• Christian Friedrich Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Zürich · Place of Destination: Genf · Date: 09.01.1811
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Friedrich Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Zürich
  • Place of Destination: Genf
  • Date: 09.01.1811
    Printed Text
  • Bibliography: „Geliebter Freund und Bruder“. Der Briefwechsel zwischen Christian Friedrich Tieck und August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1804 bis 1811. Hg. und kommentiert v. Cornelia Bögel. Dresden 2015, S. 245–248.
  • Incipit: „[1] Zürich den 9. Januar 1811.
    Schon wieder einen Brief, wirst du sagen, doch werde nicht böse, ich hatte in diesen Tagen [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,17,8
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 24,9 x 20,3 cm
    Language
  • German
[1] Zürich den 9. Januar 1811.
Schon wieder einen Brief, wirst du sagen, doch werde nicht böse, ich hatte in diesen Tagen einen Zettel von dir zu erhalten der mir den richtigen Empfang der Zeichnungen bescheinigen sollte, und wollte dir dann schreiben das ich fleißig an der Kreide Zeichnung arbeite, und das ich hoffe sie soll verdienen zu gefallen. Ich schrieb dir schon früher das ich hier einen neuen Mannequin gemacht welcher über erwarten guth gelungen ist, und so wird ja auch wohl das Werk gelingen. In voriger Woche wurde ich ein par Tage lang sehr geängstet, so das das mich störte. Nemlich ich hatte dir schon einmahl geschriben, das die Schwester mir Nachricht gegeben wie Felix so sehr krank gewesen, aber in der Bess[er]ung begriffen sei. Nun erhielt ich am Mittwoch einen zweiten Brief, worin mir gemeldet wurde das er kränker sei als je, und nehme ich ihre Worte ganz nach dem Sinn, so war wenig Hoffnung zu seiner Genesung da. Du kannst denken wie mir dabei zu Muthe war und noch ist. Aber da ich nicht gleich am Sonnabend wieder einen Brief erhielt so stellen sich bei mir die Hoffnungen wider ein. Heut erwarte ich aber mit Zittern den Postbothen und will die Unruhe doch ein Menschen nur mittheilen zu können, der auch an einen Gram Antheil nimmt treibt mich ja wäh an dir zu schreiben. Du bist immer so freundlich gegen mich gesinnt gewesen, du liebst den Knaben auch, und wie kann ich anders mit dir sprechen als in dem ich dir schreibe. Sobald ich wieder Nachricht von der Schwester habe will ich dir solche auch mittheilen wieder. Nur hätte ich warten können bis ich den Brief der Schwester erhalten, aber diser an dich gerichtet muß vor zehen Uhr auf die Post, und erst gegen Mittag kann ich den der Schwester erhalten, und dann müste ich bis Sonnabend warten glaube ich dir zu schreiben, wozu ich doch heut mancherlei Gründe hätte.
Ich fürchte nehmlich außerdem das du böse auf [2] mich sein könntest, das ich mit Bitten Unverschämt sei, das ich mich nicht begnüge mit einem Vorschuß sondern ein zweiten begehre, aber es soll theurer Freund in der That nichts anders als ein Vorschuß sein. Knorring ist am 28 9br mit Extra Post abgereißt, er kann also in 4 Wochen zu Hause gewesen sein, und ich könnte wenigstens 10 Tage vor Ende dises Monaths Geld hir haben. Aber wie manchen Zufälligkeiten ist dis nicht unterworfen. Das er eilt daran zweifle ich nicht weil er weiß wie wenig Geld er der Schwester zurükgelassen, aber man ist den Launen eines Banquiers und Zufälligkeiten der Post unterworfen, schließlich noch wenn die Schwester vielleicht bare[s] Geld hieher schikt statt Wechsel, so bleibt deshalb der Brief dann drei Tage allein von München aus länger unterwegs. So könnte es leicht kommen, das ich am lezten Tage dises Monaths noch ohne Geld hir säße, und dies wäre mir aus folgenden Gründen doppelt unangenehm. Ich batt Füßli er sollte da ich den vorigen Monath so richtig b[e]zahlt auch noch disen Monath für mich guth sagen, allein er wollte nicht, wahrscheinlich auch mit weil die Schwester nicht Flore und Blanscheflur geschikt hatt, welches er wohl drukken möchte aber erst zu Ostern übers Jahr, und dann in Duodez, wo es ungefähr 14 Bogen machen würde, den er dan mit einem Louis’dor den Bogen, auf Neujahr übers Jahr honoriert. Da er mir das abgeschlagen, so machte ich mit meinem Wirth aus, das wenn ich auch nicht am Schluße des Monaths meine ganze Rechnung bezahlen könnte, ihm doch sicherlich die dises Monathes zu bezahlen. Indem ich hofte das es dir möglich sein würde mir bis dahin noch einmahl auszuhelfen. Du hättest alsdann zugleich die Wahl ob ich dir es gleich von hieraus wieder zurükschikke, oder dort wieder geben sollt. Käme durch Zufall dein Brief späther an oder der der Schwester oder K.[norrings] so schikke ich gleich das deinige unangerührt zurük. Indem ich dis niederschrieb muste ich unvermuthet stark Niesen, und das gilt ja so viel ich mich erinnere schon beim Homer als eine Vorbedeutung der richtigen Erfüllung dessen was geschehe, und so wird siehst du das gar an allen gar kein Zweifel ist. Wenigstens als Philolog müstest du ja disem Zeugniß trauen, da wie ich mit Erstaunen gesehen die Antiquare des Mittelalters nicht [3] uebel lust gehabt haben, die Erzählungen des Apollonius von Thÿana für bare Wahrheiten zu nehmen, und das Niesen als gute Vorbedeutung der Erfüllung zu nehmen ist doch bei weitem weniger als der Trank der Unsterblichkeit des Jarchas.–
Ich werde den Reise Plan den du vorgeschlagen hast wohl wahrscheinlich annehmen obgleich ich lieber einen näheren Weg nach Maÿland gienge.
Doch muß ich Nothwendig nach Unterwalden um dort noch ein paar Bilder, und den Todten Schädel des Klaus von der Flühe zu sehen. Nachher möchte ich gern nach Bern, erstlich um Bern zu sehen, und dann eines Bildnisses des Adrian von Bubenberg halber, welches sich dort vorfindet, und welches ich wünschte mir selbst zu copiren. Dann ist natürlich der Weg nach Genf so nahe das er weiter in keine Betracht kömmt, nur alsdan den weiten Umweg über Chambérÿ, und den Mont Cenis der scheint mir schreklich auch kostet die Diligence sehr viel. Doch das erspart man wieder an Zeit, und andren Kosten, und vor allen Dingen dich sehe ich wieder. – Wie will ich fleißig sein wenn ich erst wider von hir entfernt und an meinen eigenthümlichen Arbeiten bin, ich bin es auch jezt, aber nur eine gewisse Unruhe kann ich nicht loß werden ehe nicht dise ganze Laage sich geändert hatt. Nicht nur muß ich um mein eignes Fortkommen jezt besorgt sein, und so bei dir zum Bettler werden sondern auch für die Schwester bangt mir so lange bis ich weiß das K[norrings] Briefe da sind. und jezt besonders ihr Zustand ist grausam, ein todkrankes einziges Kind, und vielleicht dem grösten Mangel ausgesezt, o Gott es ist hart, und ich bin unvermögend zu helfen, Stirbt der Felix vollends was bleibt dann uebrig. Aber ich will davon nichts denken sondern alles Andere um zu Arbeiten, vielleicht ist er schon längst ausser Gefahr, denn ihr Brif ist ja heut schon 11 Tage alt. Leb wohl recht wohl, und Empfiehl mich den Gönnern und Freunden die sich meiner erinnern wollen. Leb wohl und erhalte Gott dich gesund, und wohl, und als meinen Freund.
Ewig der deine Friedrich Tieck.
Indem ich siglen will erhalte ich einen Brief von der Schwester. Felix ist Gott sei gedankt wider ausser Gefahr aber sie selbst leidet desto mehr. Auch K[norring] hatt geschrieben, der schlechten Wege halber ist er erst am 16 Xbr in Königsberg gewesen von wo aus er mit Russischen Fährleuten weiter gereißt und in 12 Tagen zu hause ankommen sollte, also noch vor Ende des Jahres, doch später um einen Tage als ich erwartete.
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[1] Zürich den 9. Januar 1811.
Schon wieder einen Brief, wirst du sagen, doch werde nicht böse, ich hatte in diesen Tagen einen Zettel von dir zu erhalten der mir den richtigen Empfang der Zeichnungen bescheinigen sollte, und wollte dir dann schreiben das ich fleißig an der Kreide Zeichnung arbeite, und das ich hoffe sie soll verdienen zu gefallen. Ich schrieb dir schon früher das ich hier einen neuen Mannequin gemacht welcher über erwarten guth gelungen ist, und so wird ja auch wohl das Werk gelingen. In voriger Woche wurde ich ein par Tage lang sehr geängstet, so das das mich störte. Nemlich ich hatte dir schon einmahl geschriben, das die Schwester mir Nachricht gegeben wie Felix so sehr krank gewesen, aber in der Bess[er]ung begriffen sei. Nun erhielt ich am Mittwoch einen zweiten Brief, worin mir gemeldet wurde das er kränker sei als je, und nehme ich ihre Worte ganz nach dem Sinn, so war wenig Hoffnung zu seiner Genesung da. Du kannst denken wie mir dabei zu Muthe war und noch ist. Aber da ich nicht gleich am Sonnabend wieder einen Brief erhielt so stellen sich bei mir die Hoffnungen wider ein. Heut erwarte ich aber mit Zittern den Postbothen und will die Unruhe doch ein Menschen nur mittheilen zu können, der auch an einen Gram Antheil nimmt treibt mich ja wäh an dir zu schreiben. Du bist immer so freundlich gegen mich gesinnt gewesen, du liebst den Knaben auch, und wie kann ich anders mit dir sprechen als in dem ich dir schreibe. Sobald ich wieder Nachricht von der Schwester habe will ich dir solche auch mittheilen wieder. Nur hätte ich warten können bis ich den Brief der Schwester erhalten, aber diser an dich gerichtet muß vor zehen Uhr auf die Post, und erst gegen Mittag kann ich den der Schwester erhalten, und dann müste ich bis Sonnabend warten glaube ich dir zu schreiben, wozu ich doch heut mancherlei Gründe hätte.
Ich fürchte nehmlich außerdem das du böse auf [2] mich sein könntest, das ich mit Bitten Unverschämt sei, das ich mich nicht begnüge mit einem Vorschuß sondern ein zweiten begehre, aber es soll theurer Freund in der That nichts anders als ein Vorschuß sein. Knorring ist am 28 9br mit Extra Post abgereißt, er kann also in 4 Wochen zu Hause gewesen sein, und ich könnte wenigstens 10 Tage vor Ende dises Monaths Geld hir haben. Aber wie manchen Zufälligkeiten ist dis nicht unterworfen. Das er eilt daran zweifle ich nicht weil er weiß wie wenig Geld er der Schwester zurükgelassen, aber man ist den Launen eines Banquiers und Zufälligkeiten der Post unterworfen, schließlich noch wenn die Schwester vielleicht bare[s] Geld hieher schikt statt Wechsel, so bleibt deshalb der Brief dann drei Tage allein von München aus länger unterwegs. So könnte es leicht kommen, das ich am lezten Tage dises Monaths noch ohne Geld hir säße, und dies wäre mir aus folgenden Gründen doppelt unangenehm. Ich batt Füßli er sollte da ich den vorigen Monath so richtig b[e]zahlt auch noch disen Monath für mich guth sagen, allein er wollte nicht, wahrscheinlich auch mit weil die Schwester nicht Flore und Blanscheflur geschikt hatt, welches er wohl drukken möchte aber erst zu Ostern übers Jahr, und dann in Duodez, wo es ungefähr 14 Bogen machen würde, den er dan mit einem Louis’dor den Bogen, auf Neujahr übers Jahr honoriert. Da er mir das abgeschlagen, so machte ich mit meinem Wirth aus, das wenn ich auch nicht am Schluße des Monaths meine ganze Rechnung bezahlen könnte, ihm doch sicherlich die dises Monathes zu bezahlen. Indem ich hofte das es dir möglich sein würde mir bis dahin noch einmahl auszuhelfen. Du hättest alsdann zugleich die Wahl ob ich dir es gleich von hieraus wieder zurükschikke, oder dort wieder geben sollt. Käme durch Zufall dein Brief späther an oder der der Schwester oder K.[norrings] so schikke ich gleich das deinige unangerührt zurük. Indem ich dis niederschrieb muste ich unvermuthet stark Niesen, und das gilt ja so viel ich mich erinnere schon beim Homer als eine Vorbedeutung der richtigen Erfüllung dessen was geschehe, und so wird siehst du das gar an allen gar kein Zweifel ist. Wenigstens als Philolog müstest du ja disem Zeugniß trauen, da wie ich mit Erstaunen gesehen die Antiquare des Mittelalters nicht [3] uebel lust gehabt haben, die Erzählungen des Apollonius von Thÿana für bare Wahrheiten zu nehmen, und das Niesen als gute Vorbedeutung der Erfüllung zu nehmen ist doch bei weitem weniger als der Trank der Unsterblichkeit des Jarchas.–
Ich werde den Reise Plan den du vorgeschlagen hast wohl wahrscheinlich annehmen obgleich ich lieber einen näheren Weg nach Maÿland gienge.
Doch muß ich Nothwendig nach Unterwalden um dort noch ein paar Bilder, und den Todten Schädel des Klaus von der Flühe zu sehen. Nachher möchte ich gern nach Bern, erstlich um Bern zu sehen, und dann eines Bildnisses des Adrian von Bubenberg halber, welches sich dort vorfindet, und welches ich wünschte mir selbst zu copiren. Dann ist natürlich der Weg nach Genf so nahe das er weiter in keine Betracht kömmt, nur alsdan den weiten Umweg über Chambérÿ, und den Mont Cenis der scheint mir schreklich auch kostet die Diligence sehr viel. Doch das erspart man wieder an Zeit, und andren Kosten, und vor allen Dingen dich sehe ich wieder. – Wie will ich fleißig sein wenn ich erst wider von hir entfernt und an meinen eigenthümlichen Arbeiten bin, ich bin es auch jezt, aber nur eine gewisse Unruhe kann ich nicht loß werden ehe nicht dise ganze Laage sich geändert hatt. Nicht nur muß ich um mein eignes Fortkommen jezt besorgt sein, und so bei dir zum Bettler werden sondern auch für die Schwester bangt mir so lange bis ich weiß das K[norrings] Briefe da sind. und jezt besonders ihr Zustand ist grausam, ein todkrankes einziges Kind, und vielleicht dem grösten Mangel ausgesezt, o Gott es ist hart, und ich bin unvermögend zu helfen, Stirbt der Felix vollends was bleibt dann uebrig. Aber ich will davon nichts denken sondern alles Andere um zu Arbeiten, vielleicht ist er schon längst ausser Gefahr, denn ihr Brif ist ja heut schon 11 Tage alt. Leb wohl recht wohl, und Empfiehl mich den Gönnern und Freunden die sich meiner erinnern wollen. Leb wohl und erhalte Gott dich gesund, und wohl, und als meinen Freund.
Ewig der deine Friedrich Tieck.
Indem ich siglen will erhalte ich einen Brief von der Schwester. Felix ist Gott sei gedankt wider ausser Gefahr aber sie selbst leidet desto mehr. Auch K[norring] hatt geschrieben, der schlechten Wege halber ist er erst am 16 Xbr in Königsberg gewesen von wo aus er mit Russischen Fährleuten weiter gereißt und in 12 Tagen zu hause ankommen sollte, also noch vor Ende des Jahres, doch später um einen Tage als ich erwartete.
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