• Friederike Helene Unger to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Chaumont-sur-Loire · Date: 02.05.1810
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friederike Helene Unger
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Chaumont-sur-Loire
  • Date: 02.05.1810
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-9
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,IV,e,23
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20 x 12,5 cm
  • Incipit: „[1] Berlin d. 2. Mai 1810.
    Ein Gerüchte hier, und in öffentlichen Blättern, gaben Ihnen verehrter Freund einen Ruf nach Berlin, [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
  • Zeil, Sophia
[1] Berlin d. 2. Mai 1810.
Ein Gerüchte hier, und in öffentlichen Blättern, gaben Ihnen verehrter Freund einen Ruf nach Berlin, welchen Sie anzunehmen eine Bedenkzeit von 3. Wochen sich erbeten haben sollten. Ich behielt also meine Sendung von Scribturen an Sie zurük: wiewohl ich nachher erfuhr, daß kein Fuhrmann etwas zur Fracht, daß kaum 12 – 20. haben mag, übernimmt. Jezt lassen die Zeitungen Sie wieder nach Amerika reisen: was mache ich nun mit den Papieren? sie auf die Post zu geben, würde Ihnen ein ungeheures Porto machen: daß Ihnen, da doch die Briefe auf welche Sie den am meisten Werth zu legen scheinen, nicht mehr dabei sind? was thut man nun darmit? Ich bitte mir recht bald Ihre Willens meinung darüber aus: wie auch darüber, daß hier zu Lande, H. Hitzig frisch weg, einen Shakespear von Keßler & andre drukt – sollte man nicht wenigstens unter Ihrer Firma, etwas dem Publikum darüber sagen, und ihn bedeuten, daß wenn noch ein Paar hundert Jahr ins Land liefen, und Gott Leben und Gesundheit gibt, der Schakespear von A W-Schlegel und seiner Gesellen, erscheinen werde? Ich kann es allerdings Hitzig nicht verargen, und untersagen, keinen Schakespear zu haben; ich habe nicht gleich das Verzeichniß derer Stüke, die jene liefern, [2] zur Hand: so viel erinnre ich nur, daß Viel Lermen um Nichts dabei ist: wie bis jezt überhaupt nur noch die Lustspiele an der Reihe sind. Aber – wenn den doch die Schakespeare Liebhaber von Messe zu Messe in ihrer Erwartung getäuscht werden; was wirds endlich? Hätten Sie nun für jezt nur die Gewogenheit, mir noch das was einen Band zu machen, erfordert wird, so wäre doch was geschehen, was meine Ausgabe in Erinnrung brächte. Sie werden das alles sehr langweilig und verdrüßlich finden, was ich Ihnen schreibe; ich finde es auch so, und es gehört nicht zu den angenehmsten Seiten meines Berufes, dergleichen schreiben zu müssen. Denn: mein werther Freund, Sie sind ja nicht der Einzige, der mir Anlaß dazu gibt. Da ist Z.B. Fridrich SchlegelLudwig Tiek. Indeß andre wieder gar zu vorlaut sind, und immer abweisende Briefe zu erhalten haben.
Aber – mein Theurer Freund, ists den wahr, daß Sie sich expatriiren wollen? ist Ihnen Ihr Deutsches Vaterland so unwerth geworden? jezt kann und wird meiner Ansicht nach, erst was rechts aus Deutschland werden, da es aus selbstständige Staaten, besteth, die denoch durch einen Willen gelenkt werden. Nun das alte morsche unbewohnbare Gebäude Reich genannt, zertrümmert ist? und das Reichen Haupt daß nur alles für sich nahm, abgeschieden ist? [3] Der Deutsche Geist, wird immer noch, wenn gleich nicht in roher Kraft Äußrung, sehr ehrwürdig bleiben; den wo waltet sonst noch ein Geist, wie in Deutschland! Warum soll das große Weltmeer Sie von diesem lieben Lande trennen! Was hat Europa ihrer Geistvollen Freundin gethan, daß Sies nicht mehr betreten mag? wo wird ihr Geist, ihr hohes Talent so anerkand werden? Es ist nicht recht was sie, und was Sie mein Freund vorhaben, wenn die Väter aller Lügen, die Zeitungschreiber, uns nicht wieder un plat de leurs métier aufgetischt haben.
Ich lebe fortwährend ein schwaches kränkendes Leben. Indeß – in oder außer dem Bette, muß ich arbeiten, so will es mein harter Beruf: dem ich nicht ausweichen kann. Ueberdem il faut travailler pour oublier la vie, das jezt nicht das lieblichste ist. Aber – sollt ich im Herbst noch Rosen brechen wollen? Die Rosen, die der Herbst entblättert hat, müßen meine zur Darstellung gebrachten Ideen mir ersetzen; ich habe wieder bei Hofmann in Hamburg ein Büchlein edirt, worin viel raisonnirt und deraisonnirt vieleicht – wird: viel, zart und treu geliebt wird: ein edler junger Franzose, ein noch edleres Deutsches Mädchen sind die Handelnden: wobei es mir frei stand, meine Landsmäninen mit allem was schön weiblich ist, auszustatten. Was ich den auch nicht gescheut habe. Aber bald bald werde ich aufhören müssen; obschon keine meiner Schöpfungen an die vorhergehenden [4] erinnert: so kenne ich nichts trauriges; als – einen alten Tänzer, und – eine veralternde Romandichterin. Wenn man nicht den Geist einer Stael hat, muß man nicht zu lange schreiben und dem Publikum, nicht auch seinen Salva venia lezten Stuhlgang aufdringen, wie uns – wie ich es sehe, Göthe mit seinen Wahlverwandschaften gethan hat. So ein Kind im Alter erzeugt, trägt zu sehr die Spuhr an sich, daß die frische Blüthe abgestreift ist.
Was werden Sie nun, zu alle dem Gewäsch sagen mein Theurer Freund? das alte Frauen, Schwätzerinnen sind: nicht wahr. Nun den: ich mache schon mein Knikschen und empfehle mich Ihnen zu fortdauernder Freundschaft; wie ich stets mit hoher Achtung & Freundschaft sein werde
Ihre
sehr aufrichtig ergebne
verw. Unger.
[1] Berlin d. 2. Mai 1810.
Ein Gerüchte hier, und in öffentlichen Blättern, gaben Ihnen verehrter Freund einen Ruf nach Berlin, welchen Sie anzunehmen eine Bedenkzeit von 3. Wochen sich erbeten haben sollten. Ich behielt also meine Sendung von Scribturen an Sie zurük: wiewohl ich nachher erfuhr, daß kein Fuhrmann etwas zur Fracht, daß kaum 12 – 20. haben mag, übernimmt. Jezt lassen die Zeitungen Sie wieder nach Amerika reisen: was mache ich nun mit den Papieren? sie auf die Post zu geben, würde Ihnen ein ungeheures Porto machen: daß Ihnen, da doch die Briefe auf welche Sie den am meisten Werth zu legen scheinen, nicht mehr dabei sind? was thut man nun darmit? Ich bitte mir recht bald Ihre Willens meinung darüber aus: wie auch darüber, daß hier zu Lande, H. Hitzig frisch weg, einen Shakespear von Keßler & andre drukt – sollte man nicht wenigstens unter Ihrer Firma, etwas dem Publikum darüber sagen, und ihn bedeuten, daß wenn noch ein Paar hundert Jahr ins Land liefen, und Gott Leben und Gesundheit gibt, der Schakespear von A W-Schlegel und seiner Gesellen, erscheinen werde? Ich kann es allerdings Hitzig nicht verargen, und untersagen, keinen Schakespear zu haben; ich habe nicht gleich das Verzeichniß derer Stüke, die jene liefern, [2] zur Hand: so viel erinnre ich nur, daß Viel Lermen um Nichts dabei ist: wie bis jezt überhaupt nur noch die Lustspiele an der Reihe sind. Aber – wenn den doch die Schakespeare Liebhaber von Messe zu Messe in ihrer Erwartung getäuscht werden; was wirds endlich? Hätten Sie nun für jezt nur die Gewogenheit, mir noch das was einen Band zu machen, erfordert wird, so wäre doch was geschehen, was meine Ausgabe in Erinnrung brächte. Sie werden das alles sehr langweilig und verdrüßlich finden, was ich Ihnen schreibe; ich finde es auch so, und es gehört nicht zu den angenehmsten Seiten meines Berufes, dergleichen schreiben zu müssen. Denn: mein werther Freund, Sie sind ja nicht der Einzige, der mir Anlaß dazu gibt. Da ist Z.B. Fridrich SchlegelLudwig Tiek. Indeß andre wieder gar zu vorlaut sind, und immer abweisende Briefe zu erhalten haben.
Aber – mein Theurer Freund, ists den wahr, daß Sie sich expatriiren wollen? ist Ihnen Ihr Deutsches Vaterland so unwerth geworden? jezt kann und wird meiner Ansicht nach, erst was rechts aus Deutschland werden, da es aus selbstständige Staaten, besteth, die denoch durch einen Willen gelenkt werden. Nun das alte morsche unbewohnbare Gebäude Reich genannt, zertrümmert ist? und das Reichen Haupt daß nur alles für sich nahm, abgeschieden ist? [3] Der Deutsche Geist, wird immer noch, wenn gleich nicht in roher Kraft Äußrung, sehr ehrwürdig bleiben; den wo waltet sonst noch ein Geist, wie in Deutschland! Warum soll das große Weltmeer Sie von diesem lieben Lande trennen! Was hat Europa ihrer Geistvollen Freundin gethan, daß Sies nicht mehr betreten mag? wo wird ihr Geist, ihr hohes Talent so anerkand werden? Es ist nicht recht was sie, und was Sie mein Freund vorhaben, wenn die Väter aller Lügen, die Zeitungschreiber, uns nicht wieder un plat de leurs métier aufgetischt haben.
Ich lebe fortwährend ein schwaches kränkendes Leben. Indeß – in oder außer dem Bette, muß ich arbeiten, so will es mein harter Beruf: dem ich nicht ausweichen kann. Ueberdem il faut travailler pour oublier la vie, das jezt nicht das lieblichste ist. Aber – sollt ich im Herbst noch Rosen brechen wollen? Die Rosen, die der Herbst entblättert hat, müßen meine zur Darstellung gebrachten Ideen mir ersetzen; ich habe wieder bei Hofmann in Hamburg ein Büchlein edirt, worin viel raisonnirt und deraisonnirt vieleicht – wird: viel, zart und treu geliebt wird: ein edler junger Franzose, ein noch edleres Deutsches Mädchen sind die Handelnden: wobei es mir frei stand, meine Landsmäninen mit allem was schön weiblich ist, auszustatten. Was ich den auch nicht gescheut habe. Aber bald bald werde ich aufhören müssen; obschon keine meiner Schöpfungen an die vorhergehenden [4] erinnert: so kenne ich nichts trauriges; als – einen alten Tänzer, und – eine veralternde Romandichterin. Wenn man nicht den Geist einer Stael hat, muß man nicht zu lange schreiben und dem Publikum, nicht auch seinen Salva venia lezten Stuhlgang aufdringen, wie uns – wie ich es sehe, Göthe mit seinen Wahlverwandschaften gethan hat. So ein Kind im Alter erzeugt, trägt zu sehr die Spuhr an sich, daß die frische Blüthe abgestreift ist.
Was werden Sie nun, zu alle dem Gewäsch sagen mein Theurer Freund? das alte Frauen, Schwätzerinnen sind: nicht wahr. Nun den: ich mache schon mein Knikschen und empfehle mich Ihnen zu fortdauernder Freundschaft; wie ich stets mit hoher Achtung & Freundschaft sein werde
Ihre
sehr aufrichtig ergebne
verw. Unger.
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