• Friederike Helene Unger to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Berlin · Place of Destination: Aubergenville · Date: [Februar 1807]
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friederike Helene Unger
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Berlin
  • Place of Destination: Aubergenville
  • Date: [Februar 1807]
  • Notations: Datum sowie Absendeort erschlossen. – Datierung: Napoleons Einzug in Berlin am 27. Oktober 1806. Laut Ungers Brief vom 2. Januar 1807 begann die Einquartierung in ihrem Haus am 24. Oktober 1806. Wenn sie bis dato 15 Wochen andauerte, kann dieser Brief frühestens am 6. Februar 1807 geschrieben worden sein.
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-9
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,IV,e,31
  • Number of Pages: 1 S., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 23 x 19,3 cm
  • Incipit: „[1] Herrn Schlegel den Älter[en]
    Nur einige Worte für Sie; mein treuer lieber Freund! und zwar über Shakespear. Ich hielt es [...]“
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
[1] Herrn Schlegel den Älter[en]
Nur einige Worte für Sie; mein treuer lieber Freund! und zwar über Shakespear. Ich hielt es für recht, in Hinsicht auf Tieck, Sie mit seinen Plan bekand werden zu lassen, und enthielt mich jeder Äußrung der Billigung so wohl, als Mißbilligung darüber. Sie nehmen mir einen Stein vom Herzen, indem Sie sich erklären, wie Sie es thun. So viel ich auch Tiecks poetischem Sinne zutraue, mangelt ihm doch gänzlich, womit mein Freund Schlegel in so reichen Maaßen ausgestattet ist; feiner scharfer kritischer Sinn, reiner Geschmack, und so viel andre Erfordernisse: und ich sage mit Prophet Nathan; Du bist der Mann! Sie haben sich kein Monopol für den Schakespear angemaßt: es ist Ihnen verliehen, und kann keinem andern, als den Natur & Genie dazu prägten übertragen werden. Also, will ich still sein in Hofnung: Sie werden mein Wohl gedenken: es kommt jederzeit, nicht für mich allein, sondern für alle Verehrer Schakespears & Schlegels herzlich willkommen.
Bei allen Leiden dieser Zeit, ist mir doch ein ganz eignes & unerwartetes Vergnügen zu Theil geworden. Bei der seit 15. Wochen bei mir perennirenden Bequartirung franz: Militairs, fand sich in diesen Tagen, bei der gensdarmeri[e] dʼordonnance, ein liebenswürdiger junger Savoyarde, Alphonse de Mor[and] der Sie kennt; Frau von Stael oft in Geneve gesehen hat: auf Theatralischen Vorstellungen Sie beider beiwohnte: er ließ glaube ich, dem schönen Bekenntni[s] volles Recht, mit Geschmak & Sachkentniß wiederfahren. Wie mich das freute; wie mich das dem Menschen befreundete! Wie mütterlich ich seine & seines edl[en] Freundes M: de Pompery Versorgerin ward, kann ich Ihnen nicht beschreiben! Hätten drei wilde chasseurs nicht einen schlimmen gegendruk gegeben, möchte ich diese Stunden schön genannt haben, den immer waren sie bei mir herrliche ritterliche Menschen!
Leider habe ich die auction kurz vor den feindlichen Einmarsch halten müssen: gedrängt durch Umstände, denen ich nicht zu wehren vermochte: und wie das Schiksaal mich den in allen meinen Entwürfen mit seltner Härte mishandelt, sind auch hier, die mehresten Bestellungen auf England gewesen, so daß der Betrag, so unter aller Erwartung gering ist, daß ich es zu sagen mich schäme und gereue. – Wie glüklich ist Ihre edle Freundin, gegen mich! die so unverschuldet in ein Labyrinth geworfen ist, aus dem nur der Ausgang in mein Grab sein wird! Verzeihen Sie dies Lamentoso; ich habe aber heut, einen auffallend unglüklichen Tag: wo eine Hiobs Post über die andre mich zu Boden drükt. In frohern Tage, frohere Briefe von Ihrer Sie herzlichst & innigst verehrenden
Freundin Unger.
Von Bernhardy sehe & höre ich nichts in dieser Zeit: auch ist kein Mensch in der bewußten Angelegenheit bei mir gewesen. –
[2] A Monsieur Fréderic Schlegel
chéz
Madame de Stael
a
Aubergenville
près Meulan
Dep. de Seine et oise
P C.
[1] Herrn Schlegel den Älter[en]
Nur einige Worte für Sie; mein treuer lieber Freund! und zwar über Shakespear. Ich hielt es für recht, in Hinsicht auf Tieck, Sie mit seinen Plan bekand werden zu lassen, und enthielt mich jeder Äußrung der Billigung so wohl, als Mißbilligung darüber. Sie nehmen mir einen Stein vom Herzen, indem Sie sich erklären, wie Sie es thun. So viel ich auch Tiecks poetischem Sinne zutraue, mangelt ihm doch gänzlich, womit mein Freund Schlegel in so reichen Maaßen ausgestattet ist; feiner scharfer kritischer Sinn, reiner Geschmack, und so viel andre Erfordernisse: und ich sage mit Prophet Nathan; Du bist der Mann! Sie haben sich kein Monopol für den Schakespear angemaßt: es ist Ihnen verliehen, und kann keinem andern, als den Natur & Genie dazu prägten übertragen werden. Also, will ich still sein in Hofnung: Sie werden mein Wohl gedenken: es kommt jederzeit, nicht für mich allein, sondern für alle Verehrer Schakespears & Schlegels herzlich willkommen.
Bei allen Leiden dieser Zeit, ist mir doch ein ganz eignes & unerwartetes Vergnügen zu Theil geworden. Bei der seit 15. Wochen bei mir perennirenden Bequartirung franz: Militairs, fand sich in diesen Tagen, bei der gensdarmeri[e] dʼordonnance, ein liebenswürdiger junger Savoyarde, Alphonse de Mor[and] der Sie kennt; Frau von Stael oft in Geneve gesehen hat: auf Theatralischen Vorstellungen Sie beider beiwohnte: er ließ glaube ich, dem schönen Bekenntni[s] volles Recht, mit Geschmak & Sachkentniß wiederfahren. Wie mich das freute; wie mich das dem Menschen befreundete! Wie mütterlich ich seine & seines edl[en] Freundes M: de Pompery Versorgerin ward, kann ich Ihnen nicht beschreiben! Hätten drei wilde chasseurs nicht einen schlimmen gegendruk gegeben, möchte ich diese Stunden schön genannt haben, den immer waren sie bei mir herrliche ritterliche Menschen!
Leider habe ich die auction kurz vor den feindlichen Einmarsch halten müssen: gedrängt durch Umstände, denen ich nicht zu wehren vermochte: und wie das Schiksaal mich den in allen meinen Entwürfen mit seltner Härte mishandelt, sind auch hier, die mehresten Bestellungen auf England gewesen, so daß der Betrag, so unter aller Erwartung gering ist, daß ich es zu sagen mich schäme und gereue. – Wie glüklich ist Ihre edle Freundin, gegen mich! die so unverschuldet in ein Labyrinth geworfen ist, aus dem nur der Ausgang in mein Grab sein wird! Verzeihen Sie dies Lamentoso; ich habe aber heut, einen auffallend unglüklichen Tag: wo eine Hiobs Post über die andre mich zu Boden drükt. In frohern Tage, frohere Briefe von Ihrer Sie herzlichst & innigst verehrenden
Freundin Unger.
Von Bernhardy sehe & höre ich nichts in dieser Zeit: auch ist kein Mensch in der bewußten Angelegenheit bei mir gewesen. –
[2] A Monsieur Fréderic Schlegel
chéz
Madame de Stael
a
Aubergenville
près Meulan
Dep. de Seine et oise
P C.
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