• August Wilhelm von Schlegel to C. F. Winter, Akademische Buchhandlung (Heidelberg) , Anton Winter

  • Place of Dispatch: Bonn · Place of Destination: Heidelberg · Date: 30.09.1840
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: August Wilhelm von Schlegel
  • Recipient: C. F. Winter, Akademische Buchhandlung (Heidelberg), Anton Winter
  • Place of Dispatch: Bonn
  • Place of Destination: Heidelberg
  • Date: 30.09.1840
  • Notations: Abschrift.
    Printed Text
  • Bibliography: Körner, Josef: A. W. Schlegel und sein Heidelberger Verleger. In: Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 65 (1914), S. 689‒690.
  • Weitere Drucke: Jenisch, Erich (Hg.): August Wilhelm Schlegels Briefwechsel mit seinen Heidelberger Verlegern. Festschrift zur Jahrhundert-Feier des Verlags Carl Winters Universitätsbuchhandlung in Heidelberg 1822‒1922. Heidelberg 1922, S. 200‒202.
  • Verlag: Universitätsverlag Wagner Innsbruck
  • Incipit: „[1] Hochgeehrtester Herr!
    Ew. Wohlgeboren können überzeugt seyn, daß die Absendung des Schlusses meiner Abhandlung an den Drucker bisher aus keinem andern [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-34977
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.16,Nr.95
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs.
  • Format: 25,1 x 20,9 cm
    Language
  • German
[1] Hochgeehrtester Herr!
Ew. Wohlgeboren können überzeugt seyn, daß die Absendung des Schlusses meiner Abhandlung an den Drucker bisher aus keinem andern Grunde unterblieben ist, als weil es mir unmöglich fiel, ihn zu liefern. Sie scheinen das Sprüchwort vergessen zu haben: Ultra posse nemo obligatur.
Schon mehrmals habe ich Ihnen die Hindernisse, Störungen und Anfoderungen auseinandergesetzt, welche meine Zeit für die Beendigung einer so wichtigen Arbeit beschränken; ein Gesundheitszustand, der mir im günstigsten Falle täglich einige unbehagliche Stunden zuzieht, oft mir den ganzen Nachmittag raubt; Vorlesungen und andere Amtsgeschäfte; meine übrigen gelehrten Arbeiten, die auch mit zu meinem Amte gehören; den Sommer hindurch unaufhörliche Besuche von Reisenden, zum Theil von berühmten oder durch berühmte Männer empfohlenen Reisenden, die ich nach meinen Europäischen Verhältnissen nicht an der Thür wegweisen kann; unvermeidliche Correspondenzen, u.s.w.
Seit dem Anfange meiner Laufbahn als Schriftsteller habe ich für den Druck immer sehr langsam geschrieben, wie auch der geringe Umfang meiner Originalschriften ausweiset. Je mehr ich in Jahren vorrücke, je mehr ist mir dieß zum Grundsatze geworden. Mich schrecken die Beispiele so mancher berühmten Deutschen Autoren, die durch eine verspätete Fruchtbarkeit nur ihre Altersschwäche kundgegeben haben, so daß mit ihren zu vierzig bis fünfzig Bänden angeschwollenen sämtlichen Werken [2] die Folgezeit unfehlbar eine gewaltige Sichtung vornehmen und das eines großen Namens unwürdige ausscheiden wird.
Ich kann mich unmöglich entschließen irgend etwas dem Drucker zu übergeben, das ich nicht reiflich durchdacht und auf das sorgfältigste ausgearbeitet hätte. „Gediegen an Gehalt und vollendet in der Form“ ist mein Wahlspruch.
Mit dieser Zugabe: über die scenische Anordnung etc., hat es nun vollends eine eigne Bewandtniß. Der größte Theil der Vorlesungen besteht in kritischen Urtheilen. Dieß hingegen ist eine tief eingehende und umfassende antiquarische Untersuchung; eine ganz neue Lehre, auf wenigen Bogen und im leichtesten Vortrage die Quintessenz dessen, womit unsere weitschweifigen Archäologen ganze Bände anfüllen würden. Ich muß auf Gegner unter den Philologen gefaßt seyn, und habe mich deswegen um so mehr vor sprachlichen oder historischen Versehen zu hüten.
Unser Geschäft hätte sehr schleunig und auf die bequemste Weise für mich erledigt werden können, wenn ich mich bei der Durchsicht auf die Wegräumung der Druckfehler beschränkt hätte. Aber bei näherer Betrachtung fand ich, daß im Einzelnen noch manches auszuputzen, einiges auch zu berichtigen sey. Dann konnte ich dem Wunsche nicht widerstehen, meinem Buche, das schon in seiner ersten Gestalt überall, außer in Deutschland, sowohl in Europa als jenseit des Atlantischen Meeres mit so viel Gunst und Beifall aufgenommen worden ist, durch Zusätze einen neuen Vorzug zu verschaffen.
Da Ew. Wohlgeboren nun aber finden, daß ich Ihre Geduld auf harte Proben stelle, so erneuere ich, um dieß für [3] die Zukunft zu vermeiden, ganz förmlich den Vorschlag, den ich bereits in einem Briefe vom 24ten Juli 1838 that. Lassen Sie uns den Vertrag wegen dieses Verlages durch gütliche Übereinkunft aufheben. Belieben Sie Papier, Satz und Druck der 19 fertigen Bogen in Rechnung zu stellen: ich werde die Auslagen sogleich erstatten. Auch den Papier-Vorrath für die beiden folgenden Bände bin ich bereit Ihnen abzukaufen. Ich übernehme dann den Verlag selbst. Dieß bin ich schon gewohnt. Sieben Bände, die meisten auf kostbarem Papier und von theuerm Satz wegen der schwierigen Lettern habe ich auf eigne Kosten drucken lassen; der achte ist auf wenige Bogen nach fertig.
Ihre sonstigen Ansprüche auf Ersatz des durch die Verspätung erlittenen Schadens, wird durch beiderseits gewählte Schiedsmänner billig ermittelt werden können.
Für den von dem Verlage gehofften Gewinn kann ich freilich nicht einstehen. Sie möchten sich dabei leicht verrechnet haben, und nachher über schwachen Absatz klagen. Es ist bei der heutigen Verfassung des Deutschen Lesepublicums nur allzu wahrscheinlich.
Vor kurzem ist mir die zweite Ausgabe der Englischen Übersetzung zugesandt worden, und der Herausgeber bemerkt dabei, daß bald eine dritte nöthig seyn werde. Die erste war längst aus dern Buchhandel in England verschwunden, und wurde bei Antiquaren und in Auctionen für den doppelten Ladenpreis erstanden. Vor vielen Jahren schrieb mir der Londoner Verleger jener ersten Ausgabe, Baldwin, das Buch sey vergriffen, und er wünsche der zweiten Auflage den Reiz der [4] Neuheit durch Zusätze von meiner Hand zu schaffen. Mit andern Arbeiten überhäuft, konnte ich nicht darauf eingehen: er hätte mir sonst für die jetzt unternommene Abhandlung die vortheilhaftesten Bedingungen und zwar nach Englischem Maßstabe gemacht.
Ich hoffe allerdings mit allem, was noch zur Vollständigkeit des ersten Bandes fehlt, in zwei Monaten fertig zu seyn. Aber wer kann für die Zukunft einstehn? Eine Krankheit von einiger Dauer könnte einen Strich durch die ganze Rechnung machen. Wenn ich selbst Verleger bin, so will ich den etwanigen Verzug schon bei mir verantworten.
Ich komme demnach auf meinen obigen Vorschlag zurück und lade Sie ein, denselben wohl zu erwägen.
Mit vollkommenster Hochachtung
Bonn, d. 30.sten September 1840.
Ew. Wohlgeboren
ergebenster
[1] Hochgeehrtester Herr!
Ew. Wohlgeboren können überzeugt seyn, daß die Absendung des Schlusses meiner Abhandlung an den Drucker bisher aus keinem andern Grunde unterblieben ist, als weil es mir unmöglich fiel, ihn zu liefern. Sie scheinen das Sprüchwort vergessen zu haben: Ultra posse nemo obligatur.
Schon mehrmals habe ich Ihnen die Hindernisse, Störungen und Anfoderungen auseinandergesetzt, welche meine Zeit für die Beendigung einer so wichtigen Arbeit beschränken; ein Gesundheitszustand, der mir im günstigsten Falle täglich einige unbehagliche Stunden zuzieht, oft mir den ganzen Nachmittag raubt; Vorlesungen und andere Amtsgeschäfte; meine übrigen gelehrten Arbeiten, die auch mit zu meinem Amte gehören; den Sommer hindurch unaufhörliche Besuche von Reisenden, zum Theil von berühmten oder durch berühmte Männer empfohlenen Reisenden, die ich nach meinen Europäischen Verhältnissen nicht an der Thür wegweisen kann; unvermeidliche Correspondenzen, u.s.w.
Seit dem Anfange meiner Laufbahn als Schriftsteller habe ich für den Druck immer sehr langsam geschrieben, wie auch der geringe Umfang meiner Originalschriften ausweiset. Je mehr ich in Jahren vorrücke, je mehr ist mir dieß zum Grundsatze geworden. Mich schrecken die Beispiele so mancher berühmten Deutschen Autoren, die durch eine verspätete Fruchtbarkeit nur ihre Altersschwäche kundgegeben haben, so daß mit ihren zu vierzig bis fünfzig Bänden angeschwollenen sämtlichen Werken [2] die Folgezeit unfehlbar eine gewaltige Sichtung vornehmen und das eines großen Namens unwürdige ausscheiden wird.
Ich kann mich unmöglich entschließen irgend etwas dem Drucker zu übergeben, das ich nicht reiflich durchdacht und auf das sorgfältigste ausgearbeitet hätte. „Gediegen an Gehalt und vollendet in der Form“ ist mein Wahlspruch.
Mit dieser Zugabe: über die scenische Anordnung etc., hat es nun vollends eine eigne Bewandtniß. Der größte Theil der Vorlesungen besteht in kritischen Urtheilen. Dieß hingegen ist eine tief eingehende und umfassende antiquarische Untersuchung; eine ganz neue Lehre, auf wenigen Bogen und im leichtesten Vortrage die Quintessenz dessen, womit unsere weitschweifigen Archäologen ganze Bände anfüllen würden. Ich muß auf Gegner unter den Philologen gefaßt seyn, und habe mich deswegen um so mehr vor sprachlichen oder historischen Versehen zu hüten.
Unser Geschäft hätte sehr schleunig und auf die bequemste Weise für mich erledigt werden können, wenn ich mich bei der Durchsicht auf die Wegräumung der Druckfehler beschränkt hätte. Aber bei näherer Betrachtung fand ich, daß im Einzelnen noch manches auszuputzen, einiges auch zu berichtigen sey. Dann konnte ich dem Wunsche nicht widerstehen, meinem Buche, das schon in seiner ersten Gestalt überall, außer in Deutschland, sowohl in Europa als jenseit des Atlantischen Meeres mit so viel Gunst und Beifall aufgenommen worden ist, durch Zusätze einen neuen Vorzug zu verschaffen.
Da Ew. Wohlgeboren nun aber finden, daß ich Ihre Geduld auf harte Proben stelle, so erneuere ich, um dieß für [3] die Zukunft zu vermeiden, ganz förmlich den Vorschlag, den ich bereits in einem Briefe vom 24ten Juli 1838 that. Lassen Sie uns den Vertrag wegen dieses Verlages durch gütliche Übereinkunft aufheben. Belieben Sie Papier, Satz und Druck der 19 fertigen Bogen in Rechnung zu stellen: ich werde die Auslagen sogleich erstatten. Auch den Papier-Vorrath für die beiden folgenden Bände bin ich bereit Ihnen abzukaufen. Ich übernehme dann den Verlag selbst. Dieß bin ich schon gewohnt. Sieben Bände, die meisten auf kostbarem Papier und von theuerm Satz wegen der schwierigen Lettern habe ich auf eigne Kosten drucken lassen; der achte ist auf wenige Bogen nach fertig.
Ihre sonstigen Ansprüche auf Ersatz des durch die Verspätung erlittenen Schadens, wird durch beiderseits gewählte Schiedsmänner billig ermittelt werden können.
Für den von dem Verlage gehofften Gewinn kann ich freilich nicht einstehen. Sie möchten sich dabei leicht verrechnet haben, und nachher über schwachen Absatz klagen. Es ist bei der heutigen Verfassung des Deutschen Lesepublicums nur allzu wahrscheinlich.
Vor kurzem ist mir die zweite Ausgabe der Englischen Übersetzung zugesandt worden, und der Herausgeber bemerkt dabei, daß bald eine dritte nöthig seyn werde. Die erste war längst aus dern Buchhandel in England verschwunden, und wurde bei Antiquaren und in Auctionen für den doppelten Ladenpreis erstanden. Vor vielen Jahren schrieb mir der Londoner Verleger jener ersten Ausgabe, Baldwin, das Buch sey vergriffen, und er wünsche der zweiten Auflage den Reiz der [4] Neuheit durch Zusätze von meiner Hand zu schaffen. Mit andern Arbeiten überhäuft, konnte ich nicht darauf eingehen: er hätte mir sonst für die jetzt unternommene Abhandlung die vortheilhaftesten Bedingungen und zwar nach Englischem Maßstabe gemacht.
Ich hoffe allerdings mit allem, was noch zur Vollständigkeit des ersten Bandes fehlt, in zwei Monaten fertig zu seyn. Aber wer kann für die Zukunft einstehn? Eine Krankheit von einiger Dauer könnte einen Strich durch die ganze Rechnung machen. Wenn ich selbst Verleger bin, so will ich den etwanigen Verzug schon bei mir verantworten.
Ich komme demnach auf meinen obigen Vorschlag zurück und lade Sie ein, denselben wohl zu erwägen.
Mit vollkommenster Hochachtung
Bonn, d. 30.sten September 1840.
Ew. Wohlgeboren
ergebenster
· Original , 30.09.1840
· Amsterdam, Bijzondere Collecties van Bibliotheek van de Universiteit van Amsterdam
· Bijzondere Collecties van de Universiteit van Amsterdam, hs. 89 F9
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