• Luise von Voss to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Groß Gievitz · Place of Destination: Genf · Date: 08.12.1804
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Luise von Voss
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Groß Gievitz
  • Place of Destination: Genf
  • Date: 08.12.1804
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 178‒179.
  • Incipit: „[1] Giewitz den 8ten December 1804
    Ich weiß nicht, ob ich nach meinem langen Schweigen noch auf Ihr Andencken rechnen darf, aber [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-7
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,27,2
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 25,3 x 20,5 cm
    Language
  • German
[1] Giewitz den 8ten December 1804
Ich weiß nicht, ob ich nach meinem langen Schweigen noch auf Ihr Andencken rechnen darf, aber demohngeachtet kann ich mir das Vergnügen nicht versagen Ihnen für Ihren Brief aus Coppet von May zu dancken. Es war mir damals unendlich werth Nachrichten der Frau von Stael durch Sie zu bekommen. Wenn ich gleich (Gott weiß warum) nicht geschrieben habe, so habe ich es Ihnen doch in meiner Seele nicht minder gedanckt, und bin oft mit meinen Gedancken in Ihrer Gesellschaft gewesen.
Sie werden jetzt mit unserer armen Freundin unter dem hohen blauen Himmel, in der lauen Luft Italiens seyn, und ich hoffe daß dies Land mit seinen Schätzen, seinen Erinnerungen, seiner Zauberwelt, ihrem betrübten Gemüth, Zerstreuung und Linderung wird verschaft haben. Es war eine sehr glückliche Wahl, sie lieber dorthin als nach Berlin zu bringen, wo derselben, ohne Zweifel in ihrer jetzigen Stimmung, die große Welt nicht die Befriedigung würde gegeben haben [2] die sie ihr im vorigen Jahr gewährte. Leider würden die kalten Weltmenschen sie auch nicht mit der Theilnahme aufgenommen haben, die sie wohl erwartet hätte. Eine Seele wie die ihrige, muß eigentlich ihren Schmerz nur wenigen Freunden offenbaren, und ihn für die gebildete feine Welt zu heilig halten. Sie zweifeln wohl nicht daran, wie unvergeßlich mir die letzten traurigen Augenblicke in Berlin geblieben sind; sie lehrten mich diese Frau von einer ganz andern Seite kennen, und die Tiefe ihres Characters und ihres Gefühls fesselten mich eben so sehr, wie es ihre Liebenswürdigkeit und ihr Verstand schon früher gethan hatten. Aber ich kann nicht leugnen, daß wir in Berlin manche Lanze für sie haben brechen müssen. Aus Ihrem Briefe, sehe ich, daß auch Sie dies schon damahls geahndet haben, und es kann auch nicht anders seyn; unsere Freundin [3] giebt sich den Weltmenschen zu sehr, zu unbefangen und zu unbesonnen hin; wird oft gar nicht verstanden, und noch öfter durch erbärmliche Motiven ganz falsch beurtheilt. Ich hoffe indessen, daß sie ihr Wort halten, und uns im künftigen Jahre in Berlin besuchen wird. Ihre Gegenwart mus gewiß immer sehr günstig wircken. Daß Sie sie begleiten werden, versteht sich ja wohl von selbst, denn die Fremde wird Sie doch dem Vaterlande nicht ganz entreissen? Ächte Deutschheit kann sich nur in Deutschland einheimisch fühlen, und den Vorzug, ausgezeichnete Männer unserer Nazion, so zu schätzen, wie es keine andere versteht, ist uns noch nie streitig gemacht worden; am aller wenigsten dürften Sie Zweifel dagegen aufkommen lassen.
Leben Sie indessen in dem schönen Rom recht wohl! So etwas muß man recht aus ganzer Seele genießen; und ich hoffe Ihr [4] dortiger Auffenthalt soll manche schöne Blume hervorbringen, die uns im Norden herrlich erfreuen und erquicken wird.
Ich war so lange nicht in Berlin daß ich Ihnen wenig von dortigen Freunden und Bekannten sagen kann; auch meine Mutter habe ich lange nicht gesehn; wir erwarten sie aber täglich, und werden nachher in ihrer Geselschaft am Ende des Winters nach Berlin reisen.
Mein Mann empfiehlt sich Ihnen recht angelegentlich; der Frau von Stael will ich selbst ein paar Worte schreiben.
Luise Voß-Berg

Wenn sich HE. v. Humboldt meiner erinnert, sagen Sie ihm vieles von mir, und auch daß ich Alles was er für mich besorgt, durch den Prinz Georg empfangen habe, und sehr danckbar dafür bin.
[1] Giewitz den 8ten December 1804
Ich weiß nicht, ob ich nach meinem langen Schweigen noch auf Ihr Andencken rechnen darf, aber demohngeachtet kann ich mir das Vergnügen nicht versagen Ihnen für Ihren Brief aus Coppet von May zu dancken. Es war mir damals unendlich werth Nachrichten der Frau von Stael durch Sie zu bekommen. Wenn ich gleich (Gott weiß warum) nicht geschrieben habe, so habe ich es Ihnen doch in meiner Seele nicht minder gedanckt, und bin oft mit meinen Gedancken in Ihrer Gesellschaft gewesen.
Sie werden jetzt mit unserer armen Freundin unter dem hohen blauen Himmel, in der lauen Luft Italiens seyn, und ich hoffe daß dies Land mit seinen Schätzen, seinen Erinnerungen, seiner Zauberwelt, ihrem betrübten Gemüth, Zerstreuung und Linderung wird verschaft haben. Es war eine sehr glückliche Wahl, sie lieber dorthin als nach Berlin zu bringen, wo derselben, ohne Zweifel in ihrer jetzigen Stimmung, die große Welt nicht die Befriedigung würde gegeben haben [2] die sie ihr im vorigen Jahr gewährte. Leider würden die kalten Weltmenschen sie auch nicht mit der Theilnahme aufgenommen haben, die sie wohl erwartet hätte. Eine Seele wie die ihrige, muß eigentlich ihren Schmerz nur wenigen Freunden offenbaren, und ihn für die gebildete feine Welt zu heilig halten. Sie zweifeln wohl nicht daran, wie unvergeßlich mir die letzten traurigen Augenblicke in Berlin geblieben sind; sie lehrten mich diese Frau von einer ganz andern Seite kennen, und die Tiefe ihres Characters und ihres Gefühls fesselten mich eben so sehr, wie es ihre Liebenswürdigkeit und ihr Verstand schon früher gethan hatten. Aber ich kann nicht leugnen, daß wir in Berlin manche Lanze für sie haben brechen müssen. Aus Ihrem Briefe, sehe ich, daß auch Sie dies schon damahls geahndet haben, und es kann auch nicht anders seyn; unsere Freundin [3] giebt sich den Weltmenschen zu sehr, zu unbefangen und zu unbesonnen hin; wird oft gar nicht verstanden, und noch öfter durch erbärmliche Motiven ganz falsch beurtheilt. Ich hoffe indessen, daß sie ihr Wort halten, und uns im künftigen Jahre in Berlin besuchen wird. Ihre Gegenwart mus gewiß immer sehr günstig wircken. Daß Sie sie begleiten werden, versteht sich ja wohl von selbst, denn die Fremde wird Sie doch dem Vaterlande nicht ganz entreissen? Ächte Deutschheit kann sich nur in Deutschland einheimisch fühlen, und den Vorzug, ausgezeichnete Männer unserer Nazion, so zu schätzen, wie es keine andere versteht, ist uns noch nie streitig gemacht worden; am aller wenigsten dürften Sie Zweifel dagegen aufkommen lassen.
Leben Sie indessen in dem schönen Rom recht wohl! So etwas muß man recht aus ganzer Seele genießen; und ich hoffe Ihr [4] dortiger Auffenthalt soll manche schöne Blume hervorbringen, die uns im Norden herrlich erfreuen und erquicken wird.
Ich war so lange nicht in Berlin daß ich Ihnen wenig von dortigen Freunden und Bekannten sagen kann; auch meine Mutter habe ich lange nicht gesehn; wir erwarten sie aber täglich, und werden nachher in ihrer Geselschaft am Ende des Winters nach Berlin reisen.
Mein Mann empfiehlt sich Ihnen recht angelegentlich; der Frau von Stael will ich selbst ein paar Worte schreiben.
Luise Voß-Berg

Wenn sich HE. v. Humboldt meiner erinnert, sagen Sie ihm vieles von mir, und auch daß ich Alles was er für mich besorgt, durch den Prinz Georg empfangen habe, und sehr danckbar dafür bin.
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