• Christian Friedrich Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Zürich · Place of Destination: Chaumont-sur-Loire · Date: 07.06.1810
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Friedrich Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Zürich
  • Place of Destination: Chaumont-sur-Loire
  • Date: 07.06.1810
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: „Geliebter Freund und Bruder“. Der Briefwechsel zwischen Christian Friedrich Tieck und August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1804 bis 1811. Hg. und kommentiert v. Cornelia Bögel. Dresden 2015, S. 215–218.
  • Incipit: „[1] Zürich den 7ten Junÿ 1810.
    Ein Brief der Schwester meldet mir so eben deine Adresse geliebter Theurer Freund und ich eile [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,17,2
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 23,8 x 19,1 cm
    Language
  • German
[1] Zürich den 7ten Junÿ 1810.
Ein Brief der Schwester meldet mir so eben deine Adresse geliebter Theurer Freund und ich eile noch einmahl dir zu schreiben und noch einmal lebe wohl zu sagen, wie gern thäte ich es mündlich und sehe dich noch wieder vor deiner Reise, aber es kann nicht sein, wie gern möchte ich dich zurückhalten, denn wie wilst du den unbequemlichkeiten einer langen Seereise, dem einfluß eines ganz fremden Himmelsstriches wiederstehen. Jeder den ich dorthin reisen sehe ängstet mich, um wie viel mehr du, den ich so sehr liebe, und so sehr zu lieben Ursache habe. Dir habe ich das Leben und die Erhaltung meiner Schwester und ihrer Kinder zu danken, mit welcher Zärtlichkeit hast du in jener Zeit des Beisammenseins für sie gesorgt, jede Sorge übernommen die mir, oder einen andern zugestanden hätte. und nie ist es in meiner Macht gewesen dir es in irgend etwas zu vergelten. Es ist quälend sich so eines Menschen Schuldner zu fühlen, und disem weder etwas sein noch leisten zu können.
Glaube mir ich habe das in jeden Moment meines Lebens gefühlt, und fühle es stets. Du machtest mir Vorwürffe in den lezten Tagen als ich dich zu Coppet sahe, das ich dir verdrüßlich schien, und gabst mir eine Schuld die niemahls aufhören wird mich zu schmerzen.
Sollte ich nicht betrübt mehr als verdrüslich, ja aufs äußerste geängstet sein. Da ich so lange jezt dein Leben gesehen hatte, und dich weder Glücklich noch Zufrieden sahe, in einem Zustand beständigen Misbehagens, dich den ich vor allen glücklich zu sehen gewünscht hatte, ich selbst bei dem Wunsch, den ich haben müste meine Schwester wiederzusehen, müste ja im Geiste schon alle die Verwirrungen sehn in die ich auch gerathen bin. Ein frohes und heiteres Leben ist uns [2] immer als ein nahes Ziell aufgestekt, und entfernt sich immer wieder, wie es immer im Menschlichen Leben geth. Ich dachte es mir immer als das Höchste Glük meines Lebens, dich in unserm Kreise wieder zu sehn, froh und fröhlich Arbeitend, und vielleicht das du auch noch eine junge und liebwürdige Frau fändest, welche den Kreis deiner Freuden, und unserer Freunde vermehrte. Ich mag nicht die Hoffnung aller diser Dinge aufgeben, Ein Theil muß sich noch realisieren, du wirst ja wieder zu mir kommen, und nicht ewig von uns entfernt leben wollen. Nur freilich vergehen einige Jahre darüber. und mehr vielleicht ehe wir einander jezt wiedersehen können. Gieb uns wenigstens Nachricht über den Fortgang deiner Reise und deinem Befinden dort. Ich weis nicht warum ich eine solche Furcht vor Amerika habe, nicht wenn ich selbst hingehen sollte, sondern für jeden meiner Freunde, all die Abentheuerlichen Dinge die man wohl ehemals davon erzählt stellen sich mir in Gedank[en] wieder vor, und und sehe dann nur die Sumpfige ungesunde Luft, einer unverstandnen Welt, das zahllose Heer schädlicher Gewürme, und giftiger Insekten, Tiger und dergleichen, die nahen, blos Geldgierige Menschen, denen nur außen eine Art von Bildung beigebracht ist, und die an nichts Interesse nehmen, als nur an Handel und Geld. Alle Amerikaner die ein bessres Interesse kennen, streben ja nach Europa zurük. Kurz ich habe beständig fort den eigennützigen Wunsch du möchtest hier bleiben.
Ich will so bald ich nun nach Italien komme mit gedoppelten Fleiße Arbeiten, schon in meinem lezten Briefe, habe ich dir eine kleine Zeichnung geschikt von dem Monument für Auguste, und erwarte noch Nachricht von dir ob du mit dem Gegenstand der Reliefs zufrieden bist.
Die Zeichnung oder Bild für Frau v[on] Stael da es ja doch kein Werk für den Augenblik werden soll, hoffe ich nun doppelt schön zu vollenden, und es soll auch in kurzem nachreisen, wenn ich nur weis wohin zu senden, auch für dich habe ich mancherlei entworffen, wovon ich glaube das es dir Freude machen könnte. Schreibe nur deine Adresse, und wie [3] man dir Sachen nachschikken kann. Ich werde doch so glüklich sein endlich einen Theil meines Willens ausführen zu können. Die Schwester hatt dir wahrscheinlich selbst geschrieben mir schreibt sie, sie sei von neuem Bettlägrig und Knorrings Vater macht es [wie] gewöhnlich so das er niemahls Geld zur gehörigen Zeit bekömmt. Schon als ich abreiste erwartete er es täglich, und nun hatt er einen Brief erhalten er möchte es auf ihn anweisen wie er es früher mit einer andern kleinen Summe gethan hatt, und die Banquiers haben dergleichen Geschäfte nicht gern nach Rußland hin, auch verliehrt man erschreklich, und Niemand gibt auf dise Art eine grosse Summe. So leide ich hier auch mit, und doppelt und dreifach. Denn fast weis ich nicht mehr wie ich es anfangen soll, da ich zu nöthig in Italien bin, und wie soll ich da leben. Doch durch alle Trübsal muß man sich am Ende durcharbeiten, und ich hoffe wir sehen uns sehr froh und Glüklich wieder. Gern hätte ich einen Brief von deiner Hand gesehn, und gesehn das du mir nicht mehr böse wärst wie mir die Schwester schrieb. Sei es nicht, ich bin gegen dich nicht Nachläßig aus Trägheit, oder aus weniger Liebe, glaube mir ich habe dich recht ohngleich lieb, aber wenn ich mich niedersetze um dir zu schreiben wird mir stets so wehmüthig das ich es oft nicht vermag, und ich habe zu viele Sorgen in die Zeit das wir von einander getrennt sind gehabt, und zu manichfaltig, als das ich vieles hätte thun können, was ich weis das [es] meine Schuldigkeit gewesen wäre. Leb wohl Leb tausendmahl wohl, und behalte mich lieb, Empfiel mich bestens Fr[au] v[on] Stae[l] und ihrer Familie, Reise glüklich, und komm glüklich wieder zurük. Wenn fromme Wünsche was für dich vermögten, so müßtest du sehr glüklich sein.
Dein Freund und Bruder Fr.[iedrich] Tieck
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[1] Zürich den 7ten Junÿ 1810.
Ein Brief der Schwester meldet mir so eben deine Adresse geliebter Theurer Freund und ich eile noch einmahl dir zu schreiben und noch einmal lebe wohl zu sagen, wie gern thäte ich es mündlich und sehe dich noch wieder vor deiner Reise, aber es kann nicht sein, wie gern möchte ich dich zurückhalten, denn wie wilst du den unbequemlichkeiten einer langen Seereise, dem einfluß eines ganz fremden Himmelsstriches wiederstehen. Jeder den ich dorthin reisen sehe ängstet mich, um wie viel mehr du, den ich so sehr liebe, und so sehr zu lieben Ursache habe. Dir habe ich das Leben und die Erhaltung meiner Schwester und ihrer Kinder zu danken, mit welcher Zärtlichkeit hast du in jener Zeit des Beisammenseins für sie gesorgt, jede Sorge übernommen die mir, oder einen andern zugestanden hätte. und nie ist es in meiner Macht gewesen dir es in irgend etwas zu vergelten. Es ist quälend sich so eines Menschen Schuldner zu fühlen, und disem weder etwas sein noch leisten zu können.
Glaube mir ich habe das in jeden Moment meines Lebens gefühlt, und fühle es stets. Du machtest mir Vorwürffe in den lezten Tagen als ich dich zu Coppet sahe, das ich dir verdrüßlich schien, und gabst mir eine Schuld die niemahls aufhören wird mich zu schmerzen.
Sollte ich nicht betrübt mehr als verdrüslich, ja aufs äußerste geängstet sein. Da ich so lange jezt dein Leben gesehen hatte, und dich weder Glücklich noch Zufrieden sahe, in einem Zustand beständigen Misbehagens, dich den ich vor allen glücklich zu sehen gewünscht hatte, ich selbst bei dem Wunsch, den ich haben müste meine Schwester wiederzusehen, müste ja im Geiste schon alle die Verwirrungen sehn in die ich auch gerathen bin. Ein frohes und heiteres Leben ist uns [2] immer als ein nahes Ziell aufgestekt, und entfernt sich immer wieder, wie es immer im Menschlichen Leben geth. Ich dachte es mir immer als das Höchste Glük meines Lebens, dich in unserm Kreise wieder zu sehn, froh und fröhlich Arbeitend, und vielleicht das du auch noch eine junge und liebwürdige Frau fändest, welche den Kreis deiner Freuden, und unserer Freunde vermehrte. Ich mag nicht die Hoffnung aller diser Dinge aufgeben, Ein Theil muß sich noch realisieren, du wirst ja wieder zu mir kommen, und nicht ewig von uns entfernt leben wollen. Nur freilich vergehen einige Jahre darüber. und mehr vielleicht ehe wir einander jezt wiedersehen können. Gieb uns wenigstens Nachricht über den Fortgang deiner Reise und deinem Befinden dort. Ich weis nicht warum ich eine solche Furcht vor Amerika habe, nicht wenn ich selbst hingehen sollte, sondern für jeden meiner Freunde, all die Abentheuerlichen Dinge die man wohl ehemals davon erzählt stellen sich mir in Gedank[en] wieder vor, und und sehe dann nur die Sumpfige ungesunde Luft, einer unverstandnen Welt, das zahllose Heer schädlicher Gewürme, und giftiger Insekten, Tiger und dergleichen, die nahen, blos Geldgierige Menschen, denen nur außen eine Art von Bildung beigebracht ist, und die an nichts Interesse nehmen, als nur an Handel und Geld. Alle Amerikaner die ein bessres Interesse kennen, streben ja nach Europa zurük. Kurz ich habe beständig fort den eigennützigen Wunsch du möchtest hier bleiben.
Ich will so bald ich nun nach Italien komme mit gedoppelten Fleiße Arbeiten, schon in meinem lezten Briefe, habe ich dir eine kleine Zeichnung geschikt von dem Monument für Auguste, und erwarte noch Nachricht von dir ob du mit dem Gegenstand der Reliefs zufrieden bist.
Die Zeichnung oder Bild für Frau v[on] Stael da es ja doch kein Werk für den Augenblik werden soll, hoffe ich nun doppelt schön zu vollenden, und es soll auch in kurzem nachreisen, wenn ich nur weis wohin zu senden, auch für dich habe ich mancherlei entworffen, wovon ich glaube das es dir Freude machen könnte. Schreibe nur deine Adresse, und wie [3] man dir Sachen nachschikken kann. Ich werde doch so glüklich sein endlich einen Theil meines Willens ausführen zu können. Die Schwester hatt dir wahrscheinlich selbst geschrieben mir schreibt sie, sie sei von neuem Bettlägrig und Knorrings Vater macht es [wie] gewöhnlich so das er niemahls Geld zur gehörigen Zeit bekömmt. Schon als ich abreiste erwartete er es täglich, und nun hatt er einen Brief erhalten er möchte es auf ihn anweisen wie er es früher mit einer andern kleinen Summe gethan hatt, und die Banquiers haben dergleichen Geschäfte nicht gern nach Rußland hin, auch verliehrt man erschreklich, und Niemand gibt auf dise Art eine grosse Summe. So leide ich hier auch mit, und doppelt und dreifach. Denn fast weis ich nicht mehr wie ich es anfangen soll, da ich zu nöthig in Italien bin, und wie soll ich da leben. Doch durch alle Trübsal muß man sich am Ende durcharbeiten, und ich hoffe wir sehen uns sehr froh und Glüklich wieder. Gern hätte ich einen Brief von deiner Hand gesehn, und gesehn das du mir nicht mehr böse wärst wie mir die Schwester schrieb. Sei es nicht, ich bin gegen dich nicht Nachläßig aus Trägheit, oder aus weniger Liebe, glaube mir ich habe dich recht ohngleich lieb, aber wenn ich mich niedersetze um dir zu schreiben wird mir stets so wehmüthig das ich es oft nicht vermag, und ich habe zu viele Sorgen in die Zeit das wir von einander getrennt sind gehabt, und zu manichfaltig, als das ich vieles hätte thun können, was ich weis das [es] meine Schuldigkeit gewesen wäre. Leb wohl Leb tausendmahl wohl, und behalte mich lieb, Empfiel mich bestens Fr[au] v[on] Stae[l] und ihrer Familie, Reise glüklich, und komm glüklich wieder zurük. Wenn fromme Wünsche was für dich vermögten, so müßtest du sehr glüklich sein.
Dein Freund und Bruder Fr.[iedrich] Tieck
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