• August Wilhelm von Schlegel to Christian Friedrich Tieck

  • Place of Dispatch: Florenz · Place of Destination: Carrara · Date: 05.03.1816 bis 08.03.1816
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: Christian Friedrich Tieck
  • Place of Dispatch: Florenz
  • Place of Destination: Carrara
  • Date: 05.03.1816 bis 08.03.1816
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-37187
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XX,Bd.7,Nr.66(63)
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 21 x 12,6 cm
  • Incipit: „[1] Florenz d. 5ten März 1816
    Geliebtester Freund!
    Ich habe dich tausendmal um Verzeihung zu bitten, daß ich so lange nicht, u [...]“
    Language
  • German
  • Italian
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
[1] Florenz d. 5ten März 1816
Geliebtester Freund!
Ich habe dich tausendmal um Verzeihung zu bitten, daß ich so lange nicht, u überhaupt seit deiner Abreise nur ein einzigesmal geschrieben. Aber denke dir nur die Zerstreuungen u Abhaltungen, welche mir die Ankunft der jungen Leute, die Hochzeit, das Umziehen, da ich die letzte Woche im Gasthofe gewohnt, dann der Abschied von Pisa, die neue Einrichtung hier, wo wir gerade noch die lärmendsten Tage des Carnavals mit angesehen, mir verursachen mußten. Rechne auch von hier aus nicht auf lange Briefe, ich muß den Aufenthalt möglichst zu benutzen suchen, u da ist, neben den unvermeidlichen gesellschaftlichen Störungen, so viel zu thun, daß man sich fast zerreißen möchte. Ich habe nun drey Briefe von dir, u mich wundert, daß du in dem letzten vom 29sten Februar weder meinen Brief, den ich dem Fuhrmann mitgegeben, noch die richtige Ankunft der sorgfältig unter meinen Augen eingepackten Briefe Albertines erwähnst. Doch dieß beunruhigt mich nicht, wäre sie unterwegs verunglückt, so würdest du es wohl gemeldet haben Es ist verdrießlich, daß dir die Arbeiter an der Büste des Smith einen solchen Streich gespielt: halte sie doch strenger unter der Zucht. Ich kann dich nicht genug ermahnen, diese u und überhaupt deine Arbeiten zu fördern, damit du nachher um so freyer seyn mögest. Ich denke, die günstigste Zeit für deinen Besuch hier u unsre Reise wird gleich nach Ostern seyn. Rocca wünscht, du möchtest ein Exemplar von seiner Büste in Gips mit herbringen, u wenn es irgend möglich ist, mußt du dem Kranken willfahren. Überdieß wird sie sehr gefallen. – Wir bleiben zuverläßig bis zur [2] Mitte Maiʼs hier, vielleicht noch länger, denn es fragt sich, ob Rocca alsdann im Stande ist, die Rückreise anzutreten. Es nimmt meines Bedünkens eine sehr üble Wendung mit ihm. Er hat hier sogleich nach seiner Ankunft wieder Blutspeyen bekommen, u es ist noch nicht vorüber. Wenn man ihn bis zum Herbste hinbringt wird es ein Wunder seyn. Frau v. St. war bisher in der vollkommensten Täuschung über seinen Zustand, doch fängt sie an das Wahre wenigstens dann u wann zu ahnden. Ein trauriger Zeitpunkt wird noch zu überstehen seyn.
Acerbi hat sich alle mögliche Mühe wegen des Auftrags gegeben, aber wie du aus der Einlage sehen wirst, vergeblich. Das Manuscript ist entweder in Paris geblieben, oder gar verlohren. Schon zuvor am 30sten Jan. schrieb er mir: I manoscritti, i libri, eec. non si sono ancora veduti, e si teme che sarà stato di loro ciò che è stato de’ quadri, cioè che piu della metà son rimasti in Parigi o non si sà dove. Ho consegnata intanto la nota e la commissione à un mio amico Bibliotecario di Brera, perché stia un in guardia del momento che questi monumenti si renderanno visibili, e perché abbia in vista particolarmente il codice di Monza e il ritratto da lei desiderato, assicurandole che sarà xxa servita mia premura che ella sia servita con tutto lo zelo. – Wenn dir daran liegt, so könnte ich nach Paris schreiben, an einen Deutschen, der bey der Bibliothek angestellt ist, wiewohl es eine kützlichte Sache ist, sich nach einem Codex zu erkundigen, der bey der Zurückgabe verläugnet worden.
[3] Albertines Vermählung wurde am 20sten Febr. in beyden Kirchen gefeyert. Wir haben Verse in allen möglichen Sprachen gehabt: Italiänische, recht hübsche, von Rosini, ohne die käuflichen von dienstbaren Geistern zu rechnen; englische, von dem Geistlichen selbst; Griechische und Lateinische von Ciampi, u Deutsche von mir, für welche du der Seltenheit wegen wohl einiges Postgeld ausgeben kannst.
Ich gebe hier den jungen Leuten eine Art von Vorlesung über die Geschichte der Kunst, d.h. ich schwatze darüber einen Tag um den andern in der Stunde nach dem Frühstück. Du würdest es vielleicht nicht ohne Vergnügen mit anhören. Ich gerathe hier recht wieder in die Leidenschaft des Kunstbeschauung herein: es ist doch der erste Ort nach Rom. Wir wollen recht schwelgen, wenn du herkommst; alsdann werde ich schon überall recht bewandert seyn. Mit den Antiqua von Zannoni u Inghirami stehe ich auf dem besten Fuße. Der Großherzog hat sich sehr günstig über mich u mir den Zutritt zu seiner Bibliothek zuvorkommend öffnen lassen. Da finde ich nun die herrlichsten Kupferwerke von den Indischen, Aegyptischen, Griechischen Kupferw Denkmälern, u werde vieles für die Zukunft einsammeln.
Der Stiefsohn meines Bruders Philipp Veith ist nicht mehr hier, sondern in Rom. Ich habe eine angenehme Wiener Bekanntschaft erneuert, mit Fräulein Nina von Hartel, die sich ihrer Gesundheit wegen hier aufhält.
Lebe tausendmal wohl, u schreibe mir bald wieder, wiewohl ich dießmal so nachläßig war. Schick mir auch den Brief von Acerbi zurück.
Dein treuer Freund
AWSchl.
d. 8 März. Der Brief ist liegen geblieben, u ich weiß noch jetzt nicht wann die Post abgeht. Deine Skizze der Statue habe ich hieher geschafft. Bringe deine Zeichnungen mit, wann du kommst
[4] [leer]
[1] Florenz d. 5ten März 1816
Geliebtester Freund!
Ich habe dich tausendmal um Verzeihung zu bitten, daß ich so lange nicht, u überhaupt seit deiner Abreise nur ein einzigesmal geschrieben. Aber denke dir nur die Zerstreuungen u Abhaltungen, welche mir die Ankunft der jungen Leute, die Hochzeit, das Umziehen, da ich die letzte Woche im Gasthofe gewohnt, dann der Abschied von Pisa, die neue Einrichtung hier, wo wir gerade noch die lärmendsten Tage des Carnavals mit angesehen, mir verursachen mußten. Rechne auch von hier aus nicht auf lange Briefe, ich muß den Aufenthalt möglichst zu benutzen suchen, u da ist, neben den unvermeidlichen gesellschaftlichen Störungen, so viel zu thun, daß man sich fast zerreißen möchte. Ich habe nun drey Briefe von dir, u mich wundert, daß du in dem letzten vom 29sten Februar weder meinen Brief, den ich dem Fuhrmann mitgegeben, noch die richtige Ankunft der sorgfältig unter meinen Augen eingepackten Briefe Albertines erwähnst. Doch dieß beunruhigt mich nicht, wäre sie unterwegs verunglückt, so würdest du es wohl gemeldet haben Es ist verdrießlich, daß dir die Arbeiter an der Büste des Smith einen solchen Streich gespielt: halte sie doch strenger unter der Zucht. Ich kann dich nicht genug ermahnen, diese u und überhaupt deine Arbeiten zu fördern, damit du nachher um so freyer seyn mögest. Ich denke, die günstigste Zeit für deinen Besuch hier u unsre Reise wird gleich nach Ostern seyn. Rocca wünscht, du möchtest ein Exemplar von seiner Büste in Gips mit herbringen, u wenn es irgend möglich ist, mußt du dem Kranken willfahren. Überdieß wird sie sehr gefallen. – Wir bleiben zuverläßig bis zur [2] Mitte Maiʼs hier, vielleicht noch länger, denn es fragt sich, ob Rocca alsdann im Stande ist, die Rückreise anzutreten. Es nimmt meines Bedünkens eine sehr üble Wendung mit ihm. Er hat hier sogleich nach seiner Ankunft wieder Blutspeyen bekommen, u es ist noch nicht vorüber. Wenn man ihn bis zum Herbste hinbringt wird es ein Wunder seyn. Frau v. St. war bisher in der vollkommensten Täuschung über seinen Zustand, doch fängt sie an das Wahre wenigstens dann u wann zu ahnden. Ein trauriger Zeitpunkt wird noch zu überstehen seyn.
Acerbi hat sich alle mögliche Mühe wegen des Auftrags gegeben, aber wie du aus der Einlage sehen wirst, vergeblich. Das Manuscript ist entweder in Paris geblieben, oder gar verlohren. Schon zuvor am 30sten Jan. schrieb er mir: I manoscritti, i libri, eec. non si sono ancora veduti, e si teme che sarà stato di loro ciò che è stato de’ quadri, cioè che piu della metà son rimasti in Parigi o non si sà dove. Ho consegnata intanto la nota e la commissione à un mio amico Bibliotecario di Brera, perché stia un in guardia del momento che questi monumenti si renderanno visibili, e perché abbia in vista particolarmente il codice di Monza e il ritratto da lei desiderato, assicurandole che sarà xxa servita mia premura che ella sia servita con tutto lo zelo. – Wenn dir daran liegt, so könnte ich nach Paris schreiben, an einen Deutschen, der bey der Bibliothek angestellt ist, wiewohl es eine kützlichte Sache ist, sich nach einem Codex zu erkundigen, der bey der Zurückgabe verläugnet worden.
[3] Albertines Vermählung wurde am 20sten Febr. in beyden Kirchen gefeyert. Wir haben Verse in allen möglichen Sprachen gehabt: Italiänische, recht hübsche, von Rosini, ohne die käuflichen von dienstbaren Geistern zu rechnen; englische, von dem Geistlichen selbst; Griechische und Lateinische von Ciampi, u Deutsche von mir, für welche du der Seltenheit wegen wohl einiges Postgeld ausgeben kannst.
Ich gebe hier den jungen Leuten eine Art von Vorlesung über die Geschichte der Kunst, d.h. ich schwatze darüber einen Tag um den andern in der Stunde nach dem Frühstück. Du würdest es vielleicht nicht ohne Vergnügen mit anhören. Ich gerathe hier recht wieder in die Leidenschaft des Kunstbeschauung herein: es ist doch der erste Ort nach Rom. Wir wollen recht schwelgen, wenn du herkommst; alsdann werde ich schon überall recht bewandert seyn. Mit den Antiqua von Zannoni u Inghirami stehe ich auf dem besten Fuße. Der Großherzog hat sich sehr günstig über mich u mir den Zutritt zu seiner Bibliothek zuvorkommend öffnen lassen. Da finde ich nun die herrlichsten Kupferwerke von den Indischen, Aegyptischen, Griechischen Kupferw Denkmälern, u werde vieles für die Zukunft einsammeln.
Der Stiefsohn meines Bruders Philipp Veith ist nicht mehr hier, sondern in Rom. Ich habe eine angenehme Wiener Bekanntschaft erneuert, mit Fräulein Nina von Hartel, die sich ihrer Gesundheit wegen hier aufhält.
Lebe tausendmal wohl, u schreibe mir bald wieder, wiewohl ich dießmal so nachläßig war. Schick mir auch den Brief von Acerbi zurück.
Dein treuer Freund
AWSchl.
d. 8 März. Der Brief ist liegen geblieben, u ich weiß noch jetzt nicht wann die Post abgeht. Deine Skizze der Statue habe ich hieher geschafft. Bringe deine Zeichnungen mit, wann du kommst
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· Beiliegender Brief von/an A.W. Schlegel , 09.02.1816
· Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
· Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.1,Nr.1
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