• Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling , Caroline von Schelling to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Jena · Place of Destination: Berlin · Date: 09.11.1801
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling, Caroline von Schelling
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Jena
  • Place of Destination: Berlin
  • Date: 09.11.1801
  • Notations: Absende- und Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Historisch-kritische Ausgabe. Hg. v. Thomas Buchheim, Jochen Hennigfeld, Wilhelm G. Jacobs, Jörg Jantzen u. Siegbert Peetz. Stuttgart 1976ff. Reihe III: Briefe 2,1: Briefwechsel 1800–1802. Hg. v. Thomas Kisser unter Mitwirkung von Walter Schieche und Alois Wieshuber. Stuttgart 2010, S.384–385.
  • Incipit: „[1] den 9ten 9br. 01.
    Theurester Freund,
    Caroline befindet sich heute Einmal wieder nicht gut, und hat solches Kopfweh, daß es ihr unmöglich [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-36872
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.20,Nr.11
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 23,7 x 18,8 cm
    Language
  • German
[1] den 9ten 9br. 01.
Theurester Freund,
Caroline befindet sich heute Einmal wieder nicht gut, und hat solches Kopfweh, daß es ihr unmöglich ist, zu schreiben. Gleichwohl sollen Sie nicht ohne Nachricht und Begrüßung bleiben. Sie müßen also nun Einmal vorlieb nehmen mit meinem Schreiben. Sie werden in Berlin nun schon ziemlich eingerichtet seyn, und sich wie wir alle hoffen und wünschen ganz gut befinden. Tieck hat bis gestern Abend noch an meinem Bilde gearbeitet. Es wollte ihm selbst bis den lezten Augenblik nicht Genüge thun. Ein paar glükliche Verændrungen haben hingereicht, es aus der Unfreundlichkeit in eine [2] proportionirte Freundlichkeit, und aus dem Fremden, was es hatte, in die auffallendste Ähnlichkeit hinüberzuarbeiten. Er ging heute nach Weimar zurük. Goethe war seit Ihrer Abreise noch bis heute hier. Gestern Abend habe ich bei ihm zugebracht wobei er viel Spaß machte. Unter andern sagt er, der Schlegelsche Almanach soviel ich merke schleicht sich überall gut ein, troz der bösen Namen, die vorn stehen. – Nur zu viel ˹Blut und˺ Wunden seyen für ihn darinn. Das Heydentum steke ihm zu fest in den Gliedern. – Mit der Jungfrau von Orleans hat er sich sehr gequält ˹nicht˺ zu sagen, ˹wie˺ sie seye. – Unter andern sagt er, daß sie den Frauen sehr gefalle, weil es einmal keine Hure, sondern eine Jungfrau seye. – Denken Sie, daß die Flußgötter keinen Preis erhalten; der aber für Achill auf Scyros zwischen Hoffmann u. Nahl getheilt wird. So haben wir wenigstens bestimmt hören müssen. Er selbst hat es mir nicht gesagt. Den Schadow wollte er hier auch [3] schinden, wie er sagte; (dieß für Sie); es ist aber soviel ich weiß nicht dazu gekommen. Tieks Porträt hat er sehr gelobt; Loder der es bei ihm sah, wollte über die Ähnlichkeit ganz närrisch werden. Eine comische Begebenheit der lezten Zeit war ein Souper, das die neu angekommnen Liefländer den sämmtlichen Professoren gaben; Goethe war auch dabei. Die alten Herrn sammt u. sonders haben Thränen des Danks u. der Freude geweint; bei den andern hat sich mehr oder weniger die innere Gemeinheit u. Bestialität geoffenbart. Nun soll diese Ehre durch einen Ball erwiedert werden. – Gestern war auch Julchen auf einem Ball; sie fuhr mit Madame Loder hin u. zurük, und hat sich gut unterhalten. Nehmen Sie mit diesen kleinen schlechten Neuigkeiten, und dem flüchtigen Geschreibe vorlieb. Leben Sie wohl. Ich grüße Sie herzlichst.
˹Dies alles wäre Stoff für mich gewesen zum artigsten Brief von der Welt, besonders hätte ich dir noch eine Menge verruchten Spaßes von Goethe erzählt, den mir Schell[ing] wieder erzählt hat – aber es will sich heut nicht thun lassen, da außer meinem Kopfweh noch ein andrer Gast im Zimmer ist, der uns ein wenig genirt, ob er sich schon nicht so fatal macht wie jenes. Es ist ein Vetter von Julchen (nicht Mr. Hof.) Wir haben mit Tiek die Zeit [4] recht vergnüglich hingebracht, er ist wenig von uns weggekommen. Morgen über 8 Tage denkt er nebst Friedrich abzureisen. Wenn aber der lezte nicht treibt, so verlaßt euch auf den ersten nicht. Ich kann wahrlich nicht mehr die Feder halten und mich auf nichts besinnen als auf Tausend gute Wünsche für dich und Grüße für die Hausgenossen. Mittwochs bekomme ich doch wohl einen Brief?˺
[1] den 9ten 9br. 01.
Theurester Freund,
Caroline befindet sich heute Einmal wieder nicht gut, und hat solches Kopfweh, daß es ihr unmöglich ist, zu schreiben. Gleichwohl sollen Sie nicht ohne Nachricht und Begrüßung bleiben. Sie müßen also nun Einmal vorlieb nehmen mit meinem Schreiben. Sie werden in Berlin nun schon ziemlich eingerichtet seyn, und sich wie wir alle hoffen und wünschen ganz gut befinden. Tieck hat bis gestern Abend noch an meinem Bilde gearbeitet. Es wollte ihm selbst bis den lezten Augenblik nicht Genüge thun. Ein paar glükliche Verændrungen haben hingereicht, es aus der Unfreundlichkeit in eine [2] proportionirte Freundlichkeit, und aus dem Fremden, was es hatte, in die auffallendste Ähnlichkeit hinüberzuarbeiten. Er ging heute nach Weimar zurük. Goethe war seit Ihrer Abreise noch bis heute hier. Gestern Abend habe ich bei ihm zugebracht wobei er viel Spaß machte. Unter andern sagt er, der Schlegelsche Almanach soviel ich merke schleicht sich überall gut ein, troz der bösen Namen, die vorn stehen. – Nur zu viel ˹Blut und˺ Wunden seyen für ihn darinn. Das Heydentum steke ihm zu fest in den Gliedern. – Mit der Jungfrau von Orleans hat er sich sehr gequält ˹nicht˺ zu sagen, ˹wie˺ sie seye. – Unter andern sagt er, daß sie den Frauen sehr gefalle, weil es einmal keine Hure, sondern eine Jungfrau seye. – Denken Sie, daß die Flußgötter keinen Preis erhalten; der aber für Achill auf Scyros zwischen Hoffmann u. Nahl getheilt wird. So haben wir wenigstens bestimmt hören müssen. Er selbst hat es mir nicht gesagt. Den Schadow wollte er hier auch [3] schinden, wie er sagte; (dieß für Sie); es ist aber soviel ich weiß nicht dazu gekommen. Tieks Porträt hat er sehr gelobt; Loder der es bei ihm sah, wollte über die Ähnlichkeit ganz närrisch werden. Eine comische Begebenheit der lezten Zeit war ein Souper, das die neu angekommnen Liefländer den sämmtlichen Professoren gaben; Goethe war auch dabei. Die alten Herrn sammt u. sonders haben Thränen des Danks u. der Freude geweint; bei den andern hat sich mehr oder weniger die innere Gemeinheit u. Bestialität geoffenbart. Nun soll diese Ehre durch einen Ball erwiedert werden. – Gestern war auch Julchen auf einem Ball; sie fuhr mit Madame Loder hin u. zurük, und hat sich gut unterhalten. Nehmen Sie mit diesen kleinen schlechten Neuigkeiten, und dem flüchtigen Geschreibe vorlieb. Leben Sie wohl. Ich grüße Sie herzlichst.
˹Dies alles wäre Stoff für mich gewesen zum artigsten Brief von der Welt, besonders hätte ich dir noch eine Menge verruchten Spaßes von Goethe erzählt, den mir Schell[ing] wieder erzählt hat – aber es will sich heut nicht thun lassen, da außer meinem Kopfweh noch ein andrer Gast im Zimmer ist, der uns ein wenig genirt, ob er sich schon nicht so fatal macht wie jenes. Es ist ein Vetter von Julchen (nicht Mr. Hof.) Wir haben mit Tiek die Zeit [4] recht vergnüglich hingebracht, er ist wenig von uns weggekommen. Morgen über 8 Tage denkt er nebst Friedrich abzureisen. Wenn aber der lezte nicht treibt, so verlaßt euch auf den ersten nicht. Ich kann wahrlich nicht mehr die Feder halten und mich auf nichts besinnen als auf Tausend gute Wünsche für dich und Grüße für die Hausgenossen. Mittwochs bekomme ich doch wohl einen Brief?˺
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