• Augusta von Buttlar to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Paris · Place of Destination: Bonn · Date: 01.01.1823
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Augusta von Buttlar
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Paris
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 01.01.1823
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-38972
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.3,Nr.125
  • Number of Pages: 4 S., hs. m. U.
  • Format: 18,2 x 11,6 cm u. 12 x 9,1 cm
  • Incipit: „[1] Geliebter Onkel!
    ich kann unmöglich das neue Jahr antreten, ohne Dir meinen herzlichsten Glückwunsch zu zurufen. Wenn Gott meinen heißen [...]“
    Language
  • German
  • French
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Hoell, Anne
  • Varwig, Olivia
[1] Geliebter Onkel!
ich kann unmöglich das neue Jahr antreten, ohne Dir meinen herzlichsten Glückwunsch zu zurufen. Wenn Gott meinen heißen Wunsch erhört, so haben Deine Freunde und die Welt noch lange das Glück Dich zu besitzen; für die Welt bist Du freilich schon unsterblich, aber Deine Freunde wollen auch den liebenswurdigen Menschen, und edlen Freund in dir behalten. Es ist wohl etwas anmaßend wenn ich mich zu den letztern rechne, aber meine Liebe und Verehrung für Dich nehmen es mit jedem auf wer es auch sei –
Nun habe ich Dir auch einige angenehme Dinge mitzutheilen, das Wichtigste ist wohl daß ich im Attelier von Gérard arbeite; er hat es mir selbst angebothen, und Du kannst dencken daß ich ein so gütiges Anerbiethen mit Dankbarkeit und Freude[n] angenommen. Die Herzogin von Broglie hatte die Güte, uns neulich zum Mittags Eßen einzuladen, wo sie auch Herrn Gérard gebeten, der aber kränklichkeitshalber nicht kommen konnte; sie sagte mir aber, daß er geäußert, wie er wünschte daß ich bey ihm arbeiten solle, car c’est seulement la palette à la main que je peux lui montrer ce que je ne pourrois pas lui expliquer de bouche &. Die Herzogin rieth mir, die folgenden Mittwoch zu seiner Soirée zu gehen, und dort das Übrige mit ihm zu besprechen. Mittwoch Abends eilf Uhr, machten wir uns also auf den Weg, wo wir dort eine Zahlreiche Gesellschaft fanden. Er machte mir nun selbst die Offerte, und sagte unter andern: je veux vous communiquer mes petits secrets, car il ne vous manque que peu de chose, & je vous monteroi [2] Mademoiselle Godefroy vous arrangera une chambre, où vous travaillerez à votre aise, et elle aura soins que rien ne vous manqué &. – daß ich Herrn Gérard sowohl, als Melle Godefroy meine Dankbarkeit für dießes Anerbiethen ausdrückte, kannst Du wohl denken; bey dieser Gelegenheit sagte ich denn auch Herrn Gérard, daß ich früher den Wunsch gehabt, auf dem Louvre zu arbeiten, daß ich aber noch nicht das so glücklich gewesen, den Herrn Grafen Forbin zu sehen und zu sprechen. Madame, le Comte Forbin, et quelques autres Messieurs du Louvre sont ici, je vais Vous arranger celà dans un moment. worauf er sich ins Nebenzimmer begab, wo sich jene Herrn vermuthlich befanden; beim Weggehen stellte er mir den General Secretair, Herrn de Caillu vor, der mich im Louvre einführen würde. Gestern war ich bey diesem Herrn der mich sehr artig empfing, und mir das Attelier gezeigt wo ich arbeiten kann. Daß ich bey Herrn Gérard arbeite, ist mir freilich wichtiger, doch darf ich dießes auch nicht vernachläßigen, denn es soll eine große Gnade sein, wenn man im Louvre die Bilder herunter bekömmt, was mir Herr Caillu sehr artig zugesagt, auch in diesem Punkt bleibt mir nichts zu wünschen übrig. Es mag wohl wenig Beispiele geben, daß eine fremde, unbedeutende Person, drei Atteliers für sich erhält; dagegen mag es auch wenig Nichten geben, die einen Oheim von Deinem Ruhm in die Waagschale zu legen haben. Die Menschen erzeigen mir überall so viel Güte, daß ich oft zu Thränen gerührt darüber bin, und Gott im Stillen danke, daß er mir durch gute Menschen, seine Werkzeuge, alles so erleichtert, und mir Wege und Zutritt eröffnet, um mich auszubilden. Die Gräfin St. Aulaire hat uns Sonntag zum Dejeûner gebeten, wo sie mich zu Herrn Denon begleiten will. Wir gedencken in unserm jetzigen Quartier bis gegen den Frühling zu bleiben, dann werden wir aber suchen eine Wohnung in der Gegend von Gérard zu miethen. Mein Mann der leider meistentheils kränkelt, gefällt sich aber doch sehr in den Zirkeln wo wir Zutritt haben, er bewegt sich freier als irgendwo, nun mußte freilich seine Garderobe egänzt werden, um mit Anstand erscheinen zu können. Von Dresden haben wir heute die letzten Nachrichten v. 18.ten Dezbr. erhalten nach welchen alles gesund und wohl ist, aber von einer (b.) [3] (b.) Zulage vom Hofe immer noch keine Rede war. Es wäre doch eine Schande, wenn man auf Vaters treue beinahe 50jährige Dienste keine Rücksicht nähme. Habe ich nur erst etwas Rechtes gelernt, dann werde ich wohl auch ohne den Hof seelig werden. Der liebe Gott erhalte mir nur einige Gönner und deren Fürsprache. Daß Du liebster Onkel mir eine Unterstützung zukommen läßt, ist mir von großem Nutzen und ich kann Dir nicht mit Worten dafür danken. Du kannst überzeugt sein daß wir sehr öconomisch leben, und demnach brauchen wir viel da wir doch mit einem gewißen Anstand auftreten müßen. Die Kälte kam uns sehr in sofern zu statten als wir doch theilweise die Lohnfuhre ersparen konnten, doch diese Freude war von kurzer Dauer und der Schmutz ist ärger als je. Gerard schien meine kleine Composition der Hl. Anna die ich ihm gezeigt, zu gefallen er äußerte sich ohngefähr so darüber, c’est peint avec du sentiment &. j’aime mieux celà que trop de légéreté où il n’y a pas de fond, car avec l’un on peut tout faire, mais l’autre c’est comme de la plupart des français, dont l’esprit est de la crême fouettée. Im Allgemeinen läßt er den Fremden mehr Gerechtigkeit wiederfahren und äußert sich oft sehr scharfsinnig und wizig [4] gegen die Franzosen. – Zufälliger weise befindet sich das Portrait der F. von Staël bey Gérard, das ich angefangen zu malen, d. h. blos den Kopf. – Ob denn Herr von Humboldt bald zurückkommen wird? die Bekanntschaft dieses berühmten Mannes hat für mich hohes Intereße.
Nun Du guter lieber Onkel lebe wohl, Gott schenke Dir Gesundheit, und langes Leben.
Mein Mann empfielt sich Dir zu freundlichem Andenken! Behalte lieb wie ich Dich
Deine
treue Nichte
Auguste
Paris den 1ten Januar
1823
[1] Geliebter Onkel!
ich kann unmöglich das neue Jahr antreten, ohne Dir meinen herzlichsten Glückwunsch zu zurufen. Wenn Gott meinen heißen Wunsch erhört, so haben Deine Freunde und die Welt noch lange das Glück Dich zu besitzen; für die Welt bist Du freilich schon unsterblich, aber Deine Freunde wollen auch den liebenswurdigen Menschen, und edlen Freund in dir behalten. Es ist wohl etwas anmaßend wenn ich mich zu den letztern rechne, aber meine Liebe und Verehrung für Dich nehmen es mit jedem auf wer es auch sei –
Nun habe ich Dir auch einige angenehme Dinge mitzutheilen, das Wichtigste ist wohl daß ich im Attelier von Gérard arbeite; er hat es mir selbst angebothen, und Du kannst dencken daß ich ein so gütiges Anerbiethen mit Dankbarkeit und Freude[n] angenommen. Die Herzogin von Broglie hatte die Güte, uns neulich zum Mittags Eßen einzuladen, wo sie auch Herrn Gérard gebeten, der aber kränklichkeitshalber nicht kommen konnte; sie sagte mir aber, daß er geäußert, wie er wünschte daß ich bey ihm arbeiten solle, car c’est seulement la palette à la main que je peux lui montrer ce que je ne pourrois pas lui expliquer de bouche &. Die Herzogin rieth mir, die folgenden Mittwoch zu seiner Soirée zu gehen, und dort das Übrige mit ihm zu besprechen. Mittwoch Abends eilf Uhr, machten wir uns also auf den Weg, wo wir dort eine Zahlreiche Gesellschaft fanden. Er machte mir nun selbst die Offerte, und sagte unter andern: je veux vous communiquer mes petits secrets, car il ne vous manque que peu de chose, & je vous monteroi [2] Mademoiselle Godefroy vous arrangera une chambre, où vous travaillerez à votre aise, et elle aura soins que rien ne vous manqué &. – daß ich Herrn Gérard sowohl, als Melle Godefroy meine Dankbarkeit für dießes Anerbiethen ausdrückte, kannst Du wohl denken; bey dieser Gelegenheit sagte ich denn auch Herrn Gérard, daß ich früher den Wunsch gehabt, auf dem Louvre zu arbeiten, daß ich aber noch nicht das so glücklich gewesen, den Herrn Grafen Forbin zu sehen und zu sprechen. Madame, le Comte Forbin, et quelques autres Messieurs du Louvre sont ici, je vais Vous arranger celà dans un moment. worauf er sich ins Nebenzimmer begab, wo sich jene Herrn vermuthlich befanden; beim Weggehen stellte er mir den General Secretair, Herrn de Caillu vor, der mich im Louvre einführen würde. Gestern war ich bey diesem Herrn der mich sehr artig empfing, und mir das Attelier gezeigt wo ich arbeiten kann. Daß ich bey Herrn Gérard arbeite, ist mir freilich wichtiger, doch darf ich dießes auch nicht vernachläßigen, denn es soll eine große Gnade sein, wenn man im Louvre die Bilder herunter bekömmt, was mir Herr Caillu sehr artig zugesagt, auch in diesem Punkt bleibt mir nichts zu wünschen übrig. Es mag wohl wenig Beispiele geben, daß eine fremde, unbedeutende Person, drei Atteliers für sich erhält; dagegen mag es auch wenig Nichten geben, die einen Oheim von Deinem Ruhm in die Waagschale zu legen haben. Die Menschen erzeigen mir überall so viel Güte, daß ich oft zu Thränen gerührt darüber bin, und Gott im Stillen danke, daß er mir durch gute Menschen, seine Werkzeuge, alles so erleichtert, und mir Wege und Zutritt eröffnet, um mich auszubilden. Die Gräfin St. Aulaire hat uns Sonntag zum Dejeûner gebeten, wo sie mich zu Herrn Denon begleiten will. Wir gedencken in unserm jetzigen Quartier bis gegen den Frühling zu bleiben, dann werden wir aber suchen eine Wohnung in der Gegend von Gérard zu miethen. Mein Mann der leider meistentheils kränkelt, gefällt sich aber doch sehr in den Zirkeln wo wir Zutritt haben, er bewegt sich freier als irgendwo, nun mußte freilich seine Garderobe egänzt werden, um mit Anstand erscheinen zu können. Von Dresden haben wir heute die letzten Nachrichten v. 18.ten Dezbr. erhalten nach welchen alles gesund und wohl ist, aber von einer (b.) [3] (b.) Zulage vom Hofe immer noch keine Rede war. Es wäre doch eine Schande, wenn man auf Vaters treue beinahe 50jährige Dienste keine Rücksicht nähme. Habe ich nur erst etwas Rechtes gelernt, dann werde ich wohl auch ohne den Hof seelig werden. Der liebe Gott erhalte mir nur einige Gönner und deren Fürsprache. Daß Du liebster Onkel mir eine Unterstützung zukommen läßt, ist mir von großem Nutzen und ich kann Dir nicht mit Worten dafür danken. Du kannst überzeugt sein daß wir sehr öconomisch leben, und demnach brauchen wir viel da wir doch mit einem gewißen Anstand auftreten müßen. Die Kälte kam uns sehr in sofern zu statten als wir doch theilweise die Lohnfuhre ersparen konnten, doch diese Freude war von kurzer Dauer und der Schmutz ist ärger als je. Gerard schien meine kleine Composition der Hl. Anna die ich ihm gezeigt, zu gefallen er äußerte sich ohngefähr so darüber, c’est peint avec du sentiment &. j’aime mieux celà que trop de légéreté où il n’y a pas de fond, car avec l’un on peut tout faire, mais l’autre c’est comme de la plupart des français, dont l’esprit est de la crême fouettée. Im Allgemeinen läßt er den Fremden mehr Gerechtigkeit wiederfahren und äußert sich oft sehr scharfsinnig und wizig [4] gegen die Franzosen. – Zufälliger weise befindet sich das Portrait der F. von Staël bey Gérard, das ich angefangen zu malen, d. h. blos den Kopf. – Ob denn Herr von Humboldt bald zurückkommen wird? die Bekanntschaft dieses berühmten Mannes hat für mich hohes Intereße.
Nun Du guter lieber Onkel lebe wohl, Gott schenke Dir Gesundheit, und langes Leben.
Mein Mann empfielt sich Dir zu freundlichem Andenken! Behalte lieb wie ich Dich
Deine
treue Nichte
Auguste
Paris den 1ten Januar
1823
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