• Charlotte Ernst to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dresden · Place of Destination: Coppet · Date: [9. Juni 1809]
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Charlotte Ernst
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dresden
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: [9. Juni 1809]
  • Notations: Datum (Jahr) sowie Absende- und Empfangsort erschlossen. – Datierung u.a. durch die Ernennung Friedrich Schlegels zum Hofsekretär in Wien im März 1809. – Da Josef Körner die Beilage zu diesem Brief 1829 (Friedrich Schlegel an Charlotte Ernst, 18. Mai 1809) in Coppet eingesehen hat, ist diese wohl mit der von Charlotte Ernst erwähnten „Nachricht von F.“ gemeint, die sie AWS nicht „vorenthalten“ will. – Charlotte Ernst lässt bei „ch“-Schreibungen oft das „c“ weg. Hier wurde korrigierend eingegriffen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-5
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,18,15
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 2 S., hs.
  • Format: 20,2 x 12,6 cm
  • Incipit: „[1] Mein geliebtester Ernst Freund
    schon über 20 mal habe ich die Feder ergreifen wollen, an dich zu schreiben, aber das [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
[1] Mein geliebtester Ernst Freund
schon über 20 mal habe ich die Feder ergreifen wollen, an dich zu schreiben, aber das schnelle Wechsel der Gefühle; warten der Dinge die da kommen sollen; Unmuth, haben mich zurückgehalten, und hauptsächlich mein Widerwillen vors schreiben, seitdem ein Brief nichts mehr wie eine leere Hülse ist, denn wer kann und darf sein Herz jetzt da niederlegen ausschütten. Es war ein merkwürdiges Viertheljahr für mich, oft in meinen Gefühlen schrecklich. Meine Theilnahme an das Interreße der Menschheit ist oft zu mächtig für mich mein Herz nie habe ich das für ein Privat Leiden empfunden was ich jetzt empfinde, ich bedürfte jetzt eines Freundes der diese Begebenheiten in eben dem ernsten Gesichtspunkte ansähe, und auf ihre Entscheidende Wichtigkeit für die Menschheit. Siegt die Sache der Moralität, dann sind die Todten die geopfert wurden nur eine schöne Saat, aus dem neues und schönes Leben hervorquillt. – Sollte dieß aber nicht seyn! – dann müßen wir unsre Hände empor heben, und beten Gieb daß mein Glaube nicht wanke! – E. blieb nur 14 Tage hier, und ich ward seiner kaum froh ich bin ganz von ihm getrennt, denn unsre Briefe können keine wahre Mittheilung seyn. Die Schritte unsres Friedrichs, werden dich eben so wie mich mit Freude erfüllt haben, die Sache endige sich für ihn glücklich oder nicht, so bin ich stolz daß er dieses unternahm, ich bin immer in Gedanken bey ihm, sein dabey seyn macht mir die Sache noch gegenwärtiger, ich setzte mich bey jeder [2] großen Begebenheit an seine Stelle, daß Wogen der Gefühle mit dem Wechsel des Glücks, Wie ers nur aushält! Etwas mußt du mir Antheil daran zu erkennen wenn ich dir gleich den größten laße. Ich habe alle Ursache zu vermuthen wenn D. nicht gereist wäre, wäre er so thätig nicht gewesen, über dem tritt er so viel rehtlicher in seinen Verhältnißen auf. Du wirst die Loyalität dieser Frau bewundern, die die Courage hatte in Wien zu bleiben. Bitte dir ab in deinen Herzen, du hast sie in einem ganz falschen Gesichtspunkt angesehen. Sie verehrte dich, sie liebte dich ud du hast sie bitter gekränkt. Mein einer Brief indem ich mir Tadel über sie erlaubt, sagte doch eigentlich nichts als daß sie anders sey wie ich, was ich vielleicht zu schwerfällig beginne, fast sie vielleicht gar zu leicht an. und die Gabe die sie hat aus jeder Stunde noch etwas zu machen die Umgebungen und Aussichten seyn auch wie sie wollen, ist vielleicht das Rechte durch dieses Leben durch zu kommen, nur wird man ungeduldig darüber, wenn man es als ein Hinderniß ihres künftigen Wohlseyns betrachtet, gieb mir die Beruhigung und sage mir daß du in deinem Herzen mit ihr versöhnt bist. Ich freue mich hauptsächlich darüber daß ich dir einen Brief von F. beylegen kann. Er beträgt sich wie wir es von ihm erwarten konnten. Nun will ich dir noch kurz mein Leben schildern. Die Aussichten in Februar waren, als wenn wir der Schauplatz des Krieges werden würde, es verbreiteten sich allar mirende Gerüchte, über den Anmarsch des Erzherzogs Karl, das Gerücht verstärkte sich mit jedem Tage, es ward bey Hofe alles eingepackt die Herrschaften zur Flucht bereit, kurz [3] alles in Angst und Schrecken, die Familie meines Mannes die wie du weißt vor dem Thore wohnt war in großer Verlegenheit, sie war auf den Punkt in die Wochen zu kommen, ich bot ihr mein Haus an, und sie zog ein nebst Mutter 4 Kindern und einer Kinderfrau, für alles wurde Platz geschaft, du hättest die kleine Republick sehen sollen alles wimmelte ud war voller Vergnügen, den Kindern war es eine wahre parthie de plaisir nach 8 Tagen ward unsre häusliche Gesellschaft, durch einen kleinen kräftigen Weltbürger und einer Amme vermehrt, auch da gieng noch alles gut, über unsre kleine innre Welt vergaßen wir beynahe was draußen vorgieng. Unterdeßen sollte aus unserm armen Dresden eine Festung gemacht werden, mehrer Tausende arbeiteten täglich an den Schanzen, man sah nichts als Pulver und Kanonen fahren, man redete von destruirung des großen Gartens, das arme Moritzburg wurde zu Schanz Faschinen von seinem Holze geplündert ud schon redete man von Abtragung der Vorstädte. Unterdessen zogen unsre Gäste wieder ab, weil ich nun an die Räumung meines Hauses denken mußte. Den Tag des Ausziehens werde ich nie vergeßen, um Mittag kam plötzlich die Nachricht daß unser König fort wolle, du kannst dir den Alarm denken, und mein Schrecken da ich besonders so nahe dabey interreßirt war, auf einmal marschirte alles, die Kanonen schiften ein so daß nach 24 Stunden, nicht ein Mann Soldaten noch eine Kanone mehr da war, so haben wir nun seitdem gelebt, ich ohne meinen Mann, und nur [4] Gott dankend, daß es nicht weiter gieng als nach Leipzig. Was nun weiter geschehen wird, weiß kein Mensch ein dichter Schleyer ist über die Zukunft gezogen Gott gebe daß sich der Himmel bald erhellen möge. Empfiehl mich der Fr. v. Stael angelegentlichst wie bewundere ich den starken Geist dieser Frau, die bey dem großen Intereße welches sie gefaßt hat, so wenig davon absorbirt wird, daß sie ganz sie selbst bleibt, mit Anmuth und Leichtigkeit ihren Weg wandelt, die Menschen aller Art dulden kann, und aus ihnen macht was sich machen läßt. Ich fliehe jetzt die Menschen, bin trocken und peinlich in Gesellschaft, nur wenige die ich gern sehe. Auch mit dem lesen ist es schwer, zeiten wo ich zu peinlich verwundt bin, kann ich gar nichts finden was mich wirklich abzieht. Geschichte mag ich nicht weil sie mich immer wieder an die große Geschichte des Tages erinnert, auch mit der Poesie geht es nicht, doch habe ich jetzt den Ariost wieder vorgenommen. Denke einmal ich bekomme deinen 2ten Theil vom Calderon wofür ich dir sehr danke, ich schicke ihn eiligst zum Buchbinder ud bespreche es mit Piquet der ihn uns vorlesen soll, unterdessen fehlt der erste Bogen, nun muß man erst schreiben, ud wie lange wird das noch werden. Gustchen empfiehlt sich ihrer kleinen Freundinn es geht dießmal zu eilig zu, ich will dir die Nachricht von F. nicht vorenthalten, sonst schrieb sie gewiß, das Kind wächst entxxxxlich.
[5] Deinen Brief mein Liebster bekam ich, als meiner schon fertig war, er war durch ein Versehen den Montag liegen geblieben, und nun mußt ich bis auf den Freytag melden, warten, es ist mir aber eben so lieb, nun kann ich dir doch den Empfang deines Briefs melden. Es freut mich die Aehnlichkeit unserer Gesinnungen und Empfindungen. Ueber Friedrich hatten wir beide denselben Gedanken, ich dachte auch über das Meer für ihn und fieng schon an einen Ueberschlag zu machen, wie ich auf den Fall xxxxxrachten könnte, von dir war ich es ebenfalls uberzeugt daß du ihn nicht sinken lassen würdest. Gottlob bey den jetzigen Aussichten scheint dieses nicht nöthig zu seyn gebe uns der Himm Gott daß sich der Himmel nicht trübt von neuen trübt, aber auch dann müßten wir nicht verzagen, manchmal scheint mir etwas leicht zu dämmern, über diese große Begebenheiten, es kommt mir vor wie eine gewaltsame Scheidung des guten und Bösen, mir hat der Egoismus in seiner Armseligkeit so klar vor meinen Augen gestanden, so sondern sich die Menschen im Ganzen aber auch in dem Menschen geht durch diese großen Empfindungen eine solche Scheidung vor sich, oft wenn ich die Vorsehung in ihren großen operationen nicht begreifen kann so beschränke ich mich auf mich selbst, und untersuche wie diese Begebenheiten auf meine innre Fortschreitung gewirkt, bin ich darüber befriedigt, so beruhige ich mich über das andre, wo mein Blick nicht so tief hinein dringen kann.
Ueber F. sey ruhig ich hoffe einen Brief an ihn zu bringen, und da soll er deine zärtliche Sorge erfahren. höchst fatal ist es daß in einem Koffer der mit andern zugemauert worden ist, aus Unvorsichtigkeit 300 r. mit hineingekommen sind, deren ich nun jetzt nicht Herr bin, doch auf den Fall das Fr. das Geld brauchte würde ich wohl den Koffer schon wieder haben. ich muß dir sagen daß ich auf den Fall Friedrich, in meinen Gedanken 150 r. bestimmt hatte, ich habe zwar meinen Mann noch nicht darüber gefreutfragt, aber wir sind so einstimmig über den Gebrauch unsres Geldes, daß ich an seiner Einstimmung, gar nicht [6] den 9ten Junius zweifle Gustchen müßte ihr forte piano etwan noch ein Jahr länger entbehren. Aber ich wiederhole es ängstige dich nicht, ich habe es von Freunden die ihn kürzlich gesehen, er ist in eine brillante cariere voll guten Muths, und wird geschätzt ud geliebt. Machtet ihr es doch wie ich, kein Zeitungs blatt komt mir zu nahe auch kein Bülletin, doch habe ich meine stillen Quellen, und einige wenige Leute mit denen ich rede. Aerger ist die Empfindung vor die ich mich am mehrsten scheue. Sage der Fr von Stael daß ihr getreuer Cour macher hier in Dresden T. sich gar nicht in seinem Glanze hier zeigte und daß sein voreiliger Eifer, ihm allgemeine Misbilligung zugezogen. Deine Büste würde ich mich unendlich freuen sie zu besitzen, wenn es einmal möglich ist sie ohne vile Kosten herzuschaffen. An der guten Mutter handelst du sehr groß müthig, fast thust du zu vil, man muß dich an dich selbst erinnern, ich möchte wohl einmal mit dir reden daß du dich selbst nicht zu sehr zurücksetzt, ein kleiner fond könnte einmal auf dein Leben einen wichtigen Einfluß haben. Bleibt Fr. auf seinem jetzigen Wege so hat er dich nicht mehr nöthig, wenigstens sollte er es nicht wenn du in Zukunft ein paar Thaler Interreßen vor das Geld geben willst, so kannst du es so lange behalten, wie du willst, es bleibt doch vor Gustchen liegen. – Nun ich wieder hole es noch einmal sey über Fr. ruhig 150 r. gebe ich im Nothfall das übrige borge ich dir wenn ich noch was habe, oder wir nehmen es für dich auf. Uebrigens haben wir ja bisher in unsern Empfindungen so sympathisirt, so thue es auch künftig, ud theile meine heitre Stimmung. Es ist nur schlimm daß es einem so schwer gemacht wird einen Brief an Fr. zu bringen, wäre mein Mann hier gieng es beßer, ich soll einen parat halten, doch zweifle ich noch immer das er abgeholt wird. Die Leute sind zu furchtsam.
[1] Mein geliebtester Ernst Freund
schon über 20 mal habe ich die Feder ergreifen wollen, an dich zu schreiben, aber das schnelle Wechsel der Gefühle; warten der Dinge die da kommen sollen; Unmuth, haben mich zurückgehalten, und hauptsächlich mein Widerwillen vors schreiben, seitdem ein Brief nichts mehr wie eine leere Hülse ist, denn wer kann und darf sein Herz jetzt da niederlegen ausschütten. Es war ein merkwürdiges Viertheljahr für mich, oft in meinen Gefühlen schrecklich. Meine Theilnahme an das Interreße der Menschheit ist oft zu mächtig für mich mein Herz nie habe ich das für ein Privat Leiden empfunden was ich jetzt empfinde, ich bedürfte jetzt eines Freundes der diese Begebenheiten in eben dem ernsten Gesichtspunkte ansähe, und auf ihre Entscheidende Wichtigkeit für die Menschheit. Siegt die Sache der Moralität, dann sind die Todten die geopfert wurden nur eine schöne Saat, aus dem neues und schönes Leben hervorquillt. – Sollte dieß aber nicht seyn! – dann müßen wir unsre Hände empor heben, und beten Gieb daß mein Glaube nicht wanke! – E. blieb nur 14 Tage hier, und ich ward seiner kaum froh ich bin ganz von ihm getrennt, denn unsre Briefe können keine wahre Mittheilung seyn. Die Schritte unsres Friedrichs, werden dich eben so wie mich mit Freude erfüllt haben, die Sache endige sich für ihn glücklich oder nicht, so bin ich stolz daß er dieses unternahm, ich bin immer in Gedanken bey ihm, sein dabey seyn macht mir die Sache noch gegenwärtiger, ich setzte mich bey jeder [2] großen Begebenheit an seine Stelle, daß Wogen der Gefühle mit dem Wechsel des Glücks, Wie ers nur aushält! Etwas mußt du mir Antheil daran zu erkennen wenn ich dir gleich den größten laße. Ich habe alle Ursache zu vermuthen wenn D. nicht gereist wäre, wäre er so thätig nicht gewesen, über dem tritt er so viel rehtlicher in seinen Verhältnißen auf. Du wirst die Loyalität dieser Frau bewundern, die die Courage hatte in Wien zu bleiben. Bitte dir ab in deinen Herzen, du hast sie in einem ganz falschen Gesichtspunkt angesehen. Sie verehrte dich, sie liebte dich ud du hast sie bitter gekränkt. Mein einer Brief indem ich mir Tadel über sie erlaubt, sagte doch eigentlich nichts als daß sie anders sey wie ich, was ich vielleicht zu schwerfällig beginne, fast sie vielleicht gar zu leicht an. und die Gabe die sie hat aus jeder Stunde noch etwas zu machen die Umgebungen und Aussichten seyn auch wie sie wollen, ist vielleicht das Rechte durch dieses Leben durch zu kommen, nur wird man ungeduldig darüber, wenn man es als ein Hinderniß ihres künftigen Wohlseyns betrachtet, gieb mir die Beruhigung und sage mir daß du in deinem Herzen mit ihr versöhnt bist. Ich freue mich hauptsächlich darüber daß ich dir einen Brief von F. beylegen kann. Er beträgt sich wie wir es von ihm erwarten konnten. Nun will ich dir noch kurz mein Leben schildern. Die Aussichten in Februar waren, als wenn wir der Schauplatz des Krieges werden würde, es verbreiteten sich allar mirende Gerüchte, über den Anmarsch des Erzherzogs Karl, das Gerücht verstärkte sich mit jedem Tage, es ward bey Hofe alles eingepackt die Herrschaften zur Flucht bereit, kurz [3] alles in Angst und Schrecken, die Familie meines Mannes die wie du weißt vor dem Thore wohnt war in großer Verlegenheit, sie war auf den Punkt in die Wochen zu kommen, ich bot ihr mein Haus an, und sie zog ein nebst Mutter 4 Kindern und einer Kinderfrau, für alles wurde Platz geschaft, du hättest die kleine Republick sehen sollen alles wimmelte ud war voller Vergnügen, den Kindern war es eine wahre parthie de plaisir nach 8 Tagen ward unsre häusliche Gesellschaft, durch einen kleinen kräftigen Weltbürger und einer Amme vermehrt, auch da gieng noch alles gut, über unsre kleine innre Welt vergaßen wir beynahe was draußen vorgieng. Unterdeßen sollte aus unserm armen Dresden eine Festung gemacht werden, mehrer Tausende arbeiteten täglich an den Schanzen, man sah nichts als Pulver und Kanonen fahren, man redete von destruirung des großen Gartens, das arme Moritzburg wurde zu Schanz Faschinen von seinem Holze geplündert ud schon redete man von Abtragung der Vorstädte. Unterdessen zogen unsre Gäste wieder ab, weil ich nun an die Räumung meines Hauses denken mußte. Den Tag des Ausziehens werde ich nie vergeßen, um Mittag kam plötzlich die Nachricht daß unser König fort wolle, du kannst dir den Alarm denken, und mein Schrecken da ich besonders so nahe dabey interreßirt war, auf einmal marschirte alles, die Kanonen schiften ein so daß nach 24 Stunden, nicht ein Mann Soldaten noch eine Kanone mehr da war, so haben wir nun seitdem gelebt, ich ohne meinen Mann, und nur [4] Gott dankend, daß es nicht weiter gieng als nach Leipzig. Was nun weiter geschehen wird, weiß kein Mensch ein dichter Schleyer ist über die Zukunft gezogen Gott gebe daß sich der Himmel bald erhellen möge. Empfiehl mich der Fr. v. Stael angelegentlichst wie bewundere ich den starken Geist dieser Frau, die bey dem großen Intereße welches sie gefaßt hat, so wenig davon absorbirt wird, daß sie ganz sie selbst bleibt, mit Anmuth und Leichtigkeit ihren Weg wandelt, die Menschen aller Art dulden kann, und aus ihnen macht was sich machen läßt. Ich fliehe jetzt die Menschen, bin trocken und peinlich in Gesellschaft, nur wenige die ich gern sehe. Auch mit dem lesen ist es schwer, zeiten wo ich zu peinlich verwundt bin, kann ich gar nichts finden was mich wirklich abzieht. Geschichte mag ich nicht weil sie mich immer wieder an die große Geschichte des Tages erinnert, auch mit der Poesie geht es nicht, doch habe ich jetzt den Ariost wieder vorgenommen. Denke einmal ich bekomme deinen 2ten Theil vom Calderon wofür ich dir sehr danke, ich schicke ihn eiligst zum Buchbinder ud bespreche es mit Piquet der ihn uns vorlesen soll, unterdessen fehlt der erste Bogen, nun muß man erst schreiben, ud wie lange wird das noch werden. Gustchen empfiehlt sich ihrer kleinen Freundinn es geht dießmal zu eilig zu, ich will dir die Nachricht von F. nicht vorenthalten, sonst schrieb sie gewiß, das Kind wächst entxxxxlich.
[5] Deinen Brief mein Liebster bekam ich, als meiner schon fertig war, er war durch ein Versehen den Montag liegen geblieben, und nun mußt ich bis auf den Freytag melden, warten, es ist mir aber eben so lieb, nun kann ich dir doch den Empfang deines Briefs melden. Es freut mich die Aehnlichkeit unserer Gesinnungen und Empfindungen. Ueber Friedrich hatten wir beide denselben Gedanken, ich dachte auch über das Meer für ihn und fieng schon an einen Ueberschlag zu machen, wie ich auf den Fall xxxxxrachten könnte, von dir war ich es ebenfalls uberzeugt daß du ihn nicht sinken lassen würdest. Gottlob bey den jetzigen Aussichten scheint dieses nicht nöthig zu seyn gebe uns der Himm Gott daß sich der Himmel nicht trübt von neuen trübt, aber auch dann müßten wir nicht verzagen, manchmal scheint mir etwas leicht zu dämmern, über diese große Begebenheiten, es kommt mir vor wie eine gewaltsame Scheidung des guten und Bösen, mir hat der Egoismus in seiner Armseligkeit so klar vor meinen Augen gestanden, so sondern sich die Menschen im Ganzen aber auch in dem Menschen geht durch diese großen Empfindungen eine solche Scheidung vor sich, oft wenn ich die Vorsehung in ihren großen operationen nicht begreifen kann so beschränke ich mich auf mich selbst, und untersuche wie diese Begebenheiten auf meine innre Fortschreitung gewirkt, bin ich darüber befriedigt, so beruhige ich mich über das andre, wo mein Blick nicht so tief hinein dringen kann.
Ueber F. sey ruhig ich hoffe einen Brief an ihn zu bringen, und da soll er deine zärtliche Sorge erfahren. höchst fatal ist es daß in einem Koffer der mit andern zugemauert worden ist, aus Unvorsichtigkeit 300 r. mit hineingekommen sind, deren ich nun jetzt nicht Herr bin, doch auf den Fall das Fr. das Geld brauchte würde ich wohl den Koffer schon wieder haben. ich muß dir sagen daß ich auf den Fall Friedrich, in meinen Gedanken 150 r. bestimmt hatte, ich habe zwar meinen Mann noch nicht darüber gefreutfragt, aber wir sind so einstimmig über den Gebrauch unsres Geldes, daß ich an seiner Einstimmung, gar nicht [6] den 9ten Junius zweifle Gustchen müßte ihr forte piano etwan noch ein Jahr länger entbehren. Aber ich wiederhole es ängstige dich nicht, ich habe es von Freunden die ihn kürzlich gesehen, er ist in eine brillante cariere voll guten Muths, und wird geschätzt ud geliebt. Machtet ihr es doch wie ich, kein Zeitungs blatt komt mir zu nahe auch kein Bülletin, doch habe ich meine stillen Quellen, und einige wenige Leute mit denen ich rede. Aerger ist die Empfindung vor die ich mich am mehrsten scheue. Sage der Fr von Stael daß ihr getreuer Cour macher hier in Dresden T. sich gar nicht in seinem Glanze hier zeigte und daß sein voreiliger Eifer, ihm allgemeine Misbilligung zugezogen. Deine Büste würde ich mich unendlich freuen sie zu besitzen, wenn es einmal möglich ist sie ohne vile Kosten herzuschaffen. An der guten Mutter handelst du sehr groß müthig, fast thust du zu vil, man muß dich an dich selbst erinnern, ich möchte wohl einmal mit dir reden daß du dich selbst nicht zu sehr zurücksetzt, ein kleiner fond könnte einmal auf dein Leben einen wichtigen Einfluß haben. Bleibt Fr. auf seinem jetzigen Wege so hat er dich nicht mehr nöthig, wenigstens sollte er es nicht wenn du in Zukunft ein paar Thaler Interreßen vor das Geld geben willst, so kannst du es so lange behalten, wie du willst, es bleibt doch vor Gustchen liegen. – Nun ich wieder hole es noch einmal sey über Fr. ruhig 150 r. gebe ich im Nothfall das übrige borge ich dir wenn ich noch was habe, oder wir nehmen es für dich auf. Uebrigens haben wir ja bisher in unsern Empfindungen so sympathisirt, so thue es auch künftig, ud theile meine heitre Stimmung. Es ist nur schlimm daß es einem so schwer gemacht wird einen Brief an Fr. zu bringen, wäre mein Mann hier gieng es beßer, ich soll einen parat halten, doch zweifle ich noch immer das er abgeholt wird. Die Leute sind zu furchtsam.
· Beilage , 18.05.1809
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