Portugiese geworden, und enthusiastisch für des Camoëns Lusiade eingenommen. Er hat auch mich sehr dazu ermahnt, und versichert, mit meinem Spanischen könnte ich es in 14 Tagen soweit bringen. Allein diese habe ich jetzt nicht daran zu wenden.
Viele Grüße an die Freunde! Caroline läßt sich Ihnen und Bernhardi allerbestens [11] empfehlen. Mit den fünf liebenswürdigen Frauenzimmern im Hause vertrage ich mich zum Theil gut, zum Theil so so.
Emma hat Ihre Bonbons sehr goutirt. Vor einigen Tagen hat ihr Schelling einen kleinen Hamster geschenkt, an dem sie große Freude hat. Er ist jetzt hier die modige Ergötzung der Kinder.
Lebt wohl meine lieben Freunde.

Jetzt darf ich es Ihnen wohl melden, daß ich Goetheʼn ein Anerbieten von Mad. Unzelmann zu machen gehabt, im September in Weimar zu spielen. Er ist sehr erfreut darüber, und will ihr gleich von Cassel aus nach Breslau schreiben. Vermuthlich nimmt er die Abwesenheit der Jagemann doppelt gern auf diese Weise wahr. Von dieser und ihrem Anhange besorgte ich Gegenwirkung und hielt es daher ganz geheim. Sagen Sie es auch in Berlin noch nicht weiter. ‒
Hier geht allgemein das Gerücht Iffland werde im Sept. in Weimar auftreten. Ich glaube es nicht. Melden Sie mir ja Alles was Sie vom berliner Theater hören und wissen.
Mein Bruder ist von seiner Reise noch nicht zurück.
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