[1] [ten August [1810]
Wenn ich hätte hoffen können den bedrohten Besuch von Ihnen abzuwenden, hätte ich Sie allerdings schon seit einigen Wochen darauf vorbereitet, denn so lange ist es, daß mir der Plan angekündigt worden ist, ich dachte wohl daß es Ihnen höchst unangenehm sein würde, aber bei allem Mitleid mit MontmorencyIhrer Nähe leben wollte, indeß bringt mich dies von meiner Vermuthung nicht ab, und Sie begreifen wohl daß unter solchen Umständen, jeder Rath von meiner Seite ganz vergeblich ist. – Laßen Sie dies ganz unter uns bleiben, der unbegreifliche Leichtsinn dieser Frau, droht, sie so unglücklich zu machen, daß ich Sie ungern noch dazu betrüben möchte! – Noch scheint übrigens, irgend ein Hinderniß sich dieser Reise entgegenzusetzen, sollte es aber dazu kommen, so muß ich Sie mein theurer Freund wirklich bedauern, ich sehe voraus, daß Sie Sich der unangenehmen Zudringlichkeit nur durch Härte werden erwehren können, und diese wird Ihnen weher thun als Helminaʼn.
Ihr Brief ist gestern mit einem Courier [3] abgegangen. Es hat mich aufrichtig gefreut, die Bestätigung darinn zu finden, daß auch Sie an jene große Reise nicht glauben, mir ist sie nie recht klar geworden, und in den Äußerungen des ConstantHierbleiben gefunden. Warum ist Ihnen doch grade jezt wo alles so unbestimmt und schwankend durcheinander treibt Ihre Lebensweise doppelt zuwider? wer schaft denn jezt in einem bestimmten Wirkungskreise? muß nicht jeder die Hände in den Schooß legen, und die wüthenden Elemente gewähren laßen? – Hier heißt es seit einigen Tagen
Ich habe einige recht peinliche Wochen verlebt, und noch bin ich nicht ohne Unruhe! Ich habe Ihnen von dem wichtigen und empörenden Prozeß gesprochen den Memoires sehen müßen, und von Richtern, Klägern und Advokaten wiederholen gehört. Dies ist die mich betreffende Unannehmlichkeit, die warlich nicht gering ist, dazu kommt meine Unruh über den endlichen Ausgang dieser Sache, die für den Vater meines Mädchens sehr unglücklich zu werden droht! – Daß in meinem unverworrnen und monotonen Leben und Gemüth, sich so etwas ereignen konnte, beweist doch wohl, daß nicht wir selbst unser Leben leiten!
Geben Sie mir doch ja so schnell als möglich was Sie mir über wenigstens falsch ist. ich lebe ein[5]sam, was sollte auch wohl die Gesellschaft zu mir führen, da gehören Eigenschaften und äußere Bedingungen dazu, die mir durchaus fehlen! übrigens war es eben diese Einsamkeit die mich fürchten ließ
Daß ich bis hierher mit meinem Schreiben gelangt bin, ist warhaftig ein Meisterstück! In einem Zimmer mit 6 Kindern, die meist zugleich, und jedes etwas andres frägt, da muß man so gern an Jemand denken, als ich an Sie um zu schreiben!
Leben Sie recht wohl mein theurer Freund, ich erwarte ungeduldig Ihren nächsten Brief, ver[6]gessen Sie ChamissoShakespear
Leben Sie tausendmahl wohl
Henriette
Uebernehmen Sie gütig meine Entschuldigung bei