• Sophie Müller to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Wien · Place of Destination: Bonn · Date: 15.09.1827
Edition Status: Newly transcribed and labelled; double collated
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Sophie Müller
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Wien
  • Place of Destination: Bonn
  • Date: 15.09.1827
  • Notations: Empfangsort erschlossen. Der Drucktext weicht stark von der Handschrift ab, daher wurde der Brief neu transkribiert.
    Printed Text
  • Bibliography: Johann Mailáth (Hg.): Leben der Sophie Müller, weiland k.k. Hofschauspielerinn, und nachgelassene Papiere. Wien 1832, S.150–153.
  • Incipit: „[1] Die stille Bewunderung ist wohl ein beglückendes Gefühl, aber ein einseitiger Besitz der sich nicht immer genügt, u. oft findet [...]“
    Manuscript
  • Provider: Frankfurt am Main, Freies Deutsches Hochstift
  • Classification Number: Hs-10819
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 8°
    Language
  • German
    Editors
  • Bamberg, Claudia
  • Varwig, Olivia
[1] Die stille Bewunderung ist wohl ein beglückendes Gefühl, aber ein einseitiger Besitz der sich nicht immer genügt, u. oft findet das Gemüth nur eine Beruhigung, wenn jene die Hülle sprengt u. wie ein Frühlingslaub dem Strahl der Sonne, die sie durchglühte, sich zeigen darf. Hierin sehen Sie den Grund dieser Zeilen, die schon längst an Sie gelangt wären, hätte ich es so schnell über mich gewinnen können, Ihre kostbare Zeit auf einige Augenblicke in Anspruch zu nehmen.
Nur die beseeligende Erinnerung an das freundliche Wohlwollen das Sie mir in Berlin gezeigt, konnte meine Besorgnisse endlich verbannend mich bestimmen an Sie zu schreiben. Möchten Sie diesem Blatte einen Blick jener edeln u. wohlwollenden Milde gönnen, die dem Glanz der Größe jenen Zauber leiht, der alle Herzen zu ihr hinzieht.
Unmöglich kann ich jenes tiefe Bedauern schildern, als ich in Berlin Ihre schnelle Abreise erfuhr. Durch ein widriges Geschick wurde mein Billet, das ich nach dem Empfang Ihrer gütigen, freundlichen Zeilen in Ihre Wohnung sendete, von meinen Leuten verspätet u. mir unerbrochen mit dem Bedeuten zurück gebracht, daß Sie vor einer halben Stunde abgereist wären. Wer so glücklich ist Sie zu kennen, wird am besten fühlen wie sehr mich diese Nachricht betrüben mußte.
Einen wahren Trost gewährten mir die theuren Züge Ihrer Hand, die Sie so gütig waren mir von Ferbelin zu senden. Wäre mir doch das Vergnügen zu Theil geworden, Sie nach der Darstellung des Paria noch sprechen zu können! ich gestehe Ihnen offenherzig, daß es mich beglommen machte, als ich hörte, Sie hätten dieser Vorstellung beigewohnt. [2] Ich glaube wem es Ernst ist mit der Kunst, der kann nur mit beengendem Gefühl eine bedeutende Rolle zum ersten Mal geben, geschieht dieß nun noch vor einem fremden Publikum, das, wie ich mir einbilde, lieber Fehler als Gutes findet, so hat es eine stöhrende Wirkung, wenigstens war jenes bei mir der Fall; das Ideal das meine Phantasie von dieser Rolle gebildet, konnte nicht in die Wirklichkeit treten, ich fühlte mich befangen, daher entbehrte die Darstellung jene nöthige Ruhe. Diese Schattenseite der Schauspielkunst, daß in ihr der Augenblick nur herrscht, daß jedes Streben ihm unterworfen ist, wird mir eine unversiegbare Quelle von Zweifel u. Reue bleiben. – Aber – Wem sag ich dieß! – Sie waren ja selbst zugegen.
Ewig werde ich mein günstiges Geschick preisen, da mir das Glück Ihrer persönlichen Bekanntschaft wurde. Die freundliche Aufmunterung die Sie den Bestrebungen meines schwachen Talentes gönnten, hat mich hoch erhoben u. beseeligt, hat mir neuen Muth eingeflößt die begonnene Bahn rastlos zu verfolgen. Wenn ich so ein fernes Ziel vielleicht erreiche, danke ich es einzig der Aufmerksamkeit die Sie mir geschenkt. Ihr lieber, gütiger Brief von Hamburg u. das beigeschlossene Gedicht hat mich unbeschreiblich erfreut u. überrascht. Nehmen Sie dafür meinen inigsten Dank! – vergeben Sie diese schlichten einfachen Worte – meine Empfindung können Worte nicht bezeichnen; ich möchte wie Cordelia sagen: ich kann mein Herz nicht auf die Zunge heben.
Dieß warme Dankgefühl, diese aufrichtige Verehrung die für Sie in meiner tiefsten Seele leben, lassen [3] sich nur fühlen. Ich mußte meine Freude mittheilen, als ich Ihren Brief gelesen, u. zeigte Ihr Gedicht einem eifrigen Verehrer von Ihnen, Herrn Wilhelm Beer, welcher mich gerade besuchte. Er äusserte mir den Wunsch es öffentlich eingerückt gedruckt zu sehen, ich entgegnete Ihm zwar meine Besorgnisse, daß ich ohne Ihre Zustimmung es nicht wagte, aber meine Freunde bestürmten mich alle mit Bitten, das Gedicht öffentlich bekannt zu machen, daß dieß auch mein Wunsch war, brauche ich nicht beizufügen. Das Urtheil des größten Kritikers unsrer Zeit, vielleicht zu allen Zeiten, Den Deutschland mit Stolz den Seinen nennt, muß jedem Deutschen höchst wichtig sein, jede auch nur flüchtige Aeusserung von Ihm, gilt der öffentlichen Meinung mehr, als Volianten-Bände mancher Dichter. Werden Sie ungehalten sein, wenn ich ohne Ihre Zustimmung abzuwarten, meinen Wünschen hierin nicht widerstehen konnte? Mir däucht ich lese in Ihren Augen – Vergebung! – Sobald unser Hof sich wieder in Wien befindet, werde ich trachten, daß der Paria zur Aufführung kommt. Über die etwaigen Änderungen, die vielleicht unsre Censur bedingen möchte, würde ich als dann mit dem Verfasser Rücksprache nehmen.
Doch schon zu lange habe ich Ihre Gedult in Anspruch genommen, u. wenn Sie wirklich bis hierher gelesen haben, so erfahren Sie noch meine aufrichtigste Bitte, nemlich: daß Sie mir in der Ferne einen Theil jener Gewogenheit erhalten möchten, die Sie mir so ehrend bewiesen, u. wodurch Sie die Tage meines berliner Aufenthaltes zu den glücklichsten [4] meines Lebens schufen.
Mit tiefster Ehrfurcht beharret Ihre
ergebenste
Sophie Müller mp
Wien d. 15ten September 827.
Mein Vater empfiehlt sich bestens Ihrem gütigen Andenken.
[1] Die stille Bewunderung ist wohl ein beglückendes Gefühl, aber ein einseitiger Besitz der sich nicht immer genügt, u. oft findet das Gemüth nur eine Beruhigung, wenn jene die Hülle sprengt u. wie ein Frühlingslaub dem Strahl der Sonne, die sie durchglühte, sich zeigen darf. Hierin sehen Sie den Grund dieser Zeilen, die schon längst an Sie gelangt wären, hätte ich es so schnell über mich gewinnen können, Ihre kostbare Zeit auf einige Augenblicke in Anspruch zu nehmen.
Nur die beseeligende Erinnerung an das freundliche Wohlwollen das Sie mir in Berlin gezeigt, konnte meine Besorgnisse endlich verbannend mich bestimmen an Sie zu schreiben. Möchten Sie diesem Blatte einen Blick jener edeln u. wohlwollenden Milde gönnen, die dem Glanz der Größe jenen Zauber leiht, der alle Herzen zu ihr hinzieht.
Unmöglich kann ich jenes tiefe Bedauern schildern, als ich in Berlin Ihre schnelle Abreise erfuhr. Durch ein widriges Geschick wurde mein Billet, das ich nach dem Empfang Ihrer gütigen, freundlichen Zeilen in Ihre Wohnung sendete, von meinen Leuten verspätet u. mir unerbrochen mit dem Bedeuten zurück gebracht, daß Sie vor einer halben Stunde abgereist wären. Wer so glücklich ist Sie zu kennen, wird am besten fühlen wie sehr mich diese Nachricht betrüben mußte.
Einen wahren Trost gewährten mir die theuren Züge Ihrer Hand, die Sie so gütig waren mir von Ferbelin zu senden. Wäre mir doch das Vergnügen zu Theil geworden, Sie nach der Darstellung des Paria noch sprechen zu können! ich gestehe Ihnen offenherzig, daß es mich beglommen machte, als ich hörte, Sie hätten dieser Vorstellung beigewohnt. [2] Ich glaube wem es Ernst ist mit der Kunst, der kann nur mit beengendem Gefühl eine bedeutende Rolle zum ersten Mal geben, geschieht dieß nun noch vor einem fremden Publikum, das, wie ich mir einbilde, lieber Fehler als Gutes findet, so hat es eine stöhrende Wirkung, wenigstens war jenes bei mir der Fall; das Ideal das meine Phantasie von dieser Rolle gebildet, konnte nicht in die Wirklichkeit treten, ich fühlte mich befangen, daher entbehrte die Darstellung jene nöthige Ruhe. Diese Schattenseite der Schauspielkunst, daß in ihr der Augenblick nur herrscht, daß jedes Streben ihm unterworfen ist, wird mir eine unversiegbare Quelle von Zweifel u. Reue bleiben. – Aber – Wem sag ich dieß! – Sie waren ja selbst zugegen.
Ewig werde ich mein günstiges Geschick preisen, da mir das Glück Ihrer persönlichen Bekanntschaft wurde. Die freundliche Aufmunterung die Sie den Bestrebungen meines schwachen Talentes gönnten, hat mich hoch erhoben u. beseeligt, hat mir neuen Muth eingeflößt die begonnene Bahn rastlos zu verfolgen. Wenn ich so ein fernes Ziel vielleicht erreiche, danke ich es einzig der Aufmerksamkeit die Sie mir geschenkt. Ihr lieber, gütiger Brief von Hamburg u. das beigeschlossene Gedicht hat mich unbeschreiblich erfreut u. überrascht. Nehmen Sie dafür meinen inigsten Dank! – vergeben Sie diese schlichten einfachen Worte – meine Empfindung können Worte nicht bezeichnen; ich möchte wie Cordelia sagen: ich kann mein Herz nicht auf die Zunge heben.
Dieß warme Dankgefühl, diese aufrichtige Verehrung die für Sie in meiner tiefsten Seele leben, lassen [3] sich nur fühlen. Ich mußte meine Freude mittheilen, als ich Ihren Brief gelesen, u. zeigte Ihr Gedicht einem eifrigen Verehrer von Ihnen, Herrn Wilhelm Beer, welcher mich gerade besuchte. Er äusserte mir den Wunsch es öffentlich eingerückt gedruckt zu sehen, ich entgegnete Ihm zwar meine Besorgnisse, daß ich ohne Ihre Zustimmung es nicht wagte, aber meine Freunde bestürmten mich alle mit Bitten, das Gedicht öffentlich bekannt zu machen, daß dieß auch mein Wunsch war, brauche ich nicht beizufügen. Das Urtheil des größten Kritikers unsrer Zeit, vielleicht zu allen Zeiten, Den Deutschland mit Stolz den Seinen nennt, muß jedem Deutschen höchst wichtig sein, jede auch nur flüchtige Aeusserung von Ihm, gilt der öffentlichen Meinung mehr, als Volianten-Bände mancher Dichter. Werden Sie ungehalten sein, wenn ich ohne Ihre Zustimmung abzuwarten, meinen Wünschen hierin nicht widerstehen konnte? Mir däucht ich lese in Ihren Augen – Vergebung! – Sobald unser Hof sich wieder in Wien befindet, werde ich trachten, daß der Paria zur Aufführung kommt. Über die etwaigen Änderungen, die vielleicht unsre Censur bedingen möchte, würde ich als dann mit dem Verfasser Rücksprache nehmen.
Doch schon zu lange habe ich Ihre Gedult in Anspruch genommen, u. wenn Sie wirklich bis hierher gelesen haben, so erfahren Sie noch meine aufrichtigste Bitte, nemlich: daß Sie mir in der Ferne einen Theil jener Gewogenheit erhalten möchten, die Sie mir so ehrend bewiesen, u. wodurch Sie die Tage meines berliner Aufenthaltes zu den glücklichsten [4] meines Lebens schufen.
Mit tiefster Ehrfurcht beharret Ihre
ergebenste
Sophie Müller mp
Wien d. 15ten September 827.
Mein Vater empfiehlt sich bestens Ihrem gütigen Andenken.
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