• Johann Friedrich August Tischbein , Sophie Tischbein to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Dessau · Place of Destination: Jena · Date: 21.07.1796
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Johann Friedrich August Tischbein, Sophie Tischbein
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Dessau
  • Place of Destination: Jena
  • Date: 21.07.1796
  • Notations: Empfangsort erschlossen.
    Printed Text
  • Bibliography: Fiebiger, Otto: Johann Friedrich August Tischbein und August Wilhelm Schlegel. Zum 150jährigen Geburtstag des Dichters August Wilhelm Schlegel. In: Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik, Literatur und Kunst. Jg. 76, H. 3. Berlin: Dt. Verl. 1917. S. 334–337.
  • Incipit: „[1] Dessau 21, 7ten 1796.
    Ob, und daß uns Ihr heutiger Brief, lieber Freund, angenehm überrascht habe, bedarf weder Frage noch Betheuerung. [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: DE-611-36910
  • Classification Number: Mscr.Dresd.e.90,XIX,Bd.27,Nr.9
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl. u. 1 S., hs. m. U.
  • Format: 22,9 x 19,1 cm
    Language
  • German
[1] Dessau 21, 7ten 1796.
Ob, und daß uns Ihr heutiger Brief, lieber Freund, angenehm überrascht habe, bedarf weder Frage noch Betheuerung. Um so viel eher aber werden Sie es glauben, wenn ich Ihnen sage, daß wir gerade heute von Arolfen auß, und zwar auß der Trompete des vielerzählenden Redlichs vernommen hatten, Sie seyen samt Ihrer Gattin in der Schweiz. Wir glaubten Sie in unserer Nachbarschaft, und dieser Gedanke that uns wohl. Nun sollten Sie auf einmahl wieder so weit von uns seyn: dat was in’t geheel niet na onzen Zinn. Sie sind also in Jena, und werden da Wurzel fassen. Vortrefflich. Wer uns das vor einigen Jahren vorauß gesagt hätte. Auf diese Weise werden wir uns doch von Zeit zu Zeit sehen, wenigstens einander oft schreiben können; denn mit allzu entfernten Correspondenzen hat es doch keine rechte Art. [2] Höchst wahrscheinlich besuche ich Sie im nächsten Frühjahr. Wie mancherley werden wir uns dann zu fragen und zu sagen haben. Daß Sie sich nun ganz den Musen widmen können freuet mich sehr. Ihrem Pygmalion sehe ich mit Ungedult entgegen. Ist Ihre Absicht den ganzen Shake[s]peare zu übersezen so bin ich einer der hizigsten Subscribenten, um so viel mehr, da ich ihn weder englisch noch deutsch besitze. Unsere englischen Lecturen hat das stäte Wandern sehr gestöhret; hier fehlet uns überhaupt noch sehr an guter Bü[c]her Gesellschaft. Vielleicht ist das der Grund das meine Frau auf einen andern Zeit-Vertreib gefallen ist. Sie hat sich auf den Anfang des künftigen Frühjahres [vorgenommen], zu wiegen und dazu zu singen: denn des Singens ohne Wiege ist sie nun auch müde. Doch haben wir noch oft ein kleines häußliches Concert welches mit viel Freude macht. Carlinchen und Bettchen haben es seit Jahresfrist so weit gebracht, daß ihnen jedermann [3] mit Vergnügen zuhöret. Sie sollten einmahl hören, welche Trios – Duett[e] und Canons etc. bißweilen zwischen unsern Wänden erschallen. Von meinem Aufenthalt in Berlin ein andermahl. Vor jezo muß ich meiner Frau Plaz machen: Denn so gebietet sie, und einem guten Ehemann geziemet zu gehorche[n]. Mit diesem löblichen Glaubens-Bekenntniß empfiehlet sich ehrerbietet ob zwar noch unbekannt der Frau Räthin Ihr
unveränderter aufr[ichtiger] Fr[eund]
Tischbein.
Dann fuhr Frau Sophie fort:
Wohl Ihnen – und auch mir – daß Sie sagen konten: ich habe ein Weib genommen darum kont ich nicht kommen – ich würde es Ihnen sonst nie haben vergeben können, daß Sie in Leibzig waren und uns nicht besucht haben, da ich Sie doch so freundschaftlich darum ersucht hatte; nun aber ist deswegen kein Groll mehr in meinem Herzen zurück geblieben; denn Ihre Eile war natürlich und sehr verzeilich; Sie wolten ein liebenswürdiges Weib als Ihre Gattin abholen – und wer wird da Umwege machen! Dieß zu verlangen würde auch eine Unbilligkeit von mir gewesen sein, deren Sie mich hoffentlich nicht fähig halten werden. Im Fall Sie aber noch frey gewesen wären, hätte ich da als eine alte Freundin nicht ein kleines Recht gehabt Sie darum zu bitten? [4] Ihre Heirat erfuhr ich durch Herrn Mattei; ich gestehe Ihnen aufrichtig lieber Freund! daß es mir sehr empfindlich war dieß durch andere und nicht durch Sie selbst zu erfahren. – Nein, Herr Schlegel war nie Dein Freund, sagte ich mir oft, sonst [hätte] er Dir gewiß die wichtigste Ereigniß seines Lebens mitgetheilt. Fühlen Sie Ihr unrecht Freund? Ich würde Theil an Ihrem Glück genommen, würde mich deßen innigst gefreut haben. Da es mir nun Mattei schrieb konte ich dieß nicht; denn der Gedanke: Herr Schlegel hat euch vergeßen, ist euer Freund nicht mehr, war es nie – machte mich traurig. – Alles soll indeßen vergeßen und vergeben sein, ja ich will sogar die erste sein, die freundschaftlich die Hand zum Frieden darbietet, wenn Sie mir versprechen wollen uns mit Ihrer lieben Frau einmal zu besuchen. – Wollen Sie? Ich kan nicht zu Ihnen kommen; ich bin vor einige Zeit gebunden. Ti[schbein] hat da so etwas von wiegen gesprochen, ich glaube er hat Recht; künftigen Mohnat März werde ich wohl singen müßen: schlaf Kindchen schlaf. Mir macht der Gedanke viel Freude; denn man muß so etwas in Dessau zum Zeitvertreib haben, wenn man nicht vor Langeweile sterben will. Interessante Geselschaft findet sich hier nicht, eben so wenig gute Bücher – glauben Sie wohl daß es mir möglich ist die Horen zu bekommen? Schon seid 6 Mohnaten frage ich darum. Niemand hat sie. Musik-Liebhaberei ist hier gar nicht; der Gesang macht mir aber so viel Freude daß ich viele Stunden des Tags damit hinbringe; meinen Kindern gebe ich noch immer Unterricht; [5] ich darf sagen, daß sie gut singen, und das unsere Trios hier viel Freude machen in und außer dem Hauß. Ti[schbein] ist nicht glücklicher als wenn wier die Abende so mit Trios, Duetten und Canons hinbringen. Sie sind kein Freund von Musik, sonst würde ich Ihnen erzählen was, und wie viele schöne neue Sachen ich seid einem Jahr einstudirt habe. – Daß Sie mein lieber Freund so ganz glücklich sind, ist mir ein wohlthuender Gedanke. Sie haben intereßante Bekantschaften können nun einzig und allein Ihrer Lieblings-Beschäftigung nachhängen, und haben eine liebenswürdige intereßante Frau, die Ihre ganze Liebe besitzt; genießen Sie denn auch in vollem Maß alle häußlichen Freuden; denn nur diese allein machen glücklich alles andere bringt früh oder spät nur Unmuht und macht unglücklich. – Wier leben hier recht zufrieden und glücklich obgleich einsam; ich habe dennoch alle Ursache vergnügt zu sein: Ti[schbein] ist recht gesund und heiter, meine Kinder sind wohl und machen mir Freude, ich bin zwar seid 2 Mohnaten sehr krank und elend gewesen, da aber meine Krankheit eine so herzerfreuende Ursache hat, so habe ich alles mit Gedult und frohen Muht ertragen; erst seid einigen Tagen fange ich an mich etwas beßer zu fühlen, kan aber dennoch wenige Stunden des Tags außer dem Bet zubringen. Schreiben Sie mir bald lieber Freund! Ihrer lieben Frau empfehlen Sie mich freundschaftlich; ihre Bekandschaft zu machen würde meine größte Lebensfreude außmachen. Wird sie mir auch ein wenig gut sein? Ich liebe sie schon als ob ich sie lange gekant hätte. – Meine Kinder empfehlen sich bestens
Ihre Freundin S[ophie] Ti[schbein].
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[1] Dessau 21, 7ten 1796.
Ob, und daß uns Ihr heutiger Brief, lieber Freund, angenehm überrascht habe, bedarf weder Frage noch Betheuerung. Um so viel eher aber werden Sie es glauben, wenn ich Ihnen sage, daß wir gerade heute von Arolfen auß, und zwar auß der Trompete des vielerzählenden Redlichs vernommen hatten, Sie seyen samt Ihrer Gattin in der Schweiz. Wir glaubten Sie in unserer Nachbarschaft, und dieser Gedanke that uns wohl. Nun sollten Sie auf einmahl wieder so weit von uns seyn: dat was in’t geheel niet na onzen Zinn. Sie sind also in Jena, und werden da Wurzel fassen. Vortrefflich. Wer uns das vor einigen Jahren vorauß gesagt hätte. Auf diese Weise werden wir uns doch von Zeit zu Zeit sehen, wenigstens einander oft schreiben können; denn mit allzu entfernten Correspondenzen hat es doch keine rechte Art. [2] Höchst wahrscheinlich besuche ich Sie im nächsten Frühjahr. Wie mancherley werden wir uns dann zu fragen und zu sagen haben. Daß Sie sich nun ganz den Musen widmen können freuet mich sehr. Ihrem Pygmalion sehe ich mit Ungedult entgegen. Ist Ihre Absicht den ganzen Shake[s]peare zu übersezen so bin ich einer der hizigsten Subscribenten, um so viel mehr, da ich ihn weder englisch noch deutsch besitze. Unsere englischen Lecturen hat das stäte Wandern sehr gestöhret; hier fehlet uns überhaupt noch sehr an guter Bü[c]her Gesellschaft. Vielleicht ist das der Grund das meine Frau auf einen andern Zeit-Vertreib gefallen ist. Sie hat sich auf den Anfang des künftigen Frühjahres [vorgenommen], zu wiegen und dazu zu singen: denn des Singens ohne Wiege ist sie nun auch müde. Doch haben wir noch oft ein kleines häußliches Concert welches mit viel Freude macht. Carlinchen und Bettchen haben es seit Jahresfrist so weit gebracht, daß ihnen jedermann [3] mit Vergnügen zuhöret. Sie sollten einmahl hören, welche Trios – Duett[e] und Canons etc. bißweilen zwischen unsern Wänden erschallen. Von meinem Aufenthalt in Berlin ein andermahl. Vor jezo muß ich meiner Frau Plaz machen: Denn so gebietet sie, und einem guten Ehemann geziemet zu gehorche[n]. Mit diesem löblichen Glaubens-Bekenntniß empfiehlet sich ehrerbietet ob zwar noch unbekannt der Frau Räthin Ihr
unveränderter aufr[ichtiger] Fr[eund]
Tischbein.
Dann fuhr Frau Sophie fort:
Wohl Ihnen – und auch mir – daß Sie sagen konten: ich habe ein Weib genommen darum kont ich nicht kommen – ich würde es Ihnen sonst nie haben vergeben können, daß Sie in Leibzig waren und uns nicht besucht haben, da ich Sie doch so freundschaftlich darum ersucht hatte; nun aber ist deswegen kein Groll mehr in meinem Herzen zurück geblieben; denn Ihre Eile war natürlich und sehr verzeilich; Sie wolten ein liebenswürdiges Weib als Ihre Gattin abholen – und wer wird da Umwege machen! Dieß zu verlangen würde auch eine Unbilligkeit von mir gewesen sein, deren Sie mich hoffentlich nicht fähig halten werden. Im Fall Sie aber noch frey gewesen wären, hätte ich da als eine alte Freundin nicht ein kleines Recht gehabt Sie darum zu bitten? [4] Ihre Heirat erfuhr ich durch Herrn Mattei; ich gestehe Ihnen aufrichtig lieber Freund! daß es mir sehr empfindlich war dieß durch andere und nicht durch Sie selbst zu erfahren. – Nein, Herr Schlegel war nie Dein Freund, sagte ich mir oft, sonst [hätte] er Dir gewiß die wichtigste Ereigniß seines Lebens mitgetheilt. Fühlen Sie Ihr unrecht Freund? Ich würde Theil an Ihrem Glück genommen, würde mich deßen innigst gefreut haben. Da es mir nun Mattei schrieb konte ich dieß nicht; denn der Gedanke: Herr Schlegel hat euch vergeßen, ist euer Freund nicht mehr, war es nie – machte mich traurig. – Alles soll indeßen vergeßen und vergeben sein, ja ich will sogar die erste sein, die freundschaftlich die Hand zum Frieden darbietet, wenn Sie mir versprechen wollen uns mit Ihrer lieben Frau einmal zu besuchen. – Wollen Sie? Ich kan nicht zu Ihnen kommen; ich bin vor einige Zeit gebunden. Ti[schbein] hat da so etwas von wiegen gesprochen, ich glaube er hat Recht; künftigen Mohnat März werde ich wohl singen müßen: schlaf Kindchen schlaf. Mir macht der Gedanke viel Freude; denn man muß so etwas in Dessau zum Zeitvertreib haben, wenn man nicht vor Langeweile sterben will. Interessante Geselschaft findet sich hier nicht, eben so wenig gute Bücher – glauben Sie wohl daß es mir möglich ist die Horen zu bekommen? Schon seid 6 Mohnaten frage ich darum. Niemand hat sie. Musik-Liebhaberei ist hier gar nicht; der Gesang macht mir aber so viel Freude daß ich viele Stunden des Tags damit hinbringe; meinen Kindern gebe ich noch immer Unterricht; [5] ich darf sagen, daß sie gut singen, und das unsere Trios hier viel Freude machen in und außer dem Hauß. Ti[schbein] ist nicht glücklicher als wenn wier die Abende so mit Trios, Duetten und Canons hinbringen. Sie sind kein Freund von Musik, sonst würde ich Ihnen erzählen was, und wie viele schöne neue Sachen ich seid einem Jahr einstudirt habe. – Daß Sie mein lieber Freund so ganz glücklich sind, ist mir ein wohlthuender Gedanke. Sie haben intereßante Bekantschaften können nun einzig und allein Ihrer Lieblings-Beschäftigung nachhängen, und haben eine liebenswürdige intereßante Frau, die Ihre ganze Liebe besitzt; genießen Sie denn auch in vollem Maß alle häußlichen Freuden; denn nur diese allein machen glücklich alles andere bringt früh oder spät nur Unmuht und macht unglücklich. – Wier leben hier recht zufrieden und glücklich obgleich einsam; ich habe dennoch alle Ursache vergnügt zu sein: Ti[schbein] ist recht gesund und heiter, meine Kinder sind wohl und machen mir Freude, ich bin zwar seid 2 Mohnaten sehr krank und elend gewesen, da aber meine Krankheit eine so herzerfreuende Ursache hat, so habe ich alles mit Gedult und frohen Muht ertragen; erst seid einigen Tagen fange ich an mich etwas beßer zu fühlen, kan aber dennoch wenige Stunden des Tags außer dem Bet zubringen. Schreiben Sie mir bald lieber Freund! Ihrer lieben Frau empfehlen Sie mich freundschaftlich; ihre Bekandschaft zu machen würde meine größte Lebensfreude außmachen. Wird sie mir auch ein wenig gut sein? Ich liebe sie schon als ob ich sie lange gekant hätte. – Meine Kinder empfehlen sich bestens
Ihre Freundin S[ophie] Ti[schbein].
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