• Christian Lassen to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: London · Place of Destination: Bonn · Date: 19.12.1824
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Lassen
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: London
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 19.12.1824
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 370508637
  • Bibliography: Schlegel, August Wilhelm; Lassen, Christian: Briefwechsel. Hg. v. Willibald Kirfel. Bonn 1914, S. 99‒102.
  • Incipit: „[1] London, d. 19ten Dec. 24.
    Hochwohlgebohrner Herr Professor!
    Hochzuverehrender Lehrer!
    Da ich jetzt die erste und, wie ich glaube, mühsamere Hälfte der Arbeit, [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-34965
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.14,Nr.31
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 22,5 x 18,5 cm
    Language
  • German
[1] London, d. 19ten Dec. 24.
Hochwohlgebohrner Herr Professor!
Hochzuverehrender Lehrer!
Da ich jetzt die erste und, wie ich glaube, mühsamere Hälfte der Arbeit, die Ewr. Hochwohlgebohren die Güte gehabt haben, mir anzuvertrauen, hinter mir sehe, so werden Sie Nachsicht mit mir haben, wenn ich diesen Brief ramayanisirend anfange. Mit dem zweiten Buche nach den Devanag[ari] Hdschften bin ich denn am Ende; ich habe nur noch ein Paar Stellen zu rectificiren, um gleich nach den Festtagen das dritte vornehmen zu können. Ich habe schon früher den Cod. D hiezu vorgeschlagen, hauptsächlich wegen des Commentars, der nicht nur überall die Fehler des Textes corrigiren hilft, sondern auch die bedeutenden Varianten der andern Recension angiebt. Ich werde so viel aus dem Commentar excerpiren, als ich Zeit finde; ich bin allmählich zu der Ueberzeugung gekommen, daß wir die Commentare immer berücksichtigen sollten, wo wir nur welche haben. Colebrooke hat mir dieses wohl oft geäußert, er scheint mir aber wiederum zu weit zu gehen; so viel ist gewiß, daß er kaum einen Text übersetzen würde, ohne einen Commentar benutzen zu können. Ich wüßte auch wohl, wie man sich hinter einem Commentar verschanzen könnte, es würde meinem Sinne aber mehr zusagen, gegen den guten Commentator zu Felde zu ziehen, wozu wir im Manu und den Vêdas ohne Zweifel ein Recht haben; denn [sie] sind oft willkührlich, oft tragen sie auch ihr System in einen alten Autor hinein; aber des Nützlichen ist auch viel in Ihnen. ‒
Mit dem Bengal. Codex bin ich auch im Gange, freilich noch nicht weiter als bis zum Cap. XI des zweiten Buches. So viel ich bis jetzt verglichen habe, stimmt dieser Codex hier außerordentlich genau mit dem Cod. Todd. überein, so daß ich bequem die Varianten in meiner frühern Abschrift angeben kann; ich erspare dadurch [2] Papier, Zeit und Mühe, was schon nicht zu verachten ist; auch wird meine Abschrift aus dem Cod. T dadurch einer doppelten Durchsicht unterworfen. Es wäre mir aber sehr lieb, wenn Sie mir noch während meines hiesigen Aufenthalts ein Verzeichniß der Stellen zuschicken könnten, wo Ihnen an der Richtigkeit meiner Lesung ein Zweifel übrig bleibt. Ich muß nur gestehen, daß ich im Lesen Bengalischer Manuscripte wenig Sicherheit besitze, und oft mehr mit meiner etwaigen Kenntniß der Sprache, beschränkt wie sie ist, als mit den leiblichen Augen lese, wodurch ein Sinn wohl meistens herauskömmt, aber vielleicht nicht immer die wahre Lesart, weil dieser Codex oft sehr seltene Wörter aufführt, die mir sonst nie vorgekommen; es giebt auch Ligaturen der Bengal. Schrift, die bekanntlich zweideutig sind, wie tt oder tu etc.
Mit dem 4ten Buche nach dem Cod. T bin ich eben am Ende, und zum Durchsehen der Abschriften übergegangen; ich werde sie Ihnen zusenden, so wie ich mit jeder Abtheilung fertig werde. Ich muß freilich um Erlaubniß bitten, die Abschriften aus dem zweiten Buche so lange behalten zu dürfen, als ich sie zur Vergleichung des Bengal. Codex gebrauche. Die Durchsicht kann freilich nur langsam von Statten gehen, da ich von jetzt an zwischen drei Feuern stehe; es läßt sich dieses aber nun wohl nicht ändern, und besser spät, als nie. Ich wünschte freilich sehr, irgend ein sehr abstruses Werk daneben betreiben zu können, um dem Geist die nöthige Gymnastik zu verschaffen, und in dem gespannten Zustande zu erhalten, der allein die gehörige Schärfe des Urtheils hervorbringt.
Mit Bemerkungen über das gegenseitige Verhältniß des Codices will ich Sie nicht behelligen; ich habe in der That nichts sicheres darüber vorzubringen und gestehe, daß ich alle Gedanken über historische Gegenstände des Indischen Alterthums aus Verzweifelung aufgegeben habe. Ich will nur hinzufügen, daß ich ein Paar Mahl im Cod. C. ein dâxinâtya pâṭha od. dekhanische Recension citirt gefunden [3] habe, und zwar einmahl die [Angabe], daß ein Capitel in jener Recension sich nicht vorfinde. Es bleibt also hier noch ein Punct, den wir noch nicht untersuchen können. Die wirklich unermeßliche Sammlung von Col-[onel] Mackenzie wird hoffentlich hiezu die Mittel darreichen, und ich hoffe sie noch hier zu Gesicht zu bekommen. Die Ostindische Bibliothek erhält jetzt eine Zugabe von mehrern Zimmern, um den schon vorhandenen Vorrath doch aufstellen zu können; ich hoffe daher nach Neujahr Dr. Leydenʼs Manuscripte benutzen zu können.
Ich habe Ihnen sonst nichts zu berichten, als daß mir gesagt worden, daß Dr. Wilson mit der Herausgabe eines Drama beschäftigt sey, die Uebersetzung ist natürlich metrisch, hoffentlich jedoch in blank verses. Nach der Mittheilung eines Freundes von W[ilson], der eben aus Calcutta gekommen, soll dieses Drama eine ganz neue und von W[ilson] sehr angepriesene Entdeckung seyn. Die Zeit wird das Wahre davon bringen.
Sir Alex[ander] Johnston ist nach der Stadt gekommen und ich muß sehr die Artigkeit loben, womit ich in seine Familie aufgenommen werde; ich verliere zwar dadurch einige Zeit, doch ist es auch vielleicht gut, daß ich nicht ganz Misanthrop werde. Dr. Noehden befindet sich wohl und so auch Dr. Wilkins. Herr Colebrooke ist sehr fleißig, und ich ergebe mich ganz seinem gaûravam.
Schließlich erbitte ich mir die Ehre, mich unterschreiben zu dürfen,
Ewr. Hochwohlgebohren
ergebensten und dankbarsten
Chr. Laßen.
[4]
[1] London, d. 19ten Dec. 24.
Hochwohlgebohrner Herr Professor!
Hochzuverehrender Lehrer!
Da ich jetzt die erste und, wie ich glaube, mühsamere Hälfte der Arbeit, die Ewr. Hochwohlgebohren die Güte gehabt haben, mir anzuvertrauen, hinter mir sehe, so werden Sie Nachsicht mit mir haben, wenn ich diesen Brief ramayanisirend anfange. Mit dem zweiten Buche nach den Devanag[ari] Hdschften bin ich denn am Ende; ich habe nur noch ein Paar Stellen zu rectificiren, um gleich nach den Festtagen das dritte vornehmen zu können. Ich habe schon früher den Cod. D hiezu vorgeschlagen, hauptsächlich wegen des Commentars, der nicht nur überall die Fehler des Textes corrigiren hilft, sondern auch die bedeutenden Varianten der andern Recension angiebt. Ich werde so viel aus dem Commentar excerpiren, als ich Zeit finde; ich bin allmählich zu der Ueberzeugung gekommen, daß wir die Commentare immer berücksichtigen sollten, wo wir nur welche haben. Colebrooke hat mir dieses wohl oft geäußert, er scheint mir aber wiederum zu weit zu gehen; so viel ist gewiß, daß er kaum einen Text übersetzen würde, ohne einen Commentar benutzen zu können. Ich wüßte auch wohl, wie man sich hinter einem Commentar verschanzen könnte, es würde meinem Sinne aber mehr zusagen, gegen den guten Commentator zu Felde zu ziehen, wozu wir im Manu und den Vêdas ohne Zweifel ein Recht haben; denn [sie] sind oft willkührlich, oft tragen sie auch ihr System in einen alten Autor hinein; aber des Nützlichen ist auch viel in Ihnen. ‒
Mit dem Bengal. Codex bin ich auch im Gange, freilich noch nicht weiter als bis zum Cap. XI des zweiten Buches. So viel ich bis jetzt verglichen habe, stimmt dieser Codex hier außerordentlich genau mit dem Cod. Todd. überein, so daß ich bequem die Varianten in meiner frühern Abschrift angeben kann; ich erspare dadurch [2] Papier, Zeit und Mühe, was schon nicht zu verachten ist; auch wird meine Abschrift aus dem Cod. T dadurch einer doppelten Durchsicht unterworfen. Es wäre mir aber sehr lieb, wenn Sie mir noch während meines hiesigen Aufenthalts ein Verzeichniß der Stellen zuschicken könnten, wo Ihnen an der Richtigkeit meiner Lesung ein Zweifel übrig bleibt. Ich muß nur gestehen, daß ich im Lesen Bengalischer Manuscripte wenig Sicherheit besitze, und oft mehr mit meiner etwaigen Kenntniß der Sprache, beschränkt wie sie ist, als mit den leiblichen Augen lese, wodurch ein Sinn wohl meistens herauskömmt, aber vielleicht nicht immer die wahre Lesart, weil dieser Codex oft sehr seltene Wörter aufführt, die mir sonst nie vorgekommen; es giebt auch Ligaturen der Bengal. Schrift, die bekanntlich zweideutig sind, wie tt oder tu etc.
Mit dem 4ten Buche nach dem Cod. T bin ich eben am Ende, und zum Durchsehen der Abschriften übergegangen; ich werde sie Ihnen zusenden, so wie ich mit jeder Abtheilung fertig werde. Ich muß freilich um Erlaubniß bitten, die Abschriften aus dem zweiten Buche so lange behalten zu dürfen, als ich sie zur Vergleichung des Bengal. Codex gebrauche. Die Durchsicht kann freilich nur langsam von Statten gehen, da ich von jetzt an zwischen drei Feuern stehe; es läßt sich dieses aber nun wohl nicht ändern, und besser spät, als nie. Ich wünschte freilich sehr, irgend ein sehr abstruses Werk daneben betreiben zu können, um dem Geist die nöthige Gymnastik zu verschaffen, und in dem gespannten Zustande zu erhalten, der allein die gehörige Schärfe des Urtheils hervorbringt.
Mit Bemerkungen über das gegenseitige Verhältniß des Codices will ich Sie nicht behelligen; ich habe in der That nichts sicheres darüber vorzubringen und gestehe, daß ich alle Gedanken über historische Gegenstände des Indischen Alterthums aus Verzweifelung aufgegeben habe. Ich will nur hinzufügen, daß ich ein Paar Mahl im Cod. C. ein dâxinâtya pâṭha od. dekhanische Recension citirt gefunden [3] habe, und zwar einmahl die [Angabe], daß ein Capitel in jener Recension sich nicht vorfinde. Es bleibt also hier noch ein Punct, den wir noch nicht untersuchen können. Die wirklich unermeßliche Sammlung von Col-[onel] Mackenzie wird hoffentlich hiezu die Mittel darreichen, und ich hoffe sie noch hier zu Gesicht zu bekommen. Die Ostindische Bibliothek erhält jetzt eine Zugabe von mehrern Zimmern, um den schon vorhandenen Vorrath doch aufstellen zu können; ich hoffe daher nach Neujahr Dr. Leydenʼs Manuscripte benutzen zu können.
Ich habe Ihnen sonst nichts zu berichten, als daß mir gesagt worden, daß Dr. Wilson mit der Herausgabe eines Drama beschäftigt sey, die Uebersetzung ist natürlich metrisch, hoffentlich jedoch in blank verses. Nach der Mittheilung eines Freundes von W[ilson], der eben aus Calcutta gekommen, soll dieses Drama eine ganz neue und von W[ilson] sehr angepriesene Entdeckung seyn. Die Zeit wird das Wahre davon bringen.
Sir Alex[ander] Johnston ist nach der Stadt gekommen und ich muß sehr die Artigkeit loben, womit ich in seine Familie aufgenommen werde; ich verliere zwar dadurch einige Zeit, doch ist es auch vielleicht gut, daß ich nicht ganz Misanthrop werde. Dr. Noehden befindet sich wohl und so auch Dr. Wilkins. Herr Colebrooke ist sehr fleißig, und ich ergebe mich ganz seinem gaûravam.
Schließlich erbitte ich mir die Ehre, mich unterschreiben zu dürfen,
Ewr. Hochwohlgebohren
ergebensten und dankbarsten
Chr. Laßen.
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