• Friederike Helene Unger to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Chaumont-sur-Loire · Date: 20.06.1810
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friederike Helene Unger
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Chaumont-sur-Loire
  • Date: 20.06.1810
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-9
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,IV,e,24
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 19,2 x 12 cm
  • Incipit: „[1] Berlin d. 20. Juny 1810.
    Sehr sehr angenehm hat Ihr Brief mein sehr werther Freund mich überrascht: ich wußte nicht, [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
[1] Berlin d. 20. Juny 1810.
Sehr sehr angenehm hat Ihr Brief mein sehr werther Freund mich überrascht: ich wußte nicht, nach welcher Weltgegend ich mich an Sie zu wenden hätte: und Sie überseeliger xxx, wohin all mein Sehnen, alle meine Wünsche gehen. die Sie jedoch nicht nach Amerika in Bezug auf mich begleiten den aufs Meer brächten mich Crösus Schätze, so sehr ich derselben bedürfte, um die Seeligkeit des Paradieses nicht, xxx was Sie mir in Anschlag des Shakespeare rathen, habe ich bereits in so fern ausgeführt, daß die erste Abteilung unter der Presse ist. Die zweite, möchte bei so bewandten Umständen wohl bei meinem Leben nicht nachfolgen, das Publikum xxx hoffen; wäre es Ihnen aber nicht gefällig, ein Wort öffentlich darüber zu sagen, und eine wiederholte Versichrung zu geben? Thun Sie es nicht, würde ich es, in Ihrem Namen Die Uebersetzungen von Keßler die bei Hitzig herauskommen, sollen herzlich schlecht sein; indeß machen sich die beide Voss über den Shakesp. und gehen rüstig darüber her, ihn vollständig und auch in Versen zu übersetzen. Von der Uebersetzung des Othello wird viel Gutes gesagt. Doch wird A W. Schlegel immer der König bleiben. – Nein mein Freund, ich bin nicht unterwürffig genug, von Sie zu fordern, was Ihr Herr Bruder, noch weniger Tiek zu leisten hat: wie könnte ich daß? ich habe das nur so im allgemeinen angeführt, Ihnen darzuthun, wie viel Verlust, ich durch diese Vorschüsse und Verzögrungen habe: und wärens diese allein! Bei Woltmann ging das bis ins 9.te Tausend: da habe ich den, einen fatale[n] Proceß, und noch fatalere Unterhandlungen über seine Uebersetzung des Tacitus – die er zwischen Schlaf und Wachen gemacht haben mußte, – abzukürzen, ein kleines schlechtes Hauß daß keine 3000. werth ist, dafür angenommen, und habe einen Strich durch die Rechnung gemacht. Von dem Tacitus sagten mir hiesige geschikte Schulmänner; sie [2] würden ihn, ihren Schülern als Muster einer schlechten Uebersetzung empfehlen: er hatte nemlich eine Probe davon in einem Journal gegeben. Die so pomphaft angekündigte Staaten Geschichte, von welcher es mit der von Frankreich und einen Theil von England sein Bewenden hat, lieget mir also eben auch als Ladenhüter auf dem Magasin. Es ist vielmehr ein Raisonnement über Geschichte als Geschichte selbst: und nie werde ich mich an seinen Styl gewöhnen können: der so schwer ist. Er hat etwas über Johannes v. Müller geschrieben, bei Hitzig herausgegeben: wodurch er ganz Deutschland gegen sich in Harnisch gebracht hat. Obschon ich die Recensenten auch nicht für ganz unbefangen annehme, so bald von Müller die Rede ist; besonders wenn es seine politische Laufbahn betrift.
Meine eigne Schriftstellerei betreibe ich ganz mäsig es fehlt mir an Zeit, wie an Gesundheit, den mein Beruf ist mühvoll und schwer; es ist nicht leicht ein Mann zu sein, wenn man immer Weib und untergeordnet war. Mein Produkt heißt. Die Franzosen in Berlin oder, Serena an Clementinen in Briefen. – Mein jüngstes Der junge Franzose und das Deutsche Mädchen. Ob schon ich den jungen Franzmann nicht verwahrlosete, habe ich unsre Landmännin auch nicht schlecht ausgestattet, sie lebt nun an den Ufern der Serene: da wo Estelles Reitze blüheten. Blieben mir nun noch Kräfte werde ich Ungers Leben, als Künstler & Mensch unternehmen. Was er als Ersterer leistete und in Deutschland für seine Kunst that; und was er als Mensch dessen Wirken mehr im stillen als öffentlich geschahe, war. Dabei gedenke ich eine Sammlung seiner schönen Arbeiten in Holz, zu veranstalten. Unser lezter Meeßkatalog war wieder sehr stark, unsre Litteratur aber sehr arm. [3] besonders im schönwissenschaftlichem Fache. Göthes leztes Kind, die Wahlverwandtschaften, erregten getheilten Meinungen: wie es den auch nach meiner Einsicht, eine gar vielfache Ansichten darbietet. Die Moralität des Buches ist abscheulich; aber auch als ästetisches Erzeugniß scheint es mir, tief unter alles was er sonst erzeugte zu stehen; der Frühling bringt seltene ud duftigere Blumen als der spät herbst; es ist ein Kind im Alter erzeugt, und trägt das alternde des Vaters in seiner Bildung: wie schon seine Natürliche Tochter, lehret. Einige wissenschaftliche Werke, die Deutschland Ehre machen sind erschienen, besonders in der Botanik. Chemie, und Arzneikunde. Die schöne Deutsche Poetica ist wie auf den Mund geschlagen, und kann sich immer noch nicht von ihrem Schrecken erholen. Müßler hat sich heiser an Siegslieder gesungen, und erzählt nun wieder Anekdotes und Charaden. Fichte hält Reden an das Deutsche Volk, auf die es nicht hört. Hufeland ist nach Holland berufen seine Makrobiotik in Ausübung zu bringen: kommt aber bald wieder. Iffland läßt sein Licht Leuchten vor den Leuten in Nord Deutschland, wo noch Dukaten in den Näthen verborgen sitzen. Uebrigens ist er hier, bei einer öffentlichen Verdienstanerkennung, zum Rietter des rothen Adler ordens 3. Klasse, ernannt; zu welcher gar curiose Rietter gewählt sind.
Ich weiß nicht recht, wie ich Ihre Scripturen nach Hannover schaffen werde. Für die Fracht ists nicht genug, die nichts unterm Centner annehmen: für die Post, zu theuer. Briefe scheinen mir überhaupt sehr wenige dabei zu sein: und die vorhandnen habe ich nicht gelesen, nur nach der Handschrift der Ueberschrift geurtheilt, daß es keine von Göthe & s w sind. dessen [4] Hand ich kenne. So wird sie den wohl der T– und Konsorte geholt haben. Da ich nicht neugierig bin, neue Schimpfwörter zu hören, vermeide ich, mich wieder mit ihm in einigen Rapport zu setzen.
Die Tieks auf Wegen und auf Steegen zu verfolgen ist mir zu mühsam und zu kostspielig. Mag den also die Elegie Rom in Ihren Gedichten Glänzen. Il faut que tout le monde vive! Auch Ihr neuer Verleger. Mein Muth ist geknikt und gelähmt. Ich habe mit den Zeit Umständen und mit der Last die mein Unger mir ließ, manniglich gekämpft. Aber – was zu viel ist, ist zu viel! Wunder ists & Gottes Gabe, daß ich bis izt stand, was weiter werden wird, wissen die Götter. Sie müssen sich meine Lage nicht so denken, wie Sie solche zulezt sahen: ich bin sehr sehr zusammengeschrumpft. Bin aus die belle Etage eines Hauses ins dritte Stokwerk gefahren. Trinke keinen Wein, keinen Kaffee, und lebe in großer Beschränktheit, um das Ganze leidlich erhalten zu können. An Ihren H. Bruder habe ich in dieser Woche geschrieben, da ich höre daß er in Wien angestellt ist. Seine Post beträgt nur noch 97. r. in G. aber auch diese sind mir jezt bedeutend. Bei Haupt ud Staats actionen, zieth man die kleine Posten an sich. Ihrer edlen Freundin bezeuge ich meine hohe Achtung. Ueberseeliger Mann! – Fr von Benz hat sich in die Zeit geschikt, und ihre politische Meinungen so geändert, daß sie jezt bei Hofe eine sehr werthe Erscheinung ist; Sie wissen welcher Parthei sie als enragèe anhieng, zur Zeit der Robespierre & s w. Mad: Bethmann erscheint nur selten auf der Bühne sie ist eine Landwirthin geworden: und wird in einigen Rollen alt; unsre Bühne ist fast zur pepiniere herabgesunken; die liebe Jugend treibt ihr Wesen daraus. Leben Sie wohl für immer & immer Ihre aufrichtig Ergebne Unger. – Werden Sie auch lesen können? ich schreibe so erbärmlich.
[1] Berlin d. 20. Juny 1810.
Sehr sehr angenehm hat Ihr Brief mein sehr werther Freund mich überrascht: ich wußte nicht, nach welcher Weltgegend ich mich an Sie zu wenden hätte: und Sie überseeliger xxx, wohin all mein Sehnen, alle meine Wünsche gehen. die Sie jedoch nicht nach Amerika in Bezug auf mich begleiten den aufs Meer brächten mich Crösus Schätze, so sehr ich derselben bedürfte, um die Seeligkeit des Paradieses nicht, xxx was Sie mir in Anschlag des Shakespeare rathen, habe ich bereits in so fern ausgeführt, daß die erste Abteilung unter der Presse ist. Die zweite, möchte bei so bewandten Umständen wohl bei meinem Leben nicht nachfolgen, das Publikum xxx hoffen; wäre es Ihnen aber nicht gefällig, ein Wort öffentlich darüber zu sagen, und eine wiederholte Versichrung zu geben? Thun Sie es nicht, würde ich es, in Ihrem Namen Die Uebersetzungen von Keßler die bei Hitzig herauskommen, sollen herzlich schlecht sein; indeß machen sich die beide Voss über den Shakesp. und gehen rüstig darüber her, ihn vollständig und auch in Versen zu übersetzen. Von der Uebersetzung des Othello wird viel Gutes gesagt. Doch wird A W. Schlegel immer der König bleiben. – Nein mein Freund, ich bin nicht unterwürffig genug, von Sie zu fordern, was Ihr Herr Bruder, noch weniger Tiek zu leisten hat: wie könnte ich daß? ich habe das nur so im allgemeinen angeführt, Ihnen darzuthun, wie viel Verlust, ich durch diese Vorschüsse und Verzögrungen habe: und wärens diese allein! Bei Woltmann ging das bis ins 9.te Tausend: da habe ich den, einen fatale[n] Proceß, und noch fatalere Unterhandlungen über seine Uebersetzung des Tacitus – die er zwischen Schlaf und Wachen gemacht haben mußte, – abzukürzen, ein kleines schlechtes Hauß daß keine 3000. werth ist, dafür angenommen, und habe einen Strich durch die Rechnung gemacht. Von dem Tacitus sagten mir hiesige geschikte Schulmänner; sie [2] würden ihn, ihren Schülern als Muster einer schlechten Uebersetzung empfehlen: er hatte nemlich eine Probe davon in einem Journal gegeben. Die so pomphaft angekündigte Staaten Geschichte, von welcher es mit der von Frankreich und einen Theil von England sein Bewenden hat, lieget mir also eben auch als Ladenhüter auf dem Magasin. Es ist vielmehr ein Raisonnement über Geschichte als Geschichte selbst: und nie werde ich mich an seinen Styl gewöhnen können: der so schwer ist. Er hat etwas über Johannes v. Müller geschrieben, bei Hitzig herausgegeben: wodurch er ganz Deutschland gegen sich in Harnisch gebracht hat. Obschon ich die Recensenten auch nicht für ganz unbefangen annehme, so bald von Müller die Rede ist; besonders wenn es seine politische Laufbahn betrift.
Meine eigne Schriftstellerei betreibe ich ganz mäsig es fehlt mir an Zeit, wie an Gesundheit, den mein Beruf ist mühvoll und schwer; es ist nicht leicht ein Mann zu sein, wenn man immer Weib und untergeordnet war. Mein Produkt heißt. Die Franzosen in Berlin oder, Serena an Clementinen in Briefen. – Mein jüngstes Der junge Franzose und das Deutsche Mädchen. Ob schon ich den jungen Franzmann nicht verwahrlosete, habe ich unsre Landmännin auch nicht schlecht ausgestattet, sie lebt nun an den Ufern der Serene: da wo Estelles Reitze blüheten. Blieben mir nun noch Kräfte werde ich Ungers Leben, als Künstler & Mensch unternehmen. Was er als Ersterer leistete und in Deutschland für seine Kunst that; und was er als Mensch dessen Wirken mehr im stillen als öffentlich geschahe, war. Dabei gedenke ich eine Sammlung seiner schönen Arbeiten in Holz, zu veranstalten. Unser lezter Meeßkatalog war wieder sehr stark, unsre Litteratur aber sehr arm. [3] besonders im schönwissenschaftlichem Fache. Göthes leztes Kind, die Wahlverwandtschaften, erregten getheilten Meinungen: wie es den auch nach meiner Einsicht, eine gar vielfache Ansichten darbietet. Die Moralität des Buches ist abscheulich; aber auch als ästetisches Erzeugniß scheint es mir, tief unter alles was er sonst erzeugte zu stehen; der Frühling bringt seltene ud duftigere Blumen als der spät herbst; es ist ein Kind im Alter erzeugt, und trägt das alternde des Vaters in seiner Bildung: wie schon seine Natürliche Tochter, lehret. Einige wissenschaftliche Werke, die Deutschland Ehre machen sind erschienen, besonders in der Botanik. Chemie, und Arzneikunde. Die schöne Deutsche Poetica ist wie auf den Mund geschlagen, und kann sich immer noch nicht von ihrem Schrecken erholen. Müßler hat sich heiser an Siegslieder gesungen, und erzählt nun wieder Anekdotes und Charaden. Fichte hält Reden an das Deutsche Volk, auf die es nicht hört. Hufeland ist nach Holland berufen seine Makrobiotik in Ausübung zu bringen: kommt aber bald wieder. Iffland läßt sein Licht Leuchten vor den Leuten in Nord Deutschland, wo noch Dukaten in den Näthen verborgen sitzen. Uebrigens ist er hier, bei einer öffentlichen Verdienstanerkennung, zum Rietter des rothen Adler ordens 3. Klasse, ernannt; zu welcher gar curiose Rietter gewählt sind.
Ich weiß nicht recht, wie ich Ihre Scripturen nach Hannover schaffen werde. Für die Fracht ists nicht genug, die nichts unterm Centner annehmen: für die Post, zu theuer. Briefe scheinen mir überhaupt sehr wenige dabei zu sein: und die vorhandnen habe ich nicht gelesen, nur nach der Handschrift der Ueberschrift geurtheilt, daß es keine von Göthe & s w sind. dessen [4] Hand ich kenne. So wird sie den wohl der T– und Konsorte geholt haben. Da ich nicht neugierig bin, neue Schimpfwörter zu hören, vermeide ich, mich wieder mit ihm in einigen Rapport zu setzen.
Die Tieks auf Wegen und auf Steegen zu verfolgen ist mir zu mühsam und zu kostspielig. Mag den also die Elegie Rom in Ihren Gedichten Glänzen. Il faut que tout le monde vive! Auch Ihr neuer Verleger. Mein Muth ist geknikt und gelähmt. Ich habe mit den Zeit Umständen und mit der Last die mein Unger mir ließ, manniglich gekämpft. Aber – was zu viel ist, ist zu viel! Wunder ists & Gottes Gabe, daß ich bis izt stand, was weiter werden wird, wissen die Götter. Sie müssen sich meine Lage nicht so denken, wie Sie solche zulezt sahen: ich bin sehr sehr zusammengeschrumpft. Bin aus die belle Etage eines Hauses ins dritte Stokwerk gefahren. Trinke keinen Wein, keinen Kaffee, und lebe in großer Beschränktheit, um das Ganze leidlich erhalten zu können. An Ihren H. Bruder habe ich in dieser Woche geschrieben, da ich höre daß er in Wien angestellt ist. Seine Post beträgt nur noch 97. r. in G. aber auch diese sind mir jezt bedeutend. Bei Haupt ud Staats actionen, zieth man die kleine Posten an sich. Ihrer edlen Freundin bezeuge ich meine hohe Achtung. Ueberseeliger Mann! – Fr von Benz hat sich in die Zeit geschikt, und ihre politische Meinungen so geändert, daß sie jezt bei Hofe eine sehr werthe Erscheinung ist; Sie wissen welcher Parthei sie als enragèe anhieng, zur Zeit der Robespierre & s w. Mad: Bethmann erscheint nur selten auf der Bühne sie ist eine Landwirthin geworden: und wird in einigen Rollen alt; unsre Bühne ist fast zur pepiniere herabgesunken; die liebe Jugend treibt ihr Wesen daraus. Leben Sie wohl für immer & immer Ihre aufrichtig Ergebne Unger. – Werden Sie auch lesen können? ich schreibe so erbärmlich.
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