• Christian Friedrich Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Zürich · Place of Destination: Genf · Date: 01.02.1811
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Friedrich Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Zürich
  • Place of Destination: Genf
  • Date: 01.02.1811
    Printed Text
  • Bibliography: „Geliebter Freund und Bruder“. Der Briefwechsel zwischen Christian Friedrich Tieck und August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1804 bis 1811. Hg. und kommentiert v. Cornelia Bögel. Dresden 2015, S. 261–264.
  • Incipit: „[1] Zürich den 1. Februar 1811.
    Nimm es nicht uebel mein sehr theurer Freund das ich auf deinen lezten Brif dir erst [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,17,12
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U. u. Adresse
  • Format: 24,7 x 21 cm
    Language
  • German
[1] Zürich den 1. Februar 1811.
Nimm es nicht uebel mein sehr theurer Freund das ich auf deinen lezten Brif dir erst heute Antworte, und erst heut meinen besten Dank über die mir übersandten 5 Louisd’or abstatte, Freilich hätte ich gleich denselben Tag als ich solche erhielt antworten können, jedoch dachte ich ich müste disen Mittwoch wieder einen Brif von der Schwester erhalten und nun konnte ich auch gestern nicht schreiben. Durch deine Güthe bin ich aus aller Verlegenheit geholfen, und kann ruhig, und fleißig arbeitend alles abwarten. Auch habe ich⎣vor⎦gestern einen Brif von der Schwester erhalten dem aber leider ein Brif des Prinzen beigelegt war, welcher meinen Auffenthalt hir Gott weis von wem erfahren, sein Brif ist nicht böse, aber er soll zu Anfang sehr böse gewesen sein, besonders deshalb da man ihm gesagt das ich hier andre Arbeiten mache, Doch hatte mich dis angegriffen so das ich gestern und heut wirklich krank bin, und reise ich nicht bald von hier es in ernst werde. Ich habe ihm sogleich geantwortet, und denke er wird sich wohl mit der Zeit beruhigen, da ihm meine Büste von Goethe so ganz außerordentlich wohl scheint gefallen zu haben. das er sich auch nicht enthalten kann in disem Brif darüber zu sprechen. Ich werde nun mit der Sonntags Post an Schelling schreiben, thue du wenn du wilst desgleichen.
Die Bücher von Füßli habe ich noch nicht gekauft weil ich solche gern gleich bar bezahlen möchte, besonders da du mir schriebst das ich solche ja selbst mitbringen könnte.
Sehr thut es mir auch Leid, das Von der Haagen den Brif des Inspektor Horner wirklich erhalten hatt, denn derselbe hatt vorgestern eine Antwort von ihm erhalten, und jener will dise Sachen gleich öffentlich, Gott weis in welcher Zeitschrift bekannt machen, aber sein Brif ist auch eben ein Beweis wie oberflächlich die meisten Menschen alles lesen, denn er hatt auch herausgelesen, das das defekte M[anu]sc[ri]pt Bodmer für das ältere halte, da geradezu wie ich dir ausgezogen, das Gegentheil darin steth. So viel ich die Brife weiter durchgesehen, enthalten solche nichts eben [2] merkwürdiges, treiben von seiten Bodmers das der Druk anfangen möchte, und Nachrichten welche Sachen er habe, und schikken würde, und Müllers Antworten darauf. Ueber den Iwein habe ich mich geirrt, es ist nicht Breitinger, sondern ein Chorher Ulrich denke ich der anfangs das M[anu]sc[ri]pt in Florenz copirt, nacher hatt Bodmer aber eben weil es so sehr schlecht war, sich das M[anu]sc[ri]pt selbst aus der Machliabekischen Bibliothek in Florenz verschaft, und es hier aufs neue abschreiben lassen, doch ist auch sehr zu zweifeln das dise Copie sehr genau sein möchte, obgleich es nicht an dem Willen, wohl aber an den Kräften des Mannes gelegen haben möchte welcher die Copie gemacht hatt, und der jezt ein hiesiger Künstler ist. Kennst du den alt französischen Parcival in Prosa? Er ist hier auf der Bibliothek, und es scheint wie man mir sagt ziemlich sich daraus zu ergeben das Eschelbach es daraus ziemlich ganz entlehnt. Der Französche Autor sagt das er es aus Versen in Prosa übersezt hatt. Auch Hagen spricht davon, und thut als ob er das alte Werk des Kÿot hätte, von welchem es genommen zu haben Eschelbach sagt. In München haben sie die alte Handschrift gekauft welche in Hohenembs war, und zwar die Volständige aus welcher Bodmer seine Copie ergänzt. Weist du das schon? Einen grossen Schrekk habe ich heute abermahls gehabt, Der Landammann Heer von Glarus hatt dich in Bern gesehen, und gesagt Fr[au] v[on] Stael würde nach deiner Aussage ganz bestimmt nach Amerika gehen. So sollte ich dich den doch dorthin gehen sehn, und wir uns vielleicht zum lezten mahle sehen. Denn warlich ich fange jezt an zu glauben das ich nicht mehr lange lebe, dise Entkräftung bei jeder auch nur der kleinsten Gemüthsbewegung muß ein Zeichen sehr erloschner Lebenskraft sein. – Felix hatt mir mit der Schwester Brif wieder ein kleines Billet beigelegt, er scheint also wieder ganz hergestellt zu sein. Leider gehen die Brife jezt aber vil langsamer als ich dachte von Lifland aus 33 Tage, also kann ist Knorring am 28 Xbr angekommen, erst gestern oder heut ein Brif in München sein, und kommt vielleicht erst Morgen oder Uebermorgen da ich mir nicht denke das er schreibt ohne zugleich Geld mitzuschikken, wenigstens etwas sogleich, auch wünschte ich es herzlich so, obgleich ich dann nicht eher als morgen über 8 Tagen Nachricht von einem Brif von ihm haben kann.
Mit herzlicher Ungeduld hare ich der [3] Möglichkeit einer Reise, und du hast keinen Begriff des Leidens und der Ungeduld die ich habe erdulden müsse, da Migraine mich fast den ganzen Tag am Bette gefesselt hielt, so habe ich nun gestern und heut von meiner Zeichnung versäumt. Da du in Bern warst, warum hast du nicht hieher kommen können. Dein Buch habe ich zwar gesehen, aber noch nicht gelesen ich hoffe du machst mir bei der Durchreise ein Exemplar complett zum Geschenk, das ich meine Freude daran haben kann. Unendlich freue ich mich dich noch einmahl wieder zu sehen, könnte es doch schon geschehen. Hast du während deines lezten Auffenthaltes in Frankreich einen langen Auffenthalt in Paris machen können, um zu sehn was du dort aber nun über die alten Gedichte auffinden könntest? Mir ist es immer als hätte ich tausend Dinge zu schreiben, und doch will ich es so habe ich alles wieder vergessen. In Wien will man ja endlich eine Akademie der Wissenschaften stiften, geschieht es so begreiffe ich nicht wie sie es leiden können, das du nach Amerika gehst. In München haben sie schon versäumt dich als general Secrätair hinzurufen, und sollten sie es in Wien auch versäumen, denn natürlich zum Presidänten müssen sie irgend einen Fürsten, oder vornehmen Grafen machen,
Schreibe mir doch deines Bruders Adresse in Wien, und ob er mir wohl eine Kleinigkeit besorgt die Gott weis durch welchen Zufall ich durchaus nicht erlangen kann.
Bleibe ich in Italien so möchte ich ihm auch wohl vorschlagen mir einen seiner Jungen als Eleven nach Rom zu schikken, sie sollen Talent haben, wie ich schon vor einem Jahre hörte, natürlich als Mahler oder Bildhauer wie sie selbst wollten. Wer weis aber wo ich jezt bleibe wenn meine Sachen dort abgemacht sind gar gienge ich mit dir nach Amerika, wenn es nicht grade in den kalten Nordlichen Provinzen wär, wo die Leute keinen Kunstsinn haben, und wo man am gelben Fieber stirbt, Herliche Dinge die man erlebt, das auch am Ende noch die Pest nach Deutschland kommt, um alles zu Grunde zu richten, und die alte Barbarei recht her zu bringen. Doch ich will Bilder machen und mich um nichts mehr kümmern oder grämen, zum Soldaten habe ich doch kein Talent, und bin auch schon zu allt, und zu andren Dingen noch weniger eigen. Wenn wir zusammen kommen will ich dir auch noch tole Späße von Oehlenschlägers Auffenthalt in Italien erzählen wenn du solche nicht schon gehört. Leb wohl und behalte mich lieb, so bald ich einen Brif von der Schwester erhalte schreibe ich dir wieder Leb recht wohl.
Dein tr[euer] Freund und Bruder Friedrich Tieck.
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[1] Zürich den 1. Februar 1811.
Nimm es nicht uebel mein sehr theurer Freund das ich auf deinen lezten Brif dir erst heute Antworte, und erst heut meinen besten Dank über die mir übersandten 5 Louisd’or abstatte, Freilich hätte ich gleich denselben Tag als ich solche erhielt antworten können, jedoch dachte ich ich müste disen Mittwoch wieder einen Brif von der Schwester erhalten und nun konnte ich auch gestern nicht schreiben. Durch deine Güthe bin ich aus aller Verlegenheit geholfen, und kann ruhig, und fleißig arbeitend alles abwarten. Auch habe ich⎣vor⎦gestern einen Brif von der Schwester erhalten dem aber leider ein Brif des Prinzen beigelegt war, welcher meinen Auffenthalt hir Gott weis von wem erfahren, sein Brif ist nicht böse, aber er soll zu Anfang sehr böse gewesen sein, besonders deshalb da man ihm gesagt das ich hier andre Arbeiten mache, Doch hatte mich dis angegriffen so das ich gestern und heut wirklich krank bin, und reise ich nicht bald von hier es in ernst werde. Ich habe ihm sogleich geantwortet, und denke er wird sich wohl mit der Zeit beruhigen, da ihm meine Büste von Goethe so ganz außerordentlich wohl scheint gefallen zu haben. das er sich auch nicht enthalten kann in disem Brif darüber zu sprechen. Ich werde nun mit der Sonntags Post an Schelling schreiben, thue du wenn du wilst desgleichen.
Die Bücher von Füßli habe ich noch nicht gekauft weil ich solche gern gleich bar bezahlen möchte, besonders da du mir schriebst das ich solche ja selbst mitbringen könnte.
Sehr thut es mir auch Leid, das Von der Haagen den Brif des Inspektor Horner wirklich erhalten hatt, denn derselbe hatt vorgestern eine Antwort von ihm erhalten, und jener will dise Sachen gleich öffentlich, Gott weis in welcher Zeitschrift bekannt machen, aber sein Brif ist auch eben ein Beweis wie oberflächlich die meisten Menschen alles lesen, denn er hatt auch herausgelesen, das das defekte M[anu]sc[ri]pt Bodmer für das ältere halte, da geradezu wie ich dir ausgezogen, das Gegentheil darin steth. So viel ich die Brife weiter durchgesehen, enthalten solche nichts eben [2] merkwürdiges, treiben von seiten Bodmers das der Druk anfangen möchte, und Nachrichten welche Sachen er habe, und schikken würde, und Müllers Antworten darauf. Ueber den Iwein habe ich mich geirrt, es ist nicht Breitinger, sondern ein Chorher Ulrich denke ich der anfangs das M[anu]sc[ri]pt in Florenz copirt, nacher hatt Bodmer aber eben weil es so sehr schlecht war, sich das M[anu]sc[ri]pt selbst aus der Machliabekischen Bibliothek in Florenz verschaft, und es hier aufs neue abschreiben lassen, doch ist auch sehr zu zweifeln das dise Copie sehr genau sein möchte, obgleich es nicht an dem Willen, wohl aber an den Kräften des Mannes gelegen haben möchte welcher die Copie gemacht hatt, und der jezt ein hiesiger Künstler ist. Kennst du den alt französischen Parcival in Prosa? Er ist hier auf der Bibliothek, und es scheint wie man mir sagt ziemlich sich daraus zu ergeben das Eschelbach es daraus ziemlich ganz entlehnt. Der Französche Autor sagt das er es aus Versen in Prosa übersezt hatt. Auch Hagen spricht davon, und thut als ob er das alte Werk des Kÿot hätte, von welchem es genommen zu haben Eschelbach sagt. In München haben sie die alte Handschrift gekauft welche in Hohenembs war, und zwar die Volständige aus welcher Bodmer seine Copie ergänzt. Weist du das schon? Einen grossen Schrekk habe ich heute abermahls gehabt, Der Landammann Heer von Glarus hatt dich in Bern gesehen, und gesagt Fr[au] v[on] Stael würde nach deiner Aussage ganz bestimmt nach Amerika gehen. So sollte ich dich den doch dorthin gehen sehn, und wir uns vielleicht zum lezten mahle sehen. Denn warlich ich fange jezt an zu glauben das ich nicht mehr lange lebe, dise Entkräftung bei jeder auch nur der kleinsten Gemüthsbewegung muß ein Zeichen sehr erloschner Lebenskraft sein. – Felix hatt mir mit der Schwester Brif wieder ein kleines Billet beigelegt, er scheint also wieder ganz hergestellt zu sein. Leider gehen die Brife jezt aber vil langsamer als ich dachte von Lifland aus 33 Tage, also kann ist Knorring am 28 Xbr angekommen, erst gestern oder heut ein Brif in München sein, und kommt vielleicht erst Morgen oder Uebermorgen da ich mir nicht denke das er schreibt ohne zugleich Geld mitzuschikken, wenigstens etwas sogleich, auch wünschte ich es herzlich so, obgleich ich dann nicht eher als morgen über 8 Tagen Nachricht von einem Brif von ihm haben kann.
Mit herzlicher Ungeduld hare ich der [3] Möglichkeit einer Reise, und du hast keinen Begriff des Leidens und der Ungeduld die ich habe erdulden müsse, da Migraine mich fast den ganzen Tag am Bette gefesselt hielt, so habe ich nun gestern und heut von meiner Zeichnung versäumt. Da du in Bern warst, warum hast du nicht hieher kommen können. Dein Buch habe ich zwar gesehen, aber noch nicht gelesen ich hoffe du machst mir bei der Durchreise ein Exemplar complett zum Geschenk, das ich meine Freude daran haben kann. Unendlich freue ich mich dich noch einmahl wieder zu sehen, könnte es doch schon geschehen. Hast du während deines lezten Auffenthaltes in Frankreich einen langen Auffenthalt in Paris machen können, um zu sehn was du dort aber nun über die alten Gedichte auffinden könntest? Mir ist es immer als hätte ich tausend Dinge zu schreiben, und doch will ich es so habe ich alles wieder vergessen. In Wien will man ja endlich eine Akademie der Wissenschaften stiften, geschieht es so begreiffe ich nicht wie sie es leiden können, das du nach Amerika gehst. In München haben sie schon versäumt dich als general Secrätair hinzurufen, und sollten sie es in Wien auch versäumen, denn natürlich zum Presidänten müssen sie irgend einen Fürsten, oder vornehmen Grafen machen,
Schreibe mir doch deines Bruders Adresse in Wien, und ob er mir wohl eine Kleinigkeit besorgt die Gott weis durch welchen Zufall ich durchaus nicht erlangen kann.
Bleibe ich in Italien so möchte ich ihm auch wohl vorschlagen mir einen seiner Jungen als Eleven nach Rom zu schikken, sie sollen Talent haben, wie ich schon vor einem Jahre hörte, natürlich als Mahler oder Bildhauer wie sie selbst wollten. Wer weis aber wo ich jezt bleibe wenn meine Sachen dort abgemacht sind gar gienge ich mit dir nach Amerika, wenn es nicht grade in den kalten Nordlichen Provinzen wär, wo die Leute keinen Kunstsinn haben, und wo man am gelben Fieber stirbt, Herliche Dinge die man erlebt, das auch am Ende noch die Pest nach Deutschland kommt, um alles zu Grunde zu richten, und die alte Barbarei recht her zu bringen. Doch ich will Bilder machen und mich um nichts mehr kümmern oder grämen, zum Soldaten habe ich doch kein Talent, und bin auch schon zu allt, und zu andren Dingen noch weniger eigen. Wenn wir zusammen kommen will ich dir auch noch tole Späße von Oehlenschlägers Auffenthalt in Italien erzählen wenn du solche nicht schon gehört. Leb wohl und behalte mich lieb, so bald ich einen Brif von der Schwester erhalte schreibe ich dir wieder Leb recht wohl.
Dein tr[euer] Freund und Bruder Friedrich Tieck.
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