• Christian Friedrich Tieck to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Zürich · Place of Destination: Genf · Date: 23.02.1811
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Christian Friedrich Tieck
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Zürich
  • Place of Destination: Genf
  • Date: 23.02.1811
    Printed Text
  • Bibliography: „Geliebter Freund und Bruder“. Der Briefwechsel zwischen Christian Friedrich Tieck und August Wilhelm Schlegel in den Jahren 1804 bis 1811. Hg. und kommentiert v. Cornelia Bögel. Dresden 2015, S. 268–269.
  • Incipit: „[1] Zürich den 23ten Februar 1811.
    Geliebter Theurer Freund, ganz unerwartet erhielt ich Vorgestern Abend deinen Brief nach dem ich dir am [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-4
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,17,14
  • Number of Pages: 3 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,8 x 12,4 cm
    Language
  • German
[1] Zürich den 23ten Februar 1811.
Geliebter Theurer Freund, ganz unerwartet erhielt ich Vorgestern Abend deinen Brief nach dem ich dir am Morgen meinen gesendet, und was soll ich dir antworten, es schmerzt mich bitter der Trauerfall der dich betroffen hatt. Doppelt da ich dir durch nichts die zärtliche Sorgfalt vergelten kann die du bei einer ähnlichen Gelegenheit, mir und den Meinigen bewiesen hast. Geliebter Freund wie viel muß man auf Erden verliehren, was uns werth und theuer ist, warum fängt das Leben überhaupt an, und wie steth niemahls die Freude die wir empfinden mit den Schmerzen in Gleichgewichte. Ich sollte dir was tröstliches schreiben, aber schreibe etwas was gerade das Gegentheil ist, aber ich bin wirklich betrübt, das ich nicht einmahl bei dir sein kann, und so in jeder Rüksicht immer der Bettler bei dir sein muß, der nur Dienste annehmen solche Niemahls vergelten kann, und was sollte ich dir schreiben was dich trösten könnte, Du bist nicht schwach genug das unvermeidliche, unabänderliche [2] nicht zu ertragen, und um den Schmertz den uns der Verlust unsrer Lieben kostet, muß man einen Menschen von Karakter überhaupt nicht betrügen wollen, diser Schmertz ist das einzige was wir nachschikken können. Ich wünschte es wäre uns vergoent ruhig bei einander zu leben, wie die wenigen Monathe in Berlin, aber ohne jene Sorgen die uns alle drükten, Theurer geliebter Freund warum war es uns nicht vergoent bei einander damals zu bleiben, warum müssen so viel Leiden so viele entbehrungen sein?
Da meine Abreise von hier sich immer noch verzögert so will ich zu Fueßli gehn und dir die Sachen schikken oder schikken lassen, wie er es selbst am besten findet, ich freue mich sehr auf dein neues Werk, die lezte Abtheilung deiner Dramaturgie habe ich noch nicht gelesen, denn nur einer meiner Bekannten besizt sie, und da kann ich sie noch nicht wegnehmen, doch begreife ich die rührseeligkeit der Menschen nicht welche ein solches Buch Wochenlang besitzen können ohne es gelesen zu haben, oder es anfangen können [3] und nach Wochen erst zu Ende bringen.
Ueber mich und meine Schwester habe ich dir erst Vorgestern geschrieben, sollte der nächste Postag welcher morgen ist, mir etwas neues bringen, werde ich dir es sogleich mittheilen, doch rechne ich nicht eher als Morgen über acht Tage, also erst den dritten Märtz von daher etwas neues zu hören.
Leb wohl mein theurer Freund und Bruder lebe wohl und behalte mich Lieb, wie ich dich warrlich brüderlich Liebe.
Friedrich Tieck.
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[1] Zürich den 23ten Februar 1811.
Geliebter Theurer Freund, ganz unerwartet erhielt ich Vorgestern Abend deinen Brief nach dem ich dir am Morgen meinen gesendet, und was soll ich dir antworten, es schmerzt mich bitter der Trauerfall der dich betroffen hatt. Doppelt da ich dir durch nichts die zärtliche Sorgfalt vergelten kann die du bei einer ähnlichen Gelegenheit, mir und den Meinigen bewiesen hast. Geliebter Freund wie viel muß man auf Erden verliehren, was uns werth und theuer ist, warum fängt das Leben überhaupt an, und wie steth niemahls die Freude die wir empfinden mit den Schmerzen in Gleichgewichte. Ich sollte dir was tröstliches schreiben, aber schreibe etwas was gerade das Gegentheil ist, aber ich bin wirklich betrübt, das ich nicht einmahl bei dir sein kann, und so in jeder Rüksicht immer der Bettler bei dir sein muß, der nur Dienste annehmen solche Niemahls vergelten kann, und was sollte ich dir schreiben was dich trösten könnte, Du bist nicht schwach genug das unvermeidliche, unabänderliche [2] nicht zu ertragen, und um den Schmertz den uns der Verlust unsrer Lieben kostet, muß man einen Menschen von Karakter überhaupt nicht betrügen wollen, diser Schmertz ist das einzige was wir nachschikken können. Ich wünschte es wäre uns vergoent ruhig bei einander zu leben, wie die wenigen Monathe in Berlin, aber ohne jene Sorgen die uns alle drükten, Theurer geliebter Freund warum war es uns nicht vergoent bei einander damals zu bleiben, warum müssen so viel Leiden so viele entbehrungen sein?
Da meine Abreise von hier sich immer noch verzögert so will ich zu Fueßli gehn und dir die Sachen schikken oder schikken lassen, wie er es selbst am besten findet, ich freue mich sehr auf dein neues Werk, die lezte Abtheilung deiner Dramaturgie habe ich noch nicht gelesen, denn nur einer meiner Bekannten besizt sie, und da kann ich sie noch nicht wegnehmen, doch begreife ich die rührseeligkeit der Menschen nicht welche ein solches Buch Wochenlang besitzen können ohne es gelesen zu haben, oder es anfangen können [3] und nach Wochen erst zu Ende bringen.
Ueber mich und meine Schwester habe ich dir erst Vorgestern geschrieben, sollte der nächste Postag welcher morgen ist, mir etwas neues bringen, werde ich dir es sogleich mittheilen, doch rechne ich nicht eher als Morgen über acht Tage, also erst den dritten Märtz von daher etwas neues zu hören.
Leb wohl mein theurer Freund und Bruder lebe wohl und behalte mich Lieb, wie ich dich warrlich brüderlich Liebe.
Friedrich Tieck.
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