• Friedrich von Schlegel to August Wilhelm von Schlegel

  • Place of Dispatch: Köln · Place of Destination: Coppet · Date: 08.09.1805
Edition Status: Single collated printed full text with registry labelling
    Metadata Concerning Header
  • Sender: Friedrich von Schlegel
  • Recipient: August Wilhelm von Schlegel
  • Place of Dispatch: Köln
  • Place of Destination: Coppet
  • Date: 08.09.1805
  • Notations: Absendeort erschlossen.
    Printed Text
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: 335976727
  • Bibliography: Krisenjahre der Frühromantik. Briefe aus dem Schlegelkreis. Hg. v. Josef Körner. Bd. 1. Der Texte erste Hälfte. 1791‒1808. Bern u.a. ²1969, S. 229‒231.
  • Weitere Drucke: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Bd. 26. Dritte Abteilung: Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel. Pariser und Kölner Lebensjahre (1802‒1808). Erster Teil Juni 1802 ‒ Dezember 1805). Mit Einleitung und Kommentar hg. v. Hans Dierkes. Paderborn 2018, S. 367‒368.
  • Incipit: „[1] [Köln] den 8ten Septemb. 1805.
    Ich danke Dir sehr für Deinen Brief und die Nachrichten darin. Warum ich etwas aufgeschoben habe [...]“
    Manuscript
  • Provider: Dresden, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek
  • OAI Id: APP2712-Bd-8
  • Classification Number: Mscr.Dresd.App.2712,B,I,22
  • Number of Pages: 4 S. auf Doppelbl., hs. m. U.
  • Format: 20,5 x 12,4 cm
    Language
  • German
[1] [Köln] den 8ten Septemb. 1805.
Ich danke Dir sehr für Deinen Brief und die Nachrichten darin. Warum ich etwas aufgeschoben habe zu antworten, so wie auch was mich selbst betrift, habe ich alles an die Staël weitläuftig geschrieben. Nachlässigkeit war es nicht. Ich habe im Gegenteil recht oft an Euch gedacht. – So viel Nachrichten Du mir auch gegeben hast, so wünschte ich doch Du hättest Dich über einen Punkt näher erklärt. Nämlich über den Allmanach von Tieck; was und wie ist es damit, ich weiß gar nichts davon, und bin doch sehr interessirt dabei, da mein Allmanach jezt wohl fertig gedruckt sein wird.
Das mit den Daktylen hast Du unrecht genommen; wer Deine Uebersetzungen der Alten mit den Vossischen vermengen könnte, müßte wohl ein fingerdickes Ohrenfell haben. Ich bin ganz und gar nicht so antiantik als Tieck; doch glaube ich wohl, daß die romantischen und altdeutschen Metra unsrer Sprache näher liegen und eine grössere Stelle darin einnehmen müssen als die [2] Griechischen, die ich nur für nothwendige Ergänzungen ansehn kann. Als solche halte ich sie gewiß sehr heilig und aller Ehre werth, wenn Du sie machst, aber nur nicht der widrige Kartoffeldichter. Uebrigens wenn ein Gedicht fertig ist, denke ich nicht mehr an die Sylbenmaaße, sollten diese auch noch so sehr gegen mein System sein. Ist es ein Gedicht, so läßt sich nun die Form gar nicht mehr anders denken, so viel sich auch vorher über Sylbenmaaß spekuliren läßt, und so sehr ich im Allgemeinen eine Masse strenger Terzinen von Deiner Hand, wie wir sie im Deutschen noch nicht haben, einer gleich vollkommnen elegischen Masse vorziehen würde, so lange bloß vom Sylbenmaaße die Rede ist, denn die heidnischen Sylbenmaaße sind wohl gut wenn sie gründlich heidnisch sind, aber doch nur heidnisch und also nicht so gut als die göttlichen Sylbenmaaße. –
Ich habe so eben eine Zahl spanischer Bücher ergattert, worunter einige für Dich, unter andern ein Cancionero spiritual von Montemayor, da Du diesen Dichter so liebst.
Nachrichten aus Deutschland habe ich eben nicht. [3] Die Unger schrieb mir, der junge Schütz hätte den Shakespear in Deiner Manier fortsetzen wollen. Sie hat ihm Deine Ankündigung geschickt. Aber gut ist es doch, daß Du nun wieder einen Theil gibst; sonst kömmt immer so eine Schmeißfliege daran. Auch mit dem Calderon ist es gut, da Reimer sehr danach seufzt.
Fouquè hat auch Romanzen aus dem Thal Roncisvall drucken lassen, auf die ich sehr begierig bin, da es doch die Geschichte von Roland sein muß, die ich auch behandelt habe. Hardenberg rühmt sie mir, nach dem Urtheil eines jungen Menschen aus Berlin aber muß ich schliessen daß sie in dem Cirkel unsrer Freunde (Schütz pp) in Berlin misfallen haben. – Es scheint mir auch in diesem Kreise jezt viel Partheigeist zu herschen. Tieck hat die Gabe diesen zu verbreiten. – Mit Goethe denkst Du Dir die Sache ganz falsch. Der alte Grasaffe hat ein ganz eigentliches Complott und Verschwörung gegen uns gestiftet und ganz laut [sich] gegen alles erklärt was zur neuen Schule gehört. Mit Wolf, Voß und Consorten. Wie sieʼs treiben kannst Du unter andern daraus [4] ersehn, daß Wolf ein langes lateinisches Programm gegen Steffens geschrieben hat. Dieser und Schleiermacher sind die einzigen in Halle die zusammenhalten; Wolf hat sich ganz für die Niederträchtigen erklärt. Schleiermacher fährt übrigens fort in den Einleitungen zum Plato sich meine Ideen anzueignen, d. h. was mein war für sein zu erklären, daß es eine wahre Lust ist; er hat viel vom Charakter der Spinne.
Die Holländische Armee kömmt jezt hier durch. Die hannövrische hingegen wird nach Holland gehen. Hannover wird geräumt, das ist gewiß; wahrscheinlich wird es an Preußen in Depot gegeben!!
Schreib mir ja bald, oder besser zu sagen gleich. Daß ich nicht gleich geantwortet, dafür wirst Du gewiß meine Entschuldigung gelten lassen. – Lebe recht wohl.
Friedrich

Die besten Grüsse von meiner Frau.
Wie bist Du denn mit dem Merlin zufrieden?
[1] [Köln] den 8ten Septemb. 1805.
Ich danke Dir sehr für Deinen Brief und die Nachrichten darin. Warum ich etwas aufgeschoben habe zu antworten, so wie auch was mich selbst betrift, habe ich alles an die Staël weitläuftig geschrieben. Nachlässigkeit war es nicht. Ich habe im Gegenteil recht oft an Euch gedacht. – So viel Nachrichten Du mir auch gegeben hast, so wünschte ich doch Du hättest Dich über einen Punkt näher erklärt. Nämlich über den Allmanach von Tieck; was und wie ist es damit, ich weiß gar nichts davon, und bin doch sehr interessirt dabei, da mein Allmanach jezt wohl fertig gedruckt sein wird.
Das mit den Daktylen hast Du unrecht genommen; wer Deine Uebersetzungen der Alten mit den Vossischen vermengen könnte, müßte wohl ein fingerdickes Ohrenfell haben. Ich bin ganz und gar nicht so antiantik als Tieck; doch glaube ich wohl, daß die romantischen und altdeutschen Metra unsrer Sprache näher liegen und eine grössere Stelle darin einnehmen müssen als die [2] Griechischen, die ich nur für nothwendige Ergänzungen ansehn kann. Als solche halte ich sie gewiß sehr heilig und aller Ehre werth, wenn Du sie machst, aber nur nicht der widrige Kartoffeldichter. Uebrigens wenn ein Gedicht fertig ist, denke ich nicht mehr an die Sylbenmaaße, sollten diese auch noch so sehr gegen mein System sein. Ist es ein Gedicht, so läßt sich nun die Form gar nicht mehr anders denken, so viel sich auch vorher über Sylbenmaaß spekuliren läßt, und so sehr ich im Allgemeinen eine Masse strenger Terzinen von Deiner Hand, wie wir sie im Deutschen noch nicht haben, einer gleich vollkommnen elegischen Masse vorziehen würde, so lange bloß vom Sylbenmaaße die Rede ist, denn die heidnischen Sylbenmaaße sind wohl gut wenn sie gründlich heidnisch sind, aber doch nur heidnisch und also nicht so gut als die göttlichen Sylbenmaaße. –
Ich habe so eben eine Zahl spanischer Bücher ergattert, worunter einige für Dich, unter andern ein Cancionero spiritual von Montemayor, da Du diesen Dichter so liebst.
Nachrichten aus Deutschland habe ich eben nicht. [3] Die Unger schrieb mir, der junge Schütz hätte den Shakespear in Deiner Manier fortsetzen wollen. Sie hat ihm Deine Ankündigung geschickt. Aber gut ist es doch, daß Du nun wieder einen Theil gibst; sonst kömmt immer so eine Schmeißfliege daran. Auch mit dem Calderon ist es gut, da Reimer sehr danach seufzt.
Fouquè hat auch Romanzen aus dem Thal Roncisvall drucken lassen, auf die ich sehr begierig bin, da es doch die Geschichte von Roland sein muß, die ich auch behandelt habe. Hardenberg rühmt sie mir, nach dem Urtheil eines jungen Menschen aus Berlin aber muß ich schliessen daß sie in dem Cirkel unsrer Freunde (Schütz pp) in Berlin misfallen haben. – Es scheint mir auch in diesem Kreise jezt viel Partheigeist zu herschen. Tieck hat die Gabe diesen zu verbreiten. – Mit Goethe denkst Du Dir die Sache ganz falsch. Der alte Grasaffe hat ein ganz eigentliches Complott und Verschwörung gegen uns gestiftet und ganz laut [sich] gegen alles erklärt was zur neuen Schule gehört. Mit Wolf, Voß und Consorten. Wie sieʼs treiben kannst Du unter andern daraus [4] ersehn, daß Wolf ein langes lateinisches Programm gegen Steffens geschrieben hat. Dieser und Schleiermacher sind die einzigen in Halle die zusammenhalten; Wolf hat sich ganz für die Niederträchtigen erklärt. Schleiermacher fährt übrigens fort in den Einleitungen zum Plato sich meine Ideen anzueignen, d. h. was mein war für sein zu erklären, daß es eine wahre Lust ist; er hat viel vom Charakter der Spinne.
Die Holländische Armee kömmt jezt hier durch. Die hannövrische hingegen wird nach Holland gehen. Hannover wird geräumt, das ist gewiß; wahrscheinlich wird es an Preußen in Depot gegeben!!
Schreib mir ja bald, oder besser zu sagen gleich. Daß ich nicht gleich geantwortet, dafür wirst Du gewiß meine Entschuldigung gelten lassen. – Lebe recht wohl.
Friedrich

Die besten Grüsse von meiner Frau.
Wie bist Du denn mit dem Merlin zufrieden?
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